Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Juni 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Jahn als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ing. Kurt R***** wegen des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 und Abs. 3 lit a und lit b FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wr.Neustadt als Schöffengericht vom 6.November 1990, GZ 11 a Vr 298/90-55, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung wegen Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ing. Kurt R***** (im zweiten Rechtsgang neuerlich) des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 und Abs. 3 lit a und lit b FinStrG schuldig erkannt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruches hat er in der Zeit von 1974 bis 5.Dezember 1979 in Frohsdorf vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, nämlich durch Nichtverbuchen von Umsätzen und Abgabe unrichtiger Steuererklärungen, Abgabenverkürzungen bewirkt, und zwar an Umsatz-, Körperschafts- und Gewerbesteuer im Betrag von insgesamt 2,476.120 S und an Kapitalertragssteuer im Betrag von insgesamt 1,267.762 S; der Gesamtbetrag der Abgabenverkürzungen beläuft sich demnach auf 3,734.882 S.
Die dem Schuldspruch zugrundeliegenden Feststellungen stützten die Tatrichter auf die Aussage des im ersten Rechtsgang als Zeugen vernommenen seinerzeitigen Betriebsprüfers Amtsrat Ferdinand E*****, auf den Inhalt der den Angeklagten betreffenden Finanzakten, insbesondere den Arbeitsbogen des Betriebsprüfers, und das teilweise Geständnis des Angeklagten. Dieser bekannte sich nämlich schuldig und räumte Abgabenhinterziehungen auf Grund von Liquiditätsschwierigkeiten ein, verantwortete sich allerdings dahin, fingierte Geschäftsfälle in die Buchhaltung aufgenommen und damit die Bezahlung erheblicher nicht geschuldeter Steuerbeträge bewirkt zu haben, wodurch aber der von ihm verursachte Schaden bei weitem gutgemacht worden sei. Diese Argumentation verwarf das Erstgericht unter Hinweis auf die dazu vom Obersten Gerichtshof bereits im ersten Rechtsgang dargelegte Rechtsansicht (§ 293 Abs. 2 StPO).
Der Angeklagte bekämpft das Urteil mit "Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wegen Schuld und Strafe".
In der allein auf die Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde rügt der Angeklagte als Verfahrensmangel die Abweisung des von ihm in der Hauptverhandlung vom 6. November 1990 gestellten Antrages auf Beiziehung eines Buchsachverständigen zum Beweis dafür, daß die hinterzogenen Abgaben durch die Bezahlung fingierter Steuern ausgeglichen worden seien, und zwar (noch) vor Einleitung des Strafverfahrens durch die Abgaben- und Finanzbehörde (S 249).
Rechtliche Beurteilung
Indem der Beschwerdeführer die Berechtigung seiner Rüge daraus ableitet, daß das Erstgericht den in Rede stehenden Antrag deshalb abgewiesen habe, weil es sich bei seiner Entscheidung an die rechtskräftigen Abgabenbescheide gebunden gefühlt habe, obwohl deren inhaltliche Unrichtigkeit offen ersichtlich gewesen sei, verkennt er, daß im vorliegenden Fall nicht das Problem der "Bindungswirkung" rechtskräftiger Abgabenbescheide, sondern die vom Obersten Gerichtshof bereits im ersten Rechtsgang (siehe 15 Os 115/89, ON 28 d.A) erörterte Frage von Bedeutung ist, ob (nachträgliche) Umsatzsteuerleistungen des Angeklagten auf Grund fingierter Rechnungen, die er jeweils ausgestellt, verbucht und versteuert habe, um vorausgegangene Hinterziehungen zu kompensieren, von dem ihm angelasteten strafbestimmenden Wertbetrag hätten in Abzug gebracht werden müssen. Dazu hat der Oberste Gerichtshof aber schon in der genannten Vorentscheidung - in Erwiderung der damals aus demselben Grund erhobenen Verfahrensrüge - unmißverständlich klargestellt, daß strafbestimmend die Höhe des Verkürzungsbetrages, also der Differenz zwischen der letztlich festgestellten wahren Abgabenschuld und deren ursprünglich zu niedriger Festsetzung oder Entrichtung zur Zeit dieser Verkürzung (und nicht zu irgendeinem späteren Zeitpunkt) ist, weswegen für die Berücksichtigung einer "Schadensgutmachung" im Wege einer "Kompensation" kein Raum bleibt.
Ausgehend von dieser Rechtsansicht konnte die vom Beschwerdeführer begehrte Beweisaufnahme somit ohne Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte unterbleiben. Durch die in derselben Sache ergangene Vorentscheidung ist vielmehr der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund bereits beseitigt, sodaß die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 d Abs. 1 Z 1, zweiter Satz, StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen war.
In gleicher Weise war mit der vom Angeklagten angemeldeten "Berufung wegen Schuld" zu verfahren, weil ein derartiges Rechtsmittel gegen das Urteil eines Schöffengerichtes im Gesetz nicht vorgesehen ist.
Aus alldem folgt, daß zur Entscheidung über die Berufung wegen Strafe der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285 i StPO).
Anmerkung
E27262European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0150OS00062.91.0627.000Dokumentnummer
JJT_19910627_OGH0002_0150OS00062_9100000_000