Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redel, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Andreas O*****, Rechtsanwalt, ***** als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der ***** Betriebsgesellschaft mbH *****, wider die beklagte Partei Ernst D***** vertreten durch Dr. *****, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Feststellung der Unwirksamkeit eines Vergleiches (Streitwert 61.060,26 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 29.Mai 1990,
AZ 1 R 53/90(ON 17), womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 7.Dezember 1989, GZ 16 Cg 127/89-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird stattgegeben. Das angefochtene Berufungsurteil wird im Sinne einer Wiederherstellung des klagsabweislichen Urteiles erster Instanz abgeändert.
Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten die mit 15.251 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten an Barauslagen 5.000 S und an Umsatzsteuer 1.708,50 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte war seit der Eintragung der Mitte November 1987 gegründeten Hotelbetriebsgesellschaft mbH neben dem späteren Alleingesellschafter Geschäftsführer. Nach dem Gesellschaftsvertrag wurde die Gesellschaft bei Bestellung mehrerer Geschäftsführer durch zwei gemeinsam vertreten. Der Beklagte stand zur Gesellschaft in einem Angestelltenverhältnis. Dieses endet Ende Juli 1988. Auch als Geschäftsführer wurde der Beklagte abberufen und an seiner Statt eine andere Angestellte zur Geschäftsführerin bestellt. Faktisch bestimmte der Alleingesellschafter die Geschäftsführung allein.
Im Zusammenhang mit der Beendigung des Beschäftigungs- und Geschäftsführerverhältnisses des Beklagten forderte dieser rückständigen Lohn, während ihm der Alleingesellschafter und Mitgeschäftsführer Ersatzforderungen in Millionenhöhe entgegenhielt. Am 29.Juli 1988 verhandelten darüber der anwaltliche Berater des Beklagten einerseits und der Alleingesellschafter mit seinem und der Gesellschaft anwaltlichen Vertreter. Die Gesprächspartner erzielten eine materielle Teileinigung über die Befriedigung eines Teiles der Gehaltsforderungen des Beklagten und im übrigen eine auf die erwartete Vorlage der Bilanz bis 15.September 1988 abgestellte Einigung über die weitere Vorgangsweise. Die Gesprächspartner stellten nicht ausdrücklich klar, wer Verhandlungs- und Vertragspartner des Beklagten sei, die Gesellschaft oder deren Alleingesellschafter.
Der nunmehrige Beklagte brachte schließlich gegen den Alleingesellschafter eine Klage auf Zahlung rückständigen Gehalts ein, machte aber seinen Anspruch vorsorglich außergerichtlich auch gegenüber der Gesellschaft selbst geltend.
In der vom nunmehrigen Beklagten gegen den Alleingesellschafter der GesmbH, deren Geschäftsführer er gewesen war, anhängig gemachten Rechtsstreit fand am 27.Januar 1989 vor dem Landesgericht als Arbeits- und Sozialgericht eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung statt. Als die Parteien im Zuge eines Vergleichsgespräches über den dem Beklagten zu zahlenden Geldbetrag und die Gesamtbereinigungswirkung des abzuschließenden Vergleiches im wesentlichen Übereinstimmung erzielt hatten, warf der Alleingesellschafter ein, daß sowohl gegenüber der Gebietskrankenkasse als gegenüber dem Finanzamt nicht er, sondern die Gesellschaft als Dienstgeber des Beklagten gemeldet worden sei, und wünschte aus diesem Grund, daß als zahlungspflichtig auch die Gesellschaft ausgewiesen werden möge. Dem nunmehrigen Beklagten erschien die Person des Leistungspflichtigen nebensächlich. Rein verfahrensrechtlich erschien aber der als erforderlich angesehene Parteienwechsel problematisch. Der Vorsitzende regte eine Richtigstellung der Parteienbezeichnung an; die Parteien erklärten, diesem Vorgang zustimmen zu wollen. Der anwaltliche Prozeßvertreter des Alleingesellschafters erklärte weder ausdrücklich, auch als Prozeßbevollmächtigter der Gesellschaft einzuschreiten, noch gab er zu erkennen, hiezu etwa nicht berechtigt zu sein. Auch der Alleingesellschafter selbst erklärte nicht, (als bloß kollektivzeichnungsbefugter Geschäftsführer) allein für die Gesellschaft nicht vertretungsbefugt zu sein; er äußerte zur Unterfertigung des Verhandlungsprotokolles vielmehr, daß er einen Schlußstrich unter die ganze Angelegenheit ziehen möchte.
Nach dem Inhalt des Verhandlungsprotokolls schlossen im Sinn des in Form einer Richtigstellung der Parteienbezeichnung vorgenommenen Parteienwechsels die Gesellschaft und ihr ehemaliger Geschäftsführer und Angestellter einen Vergleich, mit dem sich die Gesellschaft verpflichtete, dem nunmehrigen Beklagten einen Betrag von 30.000 S zuzüglich der mit ebenfalls 30.000 S verglichenen Prozeßkosten zu bezahlen, womit sämtliche bis dahin entstandenen wechselseitigen Forderungen zwischen dem nunmehrigen Beklagten einerseits und der Gesellschaft sowie deren Alleingesellschafter andererseits bereinigt sein sollten.
Nach Abschluß des Vergleiches vom 27.Januar 1989 gewann die anstelle des nunmehrigen Beklagten bestellte Geschäftsführerin die Überzeugung, daß es während der Geschäftstätigkeit des nunmehrigen Beklagten zu größeren Unregelmäßigkeiten (als bis dahin angenommen) gekommen sei und stimmte (als kollektivzeichnungsberechtigte Geschäftsführerin) dem vom Alleingesellschafter namens der Gesellschaft geschlossenen Vergleich nicht zu. Die Gesellschaft vertrat in der Folge gegenüber dem nunmehrigen Beklagten den Standpunkt, der am 27. Januar 1989 geschlossene Vergleich sei mangels gehöriger Vertretung durch den (bloß kollektivzeichnungsberechtigten) Alleingesellschafter unwirksam).
Aus diesem Grund stellte sie das Begehren, dem Beklagten gegenüber die Unwirksamkeit des erwähnten Vergleiches festzustellen.
Das Prozeßgericht wies dieses Begehren ab.
Das Berufungsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil im klagsstattgebenden Sinne ab. Dazu sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, 50.000 S übersteigt. Weiters sprach das Berufungsgericht aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
In rechtlicher Beurteilung hatte das Prozeßgericht erster Instanz befunden, daß der Rechtsanwalt, der im arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit zunächst als Prozeßbevollmächtigter des dort beklagten Alleingesellschafters eingeschritten sei, auch von der Gesellschaft selbst zu prozessualem Einschreiten in ihrem Namen bevollmächtigt gewesen sei und durch sein weiteres Einschreiten als Prozeßbevollmächtigter der im Vorprozeß beklagten Partei nach dem Eintritt der Gesellschaft anstelle ihres Alleingesellschafters in die Parteirolle der beklagten Partei wenn auch nicht durch formelle Erklärung, aber doch schlüssig sich auf die Bevollmächtigung durch die Gesellschaft berufen habe, wonach seine (mit Wissen des Alleingesellschafters) namens der Gesellschaft abgegebenen Erklärungen (materiell- und verfahrensrechtlich) auch der Gesellschaft zuzurechnen gewesen seien.
Demgegenüber vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, daß der gerichtliche Vergleich vom 27.Januar 1989 schon mangels Erfüllung der Schriftform nicht rechtswirksam sei, weil davon auszugehen sei, daß Prozeßparteien an einen gerichtlich protokollierten Vergleich in der Regel nicht vor der Leistung ihrer Unterschrift gebunden sein wollen, das heißt bei Aufnahme des Vergleichswortlautes in ein mittels Schallträger abgefaßtes Protokoll zumindest die Zusendung einer Protokollabschrift begehren müßten. Die bloße Aufnahme des Vergleiches auf Schallträger habe nicht ausgereicht, einen prozeßbeendenden Vergleich zu schließen.
Der Beklagte ficht das abändernde Berufungsurteil wegen unrichtiger Lösung nach § 502 Abs 1 ZPO qualifizierter Verfahrensfragen und darauf beruhender Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens mit einem auf Wiederherstellung des klagsabweisenden erstinstanzlichen Urteiles zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.
Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der außerordentlichen Revision mangels Vorliegens eines nach § 502 Abs 1 ZPO qualifizierten Anfechtungsgrundes; im übrigen strebt sie die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.
Rechtliche Beurteilung
Die Zulässigkeit der Revision und die Besetzung des Revisionsgerichtes richten sich nach den Regelungen der Zivilprozeßordnung über das Rechtsmittelverfahren:
Die Klägerin hatte über Gehaltsforderungen ihres ehemaligen angestellten Geschäftsführers in einem arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit einen Vergleich mit Generalklausel geschlossen und begehrte die Feststellung der Unwirksamkeit dieses Vergleiches. Diese Klagsführung leitete einen nach § 50 Abs 1 Z 1 ASGG qualifizierten Rechtsstreit ein. Der angerufene Gerichtshof war daher mit dem Einzelrichter unrichtig besetzt. Diese unrichtige Gerichtsbesetzung wurde aber gemäß § 37 Abs 1 ASGG geheilt. Zur Wirkung einer solchen Heilung für das weitere Verfahren ist zu bedenken, daß nur mangels Heilung ein Beschluß nach § 37 Abs 3 ASGG darüber vorgesehen ist, in welcher Gerichtsbesetzung das Verfahren fortzuführen ist. Ein solcher Ausspruch wirkt nicht nur für die Instanz, sondern auch für ein etwaiges Rechtsmittelverfahren. Dieses hätte sich dann aber der systematischen Einheit wegen zur Gänze nach jenen Verfahrensvorschriften zu richten, nach denen die festgestellte Gerichtsbesetzung vorgesehen ist. Eine Heilung der unrichtigen Gerichtsbesetzung nach § 37 Abs 1 ASGG ersetzt einen Beschluß nach § 37 Abs 3 ASGG und äußert dieselben Wirkungen wie eine solche Entscheidung.
Das vom Beklagten gegen das abändernde Berufungsurteil eingelegte Rechtsmittel ist aus diesen Erwägungen als außerordentliche Revision nach der Zivilprozeßordnung zu behandeln. Es ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Annahme der Vergleichsunwirksamkeit auf einen von der klagenden Partei nicht geltend gemachten und nicht von Amts wegen aufgreifbaren Umstand gestützt hat und damit einen rechtlichen Gesichtspunkt samt seinen Tatsachengrundlagen in das Rechtsmittelverfahren eingeführt hat, den die Partei selbst zufolge Neuerungsverbotes nicht mehr wirksam hätte geltend machen können.
Die Revision ist aber auch berechtigt:
Die Klägerin hat die Unwirksamkeit des in ihrem Namen im Vorprozeß mit dem Beklagten geschlossenen Vergleiches auf den Mangel ihrer gehörigen Vertretung gestützt. Keine Partei hat in erster Instanz behauptet, an ihre in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung abgegebenen Erklärungen zum Vergleich materiell erst nach Erfüllung der Schriftform oder eines als adäquat angesehenen Ersatzes dieser Form gebunden sein zu wollen. Als Verfahrenserklärungen im Zuge einer mündlichen Streitverhandlung waren die Parteienerklärungen zum Prozeßvergleich an keine besondere Form gebunden; sie unterlagen nur dem Protokollierungsgebot. Das Berufungsgericht war mangels prozessualer Geltendmachung durch die Parteien nicht befugt, den von ihm angenommenen Mangel der Form, die nach den eigenen Ausführungen des Berufungsgerichtes nur "in der Regel" Wirksamkeitsvoraussetzungen eines gerichtlichen Vergleiches sei, im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung aufzugreifen. Dies umso weniger, als es diese Frage vorher nicht mit den Parteien erörterte. Mangels einer auch nur ansatzweisen Erwähnung dieses Gesichtspunktes im Verfahren erster Insatnz hatte das Berufungsgericht aber die von ihm angestellten Überlegungen zur Formunwirksamkeit überhaupt außer acht zu lassen.
Das Prozeßgericht erster Instanz hat zutreffend erkannt, daß das prozessuale Verhalten des zunächst für den im arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit namens des in der Klage als Beklagten genannten Alleingesellschafters eingeschrittenen Rechtsanwaltes nach dem in die Form einer Berichtigung der Parteienbezeichnung gekleideten Parteiwechsel gegenüber dem Gericht und dem Prozeßgegner ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen Berufung im Sinne des § 30 Abs 2 ZPO nur als ein Einschreiten für die Gesellschaft als beklagte Partei zu werten gewesen war. Die vom Rechtsanwalt namens der beklagten Partei abgegebenen Erklärungen, also insbesondere auch die Erklärungen zum Prozeßvergleich, sind verfahrensrechtlich und vor allem auch materiellrechtlich voll der Gesellschaft zuzurechnen: Der Rechtsanwalt besaß Prozeßvollmacht der Gesellschaft. Er trat ohne Widerspruch, sondern vielmehr mit Wissen und Willen des anwesenden Alleingesellschafters, der als solcher jederzeit, also auch im Gerichtssaal während der Gerichtsverhandlung, formfreie Gesellschafterbeschlüsse fassen und daher auch Vertretungsverhältnisse im Einzelfall wirksam begründen hätte können, für die Gesellschaft auf. Es erübrigen sich daher Stellungnahmen dazu, wie das eigene Verhalten des Alleingesellschafters beim Prozeßvergleich unter dem aufgezeigten Gesichtspunkt zu beurteilen gewesen wäre.
Allein die namens der Gesellschaft durch den Rechtsanwalt zum Prozeßvergleich abgegebenen Erklärungen sind für die nunmehrige Klägerin bindend. Ihr auf mangelnde Vertretung gestütztes Begehren auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleiches ist unberechtigt.
In Stattgebung der außerordentlichen Revision war daher das Urteil erster Instanz wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Kosten für den Revisionsrekurs gebühren allerdings nur auf der Kostenbemessungsgrundlage "über 50.000 S bis einschließlich 75.000 S" (2265 S anstatt 2830 S).
Anmerkung
E27110European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0060OB00587.91.0704.000Dokumentnummer
JJT_19910704_OGH0002_0060OB00587_9100000_000