Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Juni 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Moser als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Bernhard J***** wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 (§ 170 Abs. 1) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 8.November 1990, GZ 10 Vr 669/90-19, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertretes des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Grundei zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 21-jährige Fleischhauergehilfe Bernhard J***** im zweiten
Rechtsgang - abweichend von der auf das Verbrechen der Brandstiftung nach § 169 Abs. 1 StGB lautenden Anklage - des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 (§ 170 Abs. 1) StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er sich am 20.Jänner 1990 in Weiz, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt und im Rausch eine Handlung begangen, die ihm außer diesem Zustand als Vergehen der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst nach § 170 Abs. 1 StGB zugerechnet würde, indem er fahrlässig an einer fremden Sache ohne Einwilligung des Eigentümers eine Feuersbrunst dadurch verursachte, daß er es unterließ, einen im Bereich seiner Schlafstelle von ihm fahrlässig verursachten Brand, der sich zur Zeit der Entdeckung durch ihn auf eine Fläche von ca. 50 x 50 cm beschränkte, selbst zu löschen oder die Feuerwehr zu verständigen, sodaß das Feuer auf die gesamte von ihm bewohnte Unterkunft übergriff, wodurch ein Schaden von 350.000 S (davon mehr als 305.000 S zum Nachteil des Gebäudeeigentümers Johann L*****) herbeigeführt wurde.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen kam der Angeklagte nach einer in der Stadt Weiz unternommenen Zechtour gegen 3 Uhr früh des 20.Jänner 1990 in stark ("erheblich" bzw. "beträchtlich") alkoholisiertem Zustand - auf Grund des beim Angeklagten anläßlich der etwa neun Stunden später erfolgten Blutabnahme festgestellten Blutalkoholgehaltes von 0,7 Promille wurde vom Sachverständigen Dr. ZIGEUNER für den Tatzeitpunkt ein Blutalkoholwert im Bereich von 1,6 bis 2,5 Promille ermittelt - in sein Zimmer (im Haus seines Dienstgebers) zurück. Nachdem er sich ausgezogen hatte, begab er sich zu Bett, wobei er mit halb aufgerichtetem Oberkörper liegend noch eine Zigarette rauchte, die er zwischen dem Zeige- und Mittelfinger der linken Hand hielt; während des Rauchens schlief der Angeklagte ein. Er erlitt zunächst durch die abbrennende Zigarette Brandblasen an der Innenseite der zuvor bezeichneten Finger. Der Zigarettenrest fiel sodann zu Boden; dadurch begann die am Boden abgelegte Hose des Angeklagten zu brennen. Als die Flammen auf das Bett übergriffen, erlitt J***** am linken Oberschenkel Verbrennungen und wurde dadurch wach. Der Brand hatte zu diesem Zeitpunkt eine Ausdehnung von etwa einem halben Quadratmeter. Ohne irgendwelche Maßnahmen in Richtung Löschung bzw. Eindämmung des Feuers zu setzen, verließ der Angeklagte nur notdürftig bekleidet die Unterkunft und unterließ es dabei, die im Haus befindlichen Personen vom Brand in Kenntnis zu setzen oder selbst für die Herbeiholung der Feuerwehr Sorge zu tragen. Der Angeklagte irrte etwa eine Stunde lang im Stadtgebiet von Weiz umehr und schloß sich schließlich in einer öffentlichen Toiletteanlage beim Postamt Weiz ein, wo er einschlief.
Diesen Sachverhalt beurteilte das Schöffengericht als fahrlässige Herbeiführung einer Feuersbrunst nach § 170 Abs. 1 StGB, gelangte jedoch im Hinblick auf die eingangs bezeichnete "beträchtliche" Alkoholisierung im Zusammenhalt damit, daß sich der Angeklagte nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. ZIGEUNER durch das Einwirken des beim Brand entstandenen Kohlenmonoxyds - das zu einer Herabsetzung des Sauerstofftransportes im Blut (Hämoglobin) führte - in einem "narkotischen Zustand" befunden hat, zum Ergebnis, daß der Angeklagte das in Rede stehende Vergehen in einem fahrlässig herbeigeführten Rauschzustand begangen hat.
Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Die Beschwerde wendet ein, daß die vom Erstgericht festgestellte Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten nicht durch die herbeigeführte Alkoholisierung, sondern vor allem durch die Rauchgasentwicklung in jenem Raum, in dem sich der Angeklagte zum Tatzeitpunkt aufhielt, bewirkt worden sei. Da § 287 StGB verlange, daß die Zurechnungsunfähigkeit durch den Genuß von Alkohol oder den Gebrauch eines anderen berauschenden Mittels herbeigeführt wurde, beim Angeklagten dieser Zustand jedoch durch die narkotisierende Wirkung von Kohlenmonoxyd entstanden sei, liege ein Schuldausschließungsgrund vor, der zum Freispruch des Angeklagten hätte führen müssen.
Der Beschwerde ist einzuräumen, daß § 287 Abs. 1 StGB nur Rauschzustände erfaßt, die ausschließlich oder überwiegend auf Alkohol oder andere berauschende Mittel zurückzuführen sind. Hat dagegen die Zurechnungsunfähigkeit ihre Ursache (ausschließlich oder überwiegend) in anderen Umständen, so scheidet eine Bestrafung nach § 287 StGB aus (ÖJZ-LSK 1981/158;
Leukauf-Steininger2 § 287 RN 7).
Rechtliche Beurteilung
Eine Klärung der Frage, ob der vor dem Brandereignis erfolgte Alkoholkonsum (für sich allein) bereits geeignet war, beim Angeklagten einen Zustand der Zurechnungsunfähigkeit herbeizuführen bzw. in welchem Ausmaß die Einwirkung von Kohlenmonoxyd dazu beigetragen hat, kann jedoch schon deshalb unterbleiben, weil die vom Erstgericht angenommene (zusätzliche) "narkotisierende" Wirkung durch einen Stoff (Kohlenmonoxyd) herbeigeführt wurde, der (erst) durch den vom Angeklagten verursachten Brand freigesetzt wurde. In diesem Zusammenhang übergeht die Rechtsrüge vor allem die ausdrückliche Urteilsfeststellung, daß der Angeklagte den allen Kriterien einer Feuersbrunst entsprechenden Brand fahrlässig schon dadurch herbeigeführt hat, daß er im stark alkoholisierten Zustand im Bett liegend eine Zigarette geraucht hat (S 156, 158, 161). Die zur Erfüllung des Tatbestandes der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst nach § 170 Abs. 1 StGB erforderliche Fahrlässigkeit muß sich nicht auf die ganze Tat erstrecken. Der Täter muß demnach nicht sowohl hinsichtlich der Tatausführung als auch hinsichtlich der Herbeiführung der Gefährdung fahrlässig gehandelt haben; Fahrlässigkeit bloß hinsichtlich der Herbeiführung der Gefährdung genügt (Leukauf-Steininger aaO § 170 RN 2 a und 7 mwN). Eine Klärung der Frage aber, ob beim Angeklagten schon zu diesem sohin allein maßgebenden Zeitpunkt ein für die Tatbeurteilung nach § 287 Abs. 1 StGB erforderlicher, die Zurechnungsfähigkeit ausschließender Rausch vorgelegen hat, kann auf sich beruhen, weil ein Schuldspruch wegen des andernfalls zum Tragen kommenden Grunddelikts, nämlich des Vergehens nach § 170 Abs. 1 StGB (als Rauschtat), wie sich aus dem Vergleich der beiden Strafsanktionen ergibt, jedenfalls zum Nachteil des Beschwerdeführers ausschlagen würde.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 287 Abs. 1 StGB zu vier Monaten Freiheitsstrafe, ferner gemäß § 369 StPO zum Ersatz eines Betrages von 50.000 S an die (Privatbeteiligten) W***** Versicherung und eines Betrages von 1.940 S an Christian I***** (richtig: I*****, vgl. S 129, 142).
Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Gemäß § 366 Abs. 2 StPO wurde die W***** Versicherung mit ihren weiteren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Bei der Strafbemessung wurde kein Umstand als erschwerend, hingegen das Geständnis und der bisher ordentliche Lebenswandel als mildernd gewertet.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe an. Die Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche zielt darauf ab - "für den Fall des Freispruches" die Privatbeteiligten W***** und Christian I***** auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.
Der Berufung kommt nach keiner Richtung hin Berechtigung zu.
Davon, daß die Tat unter Umständen begangen wurde, die zufolge der Einwirkung von Kohlenmonoxyd auf den Angeklagten einem Schuldausschließungsgrund nahe kamen, kann keine Rede sein; insoweit genügt der Hinweis auf die bezüglichen Erörterungen bei Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde. Wohl aber hat das Schöffengericht den Umstand, daß der Angeklagte die Tat vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangen hat, bei der Strafbemessung nicht (ausdrücklich) erwähnt und auch sein Bemühen, den verursachten Schaden nach Kräften gutzumachen, unberücksichtigt gelassen.
Dennoch ergibt ein sachgemäßes Abwägen der demnach vorliegenden Strafzumessungründe, daß die vom Erstgericht ausgesprochene Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten nach der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) des Angeklagten - selbst unter Bedacht darauf, daß er vom Bezirksgericht Weiz zum AZ U 61/90 mit Entscheidung vom 9. April 1990 wegen des Vergehens nach § 146 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 70 S, im Uneinbringlichkeitsfall zu 20 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt worden ist (§§ 31,40 StGB) - keineswegs zu hoch ausgemessen wurde.
Unbegründet ist schließlich auch die Berufung des Angeklagten gegen das Adhäsionserkenntnis. Abgesehen davon, daß die bezüglichen Rechtsmittelausführungen ausschließlich darauf abstellen, daß "in Anknüpfung an die Ausführungen der Nichtigkeitsbeschwerde für den Fall eines Freispruches eine Verweisung der privatrechtlichen Ansprüche auf den Zivilrechtsweg auch dann erfolgen muß, wenn diese anerkannt wurden (LSK 1976/153)", reichen die Ergebnisse des Strafverfahrens dazu aus, über die gestellten Ersatzansprüche bis zu der aus dem Spruch ersichtlichen Höhe - die vom Angeklagten in der Hauptverhandlung ausdrücklich anerkannt wurde
(S 153) - verläßlich abzusprechen.
Es war demnach auch der Berufung insgesamt ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E25879European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0140OS00013.91.0604.000Dokumentnummer
JJT_19910604_OGH0002_0140OS00013_9100000_000