Index
L46104 Tierhaltung Oberösterreich;Norm
AVG §67d Abs1 idF 2001/I/137;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde der W in P, vertreten durch Mag. Titus Trunez, Rechtsanwalt in 4150 Rohrbach, Hopfengasse 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 29. Dezember 2004, Zl. VwSen-590046/2/WEI/An, betreffend Entziehung des Eigentums nach dem Oberösterreichischen Tierschutzgesetz 1995 (weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Laut Niederschrift vom 27. Dezember 2002 wurde vom Amtstierarzt Dr. F. festgestellt, dass sämtliche Rinder der Beschwerdeführerin in einem katastrophalen Ernährungszustand seien. Die Futtervorräte betrügen viereinhalb Rundballen Heu und Stroh zur Einstreu sei beinahe keines vorhanden gewesen. Im Bereich der Wangen hätten alle Rinder Umfangsvermehrungen, was auf häufige Absperrung der Futtergatter schließen lasse, weshalb die Rinder nicht zum Futter und zur Tränke gelangen könnten. Die Tiere würden über den Barren getränkt, da die Selbsttränkeanlage nicht funktioniere. Die Beschwerdeführerin erhalte per mündlichen Bescheid die Auflage, die Tränkeanlage binnen 14 Tagen instand zu setzen, die Tiere dem Bedarf entsprechend zu füttern und einen entsprechenden Futtervorrat anzulegen.
Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 30. Dezember 2002 wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass die Befolgung der erteilten Auflagen unangekündigt überprüft würde. Bei Nichteinhaltung müsste der Beschwerdeführerin gemäß § 18 Abs. 4 Oö. Tierschutzgesetz die Verfügungsgewalt über die Tiere mit Bescheid entzogen und ihr die Auflage erteilt werden, innerhalb einer angemessenen Frist für eine ordnungsgemäße Tierhaltung zu sorgen. Wäre auch diese Vorkehrung nicht wirksam, müsste gemäß § 18 Abs. 5 Oö. Tierschutzgesetz das Eigentum an den Tieren entzogen werden.
Laut Vermerk des Gendarmeriepostens P vom 13. Jänner 2003 sei bei einer Überprüfung an diesem Tag festgestellt worden, dass die Tränkeanlage nach wie vor nicht funktioniere, kein Futter und auch kein Wasser im Barren (Futtertrog) gewesen und außerdem das Futtergatter abgesperrt sowie noch eineinhalb Rundballen Heu und ein Strohballen vorhanden gewesen seien. Die Beschwerdeführerin habe angegeben, die Tiere bei den Mahlzeiten mit einem Eimer zu tränken, die Tränkeanlage wegen des Frostes erst im Frühjahr richten zu können und seit 27. Dezember 2002 kein Futter zugekauft zu haben.
Laut Schreiben des Gendarmeriepostens P vom 21. März 2003 habe eine Überprüfung am 20. März 2003 ergeben, dass die Tränkeanlage nach wie vor nicht funktioniere und kein Futter im Barren gewesen sei. Im Barren (Futtertrog) habe sich zwar eine geringe Menge Wassers befunden, der Barren sei jedoch durch die mechanische Sperrvorrichtung abgesperrt gewesen. Insgesamt seien dreieinhalb Heurundballen vorhanden gewesen und etwa drei Kunststoffsäcke angehäuftes Laub, welches zur Einstreu benutzt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe angegeben, die Tränke erst nach dem Bodenfrost reparieren zu können, die Tiere dreimal täglich zu füttern und zuletzt am Morgen des 20. März 2003 getränkt und gefüttert zu haben sowie am 6. März 2003 3.800 kg Heu gekauft zu haben.
Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 10. April 2003 wurde die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass, sollte nicht spätestens bis 30. April 2003 die Tränkeanlage instand gesetzt sein, ein Verfahren nach § 18 Oö. Tierschutzgesetz eingeleitet werden und ihr die Verfügungsgewalt über die Tiere entzogen würde. Bis zum Mai 2003 müsse jedenfalls die Tränkeanlage instand gesetzt sein und dürften auch keine sonstigen Mängel in der Haltung der Tiere (Fütterung, Einstreu, Entmistung, etc.) gegeben sein.
Laut Erhebungsbericht des Amtstierarztes Dr. F. vom 16. Mai 2003 sei bei einer Kontrolle am 14. Mai 2003 festgestellt worden, dass der Ernährungszustand von vier Kühen hochgradig vermindert sei, das Haarkleid sei stumpf, matt und ungepflegt. Alle Tiere wiesen eine mangelhafte Klauenpflege auf. Zwei Kühe hätten beidseits im Wangenbereich Schwellungen. Ein Kalb sei in einer Einzelbox von etwa 110 x 150 cm eingesperrt. Als Futtervorrat sei ein halber Rundballen Heu im Betrieb gewesen. Stroh sei maximal für eine Woche vorrätig gewesen. Kraftfutter, Mineralstoffmischung, Futterkalk und Viehsalz oder Leckstein seien nicht vorhanden gewesen. Die Tränkeanlage sei wegen eines Schadens nicht in Betrieb gewesen. Der Stall sei in einem schlechten Hygienezustand (schmutziger Boden, schon längere Zeit kein neuer Kalkanstrich, schmutzige verschimmelte Wände) gewesen. Laut Auskunft der Beschwerdeführerin würden die Tiere nicht geweidet und seien in dauernder Anbindehaltung. Der schlechte Ernährungszustand, das stumpfe Haarkleid, die mangelnde Klauenpflege und das insuffiziente Futterangebot ließen auf eine gravierende Vernachlässigung in der geforderten Pflege und Betreuung schließen. Die Schwellung im Wangenbereich deute darauf hin, dass der Futterbarren häufig abgesperrt sei und die Rinder durch die Absperrung zum Futter drängten. Die dauernde Anbindehaltung und das Platzangebot für das Kalb "(2 m2 gefordert/180 bis 220 kg)" entsprächen nicht den Bestimmungen der Oö. Nutztierhaltungsverordnung. Da die Tränkeanlage nicht funktioniere und die Tiere das angebotene Wasser spontan annähmen, könne der Schluss gezogen werden, dass eine dauernde Trinkwasserversorgung nicht gewährleistet sei.
Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 22. Mai 2003 wurde der Beschwerdeführerin das Ergebnis der Überprüfung vom 14. Mai 2003 zur Kenntnis gebracht und der verwaltungsbehördliche Befehl erteilt, bis spätestens 30. Juni 2003 sämtliche Mängel in der Tierhaltung vollständig zu beheben, widrigenfalls ihr gemäß § 18 Abs. 4 Oö. Tierschutzgesetz die Verfügungsgewalt über die Tiere mit Bescheid entzogen werden müsste. Nach Ablauf einer weiteren Frist könne der Beschwerdeführerin gemäß § 18 Abs. 5 Oö. Tierschutzgesetz das Eigentum an den Tieren entzogen werden.
Laut Schreiben des Amtstierarztes Dr. F. vom 7. Oktober 2003 habe eine Kontrolle am 2. Oktober 2003 ergeben, dass der Ernährungszustand der Rinder gleich schlecht wie bei den Vorkontrollen gewesen sei, die Tränkeanlage nicht in Betrieb gewesen sei, Kraftfutter, Mineralstoffmischung und Viehsalz nicht vorhanden gewesen seien und den Tieren nach wie vor zum Teil der Zugang zum Futter versperrt sein dürfte, da zwei Rinder noch immer Schwellungen im Wangenbereich hätten. Außerdem sei keine Einstreu vorhanden gewesen, dies sei auch am Düngerhaufen ersichtlich gewesen, da sich dort nur Rinderkot ohne Einstreu befunden habe.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 16. Oktober 2003 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 18 Abs. 4 Oö. Tierschutzgesetz der Auftrag erteilt, bis 30. November 2003 nachstehende Auflagen zu erfüllen:
"1. Die Rinder sind artgemäß und ausreichend zu füttern, d.h. es ist täglich zu den Futterzeiten Streu, bzw. Silage und Kraftfutter sowie Mineralstoffmischung u. Viehsalz zu verabreichen.
2. Die Rinder sind ausreichend zu tränken, hiezu ist eine Selbsttränkeanlage zu montieren bzw. instand zu setzen.
3. Es ist ein über den Wochenbedarf hinausreichender Vorrat an Kraftfutter, Mineralstoffmischung und Viehsalz und von sonstigen Futtermitteln (Heu, Silage etc.) ständig vorrätig zu halten.
4. Es darf den Tieren der Zugang zum Futter nicht versperrt werden.
5. Es ist den Tieren ausreichend Einstreu zu geben, auch diesbezüglich ist ein über den Wochenbedarf hinausreichender Einstreuvorrat ständig bereit zu halten.
6. Das Jungrind darf nicht in Einzelbucht gehalten werden."
Von einer Entziehung der Verfügungsgewalt über die Tiere gemäß § 18 Abs. 4 Oö. Tierschutzgesetz wurde wegen Unverhältnismäßigkeit abgesehen. Hingewiesen wurde darauf, dass im Fall der nicht zeitgerechten und vollständigen Erfüllung der erteilten Auflagen gemäß § 18 Abs. 5 Oö. Tierschutzgesetz mit Bescheid die Veräußerung der Rinder auf Kosten und Gefahr der Eigentümerin verfügt und unverzüglich umgesetzt werden müsste.
In einem Gutachten des Amtstierarztes Dr. F. vom 4. März 2004 wurde festgehalten, dass am 2. März 2004 eine neuerliche Untersuchung stattgefunden habe. Die Tiere hätten sich nicht in Richtung Barren und Futtertisch bewegen können, da die Absperrvorrichtung herunten gewesen sei. Die Standflächen seien nicht eingestreut gewesen, und es sei auch kein Stroh im Kotgang vorzufinden gewesen. Ein loser Heuhaufen von etwa 15 m3 sei vorhanden gewesen. Die Beschwerdeführerin habe kein Kraftfutter, kein Viehsalz, keine Mineralstoffmischung und keine Einstreu vorrätig gehabt. Die Tränkeanlage sei nicht betriebsbereit gewesen. Auf dem Misthaufen habe keine Spur einer Einstreu vorgefunden werden können. Die Rinder wiesen alle einen mittelgradig bis hochgradig verminderten Ernährungszustand auf. Das Haarkleid sei stumpf und struppig gewesen. Einzelne Tiere hätten Stallklauen gehabt. Die Futtergrube der Tiere sei eingesunken gewesen (leerer Pansen). Auf Grund der klinischen Untersuchung habe ein chronischer Nahrungsmangel festgestellt werden können. Die Tiere seien zum Untersuchungszeitpunkt auch hungrig gewesen, da sich alle Tiere bei Vorgabe von Heu heftig auf das Futter gestürzt und dieses vollständig weggefressen hätten. Die Gewährleistung der regelmäßigen Tränke der Tiere müsse in Zweifel gestellt werden, da die automatische Tränkeanlage nicht funktionsfähig sei, der Barren bei jedem Betriebsbesuch leer gewesen sei und die Tiere keinen Zugang zum Futtertisch hätten (Absperrung). Auf Grund der regelmäßigen Nachkontrollen könne mit Sicherheit festgestellt werden, dass zu keiner Zeit ein Weidegang der Rinder stattgefunden habe. Zwar bestehe keine akute Gefahr im Verzug, doch würde auf Grund der dauernden unzureichenden Betreuung, vor allem der Ernährung, ein Tierleid verursacht werden.
Mit Schreiben vom 16. März 2004 erklärte die Beschwerdeführerin, die Tiere zwar nicht nach den neuesten Standards, doch zumindest artgerecht zu halten. Eine Unterversorgung der Rinder sei nicht mehr gegeben, weil sie entsprechende Futtermittel zugekauft habe. So habe sie vor zwei Wochen rund 2.000 kg Heu und Krumet zugekauft. Stroh sei auch in ausreichendem Maß vorhanden, sodass die Standflächen wieder ordnungsgemäß eingestreut werden könnten. Die Tränkeanlage sei zwar noch nicht betriebsbereit. Die jetzige Wetterperiode mache aber eine unverzügliche Reparatur möglich, die sofort veranlasst werde.
Laut Schreiben des Amtstiersarztes Dr. F. vom 11. August 2004 hat am 9. Juli 2004 eine weitere Untersuchung stattgefunden. Die klinische Untersuchung der Rinder habe allgemein einen verminderten Ernährungszustand ergeben. Zwei Rinder wiesen im Wangenbereich Umfangsvermehrungen auf, welche auf dauerndes vermehrtes Drängen gegen die Barrenabsperrung zurückzuführen seien. Die automatische Tränkeanlage (Selbsttränker) sei nicht in Funktion gewesen. Die Tiere hätten allgemein Stallklauen gehabt, was auf eine fehlende Klauenpflege zurückzuführen sei. Das Stallklima sei wegen dauernd verschlossener Türen und nur leicht gekippter Fenster schlecht (hoher Ammoniakgehalt sei zu riechen). Laut Angabe der Beschwerdeführerin würden die Tiere nie geweidet. Die Beschwerdeführerin habe kein Kraftfutter, keine Mineralstoffmischung und kein Viehsalz vorrätig gehabt. Es sei kein Heu und keine Silage geworben gewesen, das Futter sei noch in stark verholztem Zustand auf der Wiese gestanden. Trotz angekündigter Kontrolle sei am 9. Juli 2004 nur ein halber Ballen Stroh vorrätig gewesen. Auf dem Misthaufen sei nur Kot ohne eine Spur von Einstreu vorhanden gewesen. Dies lasse den Schluss zu, dass die Beschwerdeführerin den Tieren nie einstreue und diese auf der blanken Betonsohle der Kurzstände liegen müssten. Aus den Mängeln ergebe sich ein chronisches Leiden für die Rinder.
Mit Schreiben vom 16. August 2004 wurden der Beschwerdeführerin die Ergebnisse laut dem Schreiben des Amtstierarztes vom 11. August 2004 bekannt gegeben. Ferner wurde ihr mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, sofern sie nicht freiwillig die Rinderhaltung aufgebe, ihr das Eigentum an den Rindern zu entziehen und diese auf ihre Kosten und Gefahr zu veräußern.
Mit Schreiben vom 25. August 2004 teilte die Beschwerdeführerin der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach mit, es möge sein, dass der Ernährungszustand bei der Besichtigung nicht gut gewesen sei. Sie sei bis zum damaligen Zeitpunkt mit der Heuerwerbung in Verzug gewesen. Inzwischen habe sie genügend Heu ernten können. Die Ernte sei heuer auf Grund der Witterung besonders gut, während es im vorigen Jahr schwere Dürreschäden gegeben habe. Zutreffend sei, dass die Selbsttränkeanlage noch nicht funktioniere. Sie sorge aber dafür, dass sie bei jeder Mahlzeit, sowohl vorher als auch nachher, genügend Wasser in den Futterbarren fließen lasse, sodass die Tiere ausreichend getränkt würden. Sie hätten also viermal am Tag dazu die Möglichkeit. Die Klauenpflege werde die Beschwerdeführerin verstärkt durchführen. Es sei richtig, dass sie kein Kraftfutter und keine Mineralstoffmischung habe. Statt des Viehsalzes nehme sie Speisesalz. Zum Eintreuen verwende sie Haferstroh. Die Ernte des Hafers stehe unmittelbar bevor, und im Vergleich zu den vorigen Jahren sei eine reiche Ernte zu erwarten. Sie sei daher den bescheidmäßigen Auflagen nachgekommen, wenn auch nur teilweise. Sie habe aber die Absicht, auch die restlichen Forderungen zu erfüllen, z.B. auch die automatische Tränkeanlage wieder herzurichten.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 17. September 2004 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 18 Abs. 5 Oö. Tierschutzgesetz das Eigentum an fünf näher bezeichneten Kühen und einer näher bezeichneten Kalbin entzogen. Nach Rechtskraft des Bescheides würden die Tiere auf Kosten und Gefahr der vormaligen Eigentümerin veräußert. Der Erlös aus der Veräußerung werde nach Abzug der für die Tiere sonst von der Behörde aufgewendeten Kosten der vormaligen Eigentümerin abgerechnet. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und von Rechtsvorschriften legte die Behörde erster Instanz in der Bescheidbegründung im Wesentlichen dar, es stehe fest, dass die Beschwerdeführerin als Tierhalterin über einen langen Zeitraum die Tierhaltung erheblich vernachlässigt habe und trotz positiver Beteuerungen keinerlei Verbesserungen in ihrer Tierhaltung vorgenommen habe. Es sei daher eine erhebliche Vernachlässigung der Tiere in Haltung, Pflege und Unterbringung erfolgt, dem Auftrag, für eine ordnungsgemäße Tierhaltung zu sorgen, sei nicht nachgekommen worden.
In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid führte die Beschwerdeführerin aus, nachdem heuer eine gute Ernte gewesen sei, habe sie nun genügend Heuvorräte und genügend Hafer zum verfüttern. Es sei auch nun genügend Strohmaterial zum Einstreuen vorhanden, sodass sie die Tiere nicht nur gut füttern, sondern auch von der Einstreu her gut betreuen könne. Die Wasserversorgung habe funktioniert. Die automatische Tränkanlage sei zwar noch zu reparieren, sie habe aber nun verstärkt Wasser vorgestellt. Eine Absperrung sei zum Schutz der Tiere während des Tages notwendig, sonst bestehe die Gefahr des Aufhängens, da es sich um einen Mittellangstand handle. Damit die Tiere während des Tages dennoch zu Wasser kommen, montiere die Beschwerdeführerin auf der Standinnenseite Eimer, aus denen die Tiere bis zur Herstellung der Tränkeanlage genügend Wasser auch während des Tages entnehmen könnten. Sie versorge die Tiere daher nun ordentlich und die Mängel seien im weitesten Sinn behoben.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin ohne vorherige Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, sie gehe von dem von der erstinstanzlichen Behörde in einem mängelfreien Verfahren festgestellten Sachverhalt aus, der durch Berichte und gutachtliche Äußerungen der Amtstierarztes fachlich ausreichend untermauert worden sei. Die Beschwerdeführerin habe diese Feststellungen auch nicht substanziell bestritten, sondern im Wesentlichen immer wieder nur beteuert, die vorgehaltenen Mängel beheben zu wollen, entsprechende Futtermittel zugekauft zu haben oder durch die zu erwartende gute Ernte bereitstellen zu können. Beispielsweise habe sie mehrfach angekündigt, die Tränkeanlage instand zu setzen, habe aber selbst noch in der Berufung zugegeben, dass diese noch immer nicht funktioniere. Ihre nach der Aktenlage wiederholten Ankündigungen, die Rinder ordnungsgemäß versorgen zu wollen, seien angesichts der vorliegenden amtstierärztlichen Befunde über den andauernd schlechten Ernährungszustand der Tiere und die bei zahlreichen Überprüfungen vorgefunden Missstände als bloße Schutzbehauptungen zu qualifizieren. Die Beschwerdeführerin habe trotz der immer wiederkehrenden behördlichen Beanstandungen seit Ende des Jahres 2002 keine Verbesserung der Haltungsbedingungen vorgenommen. Im zuletzt erstatteten Gutachten des Amtstierarztes vom 11. August 2004 seien im Wesentlichen die schon viele Monate lang bekannt gewesenen Missstände neuerlich bestätigt worden. Die Tiere hätten nach wie vor an einem allgemein verminderten Ernährungszustand gelitten, der bei der mittlerweile vorliegenden Dauer nicht mehr vertretbar gewesen sei. Zur unzureichenden Versorgung mit artgerechtem Futter seien noch ein schlechtes Stallklima (Ammoniakgehalt in der Luft), mangelnde Bewegungsfreiheit (ständige Anbindehaltung) und fehlende Einstreu im Liegebereich der Tiere gekommen, sodass die Rinder auf der blanken Betonsohle hätten liegen müssen. Die Beschwerdeführerin habe den behördlichen Feststellungen keine stichhältigen Einwände entgegen gehalten. Ihre Äußerungen hätten sich auf Schutzbehauptungen und die Mitteilung guter Vorsätze, die nie umgesetzt worden seien, beschränkt. Es mangle ihr daher auch an Vertrauenswürdigkeit. Die Beschwerdeführerin sei ihrer Verpflichtung zur Rinderhaltung im Sinne einer guten landwirtschaftlicher Praxis nicht nachgekommen und habe ihre Rinder in Haltung, Pflege und Unterbringung erheblich vernachlässigt, sodass die bescheidmäßig verfügten Maßnahmen zu Recht ergangen seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bringt vor, die belangte Behörde sei auf ihre Stellungnahme vom 25. August 2004 und auf ihre Berufung nicht eingegangen. Die Montage von Eimern auf der Standinnenseite sei im Übrigen nur bis Oktober 2004 notwendig gewesen, da zu diesem Zeitpunkt eine neue Pumpe angeschafft worden sei und die Tränkeanlage seither wieder funktioniere. Bei einem ordnungsgemäßen Verfahren wäre somit hervorgekommen, dass die beanstandeten Mängel in den wesentlichen Punkten behoben worden seien und die Tiere nun im Sinne einer guten landwirtschaftlichen Praxis versorgt würden.
§ 67d AVG in der hier maßgebenden Fassung
BGBl. I Nr. 137/2001 lautet:
"Öffentliche mündliche Verhandlung
(Verhandlung)
§ 67d. (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat auf Antrag oder, wenn er dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der verfahrenseinleitende Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;
2.
der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist;
3.
die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären ist.
(3) Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht."
Im vorliegenden Fall lag kein Antrag der Beschwerdeführerin auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat vor. Es stellt sich aber die Frage, ob die belangte Behörde nicht dessen ungeachtet eine mündliche Verhandlung durchzuführen gehabt hätte.
In dieser Hinsicht ergibt sich zunächst, dass das Ermessen nach § 67d Abs. 2 AVG jedenfalls im Lichte des Art. 6 EMRK zu handhaben ist (vgl. Walter/Mayer Verwaltungsverfahrensrecht, 8. Auflage, Rz 548/9). Die Bestimmung des § 67d Abs. 2 AVG kommt hier allerdings nicht zum Tragen, da es um keinen der dort angeführten Tatbestände geht.
Schon im Sinne des rechtsstaatlichen Prinzips und insbesondere im Hinblick auf die Nachprüfbarkeit durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist die Wendung des § 67d Abs. 1 AVG, "wenn er dies für erforderlich hält", nach objektiven Kriterien zu interpretieren. Dies bedeutet, dass der unabhängige Verwaltungssenat dann, wenn im konkreten Fall ein rechtlich normiertes Gebot eine mündliche Verhandlung verlangt, eine solche durchzuführen hat.
Im gegenständlichen Fall geht es um das Eigentum entziehende Maßnahmen. Diese fallen unter den Geltungsbereich des Art. 6 EMRK. Nun kann es zwar sein, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch in einem solchen Fall eine mündliche Verhandlung nicht notwendig ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2005, Zl. 2002/05/1519 mwN). Diese Voraussetzungen für den Entfall einer mündlichen Verhandlung waren hier aber bereits angesichts des zum Sachverhalt erstatteten Berufungsvorbringens nicht gegeben.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 20. Dezember 2005
Schlagworte
Verfahrensbestimmungen Berufungsbehörde Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Ermessen VwRallg8 Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005050017.X00Im RIS seit
31.01.2006Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008