TE OGH 1991/6/26 3Ob26/91

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Veröffentlicht am 26.06.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Dr. Joachim S*****, wider die verpflichtete Partei Johanna R***** vertreten durch Dr. Gerhard Hernler, Rechtsanwalt in Feldkirchen, wegen 129.087,90 S sA, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 6.März 1991, GZ 3 R 106/91-15, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Feldkirchen/Kärnten vom 15. Jänner 1991, GZ E 4601/90-9, teilweise abgeändert und teilweise bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden bezüglich der Einbeziehung der Unfallrente der Sozialversicherungsanstalt der Bauern in die Pfändung und Zusammenrechnung aufgehoben. Dem Erstgericht wird in diesem Umfange eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Rekurses und des Revisionsrekurses sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Zur Hereinbringung einer Forderung von 129.087,90 S wurden im Rahmen einer Exekutionsführung nach § 294 a EO die Bezüge der Verpflichteten a) bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern und b) bei der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter gepfändet.

Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern gab bekannt, daß die Verpflichtete von ihr eine Witwenpension von 2.909,60 S monatlich und eine Unfallrente von 1.470,50 S monatlich beziehe, und ersuchte um Prüfung, ob die Unfallrente bei der Berechnung der Pfändungsrate heranzuziehen sei. Die betreibende Partei stellte hierauf den Antrag, die Einkünfte der Verpflichteten bei den beiden Drittschuldnern zusammenzuzählen und festzustellen, wie hoch sich der pfändbare Betrag belaufe und welche Anstalt diesen Betrag abzuziehen und an die betreibende Partei zu überweisen habe. Über Aufforderung des Erstgerichtes gab die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter bekannt, daß die Verpflichtete bei ihr eine Invaliditätspension von 4.112,60 S bzw ab 1.12.1990 wegen Abzugs einer Exekutionsrate (von der nicht bekannt ist, um welche Exekution es sich dabei handelt) von 3.825,60 S beziehe. Die Verpflichtete wurde nicht gehört.

Das Erstgericht entschied, daß der Freibetrag gemäß § 5 Abs.1 Z 1 LPfG von 3.700 S je zur Hälfte auf die Bezüge bei beiden Drittschuldnern entfalle und daher der Pfändung bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern der Betrag von 2.530,10 S und bei der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter der Betrag von 1.975,60 S unterliege. Die Unfallrente sei miteinzubeziehen, weil die Pfändung der Billigkeit entspreche.

Das Gericht zweiter Instanz änderte diesen Beschluß teilweise dahin ab, daß die Bezüge bei beiden Drittschuldnern einschließlich der Unfallrente, soweit sie nicht nach den Bestimmungen des ASVG, des BSVG und des LPfG für die Forderung der betreibenden Partei absolut unpfändbar seien, gemäß § 7 Z 2 Satz 1 LPfG zusammengerechnet würden und der unpfändbare Grundbetrag nach § 5 Abs.1 und 2 LPfG (derzeit monatlich 3.700 S) je zur Hälfte (derzeit monatlich 1.850 S) bei der Witwen- und Invaliditätspension zu berücksichtigen sei, während die unpfändbaren Zehntelbeträge nach § 5 Abs.3 LPfG (derzeit drei Zehntel) bei allen über die unpfändbaren Grundbeträge hinausgehenden Bezügen zu berücksichtigen seien, also bei der Witwen- und Invaliditätspension, soweit sie die Hälfte des Grundbetrages von § 5 Abs.1 und 2 LPfG übersteigen, und bei der Unfallrente zur Gänze.

Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Gericht zweiter Instanz billigte im wesentlichen die Vorgangsweise des Erstgerichtes, behob aber den Fehler des Übergehens der Zehntelbeträge nach § 5 Abs.3 LPfG. Der Standpunkt der verpflichteten Partei, daß die Invaliditätspension nicht der Pfändung unterliege, sei nicht zutreffend, weil sie wie eine Alterspension zu behandeln sei. Soweit die verpflichtete Partei im Rekurs auf erhöhte Aufwendungen verweise, sei sie auf einen Antrag nach § 8 LPfG zu verweisen. Die Geltendmachung der nur bedingten Pfändbarkeit der Unfallrente könne nach Versäumung des Rechtsmittels gegen die Exekutionsbewilligung nur noch mittels eines Einstellungsantrages erfolgen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der verpflichteten Partei ist berechtigt. Die verpflichtete Partei rügt in ihrem Revisionsrekurs nur mehr die Einbeziehung der Unfallrente in die pfändbaren und der Zusammenrechnung unterliegenden Einkommensteile. Sie trägt damit der Bestimmung des § 98 a Abs.1 und 2 ASVG (letzte Fassung durch die 34.ASVG-Novelle BGBl 1979/530) Rechnung, wonach Witwen- und Invaliditätspension nach Maßgabe der Bestimmungen der §§ 5 bis 9 LPfG voll der Pfändung unterliegen (Abs.1 Z 3), während die Unfallrente nur unter den Voraussetzungen des § 4 Abs.2 LPfG gepfändet werden kann (Abs.1 Z 2 und Abs.2). Zutreffend verweist das Gericht zweiter Instanz darauf, daß der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28.2.1984 (VfSlg 9.936) ausgesprochen hat, daß die unterschiedliche Regelung der Pfändbarkeit von Versehrtenrenten und Invaliditätspensionen nicht gleichheitswidrig ist.

Auch Bezüge, die gemäß § 4 LPfG (oder im Sinne des § 98 a Abs.2 ASVG ua sozialrechtlicher Bestimmungen) nur bedingt pfändbar sind, unterliegen der Zusammenrechnung nach § 7 Z 2 LPfG. Der Regelungszweck dieser Bestimmung liegt darin, daß der Gesetzgeber dem Verpflichteten nicht von jedem Einkommen erneut den vollen Freibetrag nach § 5 LPfG unpfändbar belassen wollte, sondern nur jenen Betrag, der auch freizulassen wäre, wenn der Verpflichtete nicht mehrere Bezüge, sondern ein einheitliches Arbeitseinkommen hätte. Unter einem "Arbeitseinkommen" im Sinne des § 7 Z 2 LPfG sind dabei nicht nur die in den §§ 1 und 2 LPfG angeführten Bezüge zu verstehen, sondern auch die pfändbaren Bezugsteile nach § 3 LPfG und die Bezüge im Sinne des § 4 Abs.1 LPfG (Heller-Berger-Stix 2051; SZ 60/202).

Die Äußerung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern, wonach im Falle der Bejahung der Pfändbarkeit auch der Unfallrente die monatliche Pfändungsrate 476 S betrage, wurde von der verpflichteten Partei offenbar mißverstanden. Dieser Betrag ergibt sich zwanglos aus folgendem Rechenvorgang: Witwenpension (2.909,60 S) und Unfallrente (1.470,50 S) ergeben zusammen 4.380,10 S. Für den Fall der Pfändbarkeit auch der Unfallrente würden von diesen 4.380,10 S ohne Berücksichtigung der gepfändeten Bezüge bei einem weiteren Drittschuldner (wovon der Sozialversicherungsanstalt der Bauern ja nichts bekannt sein konnte) gemäß § 5 Abs.1 Z 1 LPfG 3.700 S pfändungsfrei bleiben und vom Restbetrag von 680,10 S gemäß § 5 Abs.3 LPfG weitere drei Zehntel, nämlich 204,03 S, was den abgerundeten Betrag von 476 S ergibt. Auch bei bedingter Pfändbarkeit gelten die Bestimmungen des § 5 LPfG. Wenn die Pfändbarkeit grundsätzlich feststeht, kommt es nicht zu einer günstigeren Behandlung der bedingt pfändbaren Bezüge.

Zu prüfen bleibt damit, ob das Gericht zweiter Instanz mit Recht vom Vorliegen der Pfändungsvoraussetzungen nach § 4 Abs.2 LPfG ausging und daher auch die Unfallrente in die Zusammenrechnung nach § 7 Z 2 LPfG einbezog.

Wenn die Voraussetzungen nach § 4 Abs.2 LPfG nicht schon nach der sonstigen Aktenlage feststehen oder offenkundig sind, muß der betreibende Gläubiger im Exekutionsantrag die Umstände anführen und glaubhaft machen, aus denen sich die bedingte Pfändbarkeit ergibt (Heller-Berger-Stix 1976; EvBl 1970/83 ua).

Wurde die Exekution entgegen den Bestimmungen des § 4 Abs.2 LPfG bewilligt, so kann der Verpflichtete gegen die Exekutionsbewilligung Rekurs erheben, wenn er mit seinem Vorbringen nicht gegen das im Rekursverfahren geltende Neuerungsverbot verstößt. Insbesondere könnte daher mit Rekurs geltend gemacht werden, daß die Exekution ohne Behauptung und Bescheinigung jener Umstände bewilligt wurde, nach denen die Zulässigkeit der Pfändung beurteilt werden kann (Heller-Berger-Stix 1978). Wurde der Rekurs versäumt oder kann dieser wegen des Neuerungsverbotes nicht mit Erfolg erhoben werden, so kann der Verpflichtete die Unzulässigkeit der Exekution wegen Verletzung der Bestimmung des § 4 Abs.2 LPfG mit einem Einstellungsantrag nach § 39 Abs.1 Z 2 EO geltend machen (Heller-Berger-Stix 1979; EvBl 1970/236). Das Exekutionsgericht kann die Einstellung der Exekution gemäß § 39 Abs.2 EO nach Einvernehmung der Parteien auch von Amts wegen verfügen (Heller-Berger-Stix 1979).

Eine solche amtswegige Entscheidung auch ohne Vorliegen eines Einstellungsantrages ist geboten, wenn der Drittschuldner die Klärung der Pfändbarkeit beantragt oder wenn über einen Zusammenrechnungsantrag der betreibenden Partei zu entscheiden ist. Es wäre nicht ökonomisch, zunächst davon auszugehen, daß die Unfallrente in die Pfändung und Zusammenrechnung einzubeziehen ist, um dann bei positiver Erledigung eines hier ohnedies zu erwartenden Einstellungsantrages des Verpflichteten einen neuen Zusammenrechnungsbeschluß fassen zu müssen.

Das Erstgericht hat daher an sich zutreffend von Amts wegen über die Frage entschieden, ob die Unfallrente in die Pfändung und Zusammenrechnung einzubeziehen ist oder nicht.

Diese Entscheidung durfte aber, wie gesagt, nur nach Einvernehmung der Parteien erfolgen. Der bloße Umstand, daß es sich bei der betriebenen Forderung vermutlich um die Kostenforderung eines Rechtsanwaltes handelt, kann für sich allein noch nicht die Billigkeit iSd § 4 Abs 2 LPfG begründen (EvBl 1969/313). Die Prüfung der Frage, ob eine Pfändung der Billigkeit entspricht, erfordert die Abwägung der Interessen beider Teile, wobei zB auch auf die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse und die näheren Umstände des Entstehens der betriebenen Forderung Bedacht zu nehmen ist (SZ 46/55).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 78 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E26556

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0030OB00026.91.0626.000

Dokumentnummer

JJT_19910626_OGH0002_0030OB00026_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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