Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Juni 1991 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Felzmann, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Glatz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hans Christian K***** und andere wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG und andere strafbare Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Hans Christian K***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14. November 1990, GZ 6 b Vr 8513/90-34, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Bierlein, des Angeklagten Hans Christian K***** und der Verteidigerin Dr. Sandner zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Aus deren Anlaß wird gemäß § 290 Abs. 1 StPO das Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den den Angeklagten Hans Christian K***** betreffenden Schuldsprüchen wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG insoweit, als er wegen Überlassens von Kokain in der Zeit von 1987 bis Frühling 1990 erging (A 2), ferner wegen des Vergehens nach § 14 a SGG (B) und wegen des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG (C), soweit er sich auf den Erwerb und Besitz von Kokain ab 1987 bis 5.September 1990 erstreckt, demgemäß auch in dem den Angeklagten Hans Christian K***** betreffenden Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung (jedoch unter Aufrechterhaltung des Einziehungserkenntnisses) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung des Schuldspruches A 2 und des oben bezeichneten Teiles des Schuldspruches C an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Hans Christian K***** auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Hans Christian K***** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Ernestine H***** - die das Urteil in Rechtskraft erwachsen ließ und inzwischen verstorben ist - und Hans Christian K***** des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG (A), des Vergehens nach § 14 a SGG (B) und des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG (C) schuldig erkannt; es wurden über die Genannten gemäß § 28 Abs. 1 StGB, § 12 Abs. 1 SGG (nach § 43 Abs. 1 StGB bedingt nachgesehene) Freiheitsstrafen verhängt; schließlich wurde gemäß § 13 Abs. 2 (richtig: Abs. 1) SGG das sichergestellte Suchtgift (Kokain) eingezogen.
Unter Miteinbeziehung der in den Urteilsgründen getroffenen Feststellungen haben die beiden Angeklagten
A) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte in großer
Menge, nämlich am 31.August 1990 als Mittäter 71 Gramm Kokain aus Peru aus- und nach Österreich eingeführt (1) und in Wien in der Zeit von 1987 bis Frühjahr 1990 einander nicht mehr festzustellende Mengen Kokain zum Konsum überlassen, sohin in Verkehr gesetzt (2).
Ferner haben sie
B) vom 31.August 1990 bis 5.September 1990 die (unter A 1 bezeichnete) Menge von 71 Gramm Kokain mit dem Vorsatz besessen, daß sie in Verkehr gesetzt werde; und schließlich
C) den bestehenden Vorschriften zuwider bis 5.September 1990
wiederholt Suchtgifte erworben und besessen, nämlich Ernestine H***** Haschisch, Kokain und Heroin seit 1984/1985 (a) und Hans Christian K***** Haschisch und Kokain seit 1986 (b).
Rechtliche Beurteilung
Hans Christian K***** ficht der Sache nach nur den Schuldspruch wegen § 12 Abs. 1 SGG zu A 1 mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5 StGB gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an, den Strafausspruch bekämpft er mit Berufung.
Vorweg sei aus rechtlicher Sicht festgehalten, daß der Angeklagte K***** entgegen der Meinung des Erstgerichtes, nicht als Mittäter (S 175, 183), sondern nach den Urteilsannahmen, wonach er seiner Lebensgefährtin 20.000 bis 30.000 S inklusive eines Flugtickets mit der Aufforderung übergab, in Peru möglichst viel Kokain zu erwerben und dieses zum Zweck des Weiterverkaufes nach Österreich zu schmuggeln, mangels persönlicher Mitwirkung an der illegalen Einfuhr als Bestimmungstäter iS des zweiten Falles des § 12 StGB anzusehen ist. Dies gereicht ihm jedoch im Hinblick auf die rechtliche Gleichwertigkeit der drei Täterschaftsformen des § 12 StGB nicht zum Nachteil und kann daher auf sich beruhen (Mayerhofer-Rieder3 E 2, 3, 5 und 6 zu § 12 StGB).
Die Mängelrüge verweist auf unbestimmte und unklare Angaben der Mitangeklagten H***** über die Höhe des ihr vom Beschwerdeführer übergebenen Geldbetrages zwischen 20.000 bis 30.000 S sowie über den Preis des Flugtickets und des angekauften Kokains und meint, "bei entsprechender Erörterung allein dieser Angabe im Zusammenhang mit der Verantwortung des Angeklagten K***** hätte das Erstgericht zu einer anderen Lösung der Beweisfrage gelangen können".
Demgegenüber haben die Tatrichter mit Bezug auf aktenkundige Beweisergebnisse deutlich gemacht, daß sie den Einlassungen des Angeklagten K***** keinen Glauben schenkten, während sie der - sie selbst belastenden - Verantwortung der Ernestine H***** volle Glaubwürdigkeit zuerkannten. Im Rahmen der ihnen obliegenden Verpflichtung zu nur gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) waren sie jedenfalls nicht gehalten, die Aussagen der Mitangeklagten in allen Details wiederzugeben und zu würdigen; genug daran, daß sie dieser Verantwortung in ihrem für den Schuldspruch relevanten Teil mit einleuchtender und logisch nachvollziehbarer Begründung folgten.
Die Beschwerde erschöpft sich sohin in Wahrheit in einer im Rahmen des allein geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung, weshalb sie - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - zu verwerfen war.
Aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof allerdings davon überzeugen, daß das Urteil zum Nachteil des Beschwerdeführers in mehrfacher Richtung mit Feststellungsmängeln (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit a und 10 StPO) behaftet ist, die gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen aufzugreifen waren.
Zu Punkt A 2 (§ 12 Abs. 1 SGG):
Den beiden Angeklagten wird - wie angeführt - im Urteilsspruch als Verbrechen nach § 12 Abs. 1 SGG (neben dem zu A 1 inkriminierten Verhalten) auch (zu A 2) angelastet, daß sie sich in der Zeit zwischen 1987 bis Frühjahr 1990 gegenseitig nicht mehr festzustellende Mengen Kokain zum Konsum überließen (S 175), wobei den Urteilsgründen (S 178) zusätzlich nur zu entnehmen ist, daß sich die Angeklagten bei Bedarf Kokain gegenseitig zur Verfügung stellten und daß K***** seiner damaligen Lebensgefährtin H***** öfters Briefchen mit Kokain zur Aufbewahrung übergab, weil er sie bei ihr sicherer wähnte. Aus diesen Konstatierungen ergibt sich aber kein Anhaltspunkt dafür, ob die so weitergegebenen (zur Verfügung gestellten) Suchtgiftdosen im Einzelfall der Grenzmenge (bei Kokain 15 Gramm) entsprochen haben oder ob die jeweiligen Tathandlungen einem einheitlichen Willensentschluß der Täter entsprungen sind und die bei den (dann) als rechtliche Handlungseinheit aufzufassenden Einzelakten weitergegebenen Kokainquanten zusammengefaßt die entsprechende Mindestmenge erreicht haben. Andernfalls läge insoweit nur das Vergehen nach § 16 Abs. 1 (sechster Fall) SGG vor.
Nähere Feststellungen in diesem Sinn wären im gegebenen Fall umso mehr erforderlich gewesen, als beide Angeklagten nach den Urteilsannahmen süchtig waren, das von diesem Schuldspruch erfaßte Kokain nur für den eigenen Bedarf verwendet haben und die gegenseitige Überlassung eines die Grenzmenge übersteigenden Quantums nach den vorliegenden Beweisergebnissen - zumindest in bezug auf die jeweilige Einzeldosis - nicht auf der Hand liegt.
Die vorhandenen tatsächlichen Urteilsgrundlagen können somit den Schuldspruch wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG, soweit er zu Punkt A 2 ergangen ist, nicht tragen. Es bedarf daher hinsichtlich des Angeklagten K***** einer Verfahrensergänzung in erster Instanz, während eine Fortsetzung des Strafverfahrens gegen Ernestine H*****, deren Ableben durch Vorlage einer Parte im Gerichtstag glaubhaft gemacht wurde, nicht mehr in Frage kommt (RZ 1988/8).
Zu Punkt B (§ 14 a SGG):
Nach den für diesen Teil des Schuldspruchs wesentlichen Entscheidungsgründen (S 178, 179) hat H***** die im Körper versteckt aus Peru nach Österreich eingeschmuggelte Menge von 71 Gramm Kokain nur zum geringen Teil selbst verbraucht; der überwiegende Teil wurde von ihr im Auftrag ihres Komplizen K*****, der sich um Käufer umsehen wollte, teilweise in Briefchen abgepackt. Zum beabsichtigten Verkauf kam es jedoch nicht mehr, weil die Angeklagten am 5.September 1990 festgenommen wurden und das restliche Kokain in der Wohnung der H***** sichergestellt wurde.
Auch diese Feststellungen vermögen den (zusätzlichen) Schuldspruch nach § 14 a SGG nicht zu tragen.
Mit der Einführung der durch die Suchtgiftgesetz-Novelle 1985 geschaffenen Bestimmung des § 14 a SGG verfolgte der Gesetzgeber den Zweck, einen Auffangtatbestand für jene Fälle zu schaffen, in denen dem Täter zwar der Erwerb oder Besitz einer großen Menge Suchtgifts, nicht aber (zumindest) der Versuch, dieses Suchtgift iS des § 12 Abs. 1 (vierter Fall) SGG in Verkehr zu setzen, nachgewiesen werden kann. Durch Aufnahme der Subsidiaritätsklausel wurde eindeutig klargestellt, daß diese selbständig vertypte Vorbereitungshandlung vom Versuch des Verbrechens nach § 12 SGG verdrängt wird (Foregger-Litzka2 Erl I und II zu § 14 a SGG).
Nach ständiger Rechtsprechung liegt aber versuchtes Inverkehrsetzen bereits vor, wenn die Ware verkehrsgerecht hergerichtet (portioniert) wird, um in naher Zukunft an Kaufinteressenten weitergegeben zu werden, nicht aber, wenn das Suchtgift nur bevorratet wird, um irgendwann zu einem ungewissen Zeitpunkt abgegeben zu werden (EvBl 1975/283, 1979/73, 13 Os 129/88, 14 Os 54,55/90 uva). Es hätte sohin einer auf Grund der Beweisergebnisse (siehe etwa S 65, 158), indizierten Feststellung bedurft, ob das zum Zeitpunkt der Sicherstellung bereits in Päckchen abgefüllte Kokain zum ehebaldigen Verkauf durch K***** (der ja während der Hausdurchsuchung in der Wohnung erschien), an ihm bereits bekannte Interessenten hergerichtet war, oder ob ein allfälliger Verkauf erst in ferner Zukunft zu erwarten war.
Läge aber kein Versuch des Inverkehrsetzens im Sinn der §§ 15 StGB, 12 Abs. 1 SGG vor, stellt sich im Hinblick auf die Tatsache, daß die beiden Angeklagten wegen Aus- und Einfuhr derselben Suchtgiftmenge bereits das Verbrechen nach § 12 Abs. 1 SGG zu verantworten haben, die von der Generalprokuratur aufgeworfene Frage, ob die Subsidiaritätsklausel auch in diesem Fall zum Tragen kommt. Beim Verbrechen nach § 12 Abs. 1 SGG handelt es sich nämlich nur in Ansehung der Aus- und Einfuhr von Rauschgift um ein alternatives, im übrigen aber um ein kumulatives Mischdelikt. Dementsprechend ist die Annahme (oder Nichtannahme) eines Inverkehrsetzens von Suchtgift tatsächlich und rechtlich gesondert zu beurteilen und selbst dann mit Nichtigkeitsbeschwerde anfechtbar (SSt 52/66), wenn der Täter ohnehin wegen der vorangegangenen Aus- und Einfuhr dieses Delikt zu verantworten hat (siehe hiezu EvBl 1985/67, 13 Os 156/90). Daraus ließe sich die Rechtsansicht ableiten, daß die Subsidiaritätsklausel des § 14 a SGG nur auf die Begehungsart des Inverkehrsetzens des Suchtgifts abstellt.
Der Oberste Gerichtshof schließt sich aber der von der Generalprokuratur vertretenen Meinung an, daß bei wertender Betrachtung der Entstehungsgeschichte und des Sinngehaltes der beiden in Rede stehenden Strafbestimmungen im Hinblick auf die allgemein gefaßte Subsidiaritätsklausel (Zitierung des § 12 SGG ohne Einschränkung) eine Verurteilung wegen des Vergehens nach § 14 a SGG dann nicht in Frage kommt, wenn der Besitzer der großen Suchtgiftmenge schon wegen Aus- und Einfuhr (oder Erzeugung) derselben Suchtgiftmenge nach § 12 Abs. 1 SGG zu bestrafen ist. Aus den Gesetzesmaterialien ist deutlich zu entnehmen, daß es dem Gesetzgeber darauf ankam, durch Schaffung des Auffangtatbestandes des § 14 a SGG die Möglichkeit zu eröffnen, die Täter, die eine große Menge Suchtgiftes zum Zweck des (späteren) Inverkehrsetzens besitzen, strenger zu bestrafen als dies der (ansonsten heranzuziehende) Tatbestand des § 16 SGG erlaubte. Nirgends ist die Absicht zu ersehen, Täter, die ohnehin schon das Verbrechen nach § 12 SGG zu verantworten haben, zusätzlich zur Verantwortung zu ziehen.
Das Schöffengericht hat daher durch den zusätzlichen Schuldspruch nach § 14 a SGG (B) zum Nachteil beider Angeklagten das Gesetz verletzt (§§ 281 Abs. 1 Z 9 lit a, 290 Abs. 1 StPO) und es war daher dieser Schuldspruch des Angeklagten K***** ersatzlos aufzuheben, ohne daß es eines formellen Freispruches bedurfte.
Zu Punkt C (§ 16 Abs. 1 SGG):
Dieser Schuldspruch erfaßt den Erwerb und Besitz von (erst in den Entscheidungsgründen näher bezeichneten) Suchtgiften durch beide Angeklagten während eines längeren, bis 5.September 1990 reichenden Zeitraumes. Nach den Urteilsfeststellungen bezieht sich die inkriminierte Tathandlung unter anderem auf das Suchtgift Kokain (S 177). In bezug auf das angeführte Rauschgift läßt das Urteil jedoch die für den Tatzeitraum ab 1987 erforderlichen abgrenzenden Feststellungen zu den übrigen Schuldspruchsfakten vermissen, zumal ihm nämlich nicht entnommen werden kann, ob es in Ansehung des zu Punkt C ergangenen Schuldspruchs, soweit dieser das Suchtgift Kokain betrifft, dieselben Tathandlungen im Auge hat, die auch Gegenstand der gegen beide Angeklagten wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG ergangenen Schuldsprüche sind. Wäre dem so, wäre zufolge der auch im § 16 Abs. 1 SGG enthaltenen Subsidiaritätsklausel insoweit ein Schuldspruch nach dieser Bestimmung jedenfalls ausgeschlossen (Foregger-Litzka2 Erl I zu § 16 SGG).
Es war daher das Urteil hinsichtlich des Angeklagten K*****, das im Schuldspruch wegen Aus- und Einfuhr von 71 Gramm Kokain (A 1) und in der Einziehung des sichergestellten Kokains nach § 13 Abs. 1 SGG sowie in dem den Besitz und Erwerb anderer Suchtgifte und Kokains vor dem Jahr 1987 betreffenden Schuldspruch nach § 16 Abs. 1 SGG (C) unberührt bleibt, spruchgemäß aufzuheben und dem Erstgericht mit Ausnahme des ersatzlos aufgehobenen Faktums B die Verfahrenserneuerung aufzutragen (§ 288 Abs. 1 Z 2 StPO).
Anmerkung
E26391European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0120OS00036.91.0620.000Dokumentnummer
JJT_19910620_OGH0002_0120OS00036_9100000_000