TE OGH 1991/7/9 4Ob72/91

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Veröffentlicht am 09.07.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****verband *****, vertreten durch DDr.Walter Barfuß und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei M***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 480.000) infolge von Revisionsrekursen beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 23. April 1991, GZ 2 R 115/91-10, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 18. Februar 1991, GZ 2 Cg 305/90-6, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revisionsrekurse beider Parteien werden zurückgewiesen. Die Parteien haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens jeweils selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Anläßlich der Eröffnung ihres Detailhandelgeschäftes mit Elektrogeräten in Leonding warb die Beklagte mit mehreren Inseraten in verschiedenen Ausgaben der O***** Nachrichten.

Am 13.10.1990 erschien ein ganzseitiges Inserat mit der Überschrift "Wir machen die Preise platt!". Darunter befand sich die Abbildung zweier Stiefel, deren Schäfte wie tragbare Kassettenabspielgeräte aussahen und die Aufschrift "Walkman" trugen; um den Fersenteil der Stiefel waren - wie

Sporen - Kopfhörer gelegt, auf denen die Marke "Sony" stand. Unterhalb der Stiefel standen die Preise "129,-" und "214,-", welche graphisch so gestaltet waren, als ob sie vom Druck der Stiefel "platt gemacht" würden. Der billigste Sony-Walkman kostete bei der Beklagten damals 399,- S.

Am 16. und am 21.10.1990 erschienen zwei weitere ganzseitige Inserate, in denen die Beklagte ua Fernsehgeräte der Marke Thomson anbot. Die Anzeige vom 16.10.1990 betraf ein Farbfernsehgerät "TS 3661" und enthielt folgende Ankündigung:

"baugleich mit Nordmende 36 M, 37 cm Bildschirm, 40 Programmspeicher, 100 Kanäle, Euro-AV-Anschluß, Sleepfunktion, inklusive Fernbedienung"; die Anzeige vom 21.10.1990 betraf ein tragbares Farbfernsehgerät und enthielt die Worte: "Colorportable Thomson TS 3661, 37 cm Bildröhre, baugleich mit Saba/Telefunken, IR-Fernbedienung".

Die angekündigten Farbfernsehgeräte waren nicht völlig baugleich mit damals in Österreich verkauften Farbfernsehgeräten der - der Firma "Thomson und Brandt" gehörenden - Marken Saba, Nordmende und Telefunken. Die "Thomson"-Geräte wiesen - im Gegensatz zu den damals vertriebenen Geräten der genannten Marken - ein nicht netzgetrenntes Chassis auf. Ein weiterer Unterschied bestand in den unterschiedlichen Anschlußbuchsen für sogenannte "Peripheriegeräte" (etwa Videorecorder). Schließlich bestanden auch Unterschiede im Design der Bedienungsknöpfe.

In der Bundesrepublik Deutschland wird allerdings ein technisch völlig baugleiches Gerät unter der Marke "Saba" vertrieben. Der Importeur dieser Geräte für Österreich beabsichtigte im Jänner 1991, auch solche "Saba"-Geräte in wenigen Wochen nach Österreich einzuführen.

Der klagende Verband beantragt, der Beklagten zur Sicherung inhaltsgleicher Unterlassungsansprüche mit einstweiliger Verfügung zu verbieten

1. Ankündigungen, die den Eindruck erwecken, sie verkaufe "Sony"-Walkman um einen bestimmten Preis, insbesondere um S 129 und um S 214, wenn sie diese Geräte in Wahrheit teurer verkauft, insbesondere wenn der billigste "Sony"-Walkman bei ihr in Wahrheit S 399 kostet;

2. die wahrheitswidrige Ankündigung, die von ihr angebotenen "Thomson"-Fernsehgeräte - insbesondere das Modell Thomson TS 3661 - seien baugleich mit Fernsehgeräten der Marken "Nordmende", "Saba" und/oder "Telefunken".

Das Erstgericht wies beide Sicherungsanträge ab.

Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung von Punkt 1 des Sicherungsantrages; es gab jedoch dem zu Punkt 2 erhobenen Antrag statt und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Gegen den bestätigenden Teil dieses Beschlusses richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, die Entscheidung im Sinne der Stattgebung auch des zu Punkt 1 erhobenen Sicherungsantrages abzuändern.

Die Beklagte bekämpft mit ihrem Revisionsrekurs den abändernden Teil der Entscheidung des Rekursgerichtes und beantragt, den Beschluß des Erstgerichtes zur Gänze wiederherzustellen.

Die Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs des Klägers als absolut unzulässig zurückzuweisen; der Kläger beantragt, den Revisionsrekurs der Beklagten mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Der Revisionsrekurs des Klägers ist unzulässig gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO, jener der Beklagten unzulässig im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO.

Rechtliche Beurteilung

I. Zum Revisionsrekurs des Klägers:

Nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO idF der WGN 1989 ist der Revisionsrekurs - von einer hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme abgesehen - dann jedenfalls unzulässig, wenn der angefochtene erstrichterliche Beschluß zur Gänze bestätigt worden ist. Der Gesetzgeber wollte damit in Abkehr von der vor der WGN 1989 in Geltung gestandenen Bestimmung des § 528 Abs 1 Z 1 ZPO idF der ZVN 1983 - wonach Rekurse gegen Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz unzulässig waren, soweit dadurch der angefochtene erstrichterliche Beschluß bestätigt worden war (§ 502 Abs 3 ZPO) - zur Rechtslage vor der ZVN 1983 zurückkehren, weil er es als unbefriedigend empfand, daß seit dem Jahr 1983 bei teilweise bestätigenden und teilweise abändernden Entscheidungen (nur) der abändernde Teil anfechtbar war, der bestätigende aber nicht, selbst wenn die beiden Entscheidungen - was immer wieder vorgekommen sei - inhaltlich miteinander verknüpft waren; es werde daher auf die Rechtslage vor der ZVN 1983 und deren damalige Auslegung durch das Judikat 56 zurückgegangen, wonach nur zur Gänze bestätigende Entscheidungen unanfechtbar sind (991 BlgNR 17.GP zu Z 39.3.).

Nach Lehre (Fasching IV 454) und Rechtsprechung vor der ZVN 1983 (SZ 45/117; ÖBl 1975, 89 mwN; ÖBl 1976, 20 und 36 uva) konnte ein Beschluß des Rekursgerichtes, mit dem der Beschluß des Erstgerichtes teilweise bestätigt worden war, nur dann zur Gänze angefochten werden, wenn der bestätigende und der abändernde Teil der Rekursentscheidung in einem so engen, unlösbaren sachlichen Zusammenhang standen, daß sie nicht auseinandergerissen werden konnten, so daß auch die Zulässigkeit ihrer Anfechtung nur einheitlich zu beurteilen war; hatte dagegen das Rekursgericht über mehrere Gegenstände oder Ansprüche entschieden, die nicht im inneren Zusammenhang standen, sondern durchaus jeder für sich ein eigenes rechtliches Schicksal haben konnten, dann stand einer Teilung der Entscheidung zweiter Instanz im Sinne einer abgesonderten Beurteilung ihrer Anfechtbarkeit beim Obersten Gerichtshof kein Hindernis entgegen.

Nach der nunmehrigen Rechtslage kann kein Zweifel daran bestehen, daß ein Beschluß (oder ein Urteil), der (das) über mehrere Ansprüche abspricht, für die Beurteilung der Rechtsmittelzulässigkeit jedenfalls nur dann als Einheit behandelt werden kann, wenn die einzelnen Ansprüche nach § 55 Abs 1 JN zusammenzurechnen sind. Nur dann sind sie - soweit es sich nicht um reine Geldansprüche handelt - einheitlich zu bewerten (Fasching LB2 Rz 1830) und mit einem einheitlichen Ausspruch über die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu versehen (Petrasch, Die Zivilverfahrensnovelle 1983 in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, ÖJZ 1985, 257 ff und 291 ff (295), derselbe, Der Weg zum Obersten Gerichtshof nach der WGN 1989, ÖJZ 1989, 743 ff (747)); andernfalls ist für jeden einzelnen Anspruch ein besonderer Ausspruch erforderlich. Nach denselben Grundsätzen ist in der Regel auch die Frage zu beurteilen, ob ein Beschluß des Erstgerichtes "zur Gänze bestätigt" worden ist. Bestätigt das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichtes über einen Anspruch, während es die Entscheidung über einen anderen, damit nicht zusammenhängenden Anspruch abändert, dann ist der Ausspruch des Rekursgerichtes hinsichtlich des ersten Anspruches zur Gänze bestätigend, im zweiten Fall jedoch abändernd; der erste Teil der Entscheidung ist sohin nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO unanfechtbar, die Anfechtung des zweiten Teils unterliegt hingegen dieser Beschränkung nicht.

Der hier von der Bestätigung durch das Rekursgericht betroffene Sicherungsanspruch zu 1 steht mit Punkt 2 des Sicherungsantrages, über welchen die Vorinstanzen unterschiedlich abgesprochen haben, in keinem rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhang, hat doch die Klägerin diese Ansprüche aus jeweils verschiedenen Zeitungsinseraten der Beklagten abgeleitet; daß es sich in beiden Fällen um Verstöße gegen § 2 UWG handelt, schafft unter diesen Umständen auch keinen rechtlichen Zusammenhang. Der Revisionsrekurs gegen den bestätigenden Ausspruch des angefochtenen Beschlusses ist daher nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO unzulässig.

II. Zum Revisionsrekurs der Beklagten:

Die Ankündigung vom 16.10.1990 enthält die Behauptung, daß das Farbfernsehgerät TS 3661 (Tischgerät) "baugleich mit Nordmende 36 M" sei; fest steht aber nur, daß "das streitgegenständliche Thomson-Gerät" mit einem - in wenigen Wochen auch in Österreich erhältlichen - Saba-Gerät technisch identisch war. Diese Ankündigung ist daher schon objektiv unrichtig, weil eine Baugleichheit mit Geräten der Marken "Nordmende" (und "Telefunken") nie gegeben war. Die Ankündigung vom 21.10.1990 ist aber insoweit unrichtig, als die Baugleichheit des Gerätes "Colorportable Thomson TS 3661" auch mit einem "Telefunken-Gerät" behauptet wurde.

Nach ständiger Rechtsprechung (ÖBl 1982, 97; ÖBl 1983, 78; ÖBl 1984, 70 uva) verstößt eine Werbeankündigung - trotz sachlicher Richtigkeit - auch dann gegen § 2 UWG, wenn ihr etwas Unwahres entnommen werden kann. Die von der Beklagten bekämpfte Auffassung des Rekursgerichtes, einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise würde durch die beanstandete "Gleichstellung" der Eindruck vermittelt, die angekündigten Geräte seien baugleich mit den in Österreich erhältlichen Geräten verschiedener bekannter Marken betrifft die Beurteilung, welchen Inhalt eine bestimmte Bekanntmachung oder Mitteilung nach ihren Eindruck - also nach den besonderen Umständen des Falles - auf die angesprochenen Verkehrskreise hat; sie berührt jedoch regelmäßig keine erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (vgl ÖBl 1984, 79; ÖBl 1985, 163; JBl 1986, 192). Daß aber die unrichtige oder irreführende Gleichstellung mit bekannten Markenwaren für den Kaufentschluß maßgebend sein kann, ist nicht zweifelhaft; die Beklagte selbst hat in ihrer Äußerung auf die Werbewirksamkeit einer derartigen Gleichstellung hingewiesen.

Im Umfang des abändernden Teiles des angefochtenen Beschlusses hängt die Entscheidung über das Rechtsmittel der Beklagten somit nicht von einer erheblichen Rechtsfrage ab. Ungeachtet des - nicht bindenden (§§ 78, 402 EO; § 526 Abs 2

ZPO) - Ausspruches des Rekursgerichtes, daß der Revisionsrekurs dagegen zulässig sei, mußte der Revisionsrekurs daher zurückgewiesen werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 EO, §§ 41, 50 ZPO. Die Streitteile haben jeweils auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses des Gegners hingewiesen. Da die jeweiligen Kostenersatzansprüche der Parteien gleich hoch sind, war auszusprechen, daß sie die Kosten des Revisionsrekursverfahrens jeweils selbst zu tragen haben.

Anmerkung

E26203

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0040OB00072.91.0709.000

Dokumentnummer

JJT_19910709_OGH0002_0040OB00072_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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