TE OGH 1991/6/26 1Ob551/91

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Veröffentlicht am 26.06.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Theresa, geboren am 29.April 1972, und der mj. Elisabeth Z*****, geboren am 11.Juli 1975, infolge Revisionsrekurses des Vaters Dr.Ernst Andreas Z*****, vertreten durch Dr.Guido Held, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 20.März 1991, GZ 2 R 125/91-37, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 11. Februar 1991, GZ 21 P 29/90-34, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die vorinstanzlichen Beschlüsse werden dahin abgeändert, daß der Antrag der beiden Töchter, ihren Vater zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 7.500 bzw S 6.000 zu verhalten, abgewiesen wird.

Text

Begründung:

Obwohl die Eltern mit ihren beiden Töchtern bei anhängigem Scheidungsverfahren noch in gemeinsamem Haushalt leben, beantragte die Mutter am 29.März 1990, den Vater zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 7.500 für Theresa, die am 29.April 1991 volljährig wurde, und von S 6.000 für die mj. Elisabeth zu verpflichten.

Der Vater bestritt die Antragslegitimation der Mutter, anerkannte die Unterhaltsansprüche in Höhe von monatlich S 6.000 (Theresa) und S 5.000 (Elisabeth) und behauptete, er erfülle seine Unterhaltsverpflichtungen durch laufende Geldzahlungen sowie die Wohnversorgung ohnedies zur Gänze.

Das Erstgericht entzog dem Vater die Obsorge im Umfang der Betreuung und Vertretung seiner beiden Töchter bei der Durchsetzung ihrer Unterhaltsansprüche, sprach aus, daß die Obsorge in diesem Umfang der Mutter künftig allein zustehe, und verpflichtete den Vater zu den begehrten Unterhaltsleistungen.

Es stellte fest, die Ehewohnung befinde sich in einem dem Vater gehörigen Haus. Dieser verdiene als HNO-Arzt im Monat durchschnittlich etwa S 45.500. Die Mutter habe ein monatliches Einkommen von rund S 27.000; sie führe den Haushalt und betreue die beiden Töchter entweder selbst oder durch Hilfskräfte, die von ihr entlohnt würden. Die für die Benützung der Ehewohnung anfallenden Kosten (an elektrischem Strom, Heizung, Grundsteuer sowie sonstigen Abgaben und Versicherungsprämien) in monatlicher Gesamthöhe von etwa S 6.700 trage der Vater. Seit 1.Mai 1990 zahle er Theresa S 6.000 und Elisabeth S 5.000 an monatlichem Geldunterhalt. Überdies habe er 1990 für Theresa die Kosten einer "Wien-Woche" und den Tennisclub - zusammen etwa

S 3.000 - bestritten, Elisabeth habe er einen Skiurlaub und gleichfalls den Beitrag für den Tennisverein - insgesamt

S 2.400 - finanziert.

Rechtlich meinte das Erstgericht, verletze ein Elternteil die seinen Kindern gegenüber bestehenden Pflichten, habe das Gericht von sich aus Vorkehrungen im Sinne des § 176 ABGB zu treffen. Angesichts der vom Vater bezahlten Unterhaltsbeträge könne zwar nicht gerade von einer Gefährdung des Kindeswohls gesprochen werden, doch biete allein eine solche Vorkehrung die Möglichkeit, Unterhaltsansprüche der Kinder bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft durchzusetzen. Das Einkommen des Vaters würde auch höhere als die begehrten Unterhaltsbeträge rechtfertigen, weil damit das Zweieinhalbfache des Regelbedarfes keineswegs erreicht werde. Mit der Bestreitung der Wohnungskosten leiste der Vater keinen Naturalunterhalt.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Antrag auf gerichtliche Festsetzung des Unterhalts setze voraus, daß der Unterhaltspflichtige bisher keinen oder weniger Unterhalt, als nach dem Gesetz zu leisten ist, gewährt habe. Komme ein Elternteil seiner Unterhaltspflicht bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft nicht nach, sei ihm auf Antrag des anderen Elternteils die Obsorge soweit zu entziehen und diesem zu übertragen, als es notwendig sei, daß dieser in Vertretung der Kinder deren Unterhaltsansprüche geltend machen könne. Der Antrag auf Entziehung der Obsorge sei mit dem Antrag auf Unterhaltsbemessung notwendigerweise verbunden und müsse daher nicht unbedingt gesondert gestellt werden. Mit dem bisher geleisteten Unterhaltsbeträgen komme der Vater seiner gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung nicht vollständig nach. Diese Beträge erreichten weder die nach der "Prozentkomponente" errechenbare Höhe noch die Unterhaltsobergrenze des zweieinhalbfachen Regelbedarfes. Der Mutter obliege auch nicht die Ergänzung des Unterhalts zur Bestreitung von Luxusbedürfnissen der Kinder. Sie wäre zu einer über ihre Betreuungsleistungen hinausgehenden Unterhaltsleistung nur verpflichtet, wäre der Vater zur vollen Deckung der Bedürfnisse der Kinder nicht imstande oder müßte er mehr leisten, als seinen eigenen Lebensverhältnissen angemessen wäre; das behaupte er aber nicht einmal. Das Erstgericht habe die vom Vater bezahlten Wohnungskosten zu Recht nicht als Naturalunterhalt anerkannt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist berechtigt.

Er führt ins Treffen, daß ihm die Obsorge schon deshalb nicht hätte entzogen werden dürfen, weil er nicht auch für die Luxusbedürfnisse seiner Töchter aufgekommen sei. Im übrigen leiste er diesen neben den von den Vorinstanzen festgestellten Unterhaltszahlungen von S 6.000 bzw S 5.000 in der Form weiteren Unterhalt, daß er für die mit monatlich S 6.700 erhobenen Betriebskosten der von den Unterhaltsberechtigten mitbenützten Ehewohnung aufkomme.

Die Frage, ob und wieweit dem Vater die Obsorge zu entziehen sei, kann ebenso wie die Berechtigung des Unterhaltsbemessungsantrages erst dann beantwortet werden, wenn geklärt ist, ob dem Vater überhaupt eine Verletzung seiner Unterhaltspflicht zur Last liegt. Die Eltern leben trotz anhängigen Scheidungsverfahrens mit den beiden Töchtern in aufrechter Haushaltsgemeinschaft, so daß der Vater diesen an sich Naturalunterhalt zu gewähren hat. Erst bei Haushaltstrennung oder bei Verletzung der Unterhaltspflicht wäre Geldunterhalt zu leisten (Pichler in Rummel, ABGB2 § 140 Rz 13 und Schlemmer/Schwimann in Schwimann, ABGB § 140 Rz 66 jeweils mwN): Dem Antrag auf Festsetzung des (Geld-)Unterhalts wäre deshalb nur dann stattzugeben, wenn der Vater weniger Unterhalt leistet, als nach dem Gesetz (§ 140 ABGB) zu Recht begehrt wird (vgl SZ 55/174; Schlemmer/Schwimann aaO Rz 71 mit Nachweisen aus der zweitinstanzlichen Rechtsprechung). Dann hätte er allerdings nicht etwa bloß den fehlenden Betrag in Geld zu entrichten, sondern wäre ausschließlich zu Geldzahlungen zu verhalten, weil der Naturalunterhalt im Exekutionsverfahren nicht oder nicht wirksam genug durchgesetzt werden kann (Schlemmer/Schwimann aaO Rz 72). Naturalunterhalt wird unter anderem auch durch Beistellung der Wohnung geleistet, so daß die Betriebskosten und die Kosten für elektrische Energie, Gas, Heizung u.dgl. auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen sind. Zwar hat der erkennende Senat in mehreren Entscheidungen (EFSlg 40.128, 53.126; 1 Ob 629/90 und 1 Ob 684/90) ausgesprochen, Leistungen des Vaters für die Ehewohnung beträfen ausschließlich das familienrechtliche Verhältnis zwischen den Ehegatten, er leiste deshalb damit keinen Naturalunterhalt für seine Kinder. Diese besondere Zurechnung wurde jedoch damit begründet (EFSlg 40.128 mwN), daß der zur Verfügung über die Wohnung berechtigte Ehegatte gemäß § 97 ABGB alles zu unterlassen und vorzukehren habe, daß der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte diese nicht verliere. Durch diese Bestimmung solle der Ehegatte ganz allgemein in seinem Anliegen auf Sicherung seines Wohnbedürfnisses vor Willkürakten des anderen Ehegatten geschützt werden. Der verfügungsberechtigte Ehegatte dürfe deshalb sein Bestand- oder sein sonstiges Benützungsrecht nicht aufgeben, sondern habe alles zu unterlassen, was die Beendigung des Bestand- oder des Benützungsverhältnisses zur Folge haben könne. Demgemäß sind nur die zur Beschaffung und zur Erhaltung der Ehewohnung erbrachten Aufwendungen des verfügungsberechtigten Ehegatten ausschließlich dem durch § 97 ABGB in dieser Weise konkret geordneten familienrechtlichen Verhältnis zwischen den Ehegatten zuzurechnen; Aufwendungen, die der Vater lediglich deshalb erbringt, um die von den Unterhaltsberechtigten (mit-)benützte Wohnung in benützungsfähigem Zustand zu erhalten, dienen dagegen (auch) der Beistellung von Wohnraum für die Unterhaltsberechtigten und sind deshalb als Naturalunterhaltsleistungen zu beurteilen, soweit damit nicht der andere Ehegatte infolge von Zahlungsrückständen doch wieder der Gefahr ausgesetzt wird, die Wohnung zu verlieren (vgl etwa die Kündigungsmöglichkeit nach § 30 Abs 2 Z 1 MRG). Letzteres kann aber im vorliegenden Fall schon deshalb nicht in Betracht gezogen werden, weil der Vater seiner Familie eine Wohnung im eigenen Haus zur Verfügung gestellt hat.

Durch die Bestreitung der Wohnungsbenützungskosten leistet der Vater seinen Töchtern demnach (Natural-)Unterhalt. Allerdings können diese Leistungen nicht zur Gänze auf den Unterhaltsanspruch angerechnet werden, weil sie auch den Eltern zugute kommen. In solchen Fällen wird die Auffassung vertreten, daß die Leistungen nach Köpfen anzurechnen seien (Schlemmer/Schwimann aaO Rz 73 und die dort zitierte zweitinstanzliche Rechtsprechung). Das mag dann zweifelhaft sein, wenn etwa die Mutter - wie im vorliegenden Fall - über beträchtliches eigenes Einkommen verfügt und deshalb von ihrem Ehegatten keinen oder doch nur in geringem Umfang Unterhalt verlangen kann. In solchen Fällen wäre die Bestreitung der Wohnungsbenützungskosten zum überwiegenden Teil einerseits dem Vater selbst zuzurechnen, weil auch er die Wohnung benützt, und andererseits den beiden unterhaltsberechtigten Töchtern als Naturalunterhalt auf ihren Unterhaltsanspruch anzurechnen. Einer präzisen Aufteilung dieser Leistungen bedarf es jedoch hier nicht, weil von einer - meßbaren - Unterhaltsverletzung, die die gerichtliche Bemessung erforderte, schon deshalb keine Rede sein kann, weil die Wohnungskosten zu einem erheblichen Teil den Töchtern anzurechnen sind, der Vater überdies weitere Leistungen für diese erbringt und zwischen begehrtem und tatsächlich entrichtetem (Geld-)Unterhalt ohnedies nur eine verhältnismäßig geringe Differenz besteht.

Mangels Verletzung der den Vater treffenden Unterhaltspflichten ist der von der Mutter namens ihrer beiden Töchter gestellte Unterhaltsbemessungsantrag in Stattgebung des Revisionsrekurses abzuweisen.

Anmerkung

E26156

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00551.91.0626.000

Dokumentnummer

JJT_19910626_OGH0002_0010OB00551_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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