TE OGH 1991/7/4 6Ob570/91

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Veröffentlicht am 04.07.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann B*****, vertreten durch *****, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei V***** registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwälte in Krems an der Donau, wegen 9,000.000 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 14.Februar 1991, GZ 3 R 218/90-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Handelsgerichtes vom 7. August 1990, GZ 3 Cg 287/89-19, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 36.619,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 6.103,20 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

In Verwahrung der Beklagten befinden sich insgesamt vier auf Überbringer lautende und mit Losungsworten gesicherte eigene Sparbücher, und zwar die ersten drei mit den Nummern 605 1700, 605 1718 und 605 1726 mit einem darin ausgewiesenen Einlagenstand von je 2,000.000 S und das vierte mit der Nummer 605 1890 mit einem darin ausgewiesenen Einlagenstand von 3,000.000 S.

Der Kläger ist im Besitz der dazugehörigen, jeweils namens der Beklagten von deren damaligen beiden nur kollektivvertretungsbefugten Geschäftsleitern Johann E***** und Gerhard F***** unterfertigten Depotscheine Nr. 315/0032 vom 29.5.1989 und Nr. 315/0033 vom 23.6.1989. Darin heißt es, daß der Überbringer des Depotscheines berechtigt ist, gegen Vorlage des Originaldepotscheins und der Nennung der Losungsworte über die am 29.5.1989 (Nr. 315/0032) bzw 23.6.1989 (Nr. 315/0033) hinterlegten, jeweils mit Kontonummer, Einlagenstand und Datum näher bezeichneten oben erstgenannten drei Sparbücher (Nr. 315/0032) bzw über das oben viertgenannte Sparbuch (Nr. 315/0033) zu verfügen.

Der Ausstellung der Sparbücher und der Depotscheine liegt folgender Geschäftsvorgang zugrunde:

Der Kläger betreibt als Einzelkaufmann die Versicherungsmaklerei sowie den Betrieb und die Errichtung von Garagen und Industrieansiedlungen; er ist auch als Gesellschafter an mehreren Gesellschaften mit beschränkter Haftung beteiligt. Als Eigentümer eines Hauses in W*****, M***** Straße *****, hatte er ein Geschäftslokal an die E. V***** Gesellschaft mbH (im folgenden kurz "Firma V*****" genannt) vermietet. Die Beklagte war eine der Hausbanken der Firma V***** und im Jahre 1983 oder 1984 lernte der Kläger den Johann E***** in dessen Eigenschaft als Geschäftsleiter der Beklagten kennen. Johann E***** erörterte mit dem Kläger, der sich über die unpünktlichen Zinszahlungen der Firma V***** beschwerte, deren Bonität, wobei er ihre Entwicklung als günstig einschätzte, weil von ihm im Hinblick auf deren Kundenstock aus den Ostblockstaaten eine Geschäftsausweitung erwartet wurde; er teilte dem Kläger aber auch mit, daß die Firma V***** ihren Kreditrahmen bei der Beklagten überzogen und daß er als Geschäftsleiter der Beklagten in diesem Zusammenhang sein Pouvoir überschritten habe. Im Jahre 1985 bat Johann E***** den Kläger wiederholt um kurzfristige Einlagen bei der Beklagten. Der Kläger, der nie in den Geschäftsräumlichkeiten der Beklagten war, stellte zu diesem Zweck wiederholt Schecks in der Größenordnung von etwa 1,000.000 S aus und übergab sie dem Johann E*****, der ihm hiefür jeweils ein entsprechendes, zum Eckzinssatz verzinsliches Sparbuch der Beklagten überreichte; die Sparguthaben wurden jeweils nach vier bis sechs Wochen wieder aufgelöst.

Im Mai 1989 wendete sich Johann E***** wiederum an den Kläger und ersuchte ihn um kurzfristige Einlagen, die er diesmal für längere Zeit - sechs bis acht Wochen, maximal zwei bis drei Monate - und in einer Höhe von 6,000.000 S benötige. Im Hinblick auf die Höhe des Betrages verlangte der Kläger einen höheren Zinssatz als den Eckzinssatz und E***** sagte ihm 8 % Zinsen und zuzüglich den Eckzinssatz zu. Dem Kläger war damals klar, daß E***** die Geldeinlage wegen der Kontoüberziehung der Firma V***** brauchte; es ist aber nicht erwiesen, daß konkrete Buchungsvorgänge bei der Beklagten besprochen oder daß etwa die Rückzahlung der Geldeinlage an den Kläger von der Rückführung der Kontoüberziehung der Firma V***** abhängig gemacht worden wäre. Vielmehr war schon bei den vorangegangenen Geldtransaktionen die Ausstellung von Sparbüchern durch die Beklagte deshalb vorgenommen worden, weil der Kläger darin eine hinreichende Rückzahlungsverpflichtung und eine leichtere Realisierbarkeit erblickte. Am 29.5.1989 überbrachte Johann E***** dem Kläger die oben erstgenannten drei Sparbücher, die unter der dem Kläger aber nicht auffallenden Abkürzung "NTG" (für "Nachtrag") per 29.5.1989 einen Einlagenstand von je 2,000.000 S aufwiesen, sowie den Depotschein Nr. 315/0032. Den Depotschein ergänzte Johann E***** handschriftlich mit dem von ihm allein unterfertigten Zusatz "Zinsen: 3 % Eckzinssatz; Bonifikation: 6 % (sechs); Zusatzbonifikation: 2 %". Der Kläger machte sich von den Sparbuchseiten mit den Einlagenständen Photokopien, gab die Sparbücher wieder an Johann E***** zurück und stellte ihm drei Schecks über den Betrag von je 2,000.000 S aus. Vom Scheckerlös von insgesamt 6,000.000 S verbuchte Johann E***** in der Folge nur je 20.000 S auf den drei Sparkonten des Klägers; den Restbetrag von 5,940.000 S verwendete er aber als Gutschrift auf dem Kreditkonto der Firma V*****, das damals bei einem Kreditrahmen von nur 6,000.000 S einen Sollsaldo von mehr als 10,000.000 S aufwies.

Im Juni 1989 rief Johann E***** den Kläger neuerlich an und fragte ihn, ob er noch einmal 3,000.000 S zu den gleichen Konditionen wie im Mai 1989 bei der Beklagten einlegen könne. Der Kläger sagte zu und sandte zur Durchführung der Transaktion den Angestellten der Firma V***** Benedikt K***** als Boten nach G*****, von wo er das oben viertgenannte Sparbuch mit einem Einlagenstand "NTG 3,000.000 S" per 23.6.1989 und den Depotschein Nr. 315/0033 abholte. Der Kläger machte sich von den Sparbuchseiten mit dem Einlagenstand eine Photokopie und ließ das Sparbuch samt zwei von ihm ausgestellten Schecks über 850.000 S und 2,150.000 S von Benedikt K***** an Johann E***** überbringen. Dieser verbuchte am Sparkonto des Klägers nur einen Betrag von 30.000 S, verwendete aber die Scheckerlöse dazu, daß er von Benedikt K***** 850.000 S auf das Konto der Firma V***** bei der Z***** und 2,150.000 S auf das Konto der Firma V***** bei der Ö***** einzahlen ließ.

Es ist nicht erwiesen, daß sich in einem der Sparbücher ein Vermerk über eine höhere Verzinsung befunden hätte. Im Mai und Juni 1989 hätte ein Kunde eines Kreditinstitutes für täglich fällige Spareinlagen in dieser Höhe höchstens eine 6 %ige Verzinsung erzielen können.

Außer Streit steht, daß in den Sparbüchern der Beklagten "Hinweise für den Sparverkehr" abgedruckt waren, die (ua) auch die Klausel "Maßgebend ist der Kontostand in den Geschäftsbüchern der Bank" enthielten; der Eckzinssatz für Sparbücher betrug in der Zeit vom 29.5.1989 bis 31.1.1990 3 %, seit 1.2.1990 beträgt er 3 3/8 %.

Über das Vermögen der Firma V***** ist am 30.8.1989 zu AZ 5 S 81/89 des Handelsgerichtes Wien das Konkursverfahren eröffnet worden.

Mit der Behauptung, er habe auf die vier genannten Sparbücher die darin aufscheinenden Einlagenstände einbezahlt, begehrt der Kläger die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm gegen Vorlage der Sparbücher und Nennung der Losungsworte insgesamt 9,000.000 S sA zu zahlen. Die in den "Bedingungen für den Sparverkehr" enthaltene ungewöhnliche und für den Kläger als Kunden grob nachteilige Klausel, wonach für das Guthaben des Sparurkundenbesitzers der Kontostand in den Aufzeichnungen der Bank maßgebend sei, sei ihm weder bekannt gewesen noch sei er besonders auf sie hingewiesen worden. Sie sei daher gar nicht Vertragsbestandteil geworden, aber auch sittenwidrig. Was und von wem immer mit den Einlagegeldern des Klägers geschehen sei und welche internen Buchungsmanipulationen vorgenommen worden seien, habe ausschließlich die Beklagte zu vertreten.

Die Beklagte beantragt die Klageabweisung. In ihren Büchern scheine auf den Sparkonten des Klägers nur ein Einlangenstand von dreimal 20.000 S und einmal 30.000 S auf. Sie sei auch bereit gewesen, diese insgesamt 90.000 S dem Kläger auszuzahlen. In den Sparurkunden sei vermerkt, daß der Kontostand in den Geschäftsbüchern der Bank maßgebend sei und daß die "Bedingungen für den Sparverkehr" gelten. Danach sei aber gleichfalls für das Guthaben des Sparurkundenbesitzers der Kontostand in den Aufzeichnungen der Bank maßgebend, wenn er von den Eintragungen in der Sparurkunde abweiche. In den Büchern der Beklagten scheine auch keine den Eckzinssatz übersteigende Zinsenvereinbarung auf. Der diesbezügliche Vermerk auf dem Depotschein Nr. 315/0032 sei nicht bankmäßig gefertigt. Ihr seinerzeitige Geschäftsleiter Johann E***** habe seine Befugnisse überschritten und danach Deckungshandlungen vorgenommen, bei welchem ihm der Kläger geholfen habe. Johann E***** habe verschiedenen Unternehmen, zu denen der Kläger ein Naheverhältnis habe, Kredite in einem Ausmaß gewährt, bzw Kontenüberziehungen geduldet, wofür er aufgrund der Geschäftsordnung der Beklagten die Zustimmung anderer Organe bedurft hätte. Da er eine solche Zustimmung nicht erhalten hätte, habe Johann E***** die Geschäfte eigenmächtig und ohne Bucheintrag getätigt. So habe er etwa geduldet, daß die Firma V***** ihre Kreditkonten bei der Beklagten um mehr als 6,000.000 S überzogen habe. Hiefür habe der Kläger die ersten 6,000.000 S dem Johann E***** zur Verfügung gestellt. Die Summe sei nach dem Willen des Klägers zur Abdeckung der Kontenüberziehung eingezahlt worden. Er habe - in genauer Kenntnis der finanziellen Situation der Firma V***** und deren Geschäftsgebarung - schon seit Jahren Gelder zur Verfügung gestellt, damit das Obligo bei den Revisionen nicht auffalle. Dadurch habe Johann E***** seine Malversationen fortsetzen können, wodurch der Beklagten ein Schaden von 100,000.000 S entstanden sei. Allein durch den Konkurs der Firma V***** werde die Beklagte vermutlich einen Ausfall von 5,6 Millionen S erleiden. Ein Schaden in Millionenhöhe sei der Beklagten auch durch das Zusammenspiel des Klägers mit Johann E***** in Bezug auf zwei andere namentlich genannte Unternehmen entstanden. Der vom Kläger zu vertretende Schaden werde bis zur Höhe der Klagesumme compensando eingewendet. Der Kläger habe daher mit Johann E***** nur Privatgeschäfte getätigt. Ihm sei bekannt gewesen, daß die 9,000.000 S zur Abdeckung der Konten der Firma V***** dienen sollten und daß die Sparbücher nur zum Schein ausgestellt wurden. Die von ihm an Benedikt K***** ausgehändigten 3,000.000 S seien überdies nicht auf Konten der Beklagten eingezahlt worden und dieser daher nie zugekommen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und folgerte daraus in rechtlicher Hinsicht, daß der Kläger sein Begehren ausschließlich auf einen Spareinlagenvertrag gestützt habe, ein solcher aber gar nicht abgeschlossen worden sei. Der Kläger habe mit Johann E***** einen Vertrag sui generis mit Elementen eines Garantievertrages abgeschlossen, weil die Geldeinlage nicht zu Zwecken der Anlage erfolgt sei, sondern über Ersuchen des Geschäftsleiters der Beklagten und wegen der ihm bekannten Kontenüberziehung der Firma V*****. Die Sparbücher hätten für den Kläger lediglich eine Sicherheit darstellen sollen. Der zwischen dem Kläger und Johann E***** wirklich gewollte Vertrag, für den die Sparbücher nur als Garantie für die Rückzahlung dienen sollten, sei aber nicht zustande gekommen, weil ihm die Zustimmung des zweiten kollektivzeichnungsberechtigten Geschäftsleiters der Beklagten gefehlt habe. Durch die Mitzeichnung der Depotscheine sei nur das simulierte, in Wahrheit aber nicht gewollte Spareinlagengeschäft genehmigt worden.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Forderung des Klägers mit 9,000.000 S samt 6 % Zinsen zu Recht, hinsichtlich des Zinsenmehrbegehrens von 5 % aber nicht zu Recht bestehe und daß die von der Beklagten bis zur Höhe der Klageforderung eingewendete Gegenforderung gleichfalls nicht zu Recht bestehe; es erkannte die Beklagte daher schuldig, dem Kläger gegen Vorlage der vier genannten Sparbücher und Nennung der Losungsworte insgesamt 9,000.000 S samt 6 % Zinsen aus 6,000.000 S seit 30.5.1989 und aus 3,000.000 S seit 24.6.1989 zu zahlen. Das darüber hinausgehende Zinsenmehrbegehren wurde - mittlerweile rechtskräftig - abgewiesen und ausgesprochen, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mangelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Gericht zweiter Instanz die Auffassung, daß zwischen dem Kläger und der Beklagten sehr wohl Spareinlagenverträge im Sinne des § 18 Abs 1 Satz 1 KWG abgeschlossen worden seien, weil die Beklagte die verzinslichen Geldeinlagen des Klägers gegen Ausfolgung von Sparurkunden entgegengenommen habe und diese daher der Anlage gedient hätten. Dem stehe auch die Kenntnis des Klägers, daß Johann E***** das Geld wegen der Kontoüberziehung der Firma V***** gebraucht habe, nicht entgegen, weil dies den Geschäftszweck für die Entgegennahme von Spareinlagen durch Banken, nämlich die Verwendung solcher Gelder zur entgeltlichen Kreditgewährung, keineswegs unterlaufe. Johann E***** habe mit dem Kläger keine Privatgeschäfte geschlossen. Selbst wenn ihm dieser mit den Einlagen entgegenkommen wollte, sei jener doch - wie sich schon aus der Hingabe der Sparbücher der Beklagten und aus der Einbindung des zweiten Geschäftsleiters zeige - als Geschäftsleiter der Beklagten aufgetreten. Allerdings könne der Anlagecharakter der Geldeinlage des Klägers im Hinblick auf die vorgesehene Einlagendauer von maximal zwei bis drei Monaten zweifelhaft sein, vertrete doch Avancini (in Das Sparbuch im österreichischen Recht, 20 f und in Avancini-Iro-Koziol, Bankverträge I Rz 9/18) die Auffassung, daß kurzfristige Einlagen unterhalb der gesetzlichen Kündigungsfrist von drei Monaten nicht der Anlage dienten. Dann läge zwar kein Spareinlagenvertrag im Sinne der §§ 18 ff KWG vor, doch würden davon die rein privatrechtlichen Folgen der Einlagenverträge nicht berührt, aus denen sich gleichermaßen die Auszahlungsverpflichtung der Beklagten ergebe. Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg auf die in den Sparbüchern abgedruckte Klausel berufen, wonach bei Abweichungen von den Eintragungen in der Sparurkunde der Kontostand in den Geschäftsbüchern der Bank maßgebend sei. Diese Klausel sei schon bisher von der Rechtsprechung dahin verstanden worden, daß der Kontostand in den Geschäftsbüchern der Bank nur dann maßgebend sei, wenn die Abweichung im Sparbuch auf einen Irrtum der Bank bei der Eintragung in das Sparbuch oder auf einer unzulässigen Manipulation des Sparbuchinhabers beruhe, nicht aber, wenn die Abweichung - wie hier - auf eine willkürliche oder sonst unzulässige bzw ungerechtfertigte Maßnahme der Bank zurückgehe. Nach der neuersten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sei die Klausel überhaupt wegen Sittenwidrigkeit unwirksam (EvBl 1990/158 = WBl 1990,279 = BankArch 1990, 1008 = eco 1990, 347).

Die 11 %ige Verzinsung der Spareinlagen habe der Kläger aber nur mit dem nicht alleinvertretungsbefugten Geschäftsleiter Johann E***** vereinbart. Die Zustimmung des zweiten, mit Johann E***** kollektivvertretungsbefugten Geschäftsleiters zu einem solchen unüblichen Zinssatz sei nicht nachgewiesen. Aus der Mitfertigung der Depotscheine durch den zweiten Geschäftsleiter könne lediglich dessen Genehmigung für die damals für derartige Einlagen üblichen Zinsen von 6 % erschlossen werden.

Die von der Beklagten compensando eingewendeten Gegenforderungen seien von ihr nicht ausreichend konkretisiert worden; sie bestünden auch deshalb nicht zu Recht, weil der Beklagten nach den Feststellungen deren Nachweis nicht gelungen sei.

Gegen das stattgebende Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten aus den Revisionsgründen des § 503 Z 2 bis 4 ZPO mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils, hilfsweise auf dessen Aufhebung.

Der Kläger stellt den Antrag, dem Rechtsmittel der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Soweit die Beklagte im Rahmen ihrer Mängel- und Aktenwidrigkeitsrüge nicht überhaupt in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen bekämpft, liegen die geltend gemachten Aktenwidrigkeiten und Mangelhaftigkeiten des Berufungsverfahrens nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

In ihrer Rechtsrüge beharrt die Beklagte im wesentlichen auf dem Standpunkt, daß zwischen ihr und dem Kläger keine Spareinlagenverträge geschlossen worden seien, weil der Kläger mit ihrem ungetreuen Geschäftsleiter "reine Privatgeschäfte" getätigt habe. Auch aus der vorgesehenen Maximaldauer der Geldeinlagen von drei Monaten ergebe sich, daß keine Spareinlagenverträge vorlägen, zumal dem Kläger bei der Scheckhingabe auch klar gewesen sei, daß Johann E***** das Geld wegen der Kontoüberziehung der Firma V***** im Zusammenhang mit der Überschreitung seines Kreditpouvoirs benötige. Dem ist jedoch folgendes entgegenzuhalten:

Das Berufungsgericht hat bereits zutreffend darauf verwiesen, daß nach den Feststellungen Johann E***** dem Kläger gegenüber stets in seiner Eigenschaft als Geschäftsleiter der Beklagten aufgetreten ist. Gegenstand seiner Verhandlungen mit dem Kläger waren ausschließlich namhafte Geldeinlagen des letzteren bei der Beklagten. Hiefür wurden - Zug um Zug gegen Scheckhingabe des Klägers - auch Sparbücher der Beklagten ausgefolgt und anschließend in deren Verwahrung gegeben. Diese Geschäftsvorgänge wurden durch die Ausstellung von Depotscheinen der Beklagten nicht nur dokumentiert, sondern zugleich infolge bankmäßiger Fertigung durch beide kollektivzeichnungsberechtigten Geschäftsleiter für die Beklagte auch verbindlich. Bei dieser Sachlage kann von einem "reinen Privatgeschäft" des Johann E***** keine Rede sein, auch wenn der Kläger wußte, daß dieser seine Geldeinlagen bei der Beklagten wegen der Kontoüberziehung der Firma V***** haben wollte. Soweit die Beklagte mit ihrem Hinweis auf das dem Kläger bekannte Motiv ihres Geschäftsleiters für die Geschäftsabschlüsse den von ihr in erster Instanz erhobenen Einwand des Vorliegens eines Scheingeschäftes aufrecht hält, ist sie darauf zu verweisen, daß sie den Abschluß eines solchen zu beweisen gehabt hätte (JBl 1983, 444); denn die Frage, ob im Einzelfall ein Scheinvertrag vorliegt, die Willenserklärungen der Vertragspartner also im beiderseitigen Einverständnis nur zum Schein abgegeben worden sind, oder ob die Vereinbarung dem wahren Willen der Parteien entspricht, ist nicht eine solche der rechtlichen Beurteilung, sondern eine Feststellung tatsächlicher Art (RZ 1991/7 ua). Im vorliegenden Fall läßt sich aber den Feststellungen keinesfalls entnehmen, daß die verzinslichen Geldeinlagen des Klägers bei der Beklagten gegen Ausfolgung von Sparurkunden etwa nicht dem wahren Willen der Parteien entsprochen hätten. Insbesondere mußte ein diesbezüglich fehlender, durch das nachfolgende tatsächliche Verhalten des Johann E***** allenfalls indizierter Rechtsfolgewille dem Kläger bei den Geschäftsabschlüssen nicht schon deshalb erkennbar gewesen sein, weil er wußte, daß der Geschäftsleiter sein Kreditpouvior in bezug auf die Firma V***** überschritten hatte. Da es sich ja um namhafte Geldeinlagen handelte, konnte durchaus damit gerechnet werden, daß schon eine derartige Erhöhung des Gesamteinlagenstandes bei der Beklagten für sich allein auch Auswirkungen auf das Kreditpouvior ihres Geschäftsleiters hat. Nach den Feststellungen wußte aber der Kläger nicht und er mußte auch nicht damit rechnen, daß E***** seine Geldeinlagen nicht widmungsgemäß den Sparkonten zuführen, sondern mit ihnen auf die festgestellte Art und Weise verfahren werde.

Der Spareinlagenvertrag mit einem Kreditinstitut ist nunmehr durch §§ 18, 19 KWG sowie AGB weitgehend geregelt, sodaß auf Bestimmungen des ABGB kaum zurückgegriffen werden muß (Schubert in Rummel, ABGB2 Rz 3 zu § 959). Ob es sich dabei um einen Vertrag sui generis mit Elementen eines Darlehens- und eines depositum irregulare handelt (SZ 43/121; HS 8260; SZ 50/127) oder um einen Darlehensvertrag (Avancini in Avancini-Iro-Koziol, Bankvertragsrecht I Rz 9/10), muß daher hier nicht neuerlich untersucht werden, zumal es sich dabei nur mehr um eine rechtstheoretische Frage handelt (P.Berger, Das Recht des Sparbuchs, 27 f); jedenfalls geht die Geldeinlage des Sparers in das Eigentum des Kreditinstituts über (Schwimann/Binder, ABGB IV/1, § 959 Rz 6; HS 8260).

Gemäß § 18 Abs 1 Satz 1 KWG sind Spareinlagen "Geldeinlagen bei Banken, die nicht dem Zahlungsverkehr, sondern der Anlage dienen und als solche nur gegen Ausfolgung von besonderen Urkunden (Sparurkunden) entgegengenommen werden dürfen". Daraus folgt zunächst, daß für die Begründung einer Spareinlage die Ausfolgung einer Sparurkunde essentiell ist (Avancini aaO Rz 9/16; P.Berger aaO 22; Laurer in Fremuth-Laurer-Pötzelberger, Handkommentar zum KWG Rz 6 zu § 18). Im vorliegenden Fall wurden dem Kläger auf Überbringer lautende und durch Losungsworte gesicherte Sparbücher der Beklagten ausgefolgt und dieser anschließend sofort in Verwahrung gegeben.

Als Spareinlagen kommen aber nur solche Gelder in Frage, die "nicht dem Zahlungsverkehr, sondern der Anlage dienen". Damit wollte der Gesetzgeber ausdrücken, daß nur eine verzinsliche Einlage als Spareinlage in Frage kommt, weil nur sie den Anlagezweck, Einnahmen zu erzielen, verwirklichen kann, weil also nur sie der Anlage dient (P.Berger aaO 17). Der einschränkenden Meinung Avancinis (aaO Rz 9/18), wonach bei Geldeinlagen für eine kürzere Frist als der gesetzlichen Kündigungsfrist von drei Monaten der Anlagecharakter zu verneinen sei, kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil dieser Autor selbst erkennt (aaO Rz 9/46), daß mangels Erlassung einer Verordnung im Sinne des § 19 Abs 4 Satz 1 KWG derzeit selbst Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist ohne vorhergehende Kündigung in unbegrenzter Höhe täglich fälliges Geld sind (Störck, Kommentar zum KWG, 179). Überdies ist ihm mit P.Berger (aaO) entgegenzuhalten, daß auch eine kurzfristige Anlage eine Anlage ist und daß im vorliegenden Fall eine Befristung der Geldeinlagen des Klägers gar nicht vereinbart wurde; Johann E***** hat ja lediglich erklärt, daß er diesmal die Einlagen des Klägers maximal zwei bis drei Monate brauche. Selbst wenn aber damit eine entsprechende Befristung vereinbart worden wäre, könnte aus einer solchen Befristung allein noch nicht gefolgert werden, daß das Geld mit Fristablauf auch tatsächlich behoben wird oder gar behoben werden muß.

Es sind daher im vorliegenden Fall zwischen dem Kläger und der Beklagten vier Spareinlagenverträge im Sinne der §§ 18 ff KWG abgeschlossen worden. Daran vermag entgegen der Meinung der Beklagten auch der Umstand nichts zu ändern, daß dem Kläger bei Ausfolgung der Sparbücher die Unrichtigkeit der darin eingetragenen Geldeingänge (Guthaben) bewußt war, hatte er doch zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Geldeinlagen getätigt. Er hat aber Zug um Zug gegen Ausfolgung der Sparbücher dem Geschäftsleiter der Beklagten den in den Sparbüchern dokumentierten Einlagenstand entsprechende Schecks ausgestellt und übergeben; diese Schecks sind auch eingelöst worden. Damit hat der Kläger seine Einlagepflicht erfüllt und die Geldeinlagen sind bereits durch Übergabe der Schecks an ihren Geschäftsleiter und deren spätere Einlösung der Beklagten zugekommen, weil zur Entgegennahme einer Erfüllungshandlung auch ein nur kollektivvertretungsbefugter Geschäftsleiter einer Kreditgenossenschaft passiv legitimiert ist (vgl Strasser in Rummel, ABGB2 Rz 6 zu § 1011; Koppensteiner in Straube, HGB Rz 23 f zu § 125).

Da dem Kläger somit der Nachweis seiner mit den Eintragungen in den Sparbüchern übereinstimmenden Geldeinlagen bei der Beklagten gelungen ist, kommt es auf die wegen Sittenwidrigkeit ohnehin unwirksame Klausel (WBl 1990, 279) in den Sparbüchern über die Maßgeblichkeit des Kontostandes in den Geschäftsbüchern der Bank nicht mehr an.

Gegen den Zuspruch von 6 %igen Sparzinsen durch das Berufungsgericht wendet sich die Beklagte mit dem Hinweis darauf, daß insoweit lediglich eine Vereinbarung mit Johann E***** vorliegt, der aber als einer von zwei nur kollektivvertretungsbefugten Geschäftsleitern die Beklagte nicht wirksam binden konnte. Hiezu war folgendes zu erwägen:

Gemäß § 20 Abs 1 KWG können die Parteien grundsätzlich bei allen Arten von Einlagen die Frage der Verzinsung frei regeln, wobei ein Handeln gegen die Beschränkungen der Abs 2 und 3 dieser Gesetzesbestimmung die zivilrechtliche Wirksamkeit der abweichenden Zinssatzvereinbarung nicht berührt (Avancini aaO Rz 9/11; Laurer aaO Rz 2 zu § 19 und Rz 4 zu § 20). Da sich der Kläger hinsichtlich der Zinssatzvereinbarung nicht auf eine in der Bankenpraxis möglicherweise übliche diesbezügliche Einzelvertretungsmacht von Geschäftsleitern, ja sogar von sonstigen Angestellten von Kreditinstituten berufen hat und eine solche auch nicht festgestellt ist, muß auch bei Beurteilung der Zinssatzvereinbarung von der Regelung der gesetzlichen Vertretung einer Kreditgenossenschaft ausgegangen werden, die durch § 4 Abs 3 KWG bestimmt wird (SZ 62/121). Danach sind nur die Geschäftsleiter zur Vertretung befugt und diese dürfen gemäß § 5 Abs 1 Z 4 KWG keine Einzelvertretungsmacht haben. Im vorliegenden Fall stammte die Erklärung über den Zinssatz tatsächlich nur von einem nicht allein Vertretungsbefugten. Dennoch ist sie aber nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes durch die Mitfertigung der Depotscheine seitens des zweiten Geschäftsleiters der Beklagten zumindest im noch in Rede stehenden Umfang eines 6 %igen Sparzinssatzes gedeckt, weil letzterer damit nicht nur den konkreten Spareinlageverträgen als solchen, sondern auch den damit verbundenen Zinssatzvereinbarungen - soweit diese den bankenüblichen Rahmen nicht sprengen - zugestimmt hat. Nach den Feststellungen wurde zur Zeit des Abschlusses der Spareinlagenverträge von Kreditinstituten für täglich fällig werdende Spareinlagen in Höhe von 9,000.000 S höchstens eine 6 %ige Verzinsung gewährt; es handelt sich demnach hier um die höchste bankenüblich für eine derartige Einlagensumme noch erreichtbare Verzinsung. Die Zinssatzvereinbarung des Klägers mit Johann E***** war somit bis zu einer solchen Zinssatzhöhe von der Zustimmung des zweiten Geschäftsleiters der Beklagten noch gedeckt.

Auf ihre Gegenforderungen kommt die Beklagte in der Revision nicht mehr zurück, weshalb auf sie auch nicht mehr einzugehen ist (EvBl 1985/154).

Der Revision mußte demnach aus allen diesen Gründen ein Erfolg versagt bleiben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E26238

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0060OB00570.91.0704.000

Dokumentnummer

JJT_19910704_OGH0002_0060OB00570_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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