TE Vwgh Erkenntnis 2005/12/20 2003/05/0131

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Veröffentlicht am 20.12.2005
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Index

L37151 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Burgenland;
L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82001 Bauordnung Burgenland;
L82009 Bauordnung Wien;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §52;
BauG Bgld 1997 §12 Abs1;
BauG Bgld 1997 §12 Abs2;
BauG Bgld 1997 §26;
BauO Wr §126 Abs1;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz, als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde

1.

des Johann Krempelsauer sen., 2. der Maria Krempelsauer und

3.

des Johann Krempelsauer jun., alle in Winden am See, alle vertreten durch Dr. Michael Kaintz, Rechtsanwalt in 7100 Neusiedl am See, Gartenweg 108, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 27. Juni 2003, Zl. 02/04-306/2 - 2003, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. Heinrich Schrett in Winden am See, vertreten durch Dax, Klepeisz & Partner, Rechtsanwaltspartnerschaft GmbH in 7540 Güssing, Europastraße 1,

              2.              Gemeinde Winden am See), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in Höhe von EUR 1171, 20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 3. März 2003 erteilte der Gemeinderat der zweitmitbeteiligten Gemeinde dem Erstmitbeteiligten die Baubewilligung zur Errichtung eines Zubaus auf seinem Grundstück Nr. 127, KG Winden am See. Die Beschwerdeführer sind Eigentümer des Nachbargrundstückes Nr. 129.

Der Bürgermeister der zweitmitbeteiligten Gemeinde trug mit Bescheid vom 21. November 2002 gemäß § 12 des Bgld. Baugesetzes den Beschwerdeführern die Verpflichtung auf, für die Durchführung näher bezeichneter Arbeiten, insbesondere von Aushebungsarbeiten zwecks Errichtung des bewilligten Zubaus und der bewilligten Mauer, ihr Grundstück innerhalb eines bestimmten Zeitraumes benützen zu lassen. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführer seien bereits mit Schreiben vom 17. September 2002 über die notwendigen Arbeiten auf ihrem Grundstück verständigt worden. Diese seien aber von ihnen verweigert worden.

In der dagegen erhobenen Berufung brachten die Beschwerdeführer vor, die Errichtung einer Mauer sei nicht Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens gewesen, weshalb die Durchführung von Ausgrabungsarbeiten nicht gestattet werden dürfe.

Mit Bescheid des Gemeinderates der zweitmitbeteiligten Gemeinde vom 19. Dezember 2002 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. In der Begründung führte die Behörde aus, die Mauer sei bewilligt, da im - der Baubewilligung zu Grunde gelegenen - Einreichplan eine Mauer eingezeichnet gewesen sei. Gegen die Baubewilligung sei von den Beschwerdeführern Berufung erhoben worden und es sei derzeit eine Vorstellung bei der belangten Behörde anhängig. Der Instanzenzug sei insofern erschöpft, weshalb die Errichtung der Mauer und der anderen bewilligten Baumaßnahmen bis zu einer gegenteiligen Entscheidung der Vorstellungsbehörde zulässig sei.

Der dagegen erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 21. Februar 2003 Folge, hob den Berufungsbescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der zweitmitbeteiligten Gemeinde. Dies begründete die belangte Behörde damit, dass zur Klärung, ob die beabsichtigte Inanspruchnahme des Grundstückes Nr. 129, KG Winden, zur Durchführung der Bauarbeiten im beabsichtigten Umfang notwendig sei, ein Sachverständigengutachten eingeholt werden müsse.

Die Berufungsbehörde ergänzte das Ermittlungsverfahren durch Einholung eines Gutachtens eines Zivilingenieurs für Hochbau. Dieser führte in seinem Gutachten vom 30. März 2003 aus, dass sowohl für näher bezeichnete Arbeiten für die Errichtung des Zubaus als auch für die Errichtung der Mauer die Inanspruchnahme des Grundstückes der Beschwerdeführer für eine Gesamtdauer von 18 Arbeitstagen notwendig sei. Voraussetzung für die Durchführung der Arbeiten sei die Demontage des Lattengerüstes und der bestehenden Stahlkonstruktion sowie betreffend die Wand das Umpflanzen der bestehenden Bepflanzung auf dem Grundstück der Beschwerdeführer.

Mit Bescheid des Gemeinderates der zweitmitbeteiligten Gemeinde vom 8. April 2003 wurde die Berufung der Beschwerdeführer neuerlich als unbegründet abgewiesen und der Bescheid erster Instanz in der Weise abgeändert, dass die Inanspruchnahme des Grundstückes der Beschwerdeführer für nunmehr näher konkretisierte - sich aus dem eingeholten Gutachten ergebende - Arbeiten notwendig sei.

In der dagegen erhobenen Vorstellung brachten die Beschwerdeführer neuerlich vor, die Errichtung einer Mauer sei nicht bewilligt worden. Grundlage der Baubewilligung sei der vor dem Bezirksgericht Neusiedl am See am 8. Februar 2002 zu 5C 1154/01m-6 geschlossene Vergleich, mit welchem die Grundstücksgrenze zwischen den Beschwerdeführern und dem Erstmitbeteiligten neu festgesetzt worden sei. Die Errichtung einer Mauer würde dieser Grenze zuwider laufen. Zudem habe eine Bauüberprüfung der tatsächlichen Bauführung des Erstmitbeteiligten durch die Baubehörde erster Instanz ergeben, dass dieser entgegen dem gerichtlichen Vergleich die Grenze um 7 cm überschritten habe, weshalb die Baubehörde erster Instanz mit Bescheid vom 19. Oktober 2002 gemäß § 26 Abs. 1 Bgld. BauG die Einstellung der Bauarbeiten verfügt habe. Überdies sei im Bescheid der Berufungsbehörde nicht festgehalten, von welcher Seite das Grundstück der Beschwerdeführer betreten werden sollte und in welcher Richtung und in welcher konkreten Form die benötigten Materialien über deren Grundstück gelangen sollten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Vorstellung keine Folge gegeben und der Bescheid der Berufungsbehörde bestätigt. In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, in den Einreichplänen sei im Bestand des straßenseitigen Altbestandes ein roter Balken eingezeichnet. Im Vergleich mit der Legende ergebe sich, dass diese Farbgebung das Material Ziegel kennzeichne, weshalb dies auf die Errichtung einer Ziegelmauer deute. Betreffend die Tatbestandsmerkmale "nicht auf andere Weise oder nur unter unverhältnismäßigen Kosten" des § 12 Bgld BauG verwies die belangte Behörde auf das Gutachten vom 30. März 2003. Weitere Ausführungen im Gutachten bezüglich Material, Maschinen- und Personeneinsatz, genauere Konkretisierung, welcher Teil des Grundstückes der Beschwerdeführer in Anspruch genommen werde, sowie ein Kostenvergleich zu anderen Ausführungsmethoden seien nicht notwendig gewesen. Die im Gutachten beschriebene Vorgangsweise erscheine aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung als die günstigste Methode, da anders nur die Situierung eines Kranes auf dem Grundstück des Erstmitbeteiligten vorstellbar wäre. Eine Beurteilung, ob die erteilte Bewilligung gesetzwidrig sei, sei nicht in diesem Verfahren zu treffen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer bestreiten, dass hinsichtlich der Mauer eine Baubewilligung vorläge; die rote Färbelung einer nicht näher bezeichneten Eintragung im Bauplan erfülle nicht die Anforderungen des § 18 Bgld BauG. Darüber hinaus sei mit Bescheid des Bürgermeisters vom 25. Oktober 2002 die Einstellung der Bauarbeiten verfügt worden, weshalb die Ausführung konsenslos erfolge. Es seien von der Baubehörde keine Feststellungen darüber getroffen worden, ob das Bauvorhaben auf andere Weise nicht oder nur unter unverhältnismäßig hohen Kosten hätte durchgeführt werden können.

§§ 12 und 26 Bgld BauG i.d.F. LGBl. 10/1998 (BauG) lautet:

"Zeitweise Benützung fremden Grundes

(1) Der Eigentümer angrenzender Grundstücke hat das Betreten und die vorübergehende Benützung seiner Grundstücke oder Gebäude zur Herstellung der nach diesem Gesetz erforderlichen Pläne, zur Durchführung von Bauvorhaben, zu Ausbesserungs- und Instandhaltungsarbeiten oder zur Beseitigung von Baugebrechen nach vorhergehender rechtzeitiger Verständigung zu dulden, wenn diese Arbeiten auf andere Weise nicht oder nur unter unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden können.

(2) Wird die Inanspruchnahme verweigert, hat die Baubehörde über Notwendigkeit und Umfang der Benützung fremden Eigentums zu entscheiden.

(3) Können wegen eines Baugebrechens bei Gefahr im Verzug Menschen nur von benachbarten Bauten oder Grundstücken aus gerettet werden, haben die Eigentümer der benachbarten Grundstücke deren Betreten sowie die Vornahme notwendiger Veränderungen zu dulden.

(4) Nach Beendigung der Inanspruchnahme ist der frühere Zustand herzustellen und der Schaden, der trotz der Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht beseitigt werden konnte, von jenem zu ersetzen, zu dessen Gunsten die Inanspruchnahme erfolgte. Der Bürgermeister hat die Entschädigung mit Bescheid festzusetzen. Die Bestimmungen des § 27 Abs. 3 und 4 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 18/1969 in der jeweils geltenden Fassung, finden sinngemäß Anwendung.

§ 26. (1) Werden bei einer Überprüfung Mängel festgestellt, hat die Baubehörde deren Behebung innerhalb angemessener Frist anzuordnen. Werden die Mängel innerhalb dieser Frist nicht behoben, hat die Baubehörde die Herstellung des vorschriftsmäßigen und konsensgemäßen Zustandes oder die teilweise oder gänzliche Beseitigung des Baues zu verfügen.

(2) Wird ein bewilligungspflichtiges oder anzeigepflichtiges Bauvorhaben ohne Baubewilligung bzw. Baufreigabe ausgeführt oder im Zuge der Bauausführung vom Inhalt der Baubewilligung oder Baufreigabe wesentlich abgegangen, hat die Baubehörde die Einstellung der Arbeiten schriftlich zu verfügen und den Bauträger, sofern dieser über das Objekt nicht mehr verfügungsberechtigt ist, den Eigentümer aufzufordern, binnen vier Wochen um nachträgliche Baubewilligung anzusuchen bzw. die Bauanzeige zu erstatten. Kommt der Bescheidadressat dieser Aufforderung innerhalb der Frist nicht nach oder wird die Baubewilligung bzw. die Baufreigabe nicht erteilt, hat die Baubehörde die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes zu verfügen."

Ausgehend von dieser Bestimmung ist die Baubehörde somit im Falle einer Verweigerung der Inanspruchnahme berechtigt, über Notwendigkeit und Umfang der Benützung fremden Eigentums zu entscheiden.

Die belangte Behörde hat sich zwar zunächst - gestützt auf das von der Berufungsbehörde eingeholte Gutachten - mit der Erforderlichkeit der Inanspruchnahme des Grundstückes der Beschwerdeführer auseinandergesetzt, läßt aber Sachverhaltsfeststellungen zu dem oben dargelegten maßgeblichen Kriterium "auf andere Weise nicht oder nur unter unverhältnismäßig hohen Kosten" vermissen. Auch sind dem Gutachten Ausführungen betreffend Material-, Maschinen- und Personeneinsatz und welcher Teil des Grundstückes der Beschwerdeführer in Anspruch genommen werden soll ebensowenig zu entnehmen wie Feststellungen, ob die erforderlichen Arbeiten ohne Benützung des Grundes der Beschwerdeführer ausgeführt werden können, und bejahendenfalls eine Darstellung der Ausführung und der Kosten, wenn eine solche Inanspruchnahme nicht erfolgt. Gerade aber diese Kriterien sind, entgegen der Ansicht der belangten Behörde, Voraussetzung für eine Ermittlung der Kosten der Bauausführung (mit Inanspruchnahme des Grundstückes), da andernfalls ein zur Feststellung der unverhältnismäßig hohen Kosten durchzuführender Kostenvergleich mit anderen Ausführungsvarianten gar nicht möglich wäre.

Im Falle des Erkenntnisses vom 20. September 1994, Zl. 94/05/0188, ergangen zur Oö. BauO 1976, hat der Verwaltungsgerichtshof beispielsweise die Ansicht der damals belangten Behörde geteilt, dass unter "unzumutbar hohen Kosten" jedenfalls solche zu verstehen seien, die gegenüber der herkömmlichen Bauausführung mit Inanspruchnahme des Nachbargrundstückes inklusive der verwendeten Materialien eine Überschreitung von annähernd 50 % ausmachten. Dies macht deutlich, dass die verschiedenen Ausführungsvarianten einander gegenüber gestellt werden müssen, um eine solche Abwägung vornehmen zu können, sodass die Frage der Unverhältnismäßigkeit anderer Ausführungsvarianten geprüft werden kann.

Für das fortgesetzte Verfahren ist auf Folgendes hinzuweisen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu der durchaus vergleichbaren Bestimmung des § 126 Abs. 1 BauO für Wien in seinem Erkenntnis vom 13. April 1993, Zl. 90/05/0233, ausgesprochen, dass notwendige Maßnahmen im Sinne der zuletzt genannten Bestimmung jedenfalls zulässige Maßnahmen im Sinne der Bauordnung sein müssen. Zulässig sei ein Bauvorhaben, wenn es nicht bewilligungspflichtig oder zumindest bewilligungsfähig sei; sachverhaltsbezogen war damals die Frage nicht zu beantworten, ob eine Baubewilligung vorliegen müsse, weil die Baubewilligungspflicht verneint wurde. Hier konnte der Verwaltungsgerichtshof die strittige Frage der Zulässigkeit anhand der vorgelegten Akten nicht klären.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II Nr. 333/2003.

Wien, am 20. Dezember 2005

Schlagworte

Anforderung an ein Gutachten Besondere Rechtsgebiete Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003050131.X00

Im RIS seit

23.01.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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