TE OGH 1991/7/11 7Ob14/91

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Veröffentlicht am 11.07.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** Versicherungs-Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Otto Philp, Dr. Gottfried Zandl und Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Franz K*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Kunert, Rechtsanwalt in Stockerau, wegen S 212.246,-- s.A. und Feststellung (Streitwert S 31.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23. Jänner 1991, GZ 16 R 243/90-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems/Donau vom 17. September 1990, GZ 5 Cg 15/90-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.882,80 (darin S 1.813,80 Ust.) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte geriet im April 1988 mit der Folgeprämie von S 3.276,60 für seine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, die er bei der klagenden Partei für seien PKW Marke Audi 100 N 435.185 abgeschlossen hatte, in Verzug. Waltraud K*****, die Ehefrau des Beklagten, verschuldete am 9. Juni 1988 gegen 7,15 Uhr mit diesem PKW einen Verkehrsunfall, bei dem der Mopedfahrer Peter H***** und dessen Beifahrerin Marianne A***** verletzt wurden. Die klagende Partei erbrachte als Haftpflichtversicherer aufgrund dieses Unfalles Schadenersatzleistungen an die Geschädigten im Ausmaß von S 212.246,--.

Waltraud K***** übergab am 8. Juni 1988 in Bad Groß Pertholz ihrem Schwiegervater nach 12 Uhr mittags den ihr vom Beklagten anvertrauten Posterlagschein der Klägerin samt dem dort ausgewiesenen Geldbetrag von S 3.276,70 und bat ihn um Einzahlung am selben Tag. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Postamt in Groß Pertholz bereits geschlossen. Der Vater des Beklagten fuhr nach Harmannschlag, wo er wohnt und zahlte bei der dortigen Poststelle mit dem ihm übergebenen Erlagschein die überfällige Folgeprämie ein. Die Poststelle Harmannschlag ist im Gebäude des Gemeindeamtes untergebracht. An der Gebäudeaußenseite befindet sich eine Tafel mit der Aufschrift "Posthilfsstelle" Harmannschlag, Post 3971 St. Martin im Waldviertel. Nach der an der Außenseite des Gebäudes nicht angebrachten Geschäftsübersicht hat die Poststelle Geschäftsstunden von Montag bis Freitag 8 bis 12 Uhr und nachmittags von 14 bis 17 Uhr. Einzahlungen im Geldverkehr können jeweils nur bis 12 Uhr und nur bis einen Betrag von S 20.000,-- pro Erlagschein aufgegeben werden. Die Einzahlungen werden von der Poststelle in Harmannschlag endgültig bescheinigt. Entgegen dieser Geschäftsübersicht nahm der Leiter der Poststelle die Versicherungsprämie vom Vater des Beklagten im Laufe des Nachmittags entgegen und setzte auf den Empfangs- und Erlagschein den Orts- und Tagesstempel der Posthilfsstelle Harmannschlag mit dem Datum 8. Juni 1988. Dieser Geldbetrag wurde vom Leiter der Poststelle verwahrt und in der Folge an das Postamt St. Martin im Waldviertel abgeführt. Von der Österreichischen Postsparkasse wurde der Betrag am 10. Juni 1988 dem PSK-Konto der klagenden Partei zugeschrieben. § 2 der Geschäftsbestimmungen für den Scheckverkehr der Österreichischen Postsparkasse lautet wie folgt: "Mitwirkung am Scheckverkehr (1). Die österreichischen Postämter nehmen auf Rechnung der PSK Einzahlungen entgegen und leisten Auszahlungen ....." § 17 dieser Bestimmung lautet: "Erlagschein; Bei Bareinzahlungen mit Erlagschein und bei der PSK und bei den Postämtern gilt, sofern nicht ausdrücklich eine andere Vereinbarung zwischen dem Kontoinhaber und dem Einzahler besteht, der Einzahlungstag als Erfüllungstag."

Die klagende Partei begehrt vom Beklagten den Ersatz ihrer Schadenersatzleistungen und die Feststellung der Haftung des Beklagten für zukünftige Aufwendungen, die sie als Haftpflichtversicherer allenfalls noch zu erbringen habe. Die im April 1988 fällige Folgeprämie sei beim Beklagten am 16. Mai 1988 unter Androhung der Folgen des § 39 VersVG eingemahnt worden. Die Folgeprämie sei aber erst nach dem Unfall beim Postamt 3971 eingezahlt worden.

Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, daß er die fällige Folgeprämie am 8. Juni 1988, also noch vor dem Verkehrsunfall, bezahlt habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging rechtlich davon aus, daß es für die Rechtzeitigkeit der Zahlung nicht auf die Gutschrift, sondern darauf ankomme, wann die Übermittlung veranlaßt wurde. Die Zahlung der Prämie sei somit rechtzeitig erfolgt, die klagende Partei sei daher nicht leistungsfrei.

Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil der Berufung der Klägerin nicht Folge, es erklärte die Revision für zulässig. Es folgerte rechtlich, daß die Poststellen im Rahmen der der Post übertragenen Hoheitsaufgaben qualitativ die gleichen Leistungen wie Postämter zu erbringen hätten. Der Geschäftsführer der Poststelle sei daher Organ der Postverwaltung, handle er im Umfang der ihm übertragenen Rechte, so bestehe zwischen seinen und jenen an einem Postamt vorgenommenen Amtshandlungen kein Unterschied. Die Poststelle Harmannschlag sei zur Entgegennahme von Geldsendungen bis zu S 20.000,-- berechtigt gewesen, die Bescheinigung erfolge dabei endgültig. Die mit der Annahme des vom Vater des Beklagten übergebenen Geldbetrages am 8. Juni 1988 erfolgte Einzahlung habe gemäß § 17 der Geschäftsbedingungen der Postsparkassen zu einer Begleichung der Prämienschuld an diesem Tag geführt. Dem stehe nicht die Tatsache entgegen, daß die Einzahlung außerhalb der Geschäftsstunden der Poststelle vorgenommen worden sei. Der Verletzung der Geschäftsstundeneinteilung durch den Geschäftsführer der Poststelle komme nur interne Wirkung so durch allfällige dienstrechtliche Folgen zu, es bestehe aber kein Anhaltspunkt, daß die Annahme einer Geldsendung außerhalb der Geschäftsstunden, die den sonstigen Vorschriften entsprach, nicht die Wirkung einer Einzahlung an diesem Tag haben solle. Der Weiterleitung der Geldsendung an das übergeordnete Postamt in den Folgetagen komme nur postorganisatorische Wirkung zu.

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, haben nach § 4 PostG (BGBl. 1957/58 idF des BGBl. 1989/575 "die Postämter und die Poststellen" (seit der Novelle BGBl. 1980/561 und der VO BGBl. 1981/2 heißen die früheren "Posthilfsstellen" nunmehr "Poststellen") die der Post übertragenen Leistungen zu erbringen. Aus dieser Diktion ergibt sich eine Gleichwertigkeit von Postämtern und Poststellen in bezug auf ihren hoheitlichen Auftrag. Mit der getrennten Anführung der Postämter und Poststellen im § 4 und § 12 der PostO (BGBl. 1957/110 idF des BGBl. 1984/23) bei der Regelung der Ausübung des Postdienstes wird nur eine umfängliche Einschränkung des Wirkungsbereiches, nicht aber eine inhaltliche Reduktion der Tätigkeit der Poststellen in ihrem Wirkungsbereich normiert. Eine umfängliche Einschränkung eines Wirkungsbereiches ist auch unter Postämtern im Gesetz vorgesehen, so zB bei Sonderpostämtern. Einer Poststelle wird ein bestimmtes Gebiet innerhalb des Postbezirkes des Abrechnungspostamtes zugewiesen, dem sie im Rahmen des Behördenaufbaues dienstrechtlich untergeordnet wird. Der die Poststelle betreibende "Geschäftsführer" wird aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung mit ihrer Geschäftsführung betraut (vgl. Schaginger-Trpin 23 f, 222). Ihm kommt unabhängig vom Dienstvertrag Beamteneigenschaft zu, er besorgt daher Geschäfte der Regierung (EvBl. 1971/130). Die Unterordnung der Poststelle unter das Abrechnungspostamt kommt darin zum Ausdruck, daß der Geschäftsführer an Weisungen des Abrechnungspostamtes gebunden ist und die vereinnahmten und verausgabten Geldbeträge mit diesem abzurechnen und in der Regel auch die angenommenen Postsendungen diesem zu übergeben hat (vgl. Schaginger-Trpin, 223). Die Rechtsauffassung der Revisionswerberin, daß den Poststellen im Rahmen ihres Aufgabenbereiches nicht die Qualität eines Postamtes zukomme und Geldsendungen daher erst mit dem Einlangen beim Abrechnungspostamt als eingezahlt anzusehen seien, findet daher im Gesetz keine Deckung. Auch aus der Bestimmung des § 118 der PostO, wonach der Geschäftsführer einer Poststelle nicht als Beauftragter der Post gilt, wenn er Sendungen entgegennimmt, zu deren Annahme er nicht verpflichtet wäre und deren Annahme er nicht (offiziell) bestätigen darf, ist für die Revisionswerberin nichts gewonnen, § 118 PO soll nur verhindern, daß Absender beim Geschäftsführer einer Poststelle Postsendungen aufgeben, deren Annahme wegen der Sicherheit des Postdienstes (§ 116 PO) nicht wünschenswert ist. Die Postordnung verbietet in solchen Fällen dem Geschäftsführer der Poststelle nicht die Sendung anzunehmen, lehnt aber eine Haftung der Post dadurch ab, daß sie den Geschäftsführer der Poststelle nicht mehr als Beauftragter der Post, sondern als Beauftragter des Absenders ansieht. Die Rechtsfolgen aus der durch § 118 PO eingetretenen Verlagerung der Verantwortung von der Post auf den Absender bestehen daher nur darin, daß die Haftung der Post solange ausgeschlossen bleibt, bis die Sendung in den Gewahrsam des Abrechnungspostamtes übergegangen ist (vgl. Schaginger-Trpin, 394 f). Obwohl diese Bestimmung auch auf die Annahme von Postsendungen durch den Geschäftsführer einer Poststelle während seiner dienstfreien Zeit anzuwenden wäre, ändert dies nichts an der postrechtlichen Wirksamkeit der Annahme im Annahmezeitpunkt, weil, wie bereits dargelegt, § 118 PO nur die Haftung der Post ausschließen soll. Überhaupt kommt der Dienststundeneinteilung einer Poststelle nicht die von der Revisionswerberin gewünschte Rechtswirkung zu.

§ 14 PO sind zwar die Geschäftsstunden der Poststelle "soweit erforderlich" in der Geschäftsübersicht anzugeben. Wenn keine Geschäftsstunden in der Geschäftsübersicht angegeben sind, hat der Geschäftsführer den Postdienst auszuüben, soweit er in der Poststelle angetroffen wird. Diese Regelung berücksichtigt die Tatsache, daß die Einwohner der Landgemeinden ihre postalischen Geschäfte je nach der ihnen - den Jahreszeiten entsprechend - zur Verfügung stehenden Zeit abzuwickeln pflegen. Außerdem üben viele Geschäftsführer der Poststellen einen Beruf aus und besorgen die Geschäfte nur nebenbei (Schaginger-Trpin, 224). Befindet sich der Geschäftsführer der Poststelle in dieser und ist annahmebereit, so kommt der Entgegennahme einer Einzahlung im Rahmen ihres Wirkungsbereiches außerhalb der Geschäftsstunden die gleiche Wirkung, nämlich die der Bezahlung an diesem Tage, wie innerhalb derselben zu. Das Berufungsgericht hat daher zutreffend erkannt, daß mit der Übernahme der Geldsendung des Beklagten am 8. Juni 1988 durch die Poststelle Harmannschlag die im § 17 der Geschäftsbedingungen für den Scheckverkehr der PSK vorgesehene Rechtswirkung, nämlich des Zuganges dieser Zahlung an die klagende Partei erfolgt ist (zuletzt VersRsch 1990, 181 = VersR 1990, 879). Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO.

Anmerkung

E27533

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0070OB00014.91.0711.000

Dokumentnummer

JJT_19910711_OGH0002_0070OB00014_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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