Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Reinhard Drössler und Walter Darmstädter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Angestelltenbetriebsrat des *****Vereins zur Förderung und Betreuung Sehbehinderter und Blinder *****, *****, vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei *****Verein zur Förderung und Betreuung Sehbehinderter und Blinder *****, *****, vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wegen Feststellung gem § 54 Abs 1 ASGG (Streitwert S 31.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23.Jänner 1991, GZ 8 Ra 112/90-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 1.September 1987, GZ 34 Cga 1132/87-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren auf Feststellung, daß das Dienstverhältnis der im ***** Blindeninstitut beschäftigten Erzieher unter das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz zu subsumieren sei, abgewiesen wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 1.887,60 (darin S 171,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit S 5.401,80 (darin S 900,30 Umsatzsteuer und S 2.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 6.123,04 (darin S 603,84 Umsatzsteuer und S 2.500,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist ein in das Vereinsregister eingetragener Verein, der sich nach seinen Statuten das Ziel gesetzt hat, Blinde und Sehbehinderte zu erziehen und zu versorgen. Diese Tätigkeit erstreckt sich auf den Schulbereich (katholische Volksschule, Hauptschule und Berufsschule mit Öffentlichkeitsrecht), den Werkstättenbereich und den Bereich der generellen Unterstützung von Blinden. Die Beklagte betreibt dazu ein angeschlossenes Internat, in dem Sehbehinderte und mehrfach behinderte Kinder betreut werden.
Im Internat sind zwölf Erzieher beschäftigt, für die kein Kollektivvertrag besteht. Im Schuljahr 1986/87 entfielen je ein Erzieher auf die Gruppe Volksschule Knaben (neun), Hauptschule Knaben (elf), Volksschule Mädchen (fünf), Hauptschule Mädchen (acht) und Berufsschule Mädchen (neun), je zwei Erzieher auf die Gruppe mehrfach behinderter Mädchen (sieben) und Berufsschule Knaben (15) sowie drei Erzieher auf die Gruppe mehrfachbehinderter Knaben (sechs). Im Schuljahr 1985/86 war auch ein schwerstbehindertes Kind im Internat, das von einem Erzieher betreut wurde.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der klagende Angestelltenbetriebsrat die Feststellung, daß das Dienstverhältnis der im Institut des beklagten Vereins beschäftigten Erzieher unter den Anwendungsbereich des Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetzes falle. Die Feststellungsklage betreffe mehr als drei Dienstnehmer, denen die beklagte Partei die Anwendung des HGHAngG verweigere. Die in Betracht kommenden Erzieher seien zwar bei einer juristischen Person beschäftigt, leisteten aber Arbeiten, die bei Verrichtung in einem privaten Haushalt zur Folge hätten, daß ihre Dienstverhältnisse dem HGHAngG zu unterstellen wären. Mangels eines Kollektivvertrags oder einer sonstigen Vereinbarung über die Entgeltgestaltung bestehe ein rechtliches Interesse der Dienstnehmer an der begehrten Feststellung, zumal für den Bereich des HGHAngG Mindestlohntarife vorgesehen seien.
Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Das Berufsbild eines Erziehers für behinderte Kinder in einem Internat unterscheide sich wesentlich von dem eines Erziehers in einer Hauswirtschaft. Das HGHAngG sei aber nur dann anwendbar, wenn Dienste für die Hauswirtschaft des Dienstgebers oder für Mitglieder seines Hausstandes zu leisten seien. Die Erzieher im Internat hätten verschiedene spezifische Aufgaben wahrzunehmen, zu denen insbesondere auch administrative Arbeiten gehörten.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte im wesentlichen noch fest:
Die im Internat des beklagten Vereins beschäftigten Erzieher müssen nach Berufsgesinnung, Berufswissen und Berufskönnen bereit sein, besondere Erziehungsaufgaben im Hinblick auf mehrfachbehinderte und allenfalls schwerstbehinderte Kinder zu erfüllen. Es gehört unter anderem zu ihren Aufgaben, die Zöglinge anzuleiten, zu überwachen und zu fördern. Sie kontrollieren die Hausaufgaben und erteilen Nachhilfeunterricht. Sie leiten die Zöglinge zu positiver Verhaltensweise wie Verträglichkeit, gegenseitige Hilfe, Ordnungssinn sowie Lern- und Leistungsbereitschaft an. Sie betreuen und überwachen auch den persönlichen Bereich der Heiminsassen wie zB ihr Benehmen und ihre Körperpflege. Der Erzieher hat den einzelnen Zögling zu beobachten, sich mit ihm zu befassen und zu versuchen, ihm bei seiner Eingliederung in die Gruppe zu helfen; auch die Freizeitgestaltung (Spiele) liegt in seinen Händen.
Zu diesen Tätigkeiten kommen noch besondere Verpflichtungen wie etwa die Kontaktaufnahme mit den Angehörigen und Eltern. Die Erzieher der beklagten Partei müssen aber auch administrativ mitarbeiten. So führen sie allfällige Listen, erstellen Beschreibungen und Tätigkeitsberichte und arbeiten sowohl mit anderen Erziehern als auch mit der Internatsleitung und der Verwaltung des Internats zusammen.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß durch das HGHAngG, BGBl 1962/235, eine Ausdehnung des Geltungsbereiches auch auf Dienstnehmer erfolgt sei, die Dienste höherer Art leisteten, gleichgültig, ob die Hauswirtschaft von einer physischen oder juristischen Person geführt werde. Daher fielen auch Hauslehrer der verschiedensten Art, Erzieher, Säuglingsschwestern, Hauskrankenpflegerinnen udgl. unter die Bestimmung des HGHAngG, soweit keine Ausnahmen vom Geltungsbereich dieses Gesetzes vorliegen. Dies sei nicht der Fall. Die beklagte Partei übe nämlich keinerlei gewerblichen oder Erwerbszwecken dienende Tätigkeit aus und es bestehe auch kein Kollektivvertrag.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts und führte ergänzend aus, daß durch die Ausdehnung des Anwendungsbereiches des HGHAngG auf Hauswirtschaften, die von juristischen Personen für ihre Mitglieder oder Dritte geführt werden, die bisher vorgenommene Abgrenzung, daß Hauswirtschaft gleichbedeutend mit Privatwirtschaft sei, nicht mehr anwendbar sei. Der Gesetzgeber habe auch die bei juristischen Personen tätigen Dienstnehmer, welche die gleiche Arbeit wie bei physischen Personen beschäftigte Hausgehilfen verrichten, in den Schutz des Gesetzes einbeziehen wollen. Da es auch in privaten Haushalten Erzieher gebe, die ein behindertes Kind zu betreuen haben, bestehe aus der Art der Tätigkeit kein wesentlicher Unterschied zur Arbeit der Erzieher im Internat der beklagten Partei. Demgegenüber trete die Kontaktpflege mit den Eltern und die Erfüllung administrativer Aufgaben in den Hintergrund. Da es nur auf die Art der Tätigkeit ankomme, sei auch die Anzahl der zu betreuenden Kinder ohne Bedeutung.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach der Rechtsprechung kann die Abgrenzung zwischen dem HGHAngG und dem AngG, soweit es sich um Dienste höherer Art handelt, die auch unter die Bestimmung des § 2 Abs 1 Z 1 AngG fallen können, nur in der tatsächlichen Organisation des Betriebes oder der Hauswirtschaft gefunden werden, für die diese Dienste geleistet werden. Entscheidend ist somit, welche Tätigkeit die juristische Person ausübt und ob diese oder der Teilbereich, in dem der Dienstnehmer tätig ist, gleiche oder ähnliche Aufgaben zu erfüllen hat, wie sie in privaten Haushalten anfallen. Dabei muß man von der typischen Erscheinungsform der Hauswirtschaft, wie sie sich bei physischen Personen ergibt, ausgehen (vgl Strasser, Hausgehilfen- und HausangestelltenG2, § 1 FN 39; Arb 10.430 mwH; Arb 10.700 = DRdA 1989/11 (kritisch Knöfler)).
Nun trifft es zwar an sich zu, daß in den von physischen Personen geführten Haushalten auch Tätigkeiten wie die Pflege und Beaufsichtigung von Kindern, Unterrichten, Erziehen udgl. fallen, doch ergebe sich aus dem Berufsbild der von der Feststellungsklage betroffenen Dienstnehmer doch erhebliche Unterschiede zur Tätigkeit der Dienstnehmer in den bereits entschiedenen Fällen. Ausgehend von der typischen Erscheinungsform der Hauswirtschaft kann hier nicht mehr davon gesprochen werden, daß die Betreuer und Erzieher von Gruppen behinderter und mehrfachbehinderter Kinder, denen nicht nur die Koordination ihrer Tätigkeit mit den anderen Erziehern und der Internatsleitung obliegt, sondern die auch adminstrative Arbeiten zu verrichten haben, gleiche oder ähnliche Aufgaben erfüllen, wie sie in privaten Haushalten anfallen. Solche einer besonderen Qualifikation bedürftigen und eine spezielle Einrichtung und Organisation erfordernden Tätigkeiten sind für eine Hauswirtschaft in dieser Fallkonstellation nicht typisch.
Die Kostenentscheidungen sind in den §§ 41 sowie 41 und 50 ZPO begründet.
Anmerkung
E27176European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:009OBA00095.91.0619.000Dokumentnummer
JJT_19910619_OGH0002_009OBA00095_9100000_000