Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Schutzverband *****, vertreten durch DDr.Walter Barfuß und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1) M***** Markt ***** Gesellschaft mbH, *****; 2) M***** Markt ***** Gesellschaft mbH, ***** beide vertreten durch Dr.Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren: 470.000 S) infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 21.Februar 1991, GZ 1 R 29/91-8, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 2.Jänner 1991, GZ 38 Cg 154/90-4, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; die angefochtene einstweilige Verfügung wird dahin abgeändert, daß der den Sicherungsantrag abweisende Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 37.085,40 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 6.180,90 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Erstbeklagte betreibt seit Ende Oktober 1990 in Wien-Vösendorf (bei der "Shopping City Süd"), die Zweitbeklagte in Wien-Simmering (im "HUMA-Zentrum") den Detailhandel mit Elektrogeräten. Für diese beiden Elektrogeschäfte haben die Beklagten gemeinsam in ganz-, doppel- oder mehrseitigen Zeitungsanzeigen (ua) mit folgenden Schlagworten geworben:
-
"Europas großer Fachmarkt mit dem Riesenangebot an:
TV-Video-HiFi-CDs-Elektro-Foto-Computer"
- "Europas großer Fachmarkt für:
Video-TV-HiFi-Elektro-Foto-Computer und CDs"
-
"Media-Markt - stark"
-
"Riesen Auswahl und Superpreise"
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"Erleben Sie die neue Dimension"
-
"Stark".
In den Fußleisten dieser Inserate waren die nachstehenden Lageskizzen der beiden Media-Markt-Niederlassungen mit folgendem Begleittext abgedruckt:
a) in den Inseraten vom 29.10.1990:
Abbildung nicht darstellbar!
b) in den späteren Inseraten:
Abbildung nicht darstellbar!
Hier waren in den meisten Fällen die Planflächen der Niederlassungen der Beklagten sowie die Worte "Media Markt", manchmal auch die Pfeile, durch Rotdruck hervorgehoben.
Mit der Behauptung, die Beklagten hätten in ihren Lageskizzen durch eine grobe Verzerrung der Größenverhältnisse eine in Wahrheit nicht vorhandene Ausdehnung der Geschäfts- und Betriebsräumlichkeiten ihrer Unternehmungen vorgetäuscht und damit gegen § 2 UWG verstoßen, beantragt der klagende Wettbewerbsverband (§ 14 UWG) zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung in Werbeankündigungen die Verwendung von Skizzen zu untersagen, in denen das Geschäftslokal der Erstbeklagten in Wien-Vösendorf flächenmäßig fast ebenso groß dargestellt wird wie die gesamte "Shopping City Süd" und/oder in denen das Geschäftslokal der Zweitbeklagten in Wien-Simmering wesentlich größer dargestellt wird als es tatsächlich ist, insbesondere die Werbung mit folgenden Skizzen:
Abbildung nicht darstellbar!
In den Lageskizzen seien die Geschäftslokale der Beklagten gegenüber der Wirklichkeit um ein Vielfaches größer dargestellt. Der nur etwa 80 m lange und 48 m breite Media Markt in Vösendorf sei dort in der Relation nahezu gleich groß wie die gesamte, rund 700 m lange "Shopping City Süd"; die Grundfläche des "HUMA-Zentrums" in Simmering nehme entgegen den Lageskizzen nicht mehr als die Hälfte der Fläche zwischen den vier das Gebäude umgebenden Straßen ein, sondern nicht einmal ein Drittel; davon abgesehen stehe der Zweitbeklagten gar nicht das gesamte Gebäude zur Verfügung, sondern nur rund ein Drittel davon, seien doch dort auch noch die Firmen "HUMA" und "METRO" untergebracht. Die durch diese grobe Verzerrung des Maßstabes in den Lageskizzen bewirkte Vortäuschung einer besonderen Unternehmensgröße betone solcherart so noch die Wortaussagen der Anzeigen.
Die Beklagten beantragen die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Die beanstandeten Lageskizzen seien nach dem Gesamteindruck der Inserate nur Orientierungshilfen, aus denen das angesprochene Publikum keinen Hinweis auf eine bestimmte Größe der Betriebsstätten entnehmen werde. Für die Interessenten stehe das Warenangebot und dessen Preiswürdigkeit im Vordergrund, nicht aber die räumliche Größe eines Geschäftes. Überdies sei allgemein bekannt, daß auf schematisch vergröberten Orientierungsskizzen das beworbene Unternehmen jedenfalls größer eingezeichnet wird als die anderen, damit es leichter gefunden werden könne. Solche Skizzen seien schon nach ihrer objektiven Zweckbestimmung keine "Angaben" über die Größe des werbenden Unternehmens; sie würden vom angesprochenen Publikum auch nicht als solche verstanden.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Bei der Werbung für neu eröffnete Geschäfte sei es üblich und notwendig, deren Standort in Lageplänen auch mit dem Hinweis auf dem Publikum bereits bekannte Objekte näher zu umschreiben. Derartige Skizzen seien regelmäßig nicht maßstabgerecht, weil sie ja nur als Orientierungshilfe zur näheren Bestimmung der Lage des Geschäftes dienen sollten; das Publikum rechne auch gar nicht mit einer maßstabgetreuen Darstellung. Den beanstandeten Lageskizzen sei demnach keine Angabe über eine bestimmte Größe der Verkaufsgeschäfte der Beklagten in Relation zu anderen Objekten zu entnehmen, werde doch der "Media Markt" in Vösendorf deutlich kleiner dargestellt als die "Shopping City Süd"; durch den Pfeil beim Verkaufsgeschäft der Zweitbeklagten in Simmering sei eindeutig klargestellt, daß sich ihr "Media Markt" nur in einem Teil des groß herausgestellten Gebäudes befindet.
Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Auch bildliche Darstellungen mit der Wiedergabe einer in Wahrheit nicht vorhandenen Ausdehnung der Geschäfts- und Betriebsräumlichkeiten eines Unternehmens seien irreführende Angaben über geschäftliche Verhältnisse im Sinne des § 2 UWG. Wenngleich das Publikum bei bloßen Skizzen nicht unbedingt mit völlig maßstabgetreuen Darstellungen rechne, seien doch grobe Verzerrungen, die einen falschen Eindruck hinterlassen, unzulässig. Das gelte umso mehr dann, wenn - wie hier - der Werbende zugleich mit Schlagworten über seine Größe und Stärke operiere. Demgegenüber könnten Lageskizzen ihren Zweck als Orientierungshilfe auch anders als durch grobe Verzerrung des Maßstabes erfüllen, zB durch Hinweispfeile oder besondere Farbunterschiede.
Gegen diese einstweilige Verfügung wendet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.
Der Kläger stellt in der ihm gemäß § 521 a ZPO freigestellten Revisionsrekursbeantwortung den Antrag, das Rechtsmittel der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen; hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen der Meinung des Klägers schon deshalb zulässig, weil zur Frage, ob und wie weit bei der Werbung mit Lage- oder Zufahrtsskizzen Verzerrungen des Maßstabes toleriert werden können, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.
Auszugehen ist davon, daß nach § 39 Abs 1 UWG "bildliche Darstellungen und sonstige Veranstaltungen" den in § 2 UWG bezeichneten "Behauptungen und Angaben" gleichgestellt sind, wenn sie "die wörtlichen Angaben zu ersetzen bestimmt und geeignet sind". In diesem Sinne ist es in Lehre und Rechtsprechung unbestritten, daß auch in der Abbildung einer großen Fabriksanlage oder von Geschäftsgebäuden eine irreführende Angabe über Umfang und Bedeutung des werbenden Unternehmens liegen kann (Hohenecker-Friedl Wettbewerbsrecht 37; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16, 921 Rz 404 f zu § 3 dUWG; Helm in Gloy, Handbuch des Wettbewerbsrechts 646 Rz 309; Nordemann, Wettbewerbsrecht6, 64 Rz 74; ÖBl 1961, 91; ÖBl 1973, 56); dabei war es aber stets nur um graphische oder fotographische Darstellungen bzw Abbildungen der in Betracht kommenden Objekte gegangen. Schon dazu führen aber Baumbach-Hefermehl (aaO) und Helm (aaO) aus, daß in diesem Zusammenhang der eingebürgerten Übertreibung in mäßigen Grenzen - jedenfalls im weiteren Maße als bei Warenanpreisungen - Rechnung zu tragen sei und der Verkehr keineswegs mit einer absolut zutreffenden perspektivischen Darstellung rechne; grobe Verzerrungen, die einen falschen Eindruck hinterlassen, sollten jedoch unzulässig sein.
Im Anschluß an diese Lehre und Rechtsprechung kann es nicht zweifelhaft sein, daß auch von einem Gewerbetreibenden veröffentlichte Lagepläne oder Lageskizzen seines Unternehmens zu den "bildlichen Darstellungen und sonstigen Veranstaltungen" im Sinne des § 39 Abs 1 UWG gehören, so weit sie die in § 2 UWG bezeichneten wörtlichen Angaben ersetzen können. Eine solche Wertung lag bereits - wenn auch unausgesprochen - der Entscheidung des erkennenden Senates vom 9.10.1990, 4 Ob 134/90, zugrunde: Dort war es allerdings darum gegangen, daß der Beklagte in Verbindung mit einer entsprechenden graphischen Darstellung die Zufahrtsmöglichkeit zu seinem Großmarkt über eine in Wahrheit so nicht vorhandene Verbindung zwischen einer neuen Autobahnabfahrt und seinem Standort als "jetzt noch einfacher und leichter" angekündigt hatte. Im vorliegenden Fall zieht aber der Kläger die Wortankündigungen über die Größe und Bedeutung der "Media Märkte" der beiden Beklagten gar nicht in Zweifel. Die ihnen zur Verfügung stehenden Verkaufsflächen entsprechen auch dieser wirtschaftlichen Bedeutung, hat doch das Gebäude der Erstbeklagten nach den eigenen Angaben des Klägers ein Ausmaß von etwa 80 x 48 m, während der Zweitbeklagten rund ein Drittel des ganzen "HUMA-Zentrums" zur Verfügung steht. Wenn daher die Beklagten in den schematischen Lageskizzen die Grundflächen ihrer Geschäftsräumlichkeiten in Relation zur unmittelbaren Umgebung, insbesondere im Fall Vösendorf zur "Shopping City Süd", nicht maßstabgerecht dargestellt, sondern ihren Markt bzw das Gebäude, in dem sich der Markt befindet, erheblich größer eingezeichnet haben, wird der flüchtige Betrachter daraus noch keineswegs auf eine der Zeichnung entsprechende tatsächliche Größe schließen. Nach ihrem jedem Interessenten einsichtigen Zweck sollen ja solche Lageskizzen das Publikum über den genauen Standort des Unternehmens des Werbenden informieren; dazu dient nicht nur die Darstellung der umliegenden Verkehrswege, sondern auch die Bezeichnung nahegelegener und allgemein bekannter markanter Gebäude oder Einrichtungen. Niemand rechnet aber in einem solchen Fall mit einer völlig maßstabgerechten Darstellung; der Verkehr ist vielmehr - dem Zweck solcher Lageskizzen
entsprechend - darauf eingestellt, daß der eigene Standort des Werbenden deutlich hervorgehoben, also in Relation zur Umgebung und zu allfälligen Bezugspunkten durch Hinweispfeile, farbliche Gestaltung, aber auch durch seine Größe oder all das zusammen, besonders herausgestellt wird. Verzerrende schematische Größendarstellungen der Betriebsräumlichkeiten eines Werbenden in Lageskizzen werden daher vom Publikum regelmäßig nicht ernst genommen; sie sind vielmehr für sich allein regelmäßig nicht geeignet, beim angesprochenen Publikum irreführende Vorstellungen über Umfang und Bedeutung des Geschäftsbetriebes des Werbenden auszulösen.
Das trifft entgegen der Meinung der Klägerin und des Rekursgerichtes auch im vorliegenden Fall zu, in welchem die Erstbeklagte die Grundfläche ihres "Media Marktes" in Vösendorf immer noch deutlich kleiner dargestellt hat als jene des nahegelegenen Orientierungspunktes "Shopping City Süd". Die Zweitbeklagte hat aber im Begleittext ihrer Lageskizze von vornherein klargestellt, daß sich ihr Geschäft im "HUMA-Zentrum" befindet; sie hat darüber hinaus auch durch den in die Südostecke des Gebäudes eindringenden Pfeil deutlich gemacht, daß sich ihre Verkaufsflächen (nur) in diesem Gebäudeteil befinden. Daß die Grundfläche des "HUMA-Zentrums" im Rahmen des durch die Umgebungsstraßen gebildeten Quadrates maßstabwidrig zu groß dargestellt ist, kann aber nach den bisherigen Ausführungen für sich allein das Publikum nicht über die Größe und Bedeutung des - an sich wirtschaftlich starken - Unternehmens der Zweitbeklagten täuschen.
In Stattgebung des Revisionsrekurses war daher der den Sicherungsantrag abweisende Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 402 Abs 2, § 78 EO und §§ 41, 50 und 52 Abs 1 ZPO.
Anmerkung
E25658European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0040OB00043.91.0528.000Dokumentnummer
JJT_19910528_OGH0002_0040OB00043_9100000_000