TE OGH 1991/7/11 7Ob563/91 (7Ob564/91)

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Veröffentlicht am 11.07.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei SCH*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Dieter H. Gradwohl, Rechtsanwalt in Wien, wider die Gegnerin der gefährdeten Partei M***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Erich Proksch und Dr. Richard Proksch, Rechtsanwälte in Wien, wegen

S 1,750.000,-- s.A., infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 17. April 1991, GZ 46 R 518, 519/91, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 18. Jänner 1991, 31 C 94/91 g-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antrag des Gegners der gefährdeten Partei auf Zuspruch von Kosten des Revisionsrekursverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die gefährdete Partei beantragt die Erlassung der einstweiligen Verfügung, die C*****-Bank***** erhalte den Auftrag, bis auf weitere gerichtliche Anordnung die in einer näher bezeichneten Garantie geschuldete Leistung von S 1,750.000,-- an wen auch immer nicht zu zahlen, noch sonst etwas zu unternehmen, was die Exekutionsführung auf die Forderung vereiteln oder erschweren könne; und es werde der Antragsgegnerin jede Verfügung über den Anspruch, insbesondere die Einziehung der Bankgarantie längstens bis 31.12.1992 verboten. Die Streitteile hätten am 28.5.1990 einen mit "Garantievertrag" bezeichneten Vertrag geschlossen. Zur Besicherung dieses Vertrages sei eine Bankgarantie über S 1,750.000,-- ausgestellt worden. Für die Erfüllung des Garantievertrages sei der 30.4.1991 vorgesehen gewesen. Die Antragsgegnerin habe den Vertrag nur zum Teil erfüllt; sie habe ihn am 7.1.1991 auf Grund der Golfkrise und des geringen Aufkommens storniert. Die Antragstellerin habe zwar von 250 gekauften Sitzplätzen der von der Antragsgegnerin beschäftigten Fluggesellschaft nur 205 in Anspruch genommen, habe hiefür aber unter Berücksichtigung einer Gegenverrechnung S 1,755.574,92 bezahlt. Dessen ungeachtet habe die Antragsgegnerin - die der Antragstellerin überdies einen ungedeckten Scheck über S 74.334,-- ausgestellt habe - die Garantie abgerufen, die allerdings aus formellen Gründen vorerst zurückgewiesen worden sei. Die Antragsgegnerin sei in finanziellen Schwierigkeiten und offensichtlich zahlungsunfähig.

Das Erstgericht erließ die begehrte Verfügung unter Auferlegung einer Sicherheitsleistung.

Das Rekursgericht wies den Antrag ab; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,-- übersteige und daß der Revisionsrekurs gegen seine Entscheidung zulässig sei.

Die zweite Instanz nahm auf Grund der von der Antragstellerin vorgelegten Urkunden folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Der "Garantievertrag" vom 28.5.1990 hat auszugsweise folgenden Inhalt:

"1. Die (gefährdete Partei) garantiert (dem Antragsgegner) die fixe Abnahme von 250 Sesseln auf der unten angeführten Kette, weitere 250 Sessel sind auf Option. Der (gefährdeten Partei) wird bis Ende September auf die optionierten Flugsessel ein Vorkaufsrecht gewährt.

9. Die Garantieplätze werden von der (gefährdeten Partei) pro Termin angefordert und können 21 Tage vor Abflug auf andere Termine verteilt werden. Nachbuchungen innerhalb der 21 Tagefrist sind auf Anfrage möglich.

10. Die Fixplatzkontingente für die einzelnen Termine müssen bis spätestens 1.8.1990 angefordert werden, um die Koordination zu ermöglichen."

Über Ersuchen der gefährdeten Partei übernahm die C*****-Bank***** der Antragsgegnerin gegenüber die Garantie bis zum Betrag von S 1,750.000,-- und verpflichtete sich unwiderruflich, den ihr namhaft gemachten Betrag, höchstens jedoch S 1,750.000,--, ohne Prüfung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses innerhalb von drei Geschäftstagen nach Erhalt der schriftlichen Aufforderung der Antragsgegnerin, in der bekanntgegeben werde, daß die gefährdete Partei ihren übernommenen Verpflichtungen aus dem Garantievertrag nicht nachgekommen sei, auf das Bankkonto der Antragsgegnerin zu überweisen.

Die Inanspruchnahme der Bankgarantie konnte vereinbarungsgemäß nicht vor dem 15.1.1991 erfolgen.

Nach der Stornierung des Garantievertrages gab die Antragsgegnerin in einem Schreiben an die gefährdete Partei die Gesamtauslastung zum Ende des Jahres mit 205 Fluggästen bekannt und teilte weiter mit, daß die gefährdete Partei laut Punkt 10 des Garantievertrages ein Fixplatzkontingent für jeden einzelnen Termin für 30, für den 22.12.1990 für 60 Fluggäste angefordert habe. Nach dem Buchungsstand habe die gefährdete Partei das Fixplatzkontingent an den einzelnen Terminen nur zum Teil erfüllt; sie habe niemals eine Rückmeldung im Sinne des Punktes 9 des Vertrages gemacht. Die Antragsgegnerin habe deshalb die nicht verbrauchten Kontingente, insgesamt 110 Flugplätze, nicht mehr verkaufen können. Eine Rückstellung der Bankgarantie sei erst möglich, wenn die Abrechnung der Antragsgegnerin und die Entscheidung mit der Fluglinie getroffen worden sei.

In der rechtlichen Beurteilung führte die zweite Instanz aus, der Anspruch des Garantieauftraggebers auf Nichteinziehung bzw. auf Widerruf des Abrufes einer Bankgarantie könne durch einstweilige Verfügung nur unter der Voraussetzung gesichert werden, daß der Nichteintritt des Garantiefalls liquide und eindeutig nachgewiesen werde, weil sonst der für die Bankgarantie typische Ausschluß von Einwendungen aus dem Valuta- und Deckungsverhältnis umgangen würde. Die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sei nur zulässig, wenn der Begünstigte die Garantie rechtsmißbräuchlich oder arglistig in Anspruch nehme, somit unter denselben Voraussetzungen, unter denen auch der Garant (die Bank) die Zahlung ausnahmsweise verweigern dürfe. Die Sicherheit des geschäftlichen Verkehrs erfordere es, daß die mißbräuchliche Inanspruchnahme der Garantie geradezu evident sei. Es müsse eindeutig feststehen, daß der Begünstigte keinen Anspruch habe und der Garantiefall nicht eingetreten sei. Die Annahme von Rechtsmißbrauch sei nach den vorgelegten Urkunden nicht gerechtfertigt. Die gefährdete Partei habe der Antragsgegnerin für den Zeitraum 3.11.1990 bis 29.12.1990 die Abnahme von 300 Sesseln (offenbar unter Ausnützung eines ihr zustehenden Optionsrechtes) garantiert. Mangels entsprechender Rückmeldung mache die Antragsgegnerin wegen über 100 nicht abgemeldeter Flüge gegenüber der gefährdeten Partei Schadenersatzansprüche in erheblichem Ausmaß geltend. Nur wenn bescheinigt wäre, daß die gefährdete Partei ihre Verpflichtung zur Gänze erfüllt habe und der Antragsgegnerin keinerlei Ansprüche mehr zustehen, könne von einer rechtsmißbräuchlichen oder arglistigen Inanspruchnahme der Bankgarantie gesprochen werden. Dies sei aber hier nicht der Fall. Die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung seien daher nicht gegeben. Der Revisionsrekurs sei als zulässig zu erklären gewesen, weil eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zu lösen gewesen sei und der Begriffe eines Rechtsmißbrauches im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme einer Bankgarantie noch nicht eindeutig definiert worden sei.

Der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei ist entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Eine im Sinn des § 528 Abs. 1 ZPO, § 78 EO erhebliche Rechtsfrage liegt nicht vor.

Die gefährdete Partei macht im wesentlichen geltend, es bestehe keine Forderung der Antragsgegnerin gegen sie oder es könne doch keine bestehen; die Inanspruchnahme der Bankgarantie in der vollen Höhe sei daher jedenfalls rechtsmißbräuchlich, wenn nicht arglistig.

Die Annahme des Rekursgerichtes aber, der Nichteintritt des Garantiefalls sei von der gefährdeten Partei nicht liquid und eindeutig nachgewiesen worden, die Annahme eines Rechtsmißbrauches sei nicht gerechtfertigt, ist ein Akt der richterlichen Beweiswürdigung. Die gefährdete Partei übersieht, daß der Oberste Gerichtshof auch im Provisorialverfahren Rechts- und nicht Tatsacheninstanz ist; er ist daher an den vom Rekursgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt, dessen Überprüfung ihm entzogen ist, gebunden (RdW 1988, 134; JBl. 1990, 328).

Die rechtliche Beurteilung wurde von der zweiten Instanz im Sinne der ständigen Rechtsprechung vorgenommen. Danach dürfen Ansprüche des Garantieauftraggebers gegen den Begünstigten aus dem zwischen ihnen bestehenden Vertragsverhältnis nicht dazu führen, daß über eine vom Garantieauftraggeber erwirkte einstweilige Verfügung die Garantie doch wieder vom Grundverhältnis abhängig gemacht wird. Zulässig ist die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann, wenn der Begünstigte die Garantie rechtsmißbräuchlich oder arglistig in Anspruch nimmt, also unter denselben Voraussetzungen, unter denen auch der Garant die Zahlung ausnahmsweise verweigern darf. Zu fordern ist aber stets der liquide und eindeutige Nachweis des Nichteintritts des Garantiefalls, weil dem Begünstigten noch kein arglistiges oder rechtsmißbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden kann, wenn nicht eindeutig feststeht, daß er keinen Anspruch hat. Die Sicherheit des geschäftlichen Verkehrs erfordert es, daß die mißbräuchliche Inanspruchnahme der Garantie evident ist (RdW 1988, 134; SZ 61/39 ua). Der Begriff des Rechtsmißbrauches kann entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichtes nicht als erhebliche Rechtsfrage iS des § 528 Abs. 1 ZPO angesehen werden. Es besteht hiezu eine gefestigte, einheitliche Rechtsprechung, wonach von einer mißbräuchlichen Rechtsausübung dann gesprochen werden kann, wenn demjenigen, der sein Recht ausübt, jedes andere Interesse abgesprochen werden muß als eben das Interesse, dem anderen Schaden zuzufügen (SZ 59/25 ua, insbesondere SZ 28/133), oder doch der Schädigungszweck so sehr augenscheinlich im Vordergrund steht, daß andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten (EvBl. 1990/52). Die zweite Instanz ist von dieser Rechtsprechung nicht erkennbar abgewichen; ist sie doch davon ausgegangen, daß einerseits die Antragsgegnerin gegenüber der gefährdeten Partei Schadenersatzansprüche in einem erheblichen Ausmaß geltend gemacht hat und daß nicht bescheinigt ist, daß die gefährdete Partei ihre Verpflichtungen aus dem Garantievertrag zur Gänze erfüllt hat, so daß der Antragsgegnerin keine Ansprüche mehr zustünden.

Der Revisionsrekurs war deshalb zurückzuweisen.

Der Antrag der Antragsgegnerin auf Zuspruch von Kosten war abzuweisen, weil sie auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der gefährdeten Partei nicht hingewiesen hat.

Anmerkung

E26242

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0070OB00563.91.0711.000

Dokumentnummer

JJT_19910711_OGH0002_0070OB00563_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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