Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes
Hon.Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Maier, Dr. Petrag und Dr. Bauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** & W***** GESELLSCHAFT mbH, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei R*****GESELLSCHAFT mbH in Liquidation, vertreten durch den Liquidator D***** R*****, vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wegen S 1,056.852,-- sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 11. Jänner 1991, GZ 3 R 334/90-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 10. Juni 1990, GZ 8 Cg 391/89-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die beklagte Partei stand mit der
A***** & W***** Gesellschaft mbH mit dem Firmensitz in W***** in laufender Geschäftsverbindung. Hieraus resultiert eine Forderung der A***** & W***** Gesellschaft mbH W***** in der Höhe von S 1,056.852,--, die bisher von der beklagten Partei nicht beglichen wurde.
Die klagende Partei begehrt die Zahlung eines Betrages in dieser Höhe. Die Forderung der A***** & W***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in W***** sei ihr von dieser abgetreten worden. Die Geschäftsbedingungen der beklagten Partei seien nie Inhalt der im Rahmen der Geschäftsbeziehung abgeschlossenen Verträge geworden.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Grundlage der Geschäftsverbindung mit der A***** & W***** Gesellschaft mbH W***** seien die Einkaufs- und Auftragsbedingungen der beklagten Partei gewesen. Nach diesen sei eine Abtretung der Forderung nur mit schriftlicher Zustimmung der beklagten Partei zulässig. Diese sei nicht erteilt worden; eine Zession sei im übrigen nicht nachgewiesen. Ein Zahlungsziel von 120 Tagen sei vereinbart worden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte den Vorgang bei den einzelnen Bestellungen und den Inhalt der auf den in diesem Zusammenhang übermittelten Schreiben abgedruckten Geschäftsbedingungen der beteiligten Geschäftspartner fest und legte seiner Entscheidung zugrunde, daß die
A***** & W***** Gesellschaft mbH W***** die eingeklagte Forderung an die klagende Partei abgetreten habe. Hieraus zog es den rechtlichen Schluß, daß die klagende Partei zur Geltendmachung der Forderung legitimiert sei. Da Vertragsinhalt die allgemeinen Geschäftsbedingungen der A***** & W***** Gesellschaft mbH W*****, nicht jedoch die allgemeinen Geschäftsbedingungen der beklagten Partei gewesen seien, stünde das in diesen Vertragsbedingungen enthaltene Zessionsverbot der Wirksamkeit der Abtretung nicht entgegen.
Das Berufungsgericht gab der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger Tatsachenfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei in nichtöffentlicher Sitzung nicht Folge und sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung abzuändern, hilfsweise wird eine Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei hält die außerordentliche Revision für unzulässig; sie beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil die Frage, wie vorzugehen ist, wenn in der Berufung zwar kein ausdrücklicher Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung gestellt wird, aus dem übrigen Inhalt des Rechtsmittels sich jedoch deutliche Hinweise auf eine hierauf gerichtete Absicht des Rechtsmittelwerbers ergeben, eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist und die vom Berufungsgericht gewählte Vorgangsweise von der hiezu ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht.
Die Berufung ist auch im Sinn des Aufhebungsantrages berechtigt.
In der Beweisrüge der Berufung wurde die Feststellung bekämpft, daß die Forderung der klagenden Partei abgetreten worden sei. Die beklagte Partei beantragte in ihrer Berufung zwar nicht ausdrücklich die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung, stellte aber unter anderem den Berufungsantrag, das Ersturteil aufzuheben und vor dem Berufungsgericht unter Ladung der bisher vernommenen Zeugen eine Beweiswiederholung vorzunehmen. Das Berufungsgericht entschied über die Berufung dennoch in nichtöffentlicher Sitzung.
In der Revision rügt die beklagte Partei die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung. Auf Grund ihres Berufungsantrages sei sie davon ausgegangen, daß selbstverständlich eine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt werde. Die Anträge der Berufung hätten klar darauf abgezielt, eine Überprüfung der Glaubwürdigkeit der vernommenen Zeugen durch deren Vernehmung vor dem Berufungsgericht zu erreichen. Hiezu sei aber die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung erforderlich. Jedenfalls wäre das Berufungsgericht verpflichtet gewesen, einen Verbesserungsauftrag zu erteilen, wenn über den Inhalt des Berufungsantrages Zweifel bestanden hätten.
Diese Ausführungen sind berechtigt. Vorerst ist zu prüfen, ob der in § 477 Abs 1 Z 4 ZPO bezeichnete Nichtigkeitsgrund (Fasching Komm IV 303; SZ 7/388 ua) oder der geltendgemachte Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 3 ZPO vorliegt. Gemäß § 492 Abs 1 ZPO können die Parteien auf die Anordnung einer Tagsatzung zur mündlichen Berufungsverhandlung über die Berufung verzichten. Hat weder der Berufungswerber in der Berufungsschrift noch der Berufungsgegner in der für die Erstattung der Berufungsbeantwortung offenstehenden Frist die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung ausdrücklich beantragt, so wird angenommen, daß die Parteien auf die Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Berufungsverhandlung verzichtet haben. Das Gesetz fordert daher einen "ausdrücklichen" Antrag auf Anberaumung der mündlichen Berufungsverhandlung (Holzhammer ZPR2 329), der sich zumindest klar aus den Ausführungen in den Rechtsmittelschriften ergeben muß. Die seit der 5. Gerichtentlastungsnovelle verlangte Eindeutigkeit der Stellungnahme (vgl. SZ 13/63, 21/110 mwH) wurde auch in der Neufassung dieser Bestimmung durch die Zivilverfahrensnovelle 1983 beibehalten. Es reicht folglich nicht aus, ohne eine solche Antragstellung eine Beweis- und Tatsachenrüge geltend zu machen und sich zur Dartuung dieses Berufungsgrundes auf Beweise zu berufen, deren Aufnahme durch das Berufungsgericht erfolgen soll (Pollak System2 743; 5 Ob 732/81 ua). Dies folgt schon daraus, daß die ohne ausdrücklichen Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung erhobene Beweis- und Tatsachenrüge dennoch beachtlich ist und die Unterlassung des Antrages bewirkt, daß das Berufungsgericht die Berufungsgründe zu prüfen und dann, wenn es auf Grund der Aktenlage Bedenken gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit der erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen hat und zur Entscheidung eine Beweiswiederholung und -ergänzung als notwendig erachtet, die mündliche Berufungsverhandlung ohnehin von Amts wegen anordnen muß (Fasching Komm IV 197; SZ 57/142).
Andererseits entspricht es sicherlich nicht dem Sinn des § 492 Abs 1 ZPO, von den Parteien einen ausdrücklichen und abgesonderten Antrag auf Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Berufungsverhandlung zu verlangen. Lehre und überwiegende Rechtsprechung (weitergehend SZ 8/176) sehen es als hinreichend an, wenn im Zusammenhang mit den anderen Berufungsanträgen im Wortlauf der Anträge die "mündliche Berufungsverhandlung" in einer solchen Weise erwähnt wird, daß ihre Durchführung als von der Partei logisch vorausgesetzt erscheint (Fasching Komm IV 196; Kuderna ASGG § 44 Erl 2, 222; EvBl 1967/118; 5 Ob 580/85 ua).
Die anwaltlich vertretene beklagte Partei hat es im vorliegenden Fall nicht nur verabsäumt, einen Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung zu stellen, sondern sie hat auch den Begriff "mündliche Berufungsverhandlung" in ihrer Berufungsschrift nicht erwähnt. Es konnte daher zumindest noch in einem gewissen Maß zweifelhaft erscheinen, ob sie dem Berufungsgericht nur die in § 492 Abs 2 letzter Satz ZPO eingeräumte Möglichkeit der Anberaumung einer Berufungsverhandlung von Amts wegen nachdrücklich nahelegen oder ob sie auf keinen Fall auf eine mündliche Berufungsverhandlung verzichten wollte. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes ist daher nicht mit Nichtigkeit behaftet, doch hätte sich das Berufungsgericht nicht mit dem von ihm eingenommenen formalistischen Standpunkt begnügen dürfen. Wenn das Berufungsgericht nämlich die Forderung der beklagten Partei nach Beweiswiederholung - eines formellen Antrages bedurfte es diesbezüglich nicht - nicht für einen ausdrücklichen Antrag nach § 492 Abs 1 ZPO als ausreichend erachtete, hätte es zufolge der Neufassung des § 84 Abs 3 ZPO durch die Zivilverfahrensnovelle 1983 von Amts wegen den Kläger zur Verbesserung seines Antrages dahin auffordern müssen, ob er ausdrücklich die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung begehre (Fasching ZPR RZ 1799; Kuderna ASGG § 44 Erl 2, 222). Da ein solches Verbesserungsverfahren unterblieb, liegt der Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO vor.
Die Entscheidung des Berufungsgerichtes war daher schon aus diesem Grund aufzuheben, so daß sich ein Eingehen auf die weiteren Revisionsgründe vorerst erübrigt.
Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E26060European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0090OB00703.91.0529.000Dokumentnummer
JJT_19910529_OGH0002_0090OB00703_9100000_000