Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter im Konkurs über das Vermögen der Hermann S***** OHG, ***** infolge Revisionsrekurses des Masseverwalters Dr. Wolfgang Ölz, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 24. Jänner 1990, GZ 1 R 22/90-275, womit der Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 28.Oktober 1989, GZ S 31/79-268, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde vom Erstgericht mit Wirkung vom 14.November 1979 der Konkurs eröffnet. In diesem Zeitpunkt hatte die Gemeinschuldnerin gegenüber der Vorarlberger Gebietskrankenkasse in Dornbirn (folgend kurz: VGKK) erhebliche Verbindlichkeiten. Antonia S*****, die Mutter der beiden (seinerzeit ebenfalls in Konkurs verfallenen) Komplementäre der Gemeinschuldnerin, Hermann und Richard S*****, verpfändete zur Besicherung der Forderungen der VGKK gegenüber der Gemeinschuldnerin auf Grund der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde vom 10.Oktober 1979 u.a. die ihr gehörige Liegenschaft EZ ***** KG D*****, so daß zu Gunsten der VGKK das Pfandrecht für die Forderung über S 1,987.857,59 samt 8,5 % Zinsen und eine Nebengebührensicherstellung von S 199.000 einverleibt wurde. Im Konkurs der Gemeinschuldnerin meldete die VGKK am 21.März 1980 auf Grund des vollstreckbaren Rückstandsausweises vom 17.März 1980 ihre Konkursforderung von S 2,899.011,23 in der ersten Klasse (§ 51 Abs.1 Z 5 KO aF) an; mit Eingabe vom 25.April 1983 schränkte sie diese auf S 2,069.189,40 ein; in der besonderen Prüfungstagsatzung des Erstgerichtes am 27.April 1983 wurde die Forderung vom Masseverwalter im vollen Betrag - jedoch nicht im Rang - bestritten; eine Frist zur Geltendmachung seines Widerspruches bei der zuständigen Behörde wurde dem Masseverwalter nach dem Inhalt des Protokolles nicht erteilt; der Masseverwalter erhob einen derartigen Widerspruch auch innerhalb der den "bestreitenden Konkursgläubigern" erteilten Frist von 2 Monaten nicht.
Um Antonia S***** den (Freihand-)Verkauf ihrer Liegenschaft EZ ***** KG D***** zu ermöglichen, forderte die VGKK als Bedingung für eine Pfandfreilassung die Überweisung von 10 % des angemessenen Kauferlöses auf das Beitragskonto der Gemeinschuldnerin und gab dazu bekannt, daß dieser Betrag ihrem Vertragspfandrecht entsprechend vorerst für berechtigte Zinsen und erst mit einem allfälligen Überling auf das Kapital der Forderung zu verrechnen sei. Der Rechtsvertreter der Pfandschuldnerin nahm diesen Vorschlag an, hielt jedoch den Rechtsstandpunkt seiner Mandantin fest, daß die Überweisung vorerst nur für die aushaftende Hauptsache und allfällige zu Recht bestehende Zinsen vorgenommen werde, "weil hinsichtlich des Zinsenlaufes Verjährung eingetreten sei" (Beilage zu ON 273). In der Folge wurde die Liegenschaft um S 4,014.400 verkauft und am 20. Februar 1988 an die VGKK der Betrag von S 401.440 mit dem Verwendungszweck "Fa S***** OHG, EZ ***** KG D***** (Pfandforderung) Zahlung nur zu Gunsten Hauptsache ohne Zinsen" überwiesen. Außerdem richtete der Rechtsvertreter der Pfandschuldnerin am 26.Februar 1988 ein Schreiben an die VGKK, in welchem zur Begründung des dargelegten Verwendungszweckes (Widmung) der Zahlung ausgeführt wird, daß hinsichtlich der offenen Zinsen nicht der von der VGKK eingenommene Rechtsstandpunkt geteilt werde, es aber sicherlich zweckmäßig sein werde, hinsichtlich der Klärung allfälliger zu Recht bestehender Zinsen noch ein Gespräch zu führen, um eine gerichtliche Austragung zu vermeiden. Die VGKK widersprach der Zahlung nicht und reagierte auf dieses Schreiben nicht mehr.
Anläßlich der besonderen Prüfungstagsatzung vom 6.Oktober 1989 anerkannte der Masseverwalter die von der VGKK angemeldete Forderung von S 2,069.189,40 abzüglich der erhaltenen, nach seiner Ansicht auf das Kapital zu verrechnenden Zahlung von S 401.440, somit nur mit S 1,667.749,40. In dieser, zugleich zur Verhandlung über den Schlußverteilungsentwurf des Masseverwalters (ON 259) anberaumten Tagsatzung gab die VGKK ihre Erinnerungen gegen den Verteilungsentwurf zu Protokoll und begehrte die Berücksichtigung ihrer gesamten angemeldeten Konkursforderung, weil sie den erhaltenen Betrag von S 401.440 auf nach der Konkurseröffnung anerlaufene, durch das Vertragspfandrecht auf der Liegenschaft EZ ***** KG D***** sichergestellte Zinsen anzurechnen berechtigt gewesen sei. Diesen Erinnerungen trat der Masseverwalter mit der Ausführung entgegen, die Verpflichtung der Pfandschuldnerin sei akzessorisch, ein Schuldbeitritt oder eine Schuldübernahme sei nicht erfolgt. Über diese Erinnerungen wurde keine Einigung erzielt.
Das Erstgericht verwarf die Erinnerungen der VGKK und genehmigte den Verteilungsentwurf des Masseverwalters. Es stellte fest: Der Überweisung des Betrages von S 401.440, der rechnerisch in den 8,5 % Zinsen aus der Hypothekarschuld für die letzten 3 Jahre vor der Zahlung gedeckt sei, aus dem Erlös der Veräußerung der Liegenschaft EZ ***** KG D***** seien Verhandlungen zwischen dem Rechtsvertreter der Liegenschaftseigentümerin und Pfandschuldnerin sowie der VGKK vorangegangen. Trotz der dabei zu Tage getretenen Meinungsunterschiede über die Anrechnung dieses Betrages habe die VGKK die Ausstellung und Verwendung einer Löschungsquittung (gemeint wohl: Pfandfreilassungserklärung) nicht davon abhängig gemacht, daß der Betrag ganz oder teilweise auf die grundbücherlich einverleibten 8,5 % Zinsen angerechnet werde. Das Schreiben des Vertreters der Pfandschuldnerin vom 26. Februar 1988 sei nicht beantwortet worden, der Zahlungswidmung "nur zu Gunsten der Hauptsache" sei nicht ausdrücklich entgegengetreten worden.
Daraus folgerte das Erstgericht rechtlich, daß die VGKK der Zahlungswidmung (nur auf die Hauptsache, somit das Kapital der Schuld) stillschweigend zugestimmt habe, so daß der unter diesen rechtlichen Voraussetzungen erstattete Verteilungsentwurf des Masseverwalters keinen rechtlichen Bedenken begegne.
Das Gericht zweiter Instanz hob infolge Rekurses der VGKK, die sich durch die Nichtzuweisung des Betrages von S 401.440 beschwert erachtete, den gesamten erstgerichtlichen Beschluß auf, trug dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung und neuerliche Entscheidung auf und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Es führte aus: Das Erstgericht habe dem Masseverwalter (noch) keine Frist zur Erhebung eines Widerspruchs gegen die von ihm im Betrag von S 401.440 bestrittene, titulierte Forderung der VGKK erteilt; daher könne noch nicht gesagt werden, daß der Masseverwalter seinen Widerspruch nicht fristgemäß geltend gemacht habe; so lange diese Fristsetzung aber nicht erfolgt sei, könne auch kein Gerichtserlag des auf die bestrittene Forderung entfallenden Betrages erfolgen und auch noch nicht in das Verteilungsverfahren eingetreten werden. Die Geltendmachung von Zinsen einer Konkursforderung ab Konkurseröffnung sei gemäß § 57 Z 1 KO aF nur als Konkursforderung ausgeschlossen, nicht aber auf Grund eines diese Zinsen (wie hier) deckenden Absonderungsrechtes. Zwischen dem Masseverwalter und der Konkursgläubigerin VGKK sei allerdings strittig, ob eine einvernehmliche Anrechnung der Zahlung des Betrages von S 401.440 aus dem Pfanderlös auf das Kapital oder nur auf die Zinsen ab Konkurseröffnung erfolgen sollte, es seien daher Tatumstände strittig, über die im Rahmen des Verteilungsverfahrens nicht entschieden werden könne. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Frage, ob über die gegen den Verteilungsentwurf erhobenen Erinnerungen im Konkursverfahren trotz unterbliebener Fristsetzung an den Masseverwalter nach § 110 KO abzusprechen sei, zur Wahrung der Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukomme.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Masseverwalters mit dem Antrag auf Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht dargelegten Gründen zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
Die Schlußverteilung, zu der nur auf Grund eines Verteilungsentwurfes (§ 129 Abs 2 und 3 KO) geschritten werden darf (§ 136 Abs 1 KO), setzt die endgültige Entscheidung über alle bestrittenen Forderungen oder, wenn es sich um vollstreckbare bestrittene Forderungen handelt, die Versäumung der Frist für die Geltendmachung des Widerspruches durch den Bestreitenden voraus (§ 131 Abs 4 KO). Im vorliegenden Fall blieb die angemeldete und durch einen vollstreckbaren Rückstandsausweis titulierte Forderung der VGKK in Höhe von S 401.440,- bestritten, aber es wurde dem bestreitenden Masseverwalter vom Konkursgericht bisher keine Frist zur Geltendmachung seines Widerspruchs im Sinne des § 110 Abs 3 und 4 KO gesetzt, mit dem er seinen die Forderungsfeststellung in diesem Umfang hindernden Teilzahlungseinwand im Verwaltungsverfahren bei der zuständigen Behörde verfolgen kann. Vom Rekursgericht wurde dies richtig erkannt. Mit Erinnerungen gegen den Verteilungsentwurf kann der vom Masseverwalter behauptete Oppositionstatbestand im Sinne des § 35 EO nicht geltend gemacht werden, denn diese können nur gegen festgestellte Forderungen erhoben werden und müssen sich auf einen nach Forderungsfeststellung entstandenen Tatbestand gründen (Bartsch-Pollak I3 587; Lehmann, Komm KO 670).
Bei dieser Sach- und Rechtslage durfte, wie schon das Rekursgericht richtig erkannt hat, vom Konkursgericht auch noch gar nicht zum Verteilungsverfahren geschritten werden, so daß die Aufhebung der Entscheidung über den Schlußverteilungsentwurf, der im Hinblick auf das für den Konkurs charakteristische proportionale Befriedigungsverfahren und den ihm entsprechenden Inhaltsgebot des § 129 Abs 3 KO für den Verteilungsentwurf der formalen Rechtskraft nicht fähig ist, gerechtfertigt ist.
Das Erstgericht wird daher im Sinne der zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes dem Masseverwalter eine Frist zur Erhebung seines Widerspruchs gegen die Teilforderung der VGKK von S 401.440 bei der zuständigen Behörde (§ 110 Abs.3 KO), deren Entscheidung nicht vom Konkursgericht im Rahmen des Schlußverteilungsverfahrens vorgegriffen werden darf, zu erteilen haben.
Anmerkung
E26269European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0080OB00004.9.0620.000Dokumentnummer
JJT_19910620_OGH0002_0080OB00004_9000000_000