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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1294;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer sowie Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der G Hotel und Gastro KEG in I, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 20. März 2001, Zl. IIa-93008/6-00, betreffend Barauslagen i.A. Verfahren nach § 360 Abs. 3 GewO 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurden gemäß § 76 Abs. 2 zweiter Satz AVG der beschwerdeführenden Partei die der Behörde im Zuge der Schließung des Betriebes entstandenen Barauslagen in der Höhe von S 1.303,80 vorgeschrieben.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es, soweit es für den Beschwerdefall von Bedeutung ist, dass die vorgeschriebenen Barauslagen durch Austausch der Schlösser entstanden seien. Die von der Behörde vorgenommene Schließung sei zur Unterbindung der unbefugten Gewerbeausübung notwendig gewesen. Es sei Tatsache, dass am 24. September 2000 der Betrieb der beschwerdeführenden Partei "faktisch geschlossen wurde und mit Bescheid vom selben Tag diese faktische Schließung gemäß § 360 Abs. 3 Gewerbeordnung 1994 auch bescheidmäßig verfügt wurde". Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 12. Februar 2001 sei dieser Bescheid rechtskräftig bestätigt worden. Die belangte Behörde sei an diese rechtskräftig entschiedene Vorfrage gebunden. Tatsache sei weiters, dass zuvor mehrfach Gewerbeanmeldungen der beschwerdeführenden Partei nicht zur Kenntnis hätten genommen werden können und daher die Gewerbeausübung untersagt worden sei. Zum Zeitpunkt der Betriebsschließung sei eine rechtskräftige Entscheidung des Landeshauptmannes von Tirol vorgelegen, wonach die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des durch die beschwerdeführende Partei angemeldeten Gastgewerbes nicht vorlägen. Eine allenfalls danach erfolgte Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof - die zudem über die Rechtmäßigkeit der Geschäftsführerbestellung keinerlei Aussage enthalte - vermöge an der Tatsache nichts zu ändern, dass zum Zeitpunkt der Betriebsschließung keine ordnungsgemäße und den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechende Gewerbeanmeldung vorgelegen sei und somit der Tatbestand der unbefugten Gewerbeausübung gegeben gewesen sei. Auf Grund dieses Umstandes sei auch - rechtmäßig - die Schließung des Betriebes erfolgt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 76 Abs. 2 AVG belasten die Auslagen, wenn die Amtshandlung von Amts wegen angeordnet wurde, den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind.
Der Ersatz der Auslagen ist demnach nur im Falle eines Verschuldens des zum Kostenersatz herangezogenen Beteiligten an den betreffenden Amtshandlungen vorgesehen, wobei in jedem Fall vom Verschuldensbegriff des § 1294 ABGB auszugehen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1990, Zl. 89/07/0186).
In der Beschwerde wird u.a. vorgebracht, dass der Bescheid nicht ausreichend begründet sei, sondern nur einen Verweis auf die zahlreichen Vorakten enthalte. Das Ermittlungsverfahren sei auch insoweit mangelhaft, weil am Tag der Betriebsschließung keine unbefugte Gewerbeausübung vorgelegen sei.
Die beschwerdeführende Partei ist damit im Ergebnis im Recht.
Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift selbst einräumt, ist tragendes Element für die Gründe, weshalb es zur Betriebsschließung gekommen war, sowie weiters hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gastgewerbes der beschwerdeführenden Partei jeweils das Vorliegen rechtskräftiger Entscheidungen des Landeshauptmannes von Tirol (und zwar vom 12. Februar 2001 und vom 28. bzw. 29. August 2000).
Der Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 12. Februar 2001 wurde mit hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2001, Zl. 2001/04/0073, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Die Bescheide des Landeshauptmannes von Tirol vom
28. bzw. 29. August 2000 wurden mit den hg. Erkenntnissen vom 13. Dezember 2000, Zlen. 2000/04/0172, 0173 und 0174, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Wenn nun die belangte Behörde meint, an die vorgenannten Bescheide des Landeshauptmannes von Tirol - ungeachtet einer erfolgten Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof - gebunden zu sein, so verkennt sie die Rechtslage:
Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt die Rechtssache durch die verwaltungsgerichtliche Aufhebung des Bescheides in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des Bescheides befunden hatte.
Die in dieser Bestimmung normierte "ex tunc"-Wirkung bedeutet, dass der Rechtszustand zwischen Erlassung des Bescheides und seiner Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre. Die mit rückwirkender Kraft ausgestattete Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet auch, dass allen Rechtsakten und faktischen "Vollzugs"-Akten, die während der Geltung des vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Bescheides auf dessen Basis gesetzt wurden, im Nachhinein die Grundlage entzogen wurde (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 15. September 1992, Zl. 92/04/0066, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Im Hinblick auf die hg. Erkenntnisse vom 26. Juni 2001, Zl. 2001/04/0073, sowie vom 13. Dezember 2000, Zlen. 2000/04/0172, 0173 und 0174, durfte sich daher die belangte Behörde nicht auf die Bindungswirkung der Bescheide des Landeshauptmannes von Tirol vom 12. Februar 2001 sowie vom 28. bzw. 29. August 2000 berufen.
Da die belangte Behörde dies verkannte, war der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund - ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Die Umrechnung beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.
Wien, am 20. Dezember 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2001040100.X00Im RIS seit
09.02.2006