TE OGH 1991/6/4 14Os54/91

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Veröffentlicht am 04.06.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Juni 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Moser als Schriftführerin, in der Strafsache gegen August H***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengericht vom 14.Dezember 1990, GZ 12 Vr 593/90-23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil (und der damit im Zusammenhang stehende Beschluß gemäß § 494 a StPO) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 24-jährige August H***** (I.) des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG und (II.) des Vergehens nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 Z 2 erster Fall SGG schuldig erkannt.

Darnach hat er

(zu I) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge nach Österreich eingeführt und teils hier in Verkehr gesetzt, indem er im Oktober 1988 zumindest 20 Gramm Kokain sehr guter Qualität (Reinheitsgrad 85 %, sohin 17 Gramm Kokainbase) aus Miami/Florida, USA über die Bundesrepublik Deutschland (Frankfurt am Main, München) vermutlich beim Grenzübergang Salzburg-Bahnhof nach Österreich einführte und nach Wels verbrachte und hier unbekannte Kokainmengen an unbekannt gebliebene Abnehmer unentgeltlich zum Konsum überließ;

(zu II) außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG den bestehenden Vorschriften zuwider

1. dadurch ein Suchtgift erworben und besessen, daß er im Jänner 1990 vom abgesondert verfolgten Erich SCH***** in Linz oder Wels eine unbekannte, jedoch 25 Gramm nicht übersteigende Kokainmenge unbekannten Reinheitsgrades erwarb und bis zum Eigenkonsum bzw. der ihm nachfolgend beschriebenen Tathandlung vermutlich in Wels oder Sattledt besaß;

2. dadurch einem anderen ein Suchtgift überlassen, indem er von der oben zu Punkt II/1 angeführten Kokainmenge unbekannte Mengen nach Aufstreckung mit Milchzucker zum Grammpreis von 2.000 S in Sattledt an unbekannte Prostituierte und andere unbekannte Abnehmer verkaufte, wobei er die Tat gewerbsmäßig beging.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 und 5 a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

In Ansehung des Schuldspruchs wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG wendet der Beschwerdeführer in der Mängelrüge (Z 5) ein, das Schöffengericht habe den bezüglichen Schuldspruch zwar im wesentlichen auf seine Angaben gestützt, dabei jedoch seine Verantwortung unerörtert gelassen, wonach er das Kokain etwa eine Woche vor der Abreise (von Florida) gekauft und während dieser Zeit täglich ca. 2 bis 3 Gramm selbst verbraucht habe; bei der vom Erstgericht angenommenen Qualität des verfahrensgegenständlichen Kokains - entsprechend einem Anteil von 85 % Reinsubstanz - handle es sich überhaupt um eine willkürliche Annahme.

Tatsächlich hat sich der Angeklagte (wiederholt) dahin verantwortet, daß er etwa eine Woche vor der Heimfahrt nach Österreich ca. 20 bis 30 Gramm Kokain um

1.200 US-Dollar - entsprechend einem Grammpreis von 40 US-Dollar - gekauft und (als damals schwer Süchtiger) bis zur Abreise täglich 2 bis 3 Gramm Kokain konsumiert habe (S 7, 80 ff, 87 f, 180, 181). Demzufolge hätte sich der Schöffensenat mangels konkreter gegenteiliger Verfahrensergebnisse nicht mit der Formulierung begnügen dürfen, daß der Angeklagte,nachdem er "einige Gramm dieses Suchtgiftes konsumiert hatte, zumindest 20 Gramm Kokainzubereitung" nach Österreich eingeführt hat (US 5, 9 f). Das Erstgericht hätte vielmehr angesichts des Umstandes, daß sich schon aus dem vom Angeklagten behaupteten (Mindest-)Eigenverbrauch von 2 Gramm Kokain täglich - selbst bei Annahme von reinem Kokain - bezogen auf den Zeitpunkt der Einfuhr, ein Wert im Bereich der (für Kokain aktuellen) "Grenzmenge" von 15 Gramm Reinsubstanz ergibt, begründen müssen, weshalb es dennoch zur Überzeugung gelangte, daß der Angeklagte insoweit eine "große Menge" des in Rede stehenden Suchtgiftes zu verantworten hat. Dies umsomehr, als das Ersturteil - von der Beschwerde gleichfalls zu Recht gerügt - eine tragfähige Begründung für die Urteilsannahme, wonach der Reinheitsgrad des vorliegenden Kokains jedenfalls 85 % betragen hat, vermissen läßt. Der Hinweis, daß das einem anderen Verfahren (gegen Peter K***** zum AZ 12 Vr 961/88 des Kreisgerichtes Wels) zugrundeliegende (aus Südamerika stammende) Kokain 97,2 % Reinsubstanz enthalten habe (US 10), vermag daran nichts zu ändern. Hinzu kommt, daß der Angeklagte, der den Anteil an Reinsubstanz des von ihm eingeführten Kokains mit 50 bis 60 % angegeben hat, zwar (auch) zum Ausdruck brachte, daß es sich nach den Angaben von Mitkonsumenten des gegenständlichen Suchtgiftes um "ein gutes Zeug" gehandelt habe (S 7), anderseits aber darauf hinwies, daß die (zudem stets subjektive) Qualitätsbeurteilung, gemessen an den spezifischen Verhältnissen in Österreich und in den USA, unterschiedlich sei. Der Schöffensenat hätte demnach beachten müssen, daß ausgehend von der im Ersturteil zum Schuldspruchfaktum I festgestellten Menge von 20 Gramm Kokain schon bei Annahme einer (darin enthaltenen) Reinsubstanz von 75 % oder weniger die für den Tatbestand des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG erforderliche "große Menge" (von 15 Gramm reinem Kokain) in Frage steht.

Insoweit durfte daher das Erstgericht nicht so wie das letztlich geschah - unter faktisch willkürlicher Ergänzung der Verfahrensergebnisse zum Nachteil des Angeklagten und damit in Überschreitung der Grenzen des Rechtes der freien Beweiswürdigung (vgl. SSt. 27/47 ua) - ohne eingehende Begründung aus den konkreten Umständen des Falles nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens ungeklärt gebliebene Umstände einfach zum Nachteil des Angeklagten ergänzen (Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr. 135 zu § 281 Z 5).

In Ansehung des Schuldspruchfaktums laut Punkt II des Urteilssatzes hinwieder erachtete das Schöffengericht die Verantwortung des - seinen Angaben zufolge seit November 1989 nicht mehr süchtigen (S 7, 83) - Angeklagten, der ebenso wie der Zeuge Erich SCH***** (mit Beziehung auf den Angeklagten) die Übernahme und das Inverkehrsetzen von Kokain im Jänner 1990 in Abrede stellte (vgl. S 187, 189), insbesondere auf Grund des Umstandes für widerlegt, daß der Zeuge Alfred T***** bei der Übergabe von (30 Gramm) Kokain an den Zeugen Peter M***** im Jahre 1989 besonderen Wert darauf gelegt habe, daß von diesem Suchtgift nichts an den Angeklagten verkauft werde, M*****, der davon etwa 25 Gramm an Erich SCH***** weitergegeben hat, jedoch in der Folge mit dem Hinweis Vorwürfe machte, er habe erfahren, daß der Angeklagte das von ihm (T*****) nach Österreich eingeführte Kokain in stark aufgestrecktem Zustand in Sattledt im Lokal "K*****" verkauft habe.

Zu Recht wendet der Beschwerdeführer zunächst im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit ein, das Schöffengericht hätte sich angesichts des Umstandes, daß der - in der Hauptverhandlung nicht einvernommene - Zeuge Alfred T***** (im Vorverfahren) die Frage unbeantwortet ließ, von wem er die Mitteilung erhalten habe, der Angeklagte verkaufe in dem bezeichneten Lokal in Sattledt "sein Kokain", mit den Aussagen der Zeugen Peter M***** und Erich SCH***** auseinandersetzen müssen, denenzufolge T***** offensichtlich auch hinsichtlich anderer Personen falsche Vorwürfe (im Zusammenhang mit Suchtgift) erhoben habe; ist doch den Aussagen der beiden genannten Zeugen tatsächlich zu entnehmen, daß Alfred T***** allgemein "viel behauptet, ohne etwas konkret zu wissen", wiederholt Angaben gemacht habe, die "nicht real" gewesen seien, nur "um seinen Kopf zu retten" und auch andere Personen bezichtigt bzw. "angeschwärzt" habe (vgl. S 92, 93, 94, 190, 192). Bei dieser Sachlage bieten die vom Erstgericht insoweit verwerteten Zeugenaussagen in ihrer Gesamtheit keine überzeugend tragfähige Grundlage für die dem Schuldspruch laut Punkt II des Urteilssatzes zugrundeliegenden Feststellungen. Die insoweit im wesentlichen auf die Angaben des Zeugen Alfred T***** - der zur Hauptverhandlung am 14.Dezember 1990 nicht erschienen ist, nach den Angaben seiner Mutter Margarete E***** gegenüber der Gendarmerie jedoch gelegentlich die elterliche Wohnung in Reichersberg aufsucht (ON 17) - gestützte Argumentation des Erstgerichtes erweckt sohin außerdem schwerwiegende Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch des Beschwerdeführers wegen des Vergehens nach § 16 SGG zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen (§ 281 Abs. 1 Z 5 a StPO).

Da sich somit zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - über die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 e StPO bereits in nichtöffentlicher Sitzung spruchgemäß zu erkennen.

Mit seiner durch die Kassierung auch des Strafausspruchs gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E25876

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0140OS00054.91.0604.000

Dokumentnummer

JJT_19910604_OGH0002_0140OS00054_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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