TE Vwgh Beschluss 2005/12/20 2005/04/0231

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Veröffentlicht am 20.12.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §58 Abs1;
FinStrG §33 Abs2 lita;
FinStrG §77 Abs3;
FinStrG §77 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, in der Beschwerdesache des M in L, vertreten durch Dr. Reinhard Schwarzkogler, Rechtsanwalt in 4650 Lambach, Marktplatz 2, gegen die Erledigung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vom 31. August 2005, Zl. 2975/05/Dr.IH/Gu, betreffend Bestellung eines Verfahrenshilfeverteidigers, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Erledigung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Beschwerdeführer stellte am 25. Juli 2005 bei der zuständigen Finanzstrafbehörde für Ing. Manfred T. den Antrag, diesem im Finanzstrafverfahren gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG die Verfahrenshilfe zu bewilligen. Diesem Antrag wurde mit Bescheid vom 19. August 2005 (dem Beschwerdeführer zugestellt am 22. August 2005) stattgegeben.

Zu seinem Antrag vom 22. August 2005 an die Kammer der Wirtschaftstreuhänder, ihn in der Finanzstrafsache gegen Ing. Manfred T. zum Verfahrenshilfeverteidiger zu bestellen, erhielt der Beschwerdeführer folgendes nicht als Bescheid bezeichnetes Schreiben der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vom 31. August 2005:

"Sehr geehrter Herr F.!

Wir danken für Ihre Bereitschaft, die Verteidigung des Herrn Ing. Manfred T. im Finanzstrafverfahren gem. § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG, zu übernehmen.

Da wir sehr viele Mitglieder haben, die an der Übernahme von Verfahrenshilfesachen interessiert sind, hat das Präsidium in seiner Sitzung vom 29.08.2005 beschlossen, im gegenständlichen Verfahren im Sinne der Gleichbehandlung Ihrer Kollegen, jemand anderen mit der Verteidigung des Herrn Ing. Manfred T. zu beauftragen.

Wir ersuchen Sie um Verständnis, dass wir auch jene Mitglieder, die noch nie oder bereits seit längerer Zeit nicht mehr von uns als Verfahrenshilfeverteidiger bestellt wurden, berücksichtigen müssen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. I.H.

(Stellv. Kammerdirektorin)"

Gegen diese vom Beschwerdeführer als Bescheid gewertete Erledigung richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, gemäß § 77 Abs. 4 FinStrG zum Verteidiger bestellt zu werden.

Zunächst ist zu prüfen, ob der angefochtenen, nicht als Bescheid bezeichneten Erledigung Bescheidcharakter zukommt.

Gemäß § 77 Abs. 3 und 4 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde auf Antrag des Beschuldigten, wenn und soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung erforderlich ist, dem Beschuldigten für das gesamte Verfahren oder für einzelne Verfahrenshandlungen einen Verteidiger beizugeben, dessen Kosten er nicht zu tragen hat. Die Finanzstrafbehörde hat dies der Kammer der Wirtschaftstreuhänder mitzuteilen, damit diese einen Wirtschaftstreuhänder als Verteidiger bestelle. Von der Bestellung hat die Kammer die Finanzstrafbehörde zu verständigen.

Ein Anspruch eines Wirtschaftstreuhänders auf Bestellung zum Verfahrenshilfeverteidiger in einem bestimmten Verfahren ist diesen Bestimmungen nicht zu entnehmen. Es ist daher auch nicht geboten, einen Antrag auf Bestellung zum Verfahrenshilfeverteidiger bescheidmäßig abzulehnen.

Im Übrigen ist die Voraussetzung für die Qualifikation eines Verwaltungsaktes als Bescheid, dass es im Willen des Organes liegt, einen Akt der hoheitlichen Gewalt zu setzen und dass es diesen Willen entsprechend zum Ausdruck bringt (vgl. dazu und zum Folgenden den hg. Beschluss vom 24. März 1999, Zl. 99/12/0017, mwH auf Judikatur des VfGH).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinn auch aus der Form der Erledigung, ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen u.dgl. können nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Spruch im Sinne des § 58 Abs. 1 AVG gewertet werden.

Bei Zweifel über den Inhalt kommt auch der sonstigen Form der Erledigung entscheidende Bedeutung zu, und zwar dem Gebrauch der Höflichkeitsfloskel "Sehr geehrter Herr" oder der Verwendung "teilt Ihnen mit". Aus einer solchen Form einer Erledigung ist zu schließen, dass kein Bescheid, sondern eine nicht normative Willenserklärung vorliegt.

Im Beschwerdefall ist die auf ihre Bescheidqualität zu prüfende Erledigung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vom 31. August 2005 weder als Bescheid bezeichnet, noch weist sie sonst den Aufbau eines Bescheides (Begründung, Rechtsmittelbelehrung) auf. Sie beginnt und endet jeweils mit einer im (allgemeinen) Schriftverkehr üblichen Höflichkeitsformel. Inhaltlich handelt es sich weder um eine Entscheidung, Verfügung oder Feststellung, sondern um eine Mitteilung über eine Beschlussfassung des Präsidiums am 29. August 2005 in der Verfahrenshilfesache des Ing. Manfred T.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kommt der bekämpften Erledigung keine Bescheidqualität zu.

Für diese Auslegung spricht auch, dass die Finanzstrafbehörde gemäß § 77 Abs. 3 und 4 FinStrG bei Vorliegen der in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen auf Antrag des Beschuldigten diesem einen Verteidiger für das gesamte Verfahren oder für einzelne Verfahrenshandlungen beizugeben hat, dessen Kosten er nicht zu tragen hat. Sie hat dies der Kammer der Wirtschaftstreuhänder mitzuteilen, damit diese einen Wirtschaftstreuhänder als Verteidiger bestelle. Von der Bestellung hat die Kammer die Finanzstrafbehörde zu verständigen.

Aus dieser Bestimmung ergibt sich daher kein Anspruch eines Wirtschaftstreuhänders auf Bestellung zum Verteidiger im Rahmen der Verfahrenshilfe, sodass auch vor diesem Hintergrund der in Rede stehenden Erledigung ein normativer Inhalt nicht beizulegen ist.

Da es somit an einer Prozessvoraussetzung für die Zulässigkeit der Beschwerde fehlt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 20. Dezember 2005

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Belehrungen Mitteilungen Einhaltung der Formvorschriften Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Mitteilungen und Rechtsbelehrungen Rechtsmittelbelehrung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005040231.X00

Im RIS seit

15.03.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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