Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Leopold Ramharter (Arbeitgeber) und Winfried Kmenta (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Eufemia M*****, vertreten durch Dr. Peter Wrabetz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter (Landesstelle Wien), 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Jänner 1991, GZ 32 Rs 240/90-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 24. September 1990, GZ 17 Cgs 44/90-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Rechtliche Beurteilung
Entscheidungsgründe:
Die unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) versuchte neuerliche Geltendmachung der schon in der Berufung behaupteten, vom Berufungsgericht aber verneinten Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens ist nach ständiger, in verschiedenen Publikationsorganen veröffentlichter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (zB MGA ZPO14 E 28 zu § 503; in Sozialrechtssachen auch des erkennenden Senates (SSV-NF 1/32, 3/115, zuletzt 4/114 uva)) unzulässig.
Der Versuch, in der Revision die Beweiswürdigung und die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen zu bekämpfen, ist ebenfalls unzulässig, weil es sich dabei um keinen der im § 503 ZPO abschließend aufgezählten zulässigen Revisionsgründe handelt. Bei der Behauptung, daß die Klägerin am 4.Dezember 1990, also nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung in erster Instanz, neuerlich wegen hypertoner Blutdruckkrisen in ein Wiener Krankenhaus aufgenommen werden mußte und bis 20.März 1991 im Krankenstand sei, sowie bei der nachgereichten Ablichtung eines diesbezüglichen Berichtes des Krankenhauses an den behandelnden Arzt vom 13.Dezember 1990 handelt es sich um gegen das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO) verstoßende unzulässige neue Behauptungen und ein unzulässiges Beweismittel.
Auch die Rechtsrüge ist nur insoweit gesetzgemäß ausgeführt, als sie Feststellungsmängel behauptet und vom festgestellten Sachverhalt ausgeht. Sie ist jedoch nicht berechtigt, weil das Berufungsgericht den ausreichend festgestellten Sachverhalt rechtlich richtig dahin beurteilt hat, daß die Invalidität der Klägerin, die das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nicht nach § 255 Abs. 1 ASVG, sondern nach Abs. 3 leg.cit. zu beurteilen und für die Zeit vom 1.Oktober 1989 bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz (24.September 1990) zu verneinen ist.
Die Klägerin behauptete in der Klage, "gelernte Hilfsschwester und Hebamme" zu sein und dies auf den Philippinen in einer 18 Monate dauernden Schule gelernt zu haben. Dabei bezog sie sich auf den Pensionsakt. In dessen REV-Teil hatte sie im Jahre 1983 ihre Tätigkeit in einem Wiener Krankenhaus als "Krankengehilfe" und "Stationsgehilfin" bezeichnet und darauf hingewiesen, daß sie in den Jahren 1957 und 1958 am philippinischen Binonolo Maternity Hospital eine Hebammenschulen besucht habe. Im Pensionsantrag vom 8. September 1990 gab sie an, vom 1.Juli 1981 bis laufend als "Hilfsschwester" im genannten Wiener Krankenhaus beschäftigt zu sein. Die beklagte Partei bestritt die von der Klägerin behauptete Tätigkeit als "Hilfsschwester" in Österreich nicht und wendete ein, daß die Klägerin zB noch als Krankengehilfin oder Hilfsschwester arbeiten könnte. Damit ist die tatsächliche Behauptung der Klägerin, vom 1. Juli 1981 bis zum Pensionsantrag in dem genannten Wiener Krankenhaus als "Hilfsschwester" ("Krankengehilfe") tätig gewesen zu sein, zumindest als zugestanden iS des § 267 Abs 1 ZPO anzusehen, weshalb sie nach § 266 Abs. 1 leg.cit. keines Beweises bedurfte.
Da die Klägerin in allen 98 österreichischen Beitragsmonaten vom 1. Juli 1981 bis 30.September 1989 als "Hilfsschwester" ("Krankengehilfe") tätig war, konnte das Erstgericht feststellen, daß sie in den letzten 15 Jahren (180 Kalendermonaten) vor dem Stichtag (1.Oktober 1989, also vom 1.Oktober 1974 bis zum 30. September 1989) überwiegend als "Hilfsschwester" tätig war. Daraus folgt, daß diese Tätigkeit auch in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag, also überwiegend iS des § 255 Abs 2 zweiter Satz leg.cit., ausgeübt wurde.
Nur wenn Anhaltspunkte dafür vorgelegen wären, daß es sich dabei um eine Tätigkeit in einem erlernten oder angelernten Beruf handeln könnte, wären nähere Feststellungen über diese Tätigkeit zu treffen gewesen (25.September 1990 10 Ob S 310/90 SSV-NF 4/119).
Daß es sich bei der Tätigkeit einer "Hilfsschwester" ("Krankengehilfin") oder "Stationsgehilfin" nicht um einen erlernten Beruf iS des § 255 Abs. 1 ASVG handelt, liegt bei einem Vergleich mit dem nach dem BG über die Regelung des Krankenpflegefachdienstes, der medizinisch-technischen Dienste und der Sanitätshilfsdienste BGBl 1961/102 (KrPflG) zum Krankenpflegefachdienst zählenden Beruf einer diplomierten Krankenpflegeperson auf der Hand.
Daß es für die Tätigkeit einer "Hilfsschwester" ("Krankengehilfin" oder "Stationsgehilfin") nicht erforderlich ist, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen in einem erlernten Beruf gleichwertig sind, - nur dann läge nach § 255 Abs 2 erster Satz ASVG ein angelernter Beruf iS des Abs 1 dieser Gesetzesstelle vor, - ergibt sich aus einem Vergleich des Umfanges der Ausbildungen für den Krankenpflegefachdienst und für die Sanitätshilfsdienste, zu denen auch bis 31.Dezember 1995 (Art I Z 16 iVm Art II Abs 1 Z 1 der Nov. vom 28.Juni 1990 BGBl 449) die Stationsgehilf(inn)en gehören. Stationsgehilfin ist nach § 49 Abs. 1 und § 51 lit. b KPflG die Berufsbezeichnung für Teilnehmerinnen an einem Kurs für die Ausbildung in den im § 44 lit. b leg.cit. angeführten einfachen (Sanitäts-)Hilfsdiensten in Krankenabteilungen der Krankenanstalten, in Ambulatorien sowie in Pflegeanstalten, die im Erlaß des Bundesministeriums für Soziale Verwaltung vom 6.März 1962 Zl. V-19.235-27/JA/62 umschrieben sind. Die Ausbildung in diesem Sanitätshilfsdienst hat nach § 45 Abs. 1 und 2 leg.cit. in einem in Verbindung mit Krankenanstalten eingerichteten Kurs zu erfolgen und nach § 47 Abs. 1 leg.cit. mindestens 130 und höchstens 210 Unterrichtsstunden zu umfassen. Zur Beurteilung des Erfolges dieser kursmäßigen Ausbildung ist nach Beendigung des Kurses eine Kursabschlußprüfung abzulegen (§ 48 Abs 1 leg.cit.); die Zulassung setzt nach Abs 4 der letztzitierten Gesetzesstelle eine mindestens sechsmonatige Tätigkeit in diesem Sanitätshilfsdienst voraus. Die theoretische und praktische Ausbildung zur Stationsgehilfin ist in Anlage 2 zu § 4 Abs 3 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Sanitätshilfsdienste BGBl 1961/216 idF BGBl 1969/309 geregelt. Danach beträgt die Mindestzahl der Unterrichtsstunden 185 Stunden. Bei den Tätigkeiten der Stationsgehilfinnen, die nur auf Anordnung und unter Aufsicht des Krankenpflegefachpersonals ausgeübt werden dürfen, handelt es sich nach der Aufzählung im zitierten Erlaß des Bundesministeriums für Soziale Verwaltung vom 6. März 1962, abgedruckt in Beran-Fritz-Haslinger, Krankenpflegerecht 61) im wesentlichen um Reinigungsarbeiten, Hilfe bei der Vorbereitung und Verteilung der Mahlzeiten und der Körperpflege der Patienten, wobei jedoch Frischoperierte und Schwerkranke jeweils ausgenommen sind, also durchwegs um untergeordnete Dienstleistungen. Daher muß die vom Berufungsgericht verneinte Frage, ob es im Hinblick auf die Bestimmungen des Krankenpflegegesetzes überhaupt ein "angelerntes Krankenpflegepersonal" geben kann, nicht näher geprüft werden.
§ 12 a Abs 1 und 2 KPflG, wonach Personen, die sich der Ausbildung als Stationsgehilfe(in) gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes unterzogen und die vorgeschriebene Kursabschlußprüfung mit Erfolg abgelegt haben, unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen eines Dienstverhältnisses als Stationsgehilfe(in) in der allgemeinen Krankenpflege oder in der Kinderkranken- und Säuglingspflege an einer Krankenpflegeschule ausgebildet werden können, wobei diese (zusätzliche) Ausbildung zwei Jahre und sechs Monate dauert, regelt dagegen einen ausnahmsweisen sekundären Ausbildungsweg zum Krankenpflegefachdienst. Der Beruf des Pflegehelfers schließlich wurde erst durch die Novelle BGBl 1990/449 geschaffen. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin insbesondere durch die von ihr behauptete schulmäßige Ausbildung an einem philippinischen Spital oder durch vor dem 1. Juli 1981 ausgeübte praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse oder Fähigkeiten erworben hat, welche jenen in einem erlernten Berufe gleichzuhalten wären, da diese für ihre Tätigkeit in Österreich jedenfalls nicht erforderlich waren (SSV-NF 2/98).
Daß es sich bei den Stationsgehilfinnen weder um einen erlernten noch um einen angelernten Beruf im Sinne des § 255 Abs 1 ASVG, sondern um einfache, im wesentlichen manuelle Tätigkeiten handelt, so daß die Invalidität nach Abs 3 leg.cit. zu beurteilen ist, entspricht auch der stRsp des Oberlandesgerichtes Wien als bis 31.Dezember 1986 letzter Instanz in Leistungsstreitsachen (zB 21. Juli 1978 SVSlg 25.921; 14.November 1978 SVSlg 26.034 = SSV 18/111; 24.März 1981 SVSlg. 27.620; 22.Februar 1982 SVSlg. 27.634; 3.Dezember 1984 SVSlg. 29.653; 20.September 1985 SVSlg. 31.582, 31.702 = SSV 25/112; 25.Februar 1986 SVSlg. 31.569).
Der nicht berechtigten Revision war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.
Anmerkung
E26356European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:010OBS00172.91.0625.000Dokumentnummer
JJT_19910625_OGH0002_010OBS00172_9100000_000