TE OGH 1991/6/25 10ObS93/91

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Veröffentlicht am 25.06.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Leopold Ramharter (Arbeitgeber) und Winfried Kmenta (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing.Walter G*****, vertreten durch Dr.Werner Dietrich, Angestellter der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, 1041 Wien, Prinz-Eugen-Straße 20-22, dieser vertreten durch Dr.Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, diese vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Alterspension, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. August 1990, GZ 32 Rs 194/90-21, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 1.Dezember 1989, GZ 12 Cgs 195/89-10, zurückgewiesen wurde, und infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28.Jänner 1991, GZ 32 Rs 244/90-29, womit der Beschluß des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 23.Oktober 1990, GZ 12 Cgs 195/89-24, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1. Dem Rekurs gegen den Beschluß vom 27.8.1990 wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die Entscheidung über die Berufung des Klägers unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen. Die Kosten des Rekurses sind weitere Verfahrenskosten.

2. Der Revisionsrekurs gegen den Beschluß vom 28.1.1991 wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das das Klagebegehren abweisende Urteil des Erstgerichtes wurde dem Kläger am 8.3.1990 zugestellt. Der Kläger gab am 16.3.1990 ein von ihm selbst unterschriebenes Schreiben zur Post, in dem er erklärte, er wünsche gegen das Urteil Berufung zu erheben, und in dem er um kostenlose Beigebung eines Rechtsanwaltes zur Erhebung der Berufung ersuchte. Ferner gibt der Kläger darin an, was seiner Meinung nach in die Berufung aufgenommen werden sollte.

Das Erstgericht stellte dem Kläger das Schreiben unter Anschluß eines ZPForm 1 (Antrag und Vermögensbekenntnis zur Erlangung der Verfahrenshilfe) zur Verbesserung binnen vier Wochen zurück. Es wies darauf hin, daß die Berufung von einem Rechtsanwalt oder einem hiezu befugten Funktionär oder Arbeitnehmer der für den Kläger in Betracht kommenden gesetzlichen Interessensvertretung oder freiwilligen kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigung unterschrieben sein müsse oder daß unter Anschluß des Vermögensbekenntnisses die vorläufige unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts beantragt werden könne. Der Verbesserungsauftrag wurde dem Kläger am 11.4.1990 zugestellt.

Am 20.4.1990 gab der Kläger ein mit 16.4.1990 datiertes, von ihm unterschriebenes Schreiben zur Post, das vor allem Ausführungen zur Sache, aber keinen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und auf Beigebung eines Rechtsanwalts enthielt. Das Erstgericht verfügte hiezu die Übersendung einer "Note" mit folgendem Wortlaut:

"1. Ein Vermögensbekenntnis ist notwendig, wenn Sie wollen, daß die Kosten eines Rechtsanwalts zunächst der Staat trägt.

2. Sie können aber auch die Gewerkschaft oder Arbeiterkammer um kostenlose Vertretung ersuchen.

Es wird Ihnen einen Frist von vier Wochen ab Zustellung eingeräumt."

Diese "Note" wurde dem Kläger am 10.5.1990 zugestellt. Am 6.6.1990 wurde beim Erstgericht eine Berufung des Klägers überreicht, die von einem Arbeitnehmer der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien unterschrieben ist.

Das Berufungsgericht wies die Berufung als verspätet zurück. Die Berufung sei nicht innerhalb der im (ersten) Verbesserungsauftrag gesetzten Frist eingebracht und es sei innerhalb dieser Frist auch nicht die Beigebung eines Rechtsanwalts beantragt worden. Die Frist sei durch das Schreiben des Klägers vom 16.4.1990 nicht verlängert worden, zumal eine Verlängerung gemäß § 85 Abs 2 ZPO unzulässig gewesen wäre und schon der (erste) Verbesserungsauftrag die entsprechenden Belehrungen enthielt.

Der Kläger erhob gegen diesen Beschluß des Berufungsgerichtes einen von einem Arbeitnehmer der angeführten Arbeiterkammer unterschriebenen Rekurs und beantragte in einem gesonderten Schriftsatz die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist. Dieser Antrag wurde vom Erstgericht zurückgewiesen, weil er nicht gemäß § 148 Abs 2 ZPO innerhalb von 14 Tagen nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt worden sei. Das Rekursgericht gab dem vom Kläger gegen diesen Beschluß des Erstgerichtes erhobenen Rekurs nicht Folge.

Der Oberste Gerichtshof trug dem Kläger auf, den Rekurs gegen die Zurückweisung der Berufung binnen 14 Tagen dadurch zu verbessern, daß er mit der Unterschrift eines Rechtsanwalts versehen wird. Dieser Beschluß wurde dem Vertreter des Klägers am 2.5.1991 zugleich mit dem zu verbessernden Schriftsatz zugestellt. Am 10.5.1991 wurde ein an das Erstgericht gerichteter, von einem Rechtsanwalt unterschriebener Schriftsatz zur Post gegeben, dem das zu verbessernde Rechtsmittel angeschlossen war und der mit diesem wörtlich übereinstimmte. Die beiden Schriftsätze wurden vom Erstgericht an das Oberlandesgericht Wien und von diesem an den Obersten Gerichtshof weitergeleitet, wo sie am 17.5.1991 einlangten. Da an diesem Tag die im Verbesserungsauftrag gesetzte Frist schon abgelaufen war, ist im Sinn der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl EFSlg 44.528, 49.823 uva) zu prüfen, ob der verbesserte Rekurs beim zuständigen Gericht eingebracht wurde.

Rechtliche Beurteilung

Soweit dies überblickt werden kann, hat der Oberste Gerichtshof noch nicht zur Frage Stellung genommen, bei welchem Gericht ein von einem Rechtsmittelgericht zur Verbesserung zurückgestelltes Rechtsmittel wieder einzubringen ist. Nach Ansicht des erkennenden Senates ist es aber jedenfalls zulässig, dieses Rechtsmittel bei jenem Gericht wieder einzubringen, bei dem das zu verbessernde Rechtsmittel einzubringen war. Dafür spricht nicht zuletzt der Wortlaut des § 85 Abs 2 Satz 1 ZPO, wonach die Frist für die "Wiederanbringung" (und nicht etwa bloß für die Verbesserung) zu setzen ist. Ist aber das verbesserte Rechtsmittel wieder "anzubringen", so muß dies nach den Regeln geschehen können, die für die erste "Anbringung" festgelegt sind.

Der verbesserte Rekurs des Klägers gegen die Entscheidung der zweiten Instanz konnte daher gemäß § 2 Abs 1 ASGG iVm § 520 Abs 1 ZPO beim Erstgericht überreicht werden und es muß daher nicht geprüft werden, ob dies auch unmittelbar beim Obersten Gerichtshof geschehen hätte können. Da er innerhalb der zur "Wiederanbringung" gesetzten Frist zur Post gegeben wurde, ist er gemäß § 2 Abs 1 ASGG iVm § 85 Abs 2 Satz 1 ZPO als an dem - innerhalb der Rekursfrist liegenden - Tag seines ersten Einlangens überreicht anzusehen und somit rechtzeitig. Er wurde im Sinn der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (EvBl 1961/529; SZ 41/18; SZ 43/4; AnwBl 1987, 296 ua) überdies ordnungsgemäß verbessert.

Der Rekurs gegen die Zurückweisung der Berufung ist auch berechtigt, der Revisionsrekurs gegen die Entscheidung über die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist hingegen unzulässig.

Das Berufungsgericht verkannte die Bedeutung der dem Kläger am 10.5.1990 zugestellten "Note" des Erstgerichtes. Darin wurde dem Kläger nicht nur eine Rechtsbelehrung erteilt, sondern es wurde ihm auch eine neue Frist zur Verbesserung seines im Zusammenhang mit der Berufungserhebung eingebrachten Schriftsatzes eingeräumt. Die "Note" enthielt daher ihrem Inhalt nach einen Beschluß, mit dem die erste zur Wiederanbringung des Rekurses gesetzte Frist verlängert wurde. Dies war zwar gemäß § 2 Abs 1 ASGG iVm § 85 Abs 2 Satz 2 ZPO nicht zulässig. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, von der abzugehen kein Anlaß besteht und die auch in Sozialrechtssachen Gültigkeit hat, darf aber ein Schriftsatz nicht mehr wegen Verspätung zurückgewiesen werden, wenn eine - wenn auch gesetzwidrig - erteilte weitere Frist eingehalten wird (AnwZ 1937, 257; SZ 41/18; 3 Ob 551/89 ua). Dies ist hier aber geschehen.

Da das Berufungsgericht die Berufung somit als rechtzeitig zu behandeln hat, ist der Kläger durch die Entscheidung über seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist nicht mehr beschwert und es fehlt ihm deshalb in diesem Punkt das Rechtsschutzbedürfnis. In einem solchen Fall ist ein Rechtsmittel aber unzulässig, und zwar auch dann, wenn das Rechtsschutzbedürfnis zwar noch zur Zeit der Einbringung des Rechtsmittels gegeben war und erst später weggefallen ist (EvBl 1984/84 ua).

Der Ausspruch über die Kosten des Rekurses beruht auf § 2 Abs 1 ASGG iVm § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E27209

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:010OBS00093.91.0625.000

Dokumentnummer

JJT_19910625_OGH0002_010OBS00093_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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