TE OGH 1991/6/27 15Os73/91

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Veröffentlicht am 27.06.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Juni 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Jahn als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Maximilian Andreas S***** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Ried im Innkreis vom 25. April 1991, GZ 8 Vr 758/90-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugemittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil - das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält - wurde Maximilian Andreas S***** der Verbrechen (1.) der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB und

(2.) des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 30.November 1990 in Handenberg Nadezda Z*****

(zu 1) durch Versetzen von Schlägen und Reißen an den Haaren, sohin mit Gewalt, zur Duldung des Beischlafs genötigt und

(zu 2) vorsätzlich zu töten versucht, indem er mit einem Messer mit einer Klingenlänge von 13,5 cm wiederholt gegen ihr Gesicht sowie den Kopf- und Brustkorbbereich stach und aus einem Kleinkalibergewehr zwei Schüsse auf sie abgab.

Die Geschwornen hatten die (dazu) anklagekonform gestellten Hauptfragen, und zwar die nach dem Verbrechen der Vergewaltigung im Stimmenverhältnis 6 : 2 und jene nach dem Verbrechen des versuchten Mordes stimmeneinhellig bejaht und die Zusatzfrage nach zur Tatzeit allenfalls gegebener Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) stimmeneinhellig verneint. Die außerdem gestellten Eventualfragen blieben folgerichtig unbeantwortet.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer (nominell) auf die Z 5 und 6 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Den Verfahrensmangel (Z 5) erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung nachfolgender von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellter Beweisanträge:

Durch die Beischaffung "sämtlicher medizinischer Unterlagen aus sämtlichen einschreitenden Krankenhäusern" sollte nachgewiesen werden, daß sowohl die Tiefe der Stichverletzungen als auch die Breite bzw Länge der Schnittwunden in den Krankengeschichten vermerkt sind, ferner daß die angeblich schwere Verletzung (Stichwunde am Oberschenkel) einer eingehenden Operation bedurfte und die behandelnden Ärzte in der Krankengeschichte auf die Tiefe und Breite des bezüglichen Einstiches sicherlich hingewiesen haben.

Durch die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet des "Schußwesens" sollte die "Entfernung der beiden abgegebenen Schüsse", ferner der "Schußkanal" festgestellt und die Richtigkeit des Gutachtens des gerichtsmedizinischen Sachverständigen über den Schußwinkel usw überprüft werden (S 93/Bd II).

Der Schwurgerichtshof lehnte diese Beweisaufnahmen mit der Begründung ab (S 95/Bd II), daß dem gerichtsmedizinischen Sachverständigen die für die Erstattung des Gutachtens erforderlichen wesentlichen Befunde ohnedies zur Verfügung standen, die Entfernungsangaben (bei Abgabe der Schüsse) durch die Aussage des in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen Gendarmeriegruppeninspektors E***** über die (auch in der Skizze ON 23, S 361 eingetragene) Vermessung geklärt seien und eine Nachvollziehung des Schußkanals nicht möglich sei, weil dies von individuellen Umständen abhänge, die im Detail nicht mehr rekonstruiert werden könnten.

Durch das bekämpfte abweisliche Zwischenerkenntnis wurden Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers nicht beeinträchtigt.

Zunächst trifft es nicht zu, daß der gerichtsmedizinische Sachverständige "nur einige Unterlagen bei sich hatte" bzw daß ihm "gravierende Teile der Krankengeschichte unbekannt" waren. Dem Hauptverhandlungsprotokoll (vgl S 67 ff, 87 ff/Bd II) ist vielmehr zu entnehmen, daß dem Sachverständigen Dr. H***** bei Erstattung des Gutachtens außer der (im Akt erliegenden) Krankengeschichte des Unfallkrankenhauses Salzburg (S 135 a, 213, 455-493/Bd I) insbesondere auch der während der Hauptverhandlung beigeschaffte Erstbefund des Krankenhauses Braunau zur Verfügung stand, von wo Nadezda Z***** (die damals auch eine Eröffnung des rechten Brustraumes erlitten hatte) wegen ihres eine sofortige ärztliche Versorgung auf anderer Ebene erfordernden lebensbedrohlichen Zustandes sogleich in das Unfallkrankenhaus Salzburg überstellt wurde. Dem Beschwerdevorbringen zuwider standen demnach dem gerichtsmedizinischen Sachverständigen nicht bloß "ein Blatt Papier", sondern sämtliche (relevanten) Unterlagen, darunter auch jene des Rehabilitationszentrums Bad Häring zur Verfügung, wo Nadezda Z***** nach ihrem Aufenthalt im Unfallkrankenhaus Salzburg untergebracht gewesen ist. Im übrigen ließ der Sachverständige - nach dessen Dafürhalten bereits sämtliche Unterlagen zur Verfügung standen (S 29/Bd II) - in seinem Gutachten keinen Zweifel daran, daß auch von allfälligen weiteren (ergänzenden) Behandlungsunterlagen wie Fieberkurven udgl keine weiteren Aufschlüsse erwartet werden könnten. Soweit sich der Beweisantrag auf die Schwere der von Nadezda Z***** erlittenen Oberschenkelverletzung bezieht, genügt der Hinweis, daß die Tiefe dieser Verletzung - abgesehen davon, daß dem Angeklagten die (auch) gegen den Oberschenkel der Genannten geführten Messerstiche als Tathandlung gar nicht angelastet werden - nach dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen nicht mehr rekonstruierbar ist.

Was die Ablehnung der Beiziehung eines Schießsachverständigen betrifft, so ist dem Schwurgerichtshof im Ergebnis darin beizupflichten, daß die begehrte Beweisaufnahme entbehrlich ist, weil ohnedies bereits entsprechende Beweise (mit Lokalaugenschein) aufgenommen worden waren. Dabei hat der Schwurgerichtshof die Beiziehung eines Schießsachverständigen nicht deshalb abgelehnt, weil er einem derartigen Gutachten den Beweiswert absprach, sondern deshalb, weil er (zutreffend) davon ausging, daß es an hinreichenden tatsächlichen Prämissen fehlt, auf Grund deren es möglich sein könnte, die vom Beweisthema erfaßten Umstände und Vorgänge genauer als dies im Zuge des Verfahrens ohnedies geschehen ist, zu rekonstruieren. Hinsichtlich der Entfernung des Angeklagten bei der Schußabgabe liegen auf Grund seiner eigenen Verantwortung insbesondere im Rahmen des im Vorverfahren durchgeführten Ortsaugenscheines exakte Ergebnisse vor, die von den Sicherheitsbehörden in einer Skizze sowie in Lichtbildaufnahmen festgehalten und in der Hauptverhandlung vom Zeugen E***** nach der Veranlassung zusätzlicher Vermessungen bestätigt wurden (S 35, 127, 128, ferner 361, 385, 387, 389, 393, 397 in ON 297 je in Bd I sowie S 94 f/Bd II). Zur Frage des an sich in das Fachgebiet der Gerichtsmedizin fallenden "Schußkanals" hinwieder hat der Sachverständige Dr. H***** in seinem Gutachten ausgeführt, daß die eine der beiden Schußverletzungen knapp unterhalb des Kniegelenkes links außenseitig im äußeren oberen Anteil der Wade und die zweite am Rücken 10 cm von der Mittellinie entfernt knapp unterhalb der Schulterblattspitze erfolgte; die Projektilendlage befand sich im ersten Fall rund 37 cm und im zweiten Fall rund 113 cm oberhalb der nackten Fußsohle, wobei das zuletzt bezeichnete, von links hinten ziemlich schräg in den Rücken eingedrungene Projektil schließlich im knöchernen Anteil des zehnten Brustwirbels zu liegen kam. Hieraus folgerte der Sachverständige, daß der Schußkanal bezogen auf aufrechte Körperhaltung annähernd horizontal von links hinten zur Mittellinie hin verlaufen ist (S 70 ff/Bd II); darüber hinaus brachte er zum Ausdruck, daß auf Grund der bereits durch die Stich- und Schnittwunden, die unter anderem zu einer Eröffnung des rechten Brustraumes geführt hatten (S 86 f/Bd II), im Zusammenhalt mit der (ersten) Schußverletzung im Bereich des linken Unterschenkels ausgelösten Schmerzhaftigkeit nicht mehr rekonstruiert werden kann, welche Körperhaltung diese Ereignisse auf Grund des primären Verletzungsschocks bei Nadezda Z***** bewirkt haben.

In der Ablehnung der begehrten Beweisaufnahmen kann demnach - entgegen der Beschwerdeauffassung - eine Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten des Angeklagten nicht erblickt werden.

Nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt ist schließlich die Beschwerde, wenn sie unter Anrufung des § 345 Abs. 1 Z 6 - der Sache nach Z 8 - StPO unter Hinweis auf die den Geschwornen in der Zeit von 16,40 Uhr bis 17,30 Uhr im Beratungszimmer erteilte Rechtsbelehrung und die (kurze) Dauer der daran anschließenden Beratung der Geschwornen (bis 19,00 Uhr) ins Treffen führt, daß selbst ein Jurist während der den Laienrichtern zur Verfügung gestandenen Zeitspanne von neunzig Minuten nicht in der Lage wäre, die 36 Seiten umfassende (schriftliche) Rechtsbelehrung und die im Fragenschema enthaltenen neun schwierigen juristischen Fragen zu studieren und zu beantworten; die Geschwornen seien demzufolge überfordert gewesen und hätten sich hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung kein klares Bild machen können, es müsse daher davon ausgegangen werden, daß sie weder die Rechtsbelehrung erfassen noch die an sie gerichteten Fragen verstehen konnten.

Diesem Vorbringen ist jedoch in keiner Weise zu entnehmen, inwieweit die Rechtsbelehrung unrichtig, undeutlich oder zumindest in irreführender Weise unvollständig sein sollte. Die Beschwerde läßt auch nicht (einmal andeutungsweise) erkennen, nach welchem konkreten Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tathandlungen unter ein anderes Strafgesetz fielen bzw wodurch eine der in den §§ 312 bis 317 StPO enthaltenen Vorschriften verletzt worden sein sollte; sie ist demnach insoweit mangels jeglicher Substantiierung einer sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich (Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr 57, 66 a zu § 345 Z 8).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit schon bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß §§ 285 d Abs. 1, 344 StPO zurückzuweisen; daraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§§ 285 i, 344 StPO).

Anmerkung

E27296

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0150OS00073.91.0627.000

Dokumentnummer

JJT_19910627_OGH0002_0150OS00073_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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