Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O***** Gesellschaft mbH *****, vertreten durch ***** Rechtsanwälte*****, wider die beklagte Partei K***** Bau- und Planungsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwälte*****, wegen 145.475,-- S samt Nebenforderungen, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 21. Februar 1991, AZ 1 R 231/90 (ON 10), womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 12. September 1990, GZ 37 Cg 49/90-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht stattgegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 7.471,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer 1.245,30 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Zur Errichtung eines Amtsgebäudes einer öffentlichen Gebietskörperschaft hat die beklagte Handelsgesellschaft als Bauträger unter anderem näher umschriebene Installationsleistungen ausgeschrieben. Dabei forderte sie von den Anbotstellern, daß sie sich - bei sonstiger Ausschließung des Anbotes als nicht ausschreibungsgemäß - eines von ihr vorgesehenen Formulars bedienten. Dem vorgedruckten Text dieses Formulars gemäß hatte der Anbotsteller durch seine Unterschrift unter anderem folgende Angebotsbestimmungen zu decken:
"1. Der Ausschreiber behält sich in allen Fällen die freie Auswahl unter den Angeboten und, soweit dies im Leistungsverzeichnis oder in allfälligen besonderen Bestimmungen für den Einzelfall vorgesehen ist, auch die Vergabe der Leistungen in Teilen vor.
2. Der Bieter muß sein Angebot gemäß Abschnitt 3 der ÖNORM A 2050 erstellen.
...
5. Bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist ist der Bieter an sein Angebot gebunden. ...."
Die von der Beklagten aufgestellten Allgemeinen Bedingungen enthalten unter den Bestimmungen für die Anbotserstellung unter anderem die Regelung, daß sich der Auftragnehmer bereit erklärt, "das Angebot kostenlos zu erstellen", sowie daß der Anbotleger bis zu drei Monaten ab Angebotsabgabefrist an sein Angebot gebunden bleibe. Unter der Überschrift "Vadium" finden sich folgende Bestimmungen:
"Der Bieter hat gleichzeitig mit der Abgabe seines Angebotes ein Vadium in der Höhe von 10 % der Gesamtangebotssumme in Form einer Bankgarantie zu erlegen.
Das Vadium dient als Sicherstellung für den Fall, daß der Bieter während der Zuschlagsfrist von seinem Angebot zurücktritt, es verfällt diesfalls zugunsten des Ausschreibenden. Die Rückstellung des Vadiums erfolgt binnen 30 Tagen nach Auftragserteilung an einen anderen Bieter."
Der in den Allgemeinen Bedingungen der Beklagten erwähnte Abschnitt 3 der ÖNORM A 2050 enthält Regelungen über das Angebot im Zuge der Leistungsvergebung durch Ausschreibung. Unter der Überschrift "Form und Inhalt der Angebote" wird bestimmt:
"Jedes Angebot muß insbesondere enthalten:
...
(3,223) den Nachweis, daß ein allenfalls gefordertes Vadium
erlegt wurde;"
Nach Punkt 3,3 sind die Angebote in einem verschlossenen Umschlag bei der in der Ausschreibung genannten Stelle innerhalb der Angebotsfrist einzureichen.
Die ÖNORM A 2050 enthält im Punkt 1,711 folgende Begriffsbestimmung und Rechtsfolgenanordnung:
"Das Vadium dient als Sicherstellung für den Fall, daß der Bieter während der Zuschlagsfrist von seinem Angebot zurücktritt; es verfällt diesfalls zugunsten des Ausschreibenden."
Die ÖNORM A 2050 umschreibt im Punkt 2,51 die Zuschlagsfrist als den Zeitraum ab Ablauf der Angebotsfrist, "innerhalb dessen die Erteilung des Zuschlages vorgesehen ist" und während welcher der Bieter sein Angebot weder ändern noch zurückziehen darf.
Im Abschnitt 4 enthält die ÖNORM A 2050 unter der Überschrift "Der Zuschlag" Regelungen über die Bestimmung des aus den Anbotstellern auszuwählenden Vertragspartners: Danach ist die Prüfung der Rechtzeitigkeit eines Angebotes aufgrund des Vermerkes über sein Einlangen auf dem ungeöffneten Umschlag vorzunehmen. Die nicht als verspätet ausgeschiedenen Angebote sind zu öffnen und zunächst einer formellen Prüfung zu unterziehen. In diesem Zusammenhang bestimmt Punkt 4,22 in seinem letzten Satz:
"Schließlich ist zu prüfen, ob ein allenfalls verlangtes Vadium erlegt wurde; fehlt der Nachweis hiefür, so gilt das Angebot als unvollständig (siehe 4,56)."
Aufgrund einer inhaltlichen Prüfung der Angebote sind die im Punkt 4,5 genannten von der Wahl für den Zuschlag auszuscheiden, darunter gemäß Punkt 4,56 die
"den Ausschreibungsbedingungen widersprechende sowie fehlerhafte oder unvollständige Angebote, wenn die Mängel nicht behoben wurden (siehe 2,2322, 3,223, 3,11, 4,22 und 4,33 erster Absatz);"
Die Klägerin hat sich durch rechtzeitige Einreichung eines Angebotes an der von der Beklagten vorgenommenen Ausschreibung beteiligt, das geforderte Vadium erlegt und einen Nachweis hierüber ihrem Angebot angeschlossen.
Den Angeboten zweier Anbotsteller mit niedrigerem Preis fehlten jeweils der Nachweis über den Erlag eines Vadiums. Der Anbotsteller mit dem niedrigsten Preis erlegte die als Vadium geforderte Bankgarantie erst zwei oder drei Tage nach Anbotseröffnung, aber noch vor der Erteilung des Zuschlages in Kenntnis des Umstandes, daß er Bestbieter war. Das Angebot mit dem nächsthöheren Preis wurde von der Beklagten ausgeschieden.
Die Beklagte erteilte dem Billigstbieter den Zuschlag.
Die Klägerin erblickt darin einen Verstoß gegen die von der Beklagten selbst festgelegten und von ihr (vertraglich gegenüber ihrem Auftraggeber) einzuhaltenden Vergaberegeln. Sie begehrte aus diesem Grund von der Beklagten - wegen culpa in contrahendo - Schadenersatz in Höhe des von ihr mit rund 145.000,-- S bezifferten Aufwandes für die Erstellung ihres Anbotes.
Die Beklagte leugnete jede ausschreibungswidrige Vorgangsweise und bestritt das Begehren dem Grund und der Höhe nach.
Das Prozeßgericht erster Instanz schränkte das Verfahren auf dem Grund des Anspruches ein. Es wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil; dazu sprach es aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.
Kernpunkt der unterschiedlichen Prozeßstandpunkte ist die Frage nach der Verbesserungsfähigkeit einer unterbliebenen Vadiumserlegung. Die Klägerin erachtet nach den anzuwendenden Regelungen nur das Fehlen des Nachweises über die rechtzeitig erfolgte Sicherstellung als verbesserbar, den unterbliebenen Erlag des Vadiums nach Anbotseröffnung aber nicht mehr zur Vervollständigung des Anbots nachholbar. Die Beklagte sieht dagegen den unterbliebenen Erlag des Vadiums selbst und nicht bloß die unterbliebene Nachweisung dieser Sicherstellung als verbesserungsfähigen Mangel eines rechtzeitigen Anbotes an.
Das Prozeßgericht erster Instanz teilte den Standpunkt der Beklagten und wertete das Fehlen des Vadiums als einen nach den anzuwendenden Regeln der ÖNORM A 2050 verbesserbaren Mangel, den im vorliegenden Fall der Billigstbieter auch unverzüglich nach Mangelfeststellung behoben habe.
Auch das Berufungsgericht schloß sich dieser Auslegung der anzuwendenden Ausschreibungsregelungen an. Es befand entgegen dem Prozeßstandpunkt der Klägerin eine nachträgliche Bewirkung der Sicherstellung für den Fall unstatthaften Rücktritts des Anbotstellers während der Zuschlagsfrist nicht als zweckverfehlenden Widersinn und erachtete unter Hinweis auf andere theoretisch mögliche unzulässige Wettbewerbsbeeinflussungen durch Unterlassung einer Verbesserung bewußt mangelhaft erstatteter Anbote die denkmögliche Ausnützung der Verbesserungsmöglichkeit zur bewußten Verzerrung des objektiv angestrebten Auswahlergebnisses nicht als stichhältiges Argument gegen die gefundene Auslegung der ÖNORM A 2050 im Sinn einer Verbesserungsmöglichkeit eines rechtzeitigen Anbotes durch Nachtrag des unterbliebenen Vadiumerlages.
Die Klägerin ficht das bestätigende Berufungsurteil wegen einer nach § 502 Abs 1 Z 1 ZPO qualifizierten unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Abänderungsantrag im Sinne des Klagebegehrens oder eines anspruchsbejahenden Zwischenurteiles, hilfsweise mit einem Aufhebungsantrag an.
Die Beklagte strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil die Entscheidung des Rechtsstreites von der Lösung der nach § 502 Abs 1 Z 1 qualifizierten Frage abhängt, ob der Mangel des ausschreibungsgemäß mit dem Anbot nachzuweisenden Vadiumserlages im Sinn der ÖNORM A 2050 einer Verbesserung zugänglich ist oder nicht.
Die Revision ist aber nicht berechtigt.
Aus der Regelung nach Punkt 4,24 der ÖNORM A 2050 über den Inhalt der über die Anbotseröffnung aufzunehmenden Niederschrift ist weder für noch gegen die Verbesserungsfähigkeit des Vadiummangels ein tragfähiges Argument zu finden: Die Rechtsmittelwerberin übergeht bei ihrer Bezugnahme auf die erwähnte Regelung, daß nicht nur über verspätet eingelangte (und aus diesem Grund von vornherein auszuscheidende) Anbote und solche, bei denen ein verlangtes Vadium nicht erlegt wurde, ein Vermerk aufzunehmen ist, sondern auch über Anbote mit offensichtlichen Mängeln (die nun verbesserungsfähig sein mögen oder nicht). Die Vorschrift, den Mangel in der Niederschrift über die Anbotseröffnung zu vermerken, sagt nichts über die Rechtsfolgen des Mangels aus. Die Rechtsmittelwerberin setzt vermerkspflichtigen Mangel in einer logisch nicht nachvollziehbaren Weise mit unbehebbarer, zur sofortigen Ausscheidung des Anbots zwingender Mangelhaftigkeit gleich.
Bereits das Berufungsgericht hat zutreffend dargelegt, daß auch ein erst nach Anbotseröffnung erlegtes Vadium keinesfalls funktionslos wäre, weil es eben die noch restliche Zeit der Zuschlagsfrist (vgl die Definition nach Punkt 2,51 der ÖNORM A 2050) abdeckt.
Ein Anbotsteller, der die spätestens unmittelbar vor der Anbotseinbringung zu bewirkende und nur so gleichzeitig mit der Anbotseinreichung nachweisbare Vadiumserlegung unterläßt, verschafft sich gegenüber Anbotstellern, die der ausschreibungsgemäßen Sicherheitsleistung nachgekommen sind, unzweifelhaft einen gewissen Vorteil; dieser fällt aber bei Gegenüberstellung der Möglichkeit, noch am letzten Tag der Anbotsfrist das Vadium zu erlegen, mit der strittigen Möglichkeit dies erst in angemessener Frist nach Feststellung des offenbaren Mangels bei der Anbotseröffnung zu tun, nicht so schwer als wettbewerbsstörend ins Gewicht, als daß aus diesem Grund eine Verbesserungsfähigkeit ausgeschlossen werden müßte.
Wurde nach der Ausschreibung vom Anbotsteller der Erlag eines Vadiums gefordert, entspricht nur ein solches Anbot der Ausschreibung, zu dem die Sicherstellung bewirkt und dies auch mit einem dem Anbot angeschlossenen Beleg nachgewiesen wird. Jedes Anbot, dem ein solcher Nachweis fehlt, ist mangelhaft. Der Mangel ist in angemessener Frist verbesserbar. Er wird dadurch behoben, daß der Nachweis über die erfolgte Sicherstellung vorgelegt wird. Die Sicherstellung ist für den Fall des Rücktritts während der Zuschlagsfrist bestimmt. Wenn ein solcher Rücktritt bis zur Verbesserung nicht erfolgte, kann die Sicherstellung immer nur für die restliche Zeit der Zuschlagsfrist von Bedeutung sein. Diesen Zweck erfüllt auch eine erst nach Ablauf der Anbotsfrist geleistete Sicherstellung.
Eine schwerwiegende Wettbewerbsverzerrung läge nur darin, einem Anbotsteller noch nach Anbotseröffnung die faktische Möglichkeit einzuräumen, sanktionslos ein ihn reuendes Anbot wieder ungeschehen machen zu lassen, indem er durch nutzloses Verstreichen der Verbesserungsfrist das Ausscheiden seines Anbotes erreichen könnte. Wenn ein solches in der Willkür des mit dem Vadiumserlag säumigen Anbotstellers gelegenes Verhalten aber einer Rückziehung des Anbotes gleichgehalten würde, was auch die gleichen Rechtsfolgen, nämlich die Verpflichtung zur Zahlung eines Betrages in Höhe des Vadiums (anstatt eines Verfalles einer bereits geleisteten Sicherstellung) auslöste, bestünden keine Bedenken in Richtung einer Vorschubleistung zu wettbewerbswidrigem Verhalten durch Zulassung eines nachträglichen Vadiumserlages im Zuge der Verbesserung eines als mangelhaft gewerteten Anbotes ohne gleichzeitiger Nachweisung der Sicherstellung. Der erkennende Senat erachtet eine solche Rechtsfolge als geboten und auf dieser Grundlage die vorinstanzliche Auslegung über die Verbesserungsfähigkeit des Fehlens einer nach der Ausschreibung geforderten Vadiumshingabe als zutreffend.
Der Revision war aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen.
Die Rechtswirksamkeit und die Frage nach der - als solcher nicht eingewendeten - Sittenwidrigkeit der in das von der Beklagten vorgeschriebene Anbotsformular aufgenommenen Formularregelung über die völlige Freiheit des Ausschreibers in der Auswahl unter den Anboten bedarf daher keiner Erörterung.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.
Anmerkung
E25997European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0060OB00564.91.0606.000Dokumentnummer
JJT_19910606_OGH0002_0060OB00564_9100000_000