TE OGH 1991/7/10 3Ob88/90

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Veröffentlicht am 10.07.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Wilfried B*****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei MARKTGEMEINDE N*****, vertreten durch Dr. Alfons Adam, Rechtsanwalt in Neulengbach, wegen S 250.000,- sA, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 24. April 1990, GZ 14 R 66/90-45, womit der Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten vom 13. Feber 1990, GZ 1 Cg 204/86-36a, teilweise bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der erstgerichtliche Beschluß vom 13. Feber 1990, soweit damit zur Hereinbringung der vollstreckbaren Geldforderung der betreibenden Partei von S 250.000,- samt 4 % Zinsen seit dem 17. März 1986 und der Kosten von S 134.330,65 und S 18.436,65 die Exekution durch Pfändung einer der verpflichteten Partei zustehenden Forderung gegen die Drittschuldnerin Raiffeisenbank N***** registrierte Genossenschaft mbH bewilligt und über die Kosten des Exekutionsantrages entschieden wurde, aufgehoben und dem Erstgericht die neue Entscheidung nach Vorliegen der Erklärung nach § 15 EO aufgetragen wird.

Im übrigen wird der Revisionsrekurs zurückgewiesen. Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Rekurses und ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht bewilligte dem betreibenden Gläubiger zur Hereinbringung seiner vollstreckbaren Geldforderungen auf Grund der Urteile des Landesgerichtes St.Pölten vom 7. April 1989 und des Oberlandesgerichtes Wien vom 13. November 1989 die Fahrnis- und die Forderungsexekution gegen die verpflichtete Gemeinde, ohne daß eine Erklärung iSd § 15 EO vorlag, inwieweit es sich um Vermögensbestandteile handelt, welche ohne die Beeinträchtigung der durch die Gemeinde zu wahrenden Interessen zur Befriedigung des Gläubigers verwendet werden können.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der verpflichteten Partei teilweise Folge. Es änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß die Exekution nur vorbehaltlich der nach § 15 EO etwa auszuscheidenden Bestandteile des gepfändeten beweglichen Vermögens bewilligt wird, und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es bestünden keine Bedenken, die Exekution mit diesem Vorbehalt zu bewilligen und nur solche Vollzugsakte vorerst aufzuschieben, die eine Beeinträchtigung der von der Gemeinde zu wahrenden öffentlichen Interessen bewirken könnten. Die Pfändung sei in der Regel zulässig. Nach dem Vorliegen der von der Bezirkshauptmannschaft abzugebenden Erklärung, inwieweit hinsichtlich bestimmter Vermögensbestandteile die Exekutionsführung ohne Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen zulässig sei, könne dann das Vorliegen der im § 15 EO angeordneten Exekutionsbeschränkung wahrgenommen werden.

Der Revisionsrekurs der verpflichteten Partei ist teilweise (s.u.) zulässig, weil das Rekursgericht am 24. April 1990 den angefochtenen erstrichterlichen Beschluß nicht zur Gänze bestätigt hat und die zu lösende Frage erheblich iSd § 528 Abs 1 ZPO ist (§ 78 EO; § 528 Abs 1 und § 528 Abs 2 Z 2 ZPO).

Der Revisionsrekurs ist insoweit auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem Beschluß vom 28. März 1990 und 11. April 1990, GZ R 186, 201, 202/90-22, hat das Landesgericht St.Pölten als Rekursgericht über den Rekurs der verpflichteten Partei deren Einschränkungsantrag stattgegeben und die mit Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten mit Beschluß vom 13. Feber 1990, GZ 1 Cg 204/86-36a, bewilligte Fahrnis- und Forderungsexekution in Ansehung der Fahrnisexekution sowie der Exekution durch Pfändung und Überweisung der der verpflichteten Partei gegen die Drittschuldner Sparkasse N***** und Volksbank N***** auf Grund von Kontoguthaben zustehenden Forderungen eingestellt und in Ansehung der Exekution durch Pfändung und Überweisung der der verpflichteten Partei gegen die Drittschuldnerin Raiffeisenbank N***** auf Grund des Guthabens ***** zustehenden Forderung auf den Betrag von S 500.000,- eingeschränkt (§ 27 Abs 1 und § 41 Abs 2 EO). Mit dieser rechtskräftigen Teileinstellung wird die verpflichtete Partei durch die Bewilligung der Exekution nicht weiter als im noch aufrechten Umfang beschwert. Da über ein Rechtsmittel sachlich nur entschieden werden kann, wenn die Beschwer im Zeitpunkt der Entscheidung des angerufenen Rechtsmittelgerichtes fortbesteht, ist der Revisionsrekurs im übrigen unzulässig und zurückzuweisen, weil es nicht Sache der Rechtsmittelinstanz ist, rein theoretische Fragen zu entscheiden (Heller-Berger-Stix 648; JBl 1961, 605; JBl 1963, 432; MietSlg 34.826 uva).

Der Revisionsrekurs ist daher soweit zulässig, als die - wenn auch wegen Erhebung der außerordentlichen Revision aufgeschobene - Exekution durch Pfändung und Überweisung der Forderung gegen die Drittschuldnerin Raiffeisenbank N***** regGenmbH noch anhängig ist.

Die verpflichtete Gemeinde vertritt den Standpunkt, nach dem klaren Wortlaut des § 15 EO dürfe die Exekution vor der Erklärung der Verwaltungsbehörde überhaupt nicht bewilligt werden.

§ 15 EO ordnet insoweit eine Exekutionsbeschränkung für Gemeinden und durch Ausspruch einer Verwaltungsbehörde als öffentlich und gemeinnützig erklärte Anstalten, als die Exekution zum Zwecke der Hereinbringung von Geldforderungen nur in Ansehung solcher Vermögensbestandteile bewilligt werden kann, welche ohne Beeinträchtigung der durch die Gemeinde oder Anstalt zu wahrenden öffentlichen Interessen zur Befriedigung des Gläubigers verwendet werden können. Zur Abgabe der Erklärung, inwieweit dies hinsichtlich bestimmter Vermögensbestandteile zutrifft, sind die "staatlichen Verwaltungsbehörden" - idR die Bezirksverwaltungsbehörde (§ 5 der V RGBl 1897/153) berufen. Die Erklärung erfolgt auf Anfrage des Gerichtes oder der Gemeinde oder eines ihrer Gläubiger. Diese können die Erklärung über den Umfang der einer Exekution unterliegenden Vermögensbestandteile der Gemeinde schon vor Anbringung des Exekutionsantrages, wenn für die Geldforderung ein Exekutionstitel vorliegt, begehren. Legt der Gläubiger dem Exekutionsantrag eine solche Erklärung bei, so entfällt die amtliche Anfrage des Gerichtes (§ 6 Abs 2). Mit der Bestimmung des § 15 EO sollte dem Gemeininteresse durch wirksame Mittel Schutz gesichert werden (Mat I, 472; Heller-Berger-Stix 290). Das zur Wahrung der öffentlichen Interessen nötige Vermögen der Gemeinden und Anstalten soll diesen nicht durch eine Exekutionsführung zur Befriedigung eines Gläubigers entzogen werden. Bei der Exekution gegen Gemeinden ist deshalb auf die Schutzbestimmung des § 15 EO Bedacht zu nehmen.

Der Oberste Gerichtshof hat in ZBl 1936/319 gemeint, die Anfrage an die Verwaltungsbehörde habe der Exekutionsbewilligung vorauszugehen, andererseits aber, die zwangsweise Pfandrechtsbegründung für zulässig angesehen, weil dadurch kein Vermögen entzogen werde (SZ 15/144). Während die Mitt JABl 1934, 124 den Gerichten empfiehlt, die Anfrage an die Verwaltungsbehörde noch vor Bewilligung der Exekution zu stellen, wenn im Exekutionsantrag gegen eine Gemeinde (oder Anstalt iSd § 15 EO) die Vermögensstücke, worauf sich die Exekution erstrecken soll, bereits bestimmt angegeben sind, damit ein später notwendiger Schriftenwechsel vermieden wird, geht der JME Zl 11.437/35 davon aus, daß die Anfrage vorher zu stellen ist, wenn sich der Antrag auf alle in der Gewahrsame der Gemeinde befindlichen Fahrnisse erstreckt, räumt aber ein, daß die Exekution mit der allgemeinen Einschränkung nach § 15 EO bewilligt werden darf, wenn die in Exekution zu ziehenden Gegenstände nicht einzeln angeführt sind (Angst-Jakusch-Pimmer, EO12 Anm 7 zu § 15 EO). Auch Heller-Berger-Stix 294 meinen unter Hinweis auf Mat I, 472 und die Praxis, daß keine Bedenken bestehen, die Exekution gegen eine Gemeinde (oder Anstalt iSd § 15 EO) unter dem Vorbehalt der Einschränkung nach § 15 EO zu bewilligen und erst dann durch Einholung der Auskunft der Verwaltungsbehörde zu klären, welche Vermögensstücke ohne Beeinträchtigung der durch die Gemeinde (Anstalt) zu wahrenden öffentlichen Interessen zur Befriedigung des Gläubigers verwendet werden können. Es müsse aber darauf geachtet werden, daß bis zu dieser Klärung die zu wahrenden öffentlichen Interessen nicht durch Vollzugsakte beeinträchtigt werden. Die bloße Pfändung sei in der Regel zulässig. Nur in Ausnahmefällen werde schon die Pfändung selbst öffentliche Interessen beeinträchtigen, wenn die bestimmungsgemäße, im öffentlichen Interesse gelegene Verwendung dadurch behindert wäre (Heller-Berger-Stix 294 f).

Neuere Lehrmeinungen stimmen hingegen darin überein, daß das Gericht den Zustimmungsbescheid der Verwaltungsbehörde, wenn dieser noch nicht vorliegt, vor der Exekutionsbewilligung einzuholen hat (Fasching, Konkurs, Ausgleich und Zwangsvollstreckung bei Gemeinden, 107; Rechberger-Simotta, Exekutionsverfahren, Rz 34 und Rz 226; Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht3, 56; Traxler, Exekution, ÖGZ 1982, 389; Rebhahn-Strasser, Zwangsvollstreckung und Insolvenz bei Gemeinden, 133).

Bei der hier zu beurteilenden Pfändung einer Forderung gegenüber der Bank aus einem Kontovertrag können die durch § 15 EO zu wahrenden öffentlichen Interessen schon durch die Pfändung beeinträchtigt sein, weil damit der Gemeinde die Verfügung über die angelegten Gelder entzogen wird und keineswegs klar ist, daß es sich um einen Vermögensbestandteil handelt, auf den nach § 15 EO Exekution geführt werden kann.

Der Oberste Gerichtshof meint daher, daß bis zum Vorliegen der verwaltungsbehördlichen Entscheidung davon auszugehen ist, daß die Vermögensgegenstände der Gemeinde der Exekution entzogen sind, und daher dann, wenn das Titelgericht um die Exekutionsbewilligung ersucht wird, vor der Entscheidung über den Antrag die Einholung der Entscheidung der Verwaltungsbehörde, so sie nicht schon von der betreibenden Partei vorgelegt wird, unvermeidbar ist. Nur dadurch wird der im § 15 EO vorgesehene Schutz vor einer Beeinträchtigung der zu wahrenden öffentlichen Interessen gesichert. Das Gericht hat bis zum Vorliegen der wirksamen Erklärung die Bewilligung der Exekution auszusetzen und von Amts wegen den Feststellungsbescheid der Verwaltungsbehörde einzuholen.

Der vor Abgabe der Erklärung der Verwaltungsbehörde gefaßte Exekutionsbewilligungsbeschluß ist daher, soweit eine zulässige Anfechtung vorliegt, zum Zwecke der Einholung dieser Entscheidung aufzuheben. Erst nach Abgabe der Erklärung wird das Erstgericht über den Exekutionsantrag nach dem Ergebnis des Verwaltungsverfahrens unter Berücksichtigung der gesetzlichen Exekutionsbeschränkung des § 15 EO erneut zu entscheiden haben.

Dem Verpflichteten gebührt im Exekutionsverfahren ein Kostenersatz über § 78 EO und die §§ 41 bzw 50 ZPO nur im Falle des Obsiegens in einem Zwischenstreit. Da die betreibende Partei nicht verpflichtet, sondern nur berechtigt ist, sich selbst einen Feststellungsbescheid der zuständigen Verwaltungsbehörde zu beschaffen und schon mit dem Exekutionsantrag vorzulegen - dies kann allerdings zu einer Beschleunigung der Exekutionsführung beitragen -, und das Gericht bei Fehlen der Erklärung amtswegig die Anfrage an die Verwaltungsbehörde zu richten hat, liegt hier kein Zwischenstreit vor. Der verpflichteten Partei steht deshalb ein Kostenersatzanspruch gegen die betreibende Partei weder für ihren teilweise erfolgreichen Rekurs an die zweite Instanz noch für den Revisionsrekurs zu.

Anmerkung

E26473

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0030OB00088.9.0710.000

Dokumentnummer

JJT_19910710_OGH0002_0030OB00088_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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