TE OGH 1991/5/23 8Ob540/91

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Veröffentlicht am 23.05.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Mag.C***** V*****, vertreten durch Dr.Kurt Janek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei W***** V*****, vertreten durch Dr.Thomas Strizik und Dr.Günter Vasicek, Rechtsanwälte in Krems an der Donau, wegen Ehescheidung und einstweiligen Unterhalt (Streitwert S 324.000), infolge Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Rekursgericht vom 12.März 1991, GZ 2 R 33/91-30, womit die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes Allentsteig vom 2.Jänner 1991, GZ C 311/90-24, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

In Abänderung des angefochtenen Beschlusses wird die vom Erstgericht erlassene einstweilige Verfügung wiederhergestellt. Die klagende und gefährdete Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung und ihres Revisionsrekurses vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Streitteile leben in Scheidung. Die gefährdete Klägerin (in der Folge Antragstellerin genannt) erhält 14mal jährlich eine Berufsunfähigkeitspension in Höhe von S 8.120 und einen Hilflosenzuschuß in Höhe von S 2.840 monatlich. Ihr Ehemann, der beklagte Gegner (in der Folge Antragsgegner genannt), erzielt ein monatliches Durchschnittseinkommen von S 19.378. Die Eheleute wohnten bis Ende März 1990 in Eggenburg und beabsichtigten, anschließend in ein von ihnen gemeinsam erworbenes und renoviertes Haus in Retz zu übersiedeln. Zur Finanzierung des Hauskaufes und der damit verbundenen Renovierungsarbeiten nahmen sie zwei Kredite auf und vereinbarten, gleichteilig zu deren Rückzahlung beizutragen. Die Rückzahlung soll in

20 Halbjahresannuitäten zu je S 80.403 erfolgen; ein 40%iger Annuitätenzuschuß soll nach erfolgter Endabrechnung gewährt werden. Die durchschnittliche monatliche Belastung aus beiden Krediten beläuft sich zur Zeit auf S 13.650; der Annuitätenzuschuß wird derzeit nicht gewährt, weil die endgültige Bauabrechnung noch nicht erfolgte. Der Antragsgegner verließ die Antragstellerin Ende März 1990 und zog nicht mehr in das neue Haus ein. Die erste Kreditrate in Höhe von S 80.403 war im Juli 1990 fällig und wurde, weil der Antragsgegner trotz Aufforderung keinerlei Zahlung dafür geleistet hat, von der Antragstellerin allein bezahlt. Die Antragstellerin erhält vom Antragsgegner seit April 1990 keinen Unterhaltsbeitrag; ohne Unterhaltsbeitrag des Antragsgegners kann sie die erforderlichen Kreditrückzahlungsraten jedoch nicht leisten.

Mit Klage vom 9.7.1990 begehrt die Antragstellerin die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Antragsgegners. Gleichzeitig beantragte sie ua vorerst, ihr ab April 1990 einen einstweiligen Unterhalt von S 6.000 zu gewähren, dehnte jedoch in der Folge ihr Unterhaltsbegehren auf S 9.000 monatlich aus. Ihren verhältnismäßig hohen Unterhaltsbedarf begründete sie mit den Kreditrückzahlungen, die sie für das als Ehewohnung in Aussicht genommene Haus nunmehr allein leisten müßte, weil der Antragsgegner seinen Anteil nicht bezahle.

Der Antragsgegner beantragte die Abweisung der einstweiligen Verfügung und wendete im wesentlichen ein, die Antragstellerin erziele ein ausreichendes Einkommen; die Zahlungen, die der Kreditschuldner der kreditgewährenden Bank zu bezahlen habe, seien keine Unterhaltszahlungen.

Das Erstgericht sprach der Antragstellerin für die Zeit bis zur rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens einen einstweiligen Unterhalt von S 9.000 ab 1.4.1990 zu. Es erwog: Der gemäß § 94 ABGB zustehende Unterhaltsanspruch erfasse auch die Wohnungskosten, sodaß bei der Bemessung des vom Antragsgegner zu leistenden einstweiligen Unterhalts auch sein Hälfteanteil an den Rückzahlungsraten einzubeziehen sei, weil er bisher freiwillig noch keinerlei Ratenzahlungen geleistet habe. Daß er das Haus in Retz nicht mehr bezogen habe, könne dessen Qualifikation als Ehewohnung nicht in Frage zu stellen. Der Antragstellerin stünde ein Unterhaltsanspruch von 40 % des Familieneinkommens abzüglich des eigenen Einkommens, das seien S 2.067 zu. Zuzüglich der auf den Antragsgegner entfallenden Hälfte der Kreditraten in Höhe von S 6.825 ergebe dies S 8.892, sodaß der Antragstellerin der einstweilig begehrte Unterhalt in Höhe von S 9.000 als angemessen zuzusprechen sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners teilweise Folge; es bestätigte den einstweiligen Unterhalt nur hinsichtlich S 2.100 und wies das Mehrbegehren von S 6.900 ab. Zur Begründung der Entscheidung wurde ausgeführt: Es treffe zu, daß der Unterhaltsanspruch des Ehegatten mit dem geringeren Einkommen in etwa 40 % des Familieneinkommens abzüglich des eigenen Einkommens auszumessen sei. Der Klägerin stehe daher jedenfalls auch ohne Berücksichtigung der Aufwendungen für die das Haus in Retz betreffenden Kreditrückzahlungen ein Betrag von S 2.100 an vorläufigem monatlichen Unterhalt zu. Dem Erstgericht sei auch grundsätzlich zuzustimmen, daß sich der rechtliche Schutz des § 97 ABGB nicht nur auf die von beiden Ehegatten bewohnte Ehewohnung, sondern auch auf jene Wohnung, die von den Ehegatten nicht gemeinsam bewohnt wird, ja selbst auf eine Wohnung erstreckt, die von den Ehegatten niemals gemeinsam bewohnt wurde, wenn die Wohnung nur seinerzeit als Ehewohnung bestimmt war und von einem Ehegatten, der nicht über sie verfügen kann, dringend benötigt wird. Der Zielsetzung des § 97 ABGB werde nur dann entsprochen, wenn dem wohnungsbedürftigen Eheteil der einstweiligen zu leistende Unterhalt so bemessen werde, daß ihm auch die Mittel zur Erhaltung der Wohnung zur Verfügung stünden. Zu diesem Zweck sei der einstweilige Unterhalt in einer Höhe zu bemessen, daß der Aufwand zur Darlehenstilgung, welcher zur Abwendung des Verlustes der Wohnung unbedingt notwendig sei, mitberücksichtigt werde. Im konkreten Fall sei es allerdings noch nicht zur Erhebung einer Klage gekommen und es drohe auch nicht die Zwangsversteigerung des Hauses in Retz, sodaß der Antragstellerin in nächster Zeit auch nicht der Verlust ihrer Wohnmöglichkeit drohe. Da derzeit die Erhaltung der Wohnung der Antragstellerin auch ohne den vom Erstgericht im Rahmen der Unterhaltsbemessung zugesprochenen Beitrag für die Darlehenstilgung nicht gefährdet sei, lägen die Voraussetzungen des § 97 ABGB, derentwegen auch die Darlehensrückzahlungen, die der Antragsgegner schulde, bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen wären, nicht vor. Den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshofs ließ das Rekursgericht zu, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob der Unterhalt auch bereits dann unter Berücksichtigung der Darlehensaufwendungen zu bemessen sei, wenn der Darlehensgeber - anders als in dem der E SZ 60/97 zugrundeliegenden Sachverhalt - noch keine Klage erhoben habe.

Der Zuspruch auf einstweiligen Unterhalt in Höhe von S 2.100 monatlich erwuchs mangels Anfechtung in Rechtskraft. Die Antragstellerin wendet sich nun gegen den abweisenden Teil des Beschlusses mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluß wiederherzustellen und ihr einen einstweiligen Unterhalt von insgesamt S 9.000 zuzusprechen; hilfsweise stellt die Antragstellerin auch einen Aufhebungsantrag.

Der Antragsgegner beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Wie der Oberste Gerichtshof in der grundlegenden E vom 27.5.1987, SZ 60/97, ausgeführt hat, hat der wohnungsbedürftige Ehegatte nach § 97 ABGB gegen den anderen auch einen Leistungsanspruch. Auch der Anspruch auf positives Tun kann bei drohendem Verlust der Wohnung im Wege einstweiliger Verfügung gesichert werden. Im Rahmen des § 382 Z 8 lit a EO muß auch bedacht werden, daß sich der durch das Wohnen bewirkte Unterhaltsbedarf auf die Bemessung der Höhe des zu leistenden Unterhalts auswirkt. Muß der Unterhaltsberechtigte die Kosten der Wohnung tragen, so hat er vollen Anspruch auf Leistung des Unterhalts in Geld. Demnach kann zwar nicht der aus § 97 ABGB entspringende Anspruch, daß der andere Ehegatte die zur Abwendung des Verlustes der Wohnung erforderlichen Leistungen weiter erbringt, durch eine einstweilige Verfügung nach § 382 Z 8 lit a EO gesichert werden. Der Zielsetzung des § 97 ABGB, der einen Ehegatten zur Sicherung seines Wohnbedürfnisses vor Willkürakten des anderen schützen soll, wird aber nur entsprochen, wenn dem wohnungsbedürftigen Eheteil der einstweilen zu leistende Unterhalt in einem Ausmaß zuerkannt wird, daß ihm damit auch die Mittel zur Erhaltung der Wohnung zur Verfügung stehen. Daraus folgerte der Oberste Gerichtshof, daß der einstweilige Unterhalt unter Berücksichtigung des zur Verhinderung des Verlustes der Wohnung erforderlichen Aufwandes für die Darlehenstilgung zu bemessen ist.

Der vorliegende Fall unterscheidet sich von dem der E SZ 60/97 zugrunde liegenden nur dadurch, daß einerseits hier die Antragstellerin einstweiligen Unterhalt nur unter Berücksichtigung des halben monatlichen Aufwandes für die Darlehenstilgung begehrt, und daß andererseits der Darlehensgeber noch keine Klage auf Zahlung der fälligen Teilbeträge oder allenfalls des gesamten offenen Darlehensbetrages erhoben hat.

Zwar kann der einstweilen - bis zur Rechtskraft der Scheidung - zu leistende Unterhalt des wohnungsbedürftigen Teils nur dann unter Berücksichtigung der zur Erhaltung der Wohnung nötigen Mittel zuerkannt werden, wenn anderenfalls der Verlust der Wohnung droht: Insofern wird also im Gegensatz zum sonstigen einstweiligen Unterhalt nach § 382 Z 8 lit a EO eine konkrete Gefährdung im Rahmen der bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigenden Sicherungsansprüche nach § 97 ABGB gefordert (vgl MGA EO12 § 382/344 im Gegensatz zu § 382/144). Es kann aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung kein Zweifel bestehen, daß bei Nichtzahlung fälliger Darlehensrückzahlungsraten an das kreditgewährende Kreditunternehmen letztlich der Verlust des als Ehewohnung bestimmten Einfamilienhauses durch Zwangsversteigerung droht. Ob das Kreditunternehmen bereits Klage erhoben hat oder nicht, ist für die Frage der konkreten Gefährdung gleichgültig, wenn, wie hier, feststeht, daß der Antragsgegner auf die im Juli 1990 fällig gewordene erste Kreditrate in Höhe von S 80.403 seinen Hälfteanteil nicht bezahlt hat, sodaß die Antragsstellerin zur Vermeidung von nachteiligen Folgen gezwungen war, die ganze Kreditrate selbst zu leisten, sie aber solche Zahlungen ohne entsprechenden Unterhaltsbeitrag des Antragsgegners nicht ohne Gefährdung ihres Unterhalts aufbringen kann.

Der Antragsgegner meint in seiner Revisionsrekursbeantwortung, die Antragstellerin habe ihm durch die Bezahlung der fälligen Kreditrate jede Entscheidungsmöglichkeit darüber, wie er sein Vertragsverhältnis mit dem kreditgewährenden Bankinstitut zu gestalten vorhatte, aus der Hand genommen. Darauf ist ihm zu erwidern, daß es ihm freigestanden wäre, rechtzeitig, nämlich vor Fälligkeit der Rate, eine derartige Vereinbarung zu treffen. Mit seiner Ansicht, der Anspruch sei überhaupt nicht gemäß § 382 EO sicherbar, weil es sich bei dem Haus nicht um eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse handle, geht der Antragsgegner nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Das Haus war von beiden Streitteilen als Ehewohnung bestimmt; es genießt den Schutz des § 97 ABGB auch dann, wenn es niemals gemeinsam bewohnt wurde, soferne es nur als Ehewohnung bestimmt war und von einem Ehegatten dringend benötigt wird (EFSlg 53.083 ua).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO (MGA EO12 § 393/4 ff).

Anmerkung

E25755

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0080OB00540.91.0523.000

Dokumentnummer

JJT_19910523_OGH0002_0080OB00540_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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