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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
GewO 1994 §74 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer sowie Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der C VertriebsgesmbH in G, vertreten durch Dr. Manfred Thorineg, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 8/1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 15. Jänner 2001, Zl. 04-15/468-00/15, betreffend gewerbliche Betriebsanlage, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Vom Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz erging der folgende, auszugsweise wiedergegebene Bescheid vom 19. September 2000:
"...
GZ.: A 4 - K 44/1995/10
C VertriebsgesmbH,
Gastgewerbe-Betriebsanlage;
G, K-Straße 46,
Vorschreibung zusätzlicher Auflagen nach § 79 GewO 1994.
Bescheid
Spruch
Gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 in BGBl. Nr. 194/94 wird unter Zugrundelegung der Stellungnahme der Mag. Abt. 23 - Umweltamt vom 28.3.2000, nach den am 24.3. und 29.3.2000 stattgefundenen örtlichen Überprüfungen für den gegenständlichen Gastgewerbebetrieb (Cafe) auf dem Standort G, K-Straße 46, folgende zusätzliche Auflage vorgeschrieben:
-
Elektronisch verstärkte Musik - und andere Tonwiedergaben - dürfen nur über den von behördlicher Seite plombierten Limiter, den daran angeschlossenen Leistungsverstärker und den in den Unterlagen angeführten Lautsprecherboxen erfolgen. Der Limiter ist derart einzustellen und zu betreiben, dass im Lokal nur Hintergrundmusik von L A,01 = 65 dB dargeboten werden kann. Über die Art der angeschlossenen Boxen sind detaillierte Unterlagen (Aufstellungsort, Montageart, Typ, Leistung der Boxen) der Gewerbebehörde vorzulegen.
Diese Auflage ist sofort zu erfüllen bzw. dauernd einzuhalten! Begründung
Dieser Bescheid stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen sowie auf das Ergebnis der durchgeführten örtlichen Überprüfungen am 24.3. und 29.3.2000.
Bei der Überprüfung der Betriebsanlage hinsichtlich der Darbietung von Hintergrundmusik wurde vom schalltechnischen Amtssachverständigen Folgendes festgestellt:
Zum Zeitpunkt der Überprüfung war das gegenständliche Lokal mäßig besucht und die Musik gegenüber dem Gästelärm leicht hervortretend. Somit kann aus schalltechnischer Sicht gesagt werden, dass der Auflagenpunkt - Im Lokal darf nur Hintergrundmusik im Sinne der ÖAL-Richtlinie 33 dargeboten werden (max L A,01 = 65 dB) - zum Zeitpunkt der Überprüfung zumindest sinngemäß eingehalten wurde.
Bei der informativen Schallmessung im Lokal wurden nachfolgende
Werte gemessen:
L A,eq
=
73 dB
L A,01
=
78 dB
L A,95
=
69 dB
L A,min
=
66 dB
L A,max
=
81 dB
Bei einer Überprüfung tagsüber am 29.3.2000 konnte jedoch festgestellt werden, dass im südlichen Bereich der Betriebsanlage unter der Decke ein mit einer versenkbaren Projektswand versehenes Video-Projektionsgerät montiert wurde, welcher über einen eigenen Verstärker mit Boxen verfügt und nicht an die plombierte Verstärkeranlage angeschlossen wurde.
Bei Inbetriebnahme des Gerätes konnte im Gastraum eine Wiedergabelautstärke, welche subjektiv nicht mehr als Hintergrundmusik empfunden wurde, erreicht werden. Auch dieses Gerät wäre über den plombierten Limiter an die Verstärkeranlage anzuschließen.
§ 79 Abs. 1 GewO 1994 i.d.g.F. lautet:
...
Es war daher zum Schutz der im § 74 Abs. 2 Z. 2 beschriebenen
Interessen die Vorschreibung der im Spruch genannten zusätzlichen
Auflage notwendig.
Rechtsmittelbelehrung:
...
Ergeht an:
1. die C Vertriebs Ges.m.b.H., S-straße 14, S,
2. das Arbeitsinspektorat Graz, 8041 Graz, Liebenauer Hauptstraße 2-6,
..."
Dagegen wurde (u.a.) von der beschwerdeführenden Partei
Berufung erhoben, in der es u.a. heißt:
"...
Bei den Erhebungen des Magistrat Graz war Herr B anwesend, ebenso einmal der ausgewiesene Vertreter und konnte kein wie immer gearteter Lärm festgestellt werden. Vor dem Lokal war absolute Ruhe. Im Haus musste man den Atem anhalten, um eine Musik zu hören. Der ausgewiesene Vertreter verwies darauf, dass diese Musik vom Dachgeschoß zu hören ist. Eine Nachschau ergab, dass der oben genannte Herr Ing. P herunterblickte. Offensichtlich hat er die Wohnungstür offen gelassen und aus seiner Wohnung war die Musik zu hören. Jedenfalls kann aus dem Lokal die Musik nicht gehört werden. Die Musik, die gehört wurde, war nicht die Musik aus dem Lokal, war nicht störend und musste - wie gesagt - die Luft angehalten werden, um überhaupt eine Musik zu hören. Jedes Auto, welches in der K-Straße vorbeifährt, ist lauter. Die K-Straße ist eine Hauptdurchzugsstraße und ist dementsprechend laut. Davon unabhängig fährt die Straßenbahn vorbei und hat genau auf Höhe des Hauses 46 eine Kurve zu durchfahren. Diese Straßenbahn erzeugt enormen Lärm.
Dagegen konnte auch im Lokal festgehalten werden, dass wohl Autos, die vor dem Lokal vorbeifahren, oder die Straßenbahn, die vorbeifährt, zu hören sind, sodass die Musik in den Hintergrund tritt und weder Geräusche der Besucher noch der Musik hörbar sind. Daraus ist ersichtlich, dass der Lärmpegel auf der Straße viel höher ist als im Lokal.
..."
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der "C VertriebsgesmbH, vertreten durch ..."
keine Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid zur Gänze bestätigt.
In der Begründung heißt es (soweit es für den Beschwerdefall
von Bedeutung ist):
"... Die Behörde erster Instanz hat die ermittelnden
Tatsachen durch geeignete Beweise, unter denen die Aussagen eines Sachverständigen immer an erster Stelle stehen, zweifelsfrei, widerspruchsfrei und nachvollziehbar dargelegt. Auf vergleichbarem Niveau stehende Gegenausführungen eines Privatgutachtens wurden nicht vorgebracht. Das Vorbringen der Berufungswerberin ist nicht geeignet, die Aussagen des Sachverständigen zu erschüttern.
..."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Ergibt sich nach Genehmigung der Anlage, dass die gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, so hat gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 115/97) die Behörde (§§ 333, 334, 335) die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben; die Auflagen haben gegebenenfalls auch die zur Erreichung dieses Schutzes erforderliche Beseitigung eingetretener Folgen von Auswirkungen der Anlage zu umfassen; die Behörde hat festzulegen, dass bestimmte Auflagen erst nach Ablauf einer angemessenen, höchstens drei Jahre, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen (z.B. bei Betriebsübernahmen) höchstens fünf Jahre, betragenden Frist eingehalten werden müssen, wenn der Inhaber der Betriebsanlage nachweist, dass ihm (z.B. wegen der mit der Übernahme des Betriebes verbundenen Kosten) die Einhaltung dieser Auflagen erst innerhalb dieser Frist wirtschaftlich zumutbar ist, und gegen die Fristeinräumung keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen bestehen. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem, wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.
Soweit die beschwerdeführende Partei, wie bereits auf Verwaltungsebene, geltend macht, der Bescheid "des Magistrates Graz" (richtig: des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz) vom 19. September 2000 weise keinen "Normadressaten" auf und auch die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid keinen Normadressaten angegeben, ist ihr nicht zu folgen. Sowohl aus dem erstinstanzlichen Bescheid als auch aus dem angefochtenen Bescheid ist im Zusammenhalt von Gegenstand, Spruch und Zustellverfügung hinreichend deutlich erkennbar, dass der normative Ausspruch an den Inhaber (nämlich die beschwerdeführende Partei) einer bestimmten Betriebsanlage (nämlich der Gastgewerbe-Betriebsanlage in G, K-Straße 46) gerichtet ist.
Die beschwerdeführende Partei ist aber im Ergebnis im Recht, wenn sie (im Wesentlichen) geltend macht, im angefochtenen Bescheid werde nicht begründet, weshalb von den bisherigen Auflagen abgegangen werde und "weshalb in welchem Umfange die Auflagen erteilt werden, ohne darauf einzugehen, dass das gesamte Kaffeehaus in einem enormen finanziellen Aufwand völlig schalldicht hergestellt wurde". Es sei nicht wesentlich, in welcher Lautstärke im Lokal gespielt werde, sondern ob die Schallschutzeinrichtung ausreiche, um bei musikalischen Darbietungen Hausbewohner oder Anrainer nicht zu stören.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 28. Oktober 1997, Zl. 97/04/0084, ausgesprochen hat (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 96/04/0016), setzt nach dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut der oben wiedergegebenen Bestimmung die Vorschreibung von anderen oder zusätzlichen Auflagen nach dieser Gesetzesstelle voraus, dass trotz Einhaltung der dem Genehmigungsbescheid zu Grunde liegenden Betriebsbeschreibung und der dort vorgeschriebenen Auflagen die gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen nicht hinreichend geschützt sind. Hingegen rechtfertigt der Umstand allein, dass die genehmigte Betriebsanlage nicht konsensgemäß betrieben wird, nicht die Vorschreibung einer anderen oder zusätzlichen Auflage mit dem alleinigen Ziel, den konsensgemäßen Betrieb zu gewährleisten. Nichts anderes hat - wie hier - für den Fall der Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen mit dem alleinigen Ziel zu gelten, die Einhaltung bereits im Grunde des § 79 GewO 1994 erfolgter Auflagenvorschreibungen zu gewährleisten. Zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes sieht die GewO 1994 ein anderes Instrumentarium vor.
Es war daher verfehlt, wenn die belangte Behörde (in diesbezüglicher Übernahme der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides) erkennbar lediglich darauf abgestellt hat, dass die beschwerdeführende Partei die gegenständliche Betriebsanlage nicht den (bereits erfolgten) Auflagenvorschreibungen entsprechend benützt hat. Es hätte vielmehr der auf das Ergebnis entsprechender Ermittlungen gestützten Feststellungen bedurft, dass einerseits die in den (bereits erfolgten) Auflagenvorschreibungen enthaltene Grenze der Lautstärke ohne weitere Auflagen nicht gewährleistet ist bzw. werden kann und andererseits durch eine tatsächlich geschehene Überschreitung dieser Grenze die Gefahr manifestiert wurde, Nachbarn könnten durch Überschreitung dieser Lärmgrenze in ihrer Gesundheit gefährdet oder - sofern nicht die Voraussetzungen des § 79 Abs. 2 letzter Satz GewO 1994 gegeben sind - in einem die Grenze des § 74 Abs. 2 Z. 2 GewO 1994 übersteigenden Maß belästigt werden. Derartige Feststellungen haben sowohl die Behörde erster Instanz als auch die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage unterlassen. Insoweit war es daher auch verfehlt, dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei in der Berufung, die jedenfalls erkennbar darauf abstellt, die (neuerliche) Auflagenvorschreibung sei nicht erforderlich, damit zu begegnen, den Aussagen des (lärmtechnischen) Sachverständigen habe die beschwerdeführende Partei nicht auf "vergleichbarem Niveau" begegnet und kein Privatgutachten vorgelegt.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Die Umrechnung beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.
Wien, am 20. Dezember 2005
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2001040042.X00Im RIS seit
25.01.2006