TE OGH 1991/7/4 6Ob579/91

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Veröffentlicht am 04.07.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Thomas-Christoph *****, geboren am 19. Oktober 1975, vertreten durch die Mutter Agnes Ursula *****, diese vertreten durch Dr. *****, Rechtsanwalt in *****, infolge Revisionsrekurses des Minderjährigen gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 22.Februar 1991, GZ 3 b R 15/91-31, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 16.Jänner 1991, GZ P 176/76-26, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß, der hinsichtlich des laufenden Unterhaltes ab 2. August 1990 sowie der Zuerkennung eines rückständigen Unterhaltes von S 38.380 für den Zeitraum vom 2.8.1987 bis 1.8.1990 in Rechtskraft erwachsen ist, wird im übrigen, also hinsichtlich der Abweisung eines Mehrbegehrens für die Vergangenheit von S 76.820, aufgehoben und dem Rekursgericht in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Der mj. Thomas-Christoph ***** ist das außereheliche Kind der Agnes Ursula ***** und des Rudolf Walter *****. Der Minderjährige befindet sich im Haushalt der Mutter in Sch*****, BRD; der Mutter kommt auch die Obsorge zu. Seit dem Jahr 1983 leistet der Vater einen monatlichen Unterhalt von S 1.800.

Am 2.8.1990 beantragte die Mutter für den Minderjährigen die Erhöhung des Unterhaltes auf monatlich S 10.000 ab 1.8.1990 sowie den Zuspruch des rückständigen Unterhaltes für die letzten drei Jahre vor Antragstellung im Gesamtausmaß von S 151.200. Sie brachte dazu vor, sie sei schwer krank, querschnittgelähmt und pflegebedürftig und in gespannten finanziellen Verhältnissen. Sie müsse deshalb für den Minderjährigen Fremdbetreuung in Anspruch nehmen. Dessen Bedürfnisse seien seit der letzten Unterhaltsfestsetzung erheblich gestiegen. Der Vater, dem die schwierigen Umstände bekannt seien und der seine Zusage der Übernahme der Obsorge für den Minderjährigen wegen der Krankheit der Mutter nicht eingelöst habe, sei Eigentümer eines Appartementhauses in *****, betreibe einen Gasthof in ***** und erreiche ein monatliches Einkommen, welches das Gericht durch geeignete Maßnahmen erheben wolle, von zumindest S 30.000 netto.

Der Vater erklärte sich nur bereit, für die Zukunft einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 2.500 zu leisten; eine Zahlung von Unterhalt für die Vergangenheit lehnte er gänzlich ab. Er sei Eigentümer eines 1978 erbauten Appartementhauses, in welchem er sechs Wohnungen vermiete, sowie von weiteren zwei Objekten, die er aber zum Teil verkauft habe. Er sei von Beruf Koch, Schilehrer und Tennislehrer und mit 10 % Gesellschafter des als Kommanditgesellschaft betriebenen Gasthofes ***** in *****. Er erhalte einen monatlichen Geschäftsführergehalt von S 10.000. Überdies arbeite er gelegentlich als Schilehrer der Schischule *****, deren Gesellschafter er auch sei.

Das Erstgericht holte von den Finanzämtern ***** und ***** steuerliche Unterlagen des Vaters ein und ermittelte für das Jahr 1990 aus Einkünften als Schilehrer, Gesellschafter des Gastronomiebetriebes und aus Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ein Nettojahreseinkommen des Vaters, den keine weiteren Sorgepflichten treffen, von S 295.229 (= monatlich S 24.602). Nach dem Alter und den Bedürfnissen des Kindes sei unter diesen Verhältnissen für die Zeit vom 2.8.1990 bis 31.10.1990 ein monatlicher Unterhalt von S 5.000 und ab 1.11.1990 ein solcher von S 6.000 angemessen. Den Zuspruch von Unterhalt für die Vergangenheit wies das Erstgericht ab, weil Unterhalt nicht rückwirkend geltend gemacht werden könne und die Mutter zudem viel früher einen Erhöhungsantrag hätte stellen können.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters keine Folge. Dem Rekurs des Minderjährigen gab es teilweise Folge. Es verpflichtete den Vater zur Zahlung eines rückständigen Unterhaltes für die Zeit vom 2.8.1987 bis 1.8.1990 von S 38.380 (das ist der jeweilige Regelbedarf abzüglich der geleisteten Zahlungen) und wies das Mehrbegehren von S 76.820 (S 5.000 monatlich abzüglich der geleisteten Zahlungen) ab.

Nach der neuen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes könne Unterhalt auch für die Vergangenheit begehrt werden, soferne der Unterhaltsanspruch noch nicht erloschen sei. Der vom Vater geleistete Unterhalt sei im vorliegenden Fall seit 1983 unter dem Regelbedarf gelegen. In einem solchen Fall sei es Sache des selbständig Erwerbstätigen, nachzuweisen, daß er für den in Anspruch genommenen vergangenen Zeitraum nicht in der Lage gewesen sei, den Unterhalt in Höhe des Regelbedarfes zu zahlen. Einen solchen Beweis habe der unterhaltspflichtige Vater nicht erbracht. Das Verfahren habe vielmehr ergeben, daß es ihm im strittigen Zeitraum möglich gewesen wäre, einen dem Durchschnittsbedarf entsprechenden Unterhalt zu zahlen. Dem antragstellenden Minderjährigen sei hingegen der Nachweis nicht gelungen, daß der Unterhaltsschuldner für den Zeitraum August 1987 bis Juli 1990 in der Lage gewesen wäre, monatlich S 5.000 zu leisten. Das Mehrbegehren sei daher nicht berechtigt.

Da die Behandlung rückständigen Unterhaltes und dessen Errechnung eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 AußStrG darstelle, sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen.

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Ansicht des Rekursgerichtes ist zutreffend, daß auch im Bereich des vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verfahrens in Außerstreitsachen die objektiven Behauptungs- und Beweislastregeln jedenfalls dann heranzuziehen sind, wenn über vermögensrechtliche Ansprüche, in denen sich die Parteien in verschiedenen Rollen gegenüberstehen, zu entscheiden ist (1 Ob 683/90 ua). Wird ein Unterhaltserhöhungsantrag auf die Veränderung der Lebenshaltungskosten und der Einkommensverhältnisse sowie den erhöhten Bedarf des älter gewordenen Kindes gestützt, so ist der Unterhaltsberechtigte seiner Behauptungspflicht nachgekommen und die Beweislast, zur Zahlung eines entsprechend erhöhten Unterhaltsbetrages nicht in der Lage zu sein, trifft den Unterhaltspflichtigen. Dies gilt auch, wenn Unterhalt für die Vergangenheit begehrt wird.

Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes liegt im vorliegenden Fall aber kein Beweislastproblem vor. Es fehlt vielmehr an der hier durchaus möglichen ausreichenden Stoffsammlung und an Feststellungen über die tatsächlichen Einkünfte des Vaters im Rückstandszeitraum. Der für die Vergangenheit begehrte Unterhalt ist nach den selben Grundsätzen zu ermitteln wie der laufende Unterhalt. Er hat sich also an der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und den Bedürfnissen des Berechtigten zu orientieren. Der statistisch erhobene Durchschnittsbedarf von Personen gleicher Altersgruppen kann nur eine Bemessungskomponente darstellen. Es ist immer das tatsächliche Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen und der Unterhalt individuell auszumessen. Dies hat das Rekursgericht durch Heranziehung nur der Durchschnittssätze (Regelbedarf) unterlassen.

Im fortgesetzten Verfahren wird daher für den Zeitraum August 1987 bis Juli 1990 das gesamte Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen zu erheben und festzustellen sein. Dabei werden nicht nur seine Einkünfte als Schilehrer und Gesellschafter der Schischule und aus Vermietung und Verpachtung, sondern auch weitere Einkünfte außerhalb der Wintersaison vor Eingehen des Gesellschaftsverhältnisses im Gasthofbetrieb, etwa als selbständiger oder unselbständiger Mitarbeiter - der Unterhaltspflichtige ist nach dem Akteninhalt von Beruf Koch und war auch als Tennislehrer tätig - , zu ermitteln sein. Mangels ausreichender Feststellungen kann erst nach deren Ergänzung beurteilt werden, ob die Unterhaltspflicht des Vaters für die Vergangenheit nicht mit einem Betrag auszumessen ist, der über dem vom Rekursgericht angenommenen Regelbedarf liegt.

Anmerkung

E27107

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0060OB00579.91.0704.000

Dokumentnummer

JJT_19910704_OGH0002_0060OB00579_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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