Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Stiftung, ***** Fürstentum Liechtenstein, vertreten durch Dr. Hans G. Mondel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Dr. Helmut P*****,
2. Ellie und Helmuth ***** Stiftung, ***** vertreten durch den Präsidenten des Stiftungsrates Dr. Helmut P*****, wegen Feststellung und Herausgabe (Streitwert S 2,000.000 und S 2,000.000), infolge Revisionsrekurses der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 22. Jänner 1991, GZ 18 R 213/90-29, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 7. September 1990, GZ 22 Cg 256/89-25, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
In Abänderung der rekursgerichtlichen Entscheidung wird der erstgerichtliche Beschluß (ON 25) wieder hergestellt. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Mit der vorliegenden Klage begehrt die klagende Partei die Feststellung ihres Eigentums an den im einzelnen genannten Aktienzertifikaten der S***** und die Verurteilung der beklagten Parteien zur Herausgabe dieser Aktien. Die Zustellung der Klage erfolgte an den Erstbeklagten Dr. Helmut P***** am 22. November 1989 zu eigenen Handen und an die zweitbeklagte Partei "zu Handen ihres Stiftungsrates Dr. Helmut P*****" am 30. November 1989 durch Hinterlegung (siehe Rückschein zu ON 6). Beiden Beklagten wurde zur Klagebeantwortung eine Frist von drei Wochen erteilt.
Am 1. Dezember 1989 teilte Dr. Helmut P***** dem Erstgericht mit, er habe durch Akteneinsicht festgestellt, daß die Zustellung der Klage an ihn in seiner Eigenschaft als Stiftungsrat der zweitbeklgaten Partei beantragt worden sei, und er stelle hiemit den Antrag (ON 8), für die zweitbeklagte Partei einen Kollisionskurator zu bestellen, da er gegenüber der zweitbeklagten Partei Honorar- und sonstige Ansprüche als Gläubiger habe, sodaß eine Kollision mit seiner "Stellung als Organ der zweitbeklagten Partei für den vorliegenden Rechtsstreit unabweisbar gegeben" sei und solcherart mangels eines anderen inländischen Vertretungsorganes der zweitbeklagten Partei diese "im vorliegenden Rechtsstreit keinerlei Vertretungsorgan" habe; die künftigen Zustellungen in dieser Rechtssache mögen daher an den zu bestellenden Kollisionskurator erfolgen. Diesem Antrag schloß Dr. Helmut P***** zahlreiche Urkunden an, darunter die Stiftungssatzung der zweitbeklagten Partei, Beilage ./7.
Mit Beschluß vom 21.Dezember 1989 (ON 14) wies das Erstgericht den Antrag auf Bestellung eines Kollisionskurators für die zweitbeklagte Partei ab und ordnete gleichzeitig die Klagezustellung an die zweitbeklagte Partei neuerlich zu Handen ihres Stiftungsrates Dr. Helmut P***** unter Setzung einer Klagebeantwortungsfrist von zwei Wochen an. Dieser erstattete hierauf am 19. Februar 1990 für die zweitbeklagte Partei fristgerecht die Klagebeantwortung (ON 17).
Den von der klagenden Partei in der Folge gestellten Antrag auf Erlassung eines Versäumungsurteiles gegenüber der zweitbeklagten Partei (ON 23) wies das Erstgericht mit der Begründung ab, daß durch den seinerzeitigen Antrag auf Bestellung eines Kollisionskurators die gesetzte Klagebeantwortungsfrist von drei Wochen analog zu § 73 Abs. 2 ZPO unterbrochen worden sei und mit Zustellung des Beschlusses ON 14 wieder neu zu laufen begonnen habe, sodaß die von der zweitbeklagten Partei erstattete Klagebeantwortung ON 17 rechtzeitig erscheine.
Das Rekursgericht gab dem gegen den erstgerichtlichen Beschluß erhobenen Rekurs der klagenden Partei Folge, hob den Beschluß auf und wies das Erstgericht an, über den Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteiles gegen die zweitbeklagte Partei neuerlich zu entscheiden. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes den Betrag von S 50.000 übersteigt, und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig. In seiner Entscheidungsbegründung führte das Rekursgericht aus, der Erstbeklagte sei während des gesamten Verfahrens als Präsident des Stiftungsrates der zweitbeklagten Partei für diese vertretungsbefugt gewesen und habe in dieser Eigenschaft für die zweitbeklagte Partei auch den Rekurs ON 17 unterfertigt. Auch daraus, daß er für die zweitbeklagte Partei den Antrag auf Bestellung eines Kollisionskurators gestellt habe, ergebe sich in keiner Weise eine unzulässige Zustellung an ein nicht vertretungsbefugtes Organ. Die Klagezustellung an die zweitbeklagte Partei durch Hinterlegung am 30. November 1989 habe somit den Beginn des Laufes der Klagebeantwortungsfrist bewirkt. Entgegen der erstgerichtlichen Rechtsansicht könne hier die nur für die Verfahrenshilfe geltende Ausnahmebestimmung des § 73 Abs. 2 ZPO nicht analog angewendet werden, sodaß mangels Fristunterbrechung die am 19. Februar 1990 überreichte Klagebeantwortung verspätet sei. Demgemäß habe das Erstgericht über den Antrag der klagenden Partei auf Erlassung eines Versäumungsurteiles gegenüber der zweitbeklagten Partei neuerlich zu entscheiden.
Gegen den rekursgerichtlichen Beschluß erhebt die zweitbeklagte Partei, "vertreten durch den Präsidenten des Stiftungsrates Dr. Helmut P*****", Revisionsrekurs mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
Die Rechtsmittelwerberin bringt vor, der gegen den erstgerichtlichen Beschluß gerichtete Rekurs ON 27 sei ihr nicht zugestellt worden, sodaß Nichtigkeit oder Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens vorliege, weil sie keine Gelegenheit zur Erstattung einer Rekursbeantwortung gehabt habe. Ihr Antrag auf Bestellung eines Kollisionskurators sei innerahlb der Klagebeantwortungsfrist gestellt worden, nach dessen Abweisung habe sie innerhalb der sodann gesetzten Klagebeantwortungsfrist die Klagebeantwortung auch tatsächlich erstattet, sodaß der Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteiles rechtlich unzulässig erscheine. Ihr Antrag auf Bestellung eines Kollisionskurators habe implizit einen Fristverlängerungsantrag hinsichtlich der Klagebeantwortungsfrist enthalten, dem das Erstgericht durch die Setzung einer neuerlichen Klagebeantwortungsfrist im Sinne des § 128 ZPO entsprochen habe, obschon in der Begründung lediglich auf die Bestimmung des § 73 Abs. 2 ZPO verwiesen worden sei. Auch ein bestellter Kollisionskurator hätte die Klagebeantwortung nicht innerhalb der ursprünglichen Klagebeantwortungsfrist einzubringen vermocht. Die Verlängerung einer richterlichen Frist könne abgesondert auch gar nicht angefochten werden.
Rechtliche Beurteilung
Den Rechtsmittelausführungen kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Das Erstgericht hat mit seinem am 21. Dezember 1989 und damit am letzten Tag der der zweitbeklagten Partei gesetzten dreiwöchigen Klagebeantwortungsfrist (Zustellung 30. November 1989) gefaßten Beschluß ON 14 zwar den Antrag auf Bestellung eines Kollisionskurators für die zweitbeklagte Partei abgewiesen, der zweitbeklagten Partei jedoch (siehe ON 14 AS 133) zur Klagebeantwortung eine neuerliche Frist von zwei Wochen gesetzt. Damit hat es, wenngleich die dafür in der Entscheidungsbegründung angeführte Rechtsansicht verfehlt ist, jedenfalls zweifelsfrei seinen Willen zur Verlängerung der Klagebeantwortungsfrist zum Ausdruck gebracht (SZ 23/344; ÖBl 1976, 85 ua). Da die zweitbeklagte Partei sodann innerhalb dieser ihr neu gesetzten verlängerten Frist die Klagebeantwortung einbrachte, war sie mit der Streiteinlassung nicht säumig, sodaß der Antrag der klagenden Partei auf Fällung eines Versäumungsurteiles vom Erstgericht zu Recht abgewiesen wurde.
Somit war dem Rekurs Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E26267European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0080OB00553.91.0620.000Dokumentnummer
JJT_19910620_OGH0002_0080OB00553_9100000_000