TE OGH 1991/6/11 10ObS170/91

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Veröffentlicht am 11.06.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Josef Fellner (AG) und Kurt Wuchterl (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Waltraud B*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Wiedner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (Landesstelle Wien), 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner, Dr.Josef Milchrahm und Dr.Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20.März 1991, GZ 31 Rs 36/91-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 15.Oktober 1990, GZ 33 Cgs 21/89-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen die einschließlich 603,84 S Umsatzsteuer mit 3.623,04 S bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Rechtliche Beurteilung

Entscheidungsgründe:

Die den Grundsätzen der E 12.4.1988 10 Ob S 76/88 SSV-NF 2/39 (ausdehnende Auslegung des § 175 Abs 2 Z 2 erster Fall ASVG) folgende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist richtig (§ 48 ASGG).

Die Ansicht der Revisionswerberin, der zit E wäre keinesfalls zu entnehmen, daß auch der Weg direkt von der Wohnung zum Arzt unfallversichert sei, ist unrichtig. Der erkennende Senat führte damals zwar aus, § 175 Abs 2 Z 2 erster (Halb)Satz ASVG könne daher nur dahin verstanden werden, daß der Versicherungsschutz jedenfalls auf dem Weg von der ärztlichen Untersuchungsstelle zum Betrieb auch dann bestehe, wenn nach entsprechender vorheriger Bekanntgabe im Betrieb die ärztliche Untersuchungsstelle direkt von der Wohnung aus aufgesucht werde, ohne daß sich der Versicherte vorher zum Betrieb begeben habe. Er stellte damit aber lediglich auf den damals zu entscheidenden Fall ab, in dem sich der Unfall auf dem Weg von der ärztlichen Untersuchungsstelle zum Betrieb ereignet hatte. Die diesem Satz vorangehenden Ausführungen lassen jedoch keinen Zweifel daran, daß der erkennende Senat unter diesen Umständen auch den Weg von der Wohnung bis zur ärztlichen Untersuchungsstelle iS einer ausdehnenden Auslegung des § 175 Abs 2 Z 2 erster Fall ASVG als unfallversichert angesehen hat (so auch Grillberger, Österreichisches Sozialrecht 47).

Der Senat hält an der ausdehnenden Auslegung dieser Gesetzesstelle trotz der Kritik Müllers (Judikaturtendenzen im Unfallversicherungsrecht, ZAS 1989, 145 (152 f)) fest.

Müller meint, der erste Fall des § 175 Abs 2 Z 2 ASVG beruhe auf dem Gedanken, daß der Weg zum Arzt ein Sonderfall des Arbeitsweges nach Hause sei, wobei im Zeitpunkt des Fahrtantrittes idR noch nicht feststehe, ob danach die Betriebsarbeit wieder aufgenommen werden könne. Dies ist insoweit durch den Wortlaut der Z 2 nicht gedeckt, als darin nicht nur der Weg zur ärztlichen Untersuchungsstelle und anschließend der Weg zur Wohnung, also der (allenfalls durch einen Umweg erweiterte und bei Inanspruchnahme der beabsichtigten ärztlichen Leistung unterbrochene) Heimweg, sondern auch der Rückweg von der ärztlichen Untersuchungsstelle zur Arbeits(Ausbildungs)stätte, also ein nicht von der Wohnung als üblichem Anfangspunkt ausgehender zusätzlicher, allenfalls gegenüber dem üblichen Weg von der Wohnung zur Arbeits(Ausbildungs)stätte auch längerer Weg zu derselben versichert wird.

Durch § 175 Abs 2 Z 2 ASVG werden daher auch Teile des Weges zur oder von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte unter Unfallversicherungsschutz gestellt, die wegen örtlicher (Umwege) oder zeitlicher (Unterbrechungen) Abweichungen nach Z 1 leg cit nicht versichert wären.

Deshalb befand sich die Klägerin zur Zeit des Unfalles auf einem geschützten (Um)Weg (zum Arzt) von der Wohnung zur Arbeitsstätte..

Das angefochtene Urteil war daher zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 (Kostenbemessungsgrundlage 50.000 S!) ASGG.

Anmerkung

E27234

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:010OBS00170.91.0611.000

Dokumentnummer

JJT_19910611_OGH0002_010OBS00170_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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