TE OGH 1991/7/10 9ObA75/91

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Veröffentlicht am 10.07.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Alfred Mayer und Otto Schmitz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** G*****, Pensionist, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei V***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wegen Feststellung (Streitwert 125.246,- S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. Jänner 1991, GZ 34 Ra 94/90-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems/Donau als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. Mai 1990, GZ 15 Cg 136/89-10, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 6.789,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.131,60 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Rechtliche Beurteilung

Entscheidungsgründe:

Die Verlesung der Akten, die Begehren betreffen, die von anderen Personen gegen die beklagte Partei erhoben werden, wobei im wesentlichen der gleiche Fragenkomplex strittig ist, wurde in der Berufung zum Beweis für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung des Erstgerichtes im vorliegenden Fall beantragt. Aus der Tatsache, daß das Erstgericht in allen Fällen zum gleichen Ergebnis gekommen sei, nämlich daß den Klägern der Widerrufsvorbehalt nicht bekannt gewesen sei, ergebe sich die Unrichtigkeit der Würdigung der Beweise durch das Erstgericht.

Es handelt sich dabei nicht um Neuerungen, sondern um Beweisanträge zur Unterstützung geltend gemachter Berufungsgründe gemäß § 482 Abs 2 ZPO. Das Berufungsgericht hat die Aufnahme dieser Beweise unter anderem mit der Begründung abgelehnt, daß selbst der Nachweis der gleichlautenden Entscheidungen in ähnlichen Fragen nicht geeignet sei, die Beweiswürdigung des Erstgerichtes zu widerlegen. Die Ablehnung von Kontrollbeweisen zur Überprüfung der Beweiswürdigung des Erstgerichtes ist für sich ein Akt der Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes und als solcher im Revisionsverfahren nicht überprüfbar. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob zur Beweisführung gemäß § 482 Abs 2 ZPO ausschließlich nova reperta geeignet sind oder auch nova producta hiefür in Frage kommen, ist daher entbehrlich.

Da die beklagte Partei im Verfahren vor dem Erstgericht nicht qualifiziert vertreten war (§ 40 ASGG), gelten die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über das Neuerungsverbot grundsätzlich nicht (§ 63 Abs 1 ASGG). Die Vernehmung des Zeugen ***** H***** wurde in der Berufung zum Nachweis für die Behauptungen im Zusammenhang mit der Geltung der "Linzer Richtlinien" im Betrieb der beklagten Partei beantragt. Die Grundlage für den Anspruch auf Treuepension im Unternehmen der beklagten Partei waren bereits Gegenstand des Vorbringens in erster Instanz, wobei auch ausdrücklich auf die "Linzer Richtlinien" Bezug genommen und hiezu die Vernehmung des Zeugen ***** H***** beantragt wurde. Der Zeuge wurde vom Erstgericht vernommen; Gegenstand seiner Vernehmung war auch das "Linzer Pensionsstatut". Bei dem in der Berufung erstatteten Vorbringen und dem Antrag auf (neuerliche) Vernehmung des genannten Zeugen handelte es sich sohin weder um ein neues Vorbringen noch um einen neuen Beweisantrag. Die Berufungsausführungen zielen vielmehr auf eine neuerliche Vernehmung des vom Erstgericht bereits vernommenen Zeugen zu einem Thema ab, das schon Gegenstand des erstgerichtlichen Verfahrens auch im Rahmen der Vernehmung dieses Zeugen war. Die Bestimmung des § 63 ASGG statuiert wohl für die betroffene Partei eine Ausnahme vom Neuerungsverbot, gibt dieser aber keinen Anspruch auf Beweiswiederholung; auf eine solche ist der Antrag auf Vernehmung des genannten Zeugen jedoch gerichtet. Der früher im arbeitsgerichtlichen Verfahren geltende Neuverhandlungsgrundsatz (§ 25 Abs 1 Z 3 ArbGG) wurde vom ASGG nicht übernommen. Die Unterlassung der neuerlichen Vernehmung dieses Zeugen bildet daher keinen Verfahrensmangel.

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es, hierauf zu verweisen (§ 48 ASGG). Ergänzend ist auszuführen:

Die Begründung des Berufungsgerichtes orientiert sich im wesentlichen an den Ausführungen der in ecolex 1990, 567 auszugsweise veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 9 Ob A 39/90, die eine im wesentlichen gleichgelagerte Betriebspensionssache der beklagten Partei betraf. Die dort dargelegten Rechtsausführungen treffen, soweit der Sachverhalt gleichgelagert ist, auch hier zu. Die beklagte Partei vertritt die Auffassung, Gegenstand der Vereinbarung sei auch die Widerrufbarkeit der Pensionszusage gewesen, und gründet dies auf die Behauptung, daß dem Kläger die Tatsache des Widerrufsvorbehaltes immer bekannt gewesen sei. Die Beweislast für diese dem Bereich der Anspruchsvernichtung zuzuzählende Behauptung trifft die beklagte Partei. Dieser Beweis ist ihr nicht gelungen. Feststeht, daß dem Kläger der Widerrufsvorbehalt von der beklagten Partei nicht bekanntgegeben wurde. In den Aussendungen des Betriebsrates, über die der Kläger seine Informationen bezog, wurde der Widerrufsvorbehalt nicht erwähnt. Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen ist daher davon auszugehen, daß nicht erwiesen ist, daß dem Kläger im Zeitpunkt des Gespräches vom 19. 2. 1985 bekannt war, daß die Pensionszusagen der beklagten Partei widerrufbar waren. Zweck der Unterredung an diesem Tag war die von der beklagten Partei angestrebte Verminderung der Mitarbeiterzahl. Ältere Arbeitnehmer sollten bewogen werden, unter Inanspruchnahme der Leistungen nach dem Sonderunterstützungsgesetz ihr Dienstverhältnis zur beklagten Partei zu beenden. Zu diesem Zweck wurde unter anderem auch dem Kläger in einem Einzelgespräch die wirtschaftliche Situation im Fall der Inanspruchnahme dieser Möglichkeit dargelegt. Die Höhe der Leistungen nach dem Sonderunterstützungsgesetz sowie der späteren Pensionsleistung wurde ebenso wie die Höhe der betrieblichen Zuschüsse zu diesen Leistungen berechnet und dem Kläger bekanntgegeben, wobei ihm an Hand der Zahlen versichert wurde, daß er keinen Nachteil erleiden werde. Diese Erklärungen waren zweifellos dazu bestimmt, den Entschluß des Klägers, das Dienstverhältnis zu beenden, zu fördern. Eine Widerruflichkeit der Pension wurde dabei nicht erwähnt. Dem Einwand der Revisionswerberin, ***** H***** sei nicht zu einer Pensionszusage berechtigt gewesen, ist zu entgegnen, daß ***** H***** immerhin Leiter der Abteilungen Personal und Rechnungswesen bei der beklagten Partei war und der Kläger daher annehmen durfte, daß der Genannte zu den ihm anläßlich der Gespräche, welche die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum Gegenstand hatten, gemachten Zusagen auch berechtigt war, zumal dieser an den Gesprächen namens der beklagten Partei teilnahm. Der erstmals in der Revision erhobene Einwand, ***** H***** sei nicht vertretungsberechtigt gewesen, ist überdies eine unzulässige Neuerung.

Das der beklagten Partei zuzurechnende Erklärungsverhalten anläßlich des Gespräches vom 19. 2. 1985 mußte der Kläger als Zusage einer nicht durch weitere Bedingungen oder Vorbehalte eingeschränkten Treuepension auffassen. Anders als in dem der Entscheidung JBl. 1989, 195 = RdA 1990, 35 zugrundeliegenden Sachverhalt handelte es sich hier nicht bloß um einen unbestimmten Hinweis auf eine nach generellen Richtlinien zu gewährende Betriebspension, sondern um eine bezüglich der Höhe der Pension und ihres Anfalles genau umschriebene und damit ausreichend bestimmte Zusage. Die dem Kläger bei dieser Gelegenheit gegebene Information bildete die Grundlage für seine Entscheidung, der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses zuzustimmen. Wohl steht hier nicht fest, daß die diesbezügliche Vereinbarung unmittelbar beim Gespräch vom 19. 2. 1985 getroffen wurde, doch ist das Schreiben vom 27. 2. 1985, das der Kläger zum Zeichen seiner Zustimmung unterfertigte, im Licht des Inhaltes der Unterredung vom 19. 2. 1985 zu sehen, auf die in diesem Schreiben ausdrücklich Bezug genommen wurde. Nur bei diesem Gespräch wurden die Ansprüche des Klägers ziffernmäßig erörtert und dem Kläger an Hand dieser Berechnung vorgeführt, daß die Auflösung des Dienstverhältnisses für ihn kein Nachteil sein werde. Nur das konnte die Grundlage für seine Entscheidung bilden, zumal im schriftlichen Anbot die Ansprüche nur allgemein erwähnt, im einzelnen jedoch nicht aufgegliedert wurden. Bei der Unterredung erfolgte die Pensionszusage ohne Einschränkung. Der Inhalt des Schreibens ist eine schriftliche Festlegung des bei der Unterredung gemachten Anbotes der beklagten Partei. Durch den allgemeinen Hinweis auf die dem Kläger nicht bekannte Richtlinien konnte das Anbot nicht wirksam beschränkt werden. Die Erwähnung der Freiwilligkeit impliziert nicht die Widerruflichkeit der Leistung, sodaß auch hieraus für die beklagte Partei nichts gewonnen ist. Durch die Unterfertigung des Anbotes ist vielmehr eine Vereinbarung im Sinn der mündlichen Zusagen beim Gespräch vom 19. 2. 1985 zustandegekommen. Gegenstand dieser Zusagen war jedoch eine nicht durch einen Widerrufsvorbehalt beschränkte Ruhestandsleistung der beklagten Partei.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E27186

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:009OBA00075.91.0710.000

Dokumentnummer

JJT_19910710_OGH0002_009OBA00075_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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