TE OGH 1991/7/10 9ObA601/91

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Veröffentlicht am 10.07.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Alfred Mayer und Otto Schmitz als weitere Richter in der Rechtssache der antragstellenden Partei Österreichischer Arbeiterkammertag, Wien 4., Prinz Eugen-Straße 20-22, wider die Antragsgegnerin Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, Wien 4., Wiedner Hauptstraße 63, über den gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellten Feststellungsantrag in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Antrag, festzustellen:

"Jeder Arbeitnehmer, der bei seiner Arbeit ein Bildschirmgerät benützt, hat Anspruch auf Beistellung spezieller Sehhilfen durch den Arbeitgeber für die betreffende Arbeit, soferne ihre Verwendung medizinisch notwendig ist.

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die in diesem Zusammenhang auftretenden Kosten zu tragen."

wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Der Antragteller ist ebenso wie die Antragsgegnerin eine kollektivvertragsfähige Körperschaft im Sinne des § 4 Abs 1 ArbVG. Die Behauptung des Antragstellers, daß von dem nicht auf bestimmte Berufsgruppen eingeschränkten Feststellungsantrag eine Vielzahl von Arbeitnehmern erfaßt werde, für die keine von den freiwilligen Berufsvereinigungen abgeschlossenen Kollektivverträge bestehen, wurde von der Antragsgegnerin nicht bestritten und ergibt sich überdies aus der Natur des Antrages. Es ist daher davon auszugehen, daß von dem vorliegenden Antrag mehr als drei Arbeitnehmer erfaßt werden, für die der Antragsteller die Kollektivvertragsfähigkeit gemäß § 6 ArbVG nicht verloren hat. Beide Parteien sind sohin im Sinne des § 54 Abs 2 erster Satz ASGG als Parteien des gegenständlichen besonderen Feststellungsverfahrens legitimiert.

Der Antragsteller begehrt die Feststellung, daß jeder Arbeitnehmer, der bei seiner Arbeit ein Bildschirmgerät benützt, Anspruch auf Beistellung spezieller Sehhilfen durch den Arbeitgeber für die betreffende Arbeit hat, sofern ihre Verwendung medizinisch notwendig ist, und daß der Arbeitgeber verpflichtet ist, die in diesem Zusammenhang auftretenden Kosten zu tragen. Der Antragsteller führte aus, daß Arbeitnehmer an Bildschirmarbeitsplätzen besonderen Belastungen und damit verbundener Gesundheitsgefährdung ausgesetzt seien. Im besonderen könne die erhöhte Beanspruchung der Augen durch die Bildschirmtätigkeit zu einem Ansteigen der Augenbeschwerden führen, die sich vor allem in Augenflimmern, Augenbrennen, Nachlassen der Sehschärfe und Kopfschmerzen äußerten. Darüber hinaus schlügen sich unkorrigierte Fehlsichtigkeiten auch in einer verstärkten Zwangshaltung nieder und führten zu Beschwerden des Bewegungsapparates. Die Arbeit an Bildschirmen beeinflusse im wesentlichen die Sehfunktionen, Akkommodation und Adaptation. Die mangelnde Konturenschärfe der Bildschirmzeichen erschwere die Akkommodation. Die großen Kontraste der Flächenhelligkeiten im Gesichtsfeld am Bildschirmarbeitsplatz könne die Adaptation stören und das Sehvermögen negativ beeinflussen; insbesondere die Leuchtdichteoszillation der Bildschirmzeichen könne eine wichtige Ursache für Augenbeschwerden sein. Personen, bei denen der Sehabstand zum Datensichtgerät durch Akkommodationskräfte nicht mehr scharf eingestellt werden können, müßten mit erheblichen Beschwerden rechnen, die durch eine geeignete Sehhilfe vermieden werden könnten. Im Normalfall könne eine geeignete Sehhilfe dieses fehlende Sehvermögen kompensieren; in manchen Fällen ergebe sich jedoch die Notwendigkeit einer speziellen, arbeitsplatzbezogenen Korrektur, einer sogenannten "Bildschirmarbeitsbrille". Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die normale Sehhilfe für einen Leseabstand angepaßt worden sei, der dem vom Arbeitsplatz vorgegebenen Sehabstand nicht entspreche, oder wenn erst durch die Tätigkeit am Bildschirmarbeitsplatz die Korrektur der Fehlsichtigkeit notwendig werde oder aber durch die Bildschirmarbeit eine besondere Ausgestaltung der Brillengläser erforderlcih sei. Die Korrektur solle grundsätzlich monofokal erfolgen.

Mehrstärkengläser seien nur zulässig, wenn eine Angleichung der Sehabstände zu verschiedenen Arbeitsmitteln nicht durchführbar sei und das Auge des Arbeitnehmers dies erfordere. In besonderen Fällen seien zur Vermeidung zusätzlicher Reflexe entspiegelte Brillen erforderlich. Die Arbeit an Bildschirmarbeitsplätzen könne spezielle Korrekturen von Fehlsichtigkeiten erforderlich machen. Werde trotz ärztlicher Befürwortung eine "Bildschirmarbeitsbrille" nicht verwendet, komme es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer weiteren Verschlechterung der Fehlsichtigkeit. Damit führe die unkorrigierte Fehlsichtigkeit zu einer weiteren Beeinträchtigung oder sogar Aufhebung des Leistungsvermögens des Arbeitnehmers, also zu einer weiteren Einschränkung seiner Arbeitsfähigkeit, aber auch zu einer Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustandes des Arbeitnehmers.

Rechtliche Grundlage für die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beistellung (Übernahme der Kosten) einer "Bildschirmarbeitsbrille" sei die in den §§ 18 AngG und 1157 ABGB normierte Verpflichtung, auf seine Kosten die Dienstleistungen so zu gestalten und bezüglich der beizustellenden Räumlichkeiten und Gerätschaften dafür zu sorgen, daß der Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer gewährleistet sei. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gebiete es auch, die Gesundheit des Arbeitnehmers nicht durch Überforderung zu gefährden, und sei somit auf die Erhaltung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers ausgerichtet. Überdies begründeten die Normen des öffentlich-rechtlichen Arbeitnehmerschutzes, soweit sie überhaupt als Arbeitsbedingungen geeignet seien, zugleich auch vertragliche Verpflichtungen des Arbeitgebers. Nach § 2 ASchG müsse ein möglichst wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer durch Maßnahmen erreicht werden, die für eine dem allgemeinen Zustand der Technik und der Medizin, insbesondere der Arbeitshygiene und Arbeitsphysiologie sowie der Ergonomie, entsprechende Gestaltung der Arbeitsvorgänge und Arbeitsbedingungen sorgten. § 11 ASchG bestimme, daß Arbeitnehmern die für ihren persönlichen Schutz notwendige und geeignete Schutzausrüstung vom Arbeitgeber kostenlos zur Verfügung zu stellen sei, wenn für sie bei ihrer beruflichen Tätigkeit trotz entsprechender anderer Schutzmaßnahmen ein ausreichender Schutz des Lebens oder der Gesundheit nicht erreicht werden könne oder andere Schutzmaßnahmen nicht durchführbar seien. Gemäß § 66 AAV sei jedem Arbeitnehmer, für den bei der beruflichen Tätigkeit die Möglichkeit einer Gefährdung der Augen bestehe, ein geeigneter Augenschutz zur Verfügung zu stellen. Die individuelle Disposition des Arbeitnehmers sei zwar auch kausal für die Notwendigkeit einer Bildschirmarbeitsbrille, stehe jedoch der Pflicht des Arbeitgebers auf Kostentragung nicht entgegen, weil die Fehlsichtigkeit allein eine von der normalen Korrektur abweichende Spezialkorrektur nicht erfordern würde. Die individuelle Fehlsichtigkeit des Arbeitnehmers sei daher für die Frage der Kostentragung von nur untergeordneter Bedeutung, weil die erforderliche spezielle Sehhilfe gerade aufgrund der Gefahr der durch das Bildschirmgerät ausgelösten Gesundheitsgefährdung notwendig werde. Wenn die Notwendigkeit einer speziellen Sehhilfe für den Bildschirmarbeitsplatz auch ein gewisses Maß an Fehlsichtigkeit des Arbeitnehmers voraussetze, könne dies für die Kostenübernahme nicht relevant sein, weil die anfallenden Kosten ausschließlich aus der Bildschirmtätigkeit resultierten und der jeweilige Arbeitnehmer für alle anderen notwendigen Lebensverrichtungen entweder keine oder eine andere Korrektur seiner Sehfähigkeit benötige. Normale Korrekturen der Fehlsichtigkeit, die ausschließlich aufgrund der individuellen Prädisposition des Arbeitnehmers notwendig seien, würden ohnehin durch Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherung abgedeckt. Die in anderen Normen wie etwa § 137 ASVG allenfalls festgelegten Kostentragungspflichten berührten somit nicht die grundsätzliche Leistungsverpflichtung des Arbeitgebers, die für den Arbeitsplatz erforderlichen Bildschirmarbeitsbrillen zur Verfügung zu stellen.

Die Antragsgegnerin beantragte, den Feststellungsantrag abzuweisen. Die Arbeit am Bildschirm verursache grundsätzlich keine irreversiblen Sehstörungen, sondern allenfalls Beschwerden. Bei ausreichender Akkommodationsfähigkeit benötige der Rechtsichtige daher auch für die Bildschirmarbeit keine Brille, der Fehlsichtige nur die übliche richtige Fernkorrektion. Nur wenn eine Person nicht mehr über eine ausreichende Akkommodationsfähigkeit verfüge (Presbyopie), seien differenzierte Betrachtungen über die Besonderheiten einer Brille für Bildschirmarbeit angebracht. Die notwendige Fernkorrektur werde durch den einzuhaltenden Sehabstand bestimmt. Mit fortschreitendem Alter trete zunächst die Presbyopie für übliches Schriftgut auf und erst später für den vom Auge weiter entfernten Bildschirm. Aufgabe der Bildschirmbrille sei es daher, die entweder altersbedingte oder sonstige Einschränkung der Sehleistung für den speziellen Sehabstand von rund 70 cm bei Bildschirmarbeit auszugleichen. Eine unkorrigierte Fehlsichtigkeit würde zu einer verstärkten Beanspruchung und damit zu vermehrten Beschwerden des Sehsystems führen und die Neigung zu einer unnatürlichen Körperhaltung erhöhen, wodurch wiederum eine zusätzliche Belastung des Halte- und Stützapparates verursacht würde. Somit entspreche die Bildschirmarbeitsbrille einem Heilbehelf gemäß § 137 Abs 1 ASVG, der zur Wiederherstellung, Festigung und Verbesserung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit gemäß § 133 Abs 2 ASVG beitrage. Voraussetzung für die Leistungspflicht der Krankenversicherung sei das Vorliegen einer Fehlsichtigkeit, die mit einer speziellen Bildschirmbrille soweit korrigiert werden könne, daß auch die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse - zu denen auch der Arbeitsplatz gehöre - zu sorgen, gewährleistet sei. Sollte hingegen trotz ärztlicher Befürwortung die Verwendung einer Bildschirmbrille unterbleiben, wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer weiteren Verschlechterung der Fehlsichtigkeit und damit des Leistungsvermögens des Arbeitnehmers zu rechnen. Da somit eine Bildschirmbrille medizinisch indiziert sei, habe der Krankenversicherungsträger die Kosten hiefür zu übernehmen. Der Antragsteller berufe sich zu Unrecht auf die §§ 2 und 11 ASchG iVm § 66 der AAV (Schutz der Augen und des Gesichts). Mit dem Schutz der Augen im Sinne des § 11 ASchG und des § 66 der AAV solle vor allem eine Gefährdung der Augen und des Gesichts durch mechanische oder chemische Einwirkungen von außen vermieden werden. Hinsichtlich der Brille komme eine Kostenübernahme durch den Arbeitgeber unter diesem Gesichtspunkt nur dann in Betracht, wenn sie den Schutz des Arbeitnehmers vor Unfall- und Gesundheitsgefahren bezwecke. Es handle sich dabei um eine Schutzbrille. Nach den bisherigen medizinischen Erkenntnissen gingen aber vom Bildschirm keine Gesundheitsgefahren aus, vor denen jemand mittels Brille geschützt werden müsse. Bei der Bildschirmbrille handle es sich nicht um eine Schutzbrille im Sinne der Unfallverhütungsvorschriften, sondern um eine reine Korrekturbrille, die einen unabhängig vom Datensichtgerät bereits vorhandenen Sehfehler oder eine Sehschwäche ausgleichen solle. Aus den Arbeitnehmerschutzbestimmungen könne daher eine Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für Bildschirmarbeitsbrillen nicht abgeleitet werden. Auch mit der Fürsorgepflicht könne eine Verpflichtung des Arbeitgebers, die Kosten einer Bildschirmbrille zur Gänze oder teilweise zu tragen, nicht begründet werden. Die Fürsorgepflicht nach § 1157 ABGB bzw. § 18 AngG sei eine Vorstufe zu den Arbeitnehmerschutzbestimmungen und verpflichte den Arbeitgeber, die betrieblichen Einrichtungen oder die geforderten Dienstleistungen so zu gestalten, daß Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer geschützt werden. Der Arbeitgeber sei aufgrund der Fürsorgepflicht daher zur ergonomischen Gestaltung des Bildschirmarbeitsplatzes verpflichtet. Aus dieser Fürsorgepflicht könne jedoch keine weitergehende Verpflichtung des Arbeitgebers abgeleitet werden, einem Behinderten die vollen bzw. (bei Selbstbehalt) anteiligen Kosten von Körperersatzstücken zu ersetzen. Von der Fürsorgepflicht werde die Beseitigung aller Gefahren umfaßt, die im Zuständigkeitsbereich des Arbeitgebers gelegen seien, nicht aber der Ausgleich körperlicher Mängel des Arbeitnehmers durch Brillen, Hörgeräte oder Körperersatzstücke.

Der Feststellungsantrag ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach der allgemeinen Norm des § 1157 Abs. 1 ABGB hat der Arbeitgeber die Dienstleistungen so zu regeln und bezüglich der von ihm beizustellenden oder beigestellten Räume und Gerätschaften auf seine Kosten dafür zu sorgen, daß Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers, soweit es nach der Natur der Dienstleistung möglich ist, geschützt werden. Nach § 18 Abs 1 AngG ist der Arbeitgeber verpflichtet, auf seine Kosten alle Einrichtungen bezüglich der Arbeitsräume und Gerätschaften herzustellen und zu erhalten, die mit Rücksicht auf die Beschaffenheit der Dienstleistung zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Angestellten erforderlich sind. Insbesondere im § 18 Abs 1 AngG - aber auch im § 1157 Abs 1 ABGB - weist der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers auf die Beschaffenheit (oder Natur) der Dienstleistung hin; hingegen fehlt eine Bezugnahme auf die persönliche Disposition des Arbeitnehmers. Auch das den Gefahrenschutz im speziellen regelnde ASchG enthält keinen derartigen Hinweis. Zwar bestimmt § 11 Abs 1 ASchG, daß Arbeitnehmern die für ihren persönlichen Schutz notwendige und hiefür geeignete Schutzausrüstung vom Arbeitgeber kostenlos zur Verfügung zu stellen ist, wenn für sie bei ihrer beruflichen Tätigkeit trotz entsprechender anderer Schutzmaßnahmen ein ausreichender Schutz des Lebens oder der Gesundheit nicht erreicht wird. Aus dem Begriff "persönlicher Schutz" läßt sich aber kein Anhaltspunkt dafür gewinnen, daß der Gesetzgeber bei der Schutzausrüstung auf die persönliche Disposition des jeweiligen Arbeitnehmers abstellen wollte, da mit diesem Begriff nur die dem Arbeitnehmer persönlich zur Verfügung gestellte Schutzausrüstung als subsidiärer Behelf von anderen, an der Gestaltung des Arbeitsplatzes, der Betriebsmittel und der Arbeitsvorgänge ansetzenden Schutzmaßnahmen im Sinne der §§ 3 ff ASchG abgegrenzt werden sollte (siehe auch EBzRV 3 BlgNR 13. GP, 30). Zieht man zur Auslegung auch die zitierten EB heran, dann spricht auch die dort vorgenommene beispielsweise Aufzählung "Schutzkleidungsstücke, wie Schutzhelme oder Sicherheitsschuhe sowie persönliche Schutzgeräte, wie Schutzbrillen, Gehörschutzmittel, Sicherheitsgürtel oder Atemschutzgeräte" für die Absicht des Gesetzgebers, nur aufgrund der Beschaffenheit der Dienstleistung, nicht aber (auch) aufgrund der persönlichen Disposition des Arbeitnehmers erforderliche Schutzausrüstungen zu erfassen. Auf die gesundheitliche Eignung des einzelnen Arbeitnehmers wird nur in § 8 ASchG Bedacht genommen. Als Vorsorge ist dort neben ärztlichen Untersuchungen nur ein Beschäftigungsverbot für Arbeitnehmer, deren Gesundheitszustand die betreffende Beschäftigung nicht zuläßt, vorgesehen. Aus § 8 ASchG, der, wie Löschnigg in "Die Kosten der Bildschirmarbeitsbrille" in EDV & Recht 1986, 14 ff (16) zutreffend bemerkt, eine relativ abgeschlossene Regelung der mit Rücksicht auf die individuelle gesundheitliche Eignung des Arbeitnehmers im Rahmen des Arbeitnehmerschutzes vom Arbeitgeber zu treffenden Maßnahmen enthält (und anders als Art 9 der EG-Richtlinien über Bildschirmarbeit keine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beistellung erforderlicher spezieller Sehhilfen vorsieht (siehe ecolex 1990, 767 f)), kann daher entgegen der von Löschnigg aaO vertretenen Ansicht nicht erschlossen werden, daß es Sache des Arbeitgebers ist, für aufgrund der individuellen Disposition des Arbeitnehmers erforderliche Schutzausrüstungen zu sorgen. Ebensowenig läßt sich aus der dem Arbeitgeber obliegenden, allenfalls von der Art der Tätigkeit - etwa der Notwendigkeit des Einsatzes eines eigenen PKW - abhängigen Pflicht zum Schutz vermögensrechtlicher Interessen der Arbeitnehmer eine Verpflichtung des Arbeitgebers ableiten, auch für den Ausgleich gesundheitlicher Behinderungen des einzelnen Arbeitnehmers zu sorgen. Entgegen der Ansicht Löschniggs aaO 17 kommt dem Umstand, daß die Gefahr einer weiteren Beeintächtigung des Sehvermögens ein gewisses Ausmaß an Fehlsichtigkeit voraussetzt, für die Überwälzung der Kosten eines derartigen Sehbehelfes nicht nur untergeordnete Bedeutung zu. Gegen die Belastung des Arbeitgebers mit Kosten für nur individuelle Gebrechen ausgleichende Bildschirmarbeitsbrillen spricht auch der Umstand, daß eine derartige, die individuelle Fehlsichtigkeit ausgleichende Brille ausschließlich für den betreffenden Arbeitnehmer verwendbar, für den Arbeitgeber nach Ausscheiden dieses Arbeitnehmers aber in der Regel wertlos ist. Benötigen nicht alle, sondern nur Arbeitskräfte mit eingeschränktem Akkommodationsvermögen der Augen individuell angepaßte Bildschirmarbeitsbrillen, dann würde die Belastung des Arbeitgebers mit den Kosten dieser Sehhilfen überdies den arbeitsmarktpolitisch unerwünschten Effekt haben, die Arbeitgeber von der Einstellung von auf diese Weise behinderten und zusätzliche Kosten verursachenden Arbeitskräften abzuhalten, wobei die Kosten insbesondere dann ins Gewicht fielen, wenn das Arbeitsverhältnis nach kurzer Beschäftigungsdauer aufgelöst wird.

Wie Krejci in Rummel ABGB I2 § 1157 Rz 22 zutreffend ausführt, entlastet die Sozialversicherung die Dienstgeber zum Teil von etwaigen Fürsorgepflichten; insofern seien die Dienstgeberanteile an den Sozialversicherungsbeiträgen gerechtfertigt (gemäß § 51 Abs 3 ASVG sind die Beiträge zur Krankenversicherung grundsätzlich je zur Hälfte vom Versicherten und von seinem Arbeitgeber zu tragen). Auch Löschnigg aaO 15 f weist darauf hin, daß der fehlsichtige Arbeitnehmer auf eine spezielle Bildschirmbrille stets dann einen Anspruch gegenüber der Krankenversicherung hat, wenn die Arbeitsfähigkeit durch die spezifisch angepaßte Brille erhalten wird, indem die Belastung der Augen und die dadurch hervorgerufene Gefahr einer weiteren Beeinträchtigung des Sehvermögens reduziert wird. Angesichts des Umstandes, daß die Bildschirmbrille nur für den betreffenden Arbeitnehmer verwendbar ist und eine Belastung des Arbeitgebers mit derartigen Kosten die Schwierigkeiten insbesondere älterer Arbeitnehmer bei Erlangung eines Arbeitsplatzes zusätzlich erhöhen würde, ist es - auch im Hinblick auf die Beitragsleistung des Arbeitgebers zur Krankenversicherung - sachgerecht, mit den Kosten für individuelle Gebrechen ausgleichende Ausrüstungen wie Bildschirmarbeitsbrillen, Hörhilfen, orthopädische Einlagen etc. nicht den Arbeitgeber, sondern den Träger der Krankenversicherung auch dann zu belasten, wenn diese Ausrüstungen nur für die Arbeitstätigkeit benötigt werden.

Da den Arbeitgeber nach geltendem Recht keine Verpflichtung zum Ersatz von zum Ausgleich individueller Gebrechen erforderliche Ausrüstungen trifft, fehlt es auch an einer rechtlichen Handhabe, den vom Versicherten gemäß § 137 Abs 2 ASVG zu tragenden Selbstbehalt auf den Arbeitgeber zu überwälzen. In diesem Zusammenhang ist allerdings auf die dem Hauptverband gemäß § 137 Abs 4 lit. b ASVG iVm § 136 Abs 5 ASVG eingeräumte Kompetenz sowie allenfalls auf die von Löschnigg aaO 17 f aufgezeigte Möglichkeit einer Regelung durch Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung hinzuweisen.

Besondere Umstände, die allenfalls im Einzelfall die Belastung des Arbeitgebers mit den Kosten einer derartigen Sehhilfe rechtfertigen könnten, wurden hier nicht behauptet.

Der Feststellungsantrag war daher abzuweisen.

Anmerkung

E27169

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:009OBA00601.91.0710.000

Dokumentnummer

JJT_19910710_OGH0002_009OBA00601_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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