TE OGH 1991/7/24 13Os47/91

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Veröffentlicht am 24.07.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Juli 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kandera als Schriftführerin in der Strafsache gegen Heinz M***** wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach den §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 16.April 1991, GZ 5 Vr 3266/90-31, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, und des Verteidigers Dr. Mayrhofer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Schuldspruch laut Punkt I., II., III. und V. des Urteilssatzes sowie im Ahäsionserkenntnis unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach den §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 (Z 1) StGB (Punkt IV. des Urteilssatzes) und im Schuldspruch wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB (Punkt VI. des Urteilssatzes) sowie im Strafausspruch aufgehoben und es wird im Umfang der Aufhebung

1.) zu Punkt VI des Urteilssatzes gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Heinz M***** wird von der Anklage, in Graz am 21., 24. und 26. November 1990 die der Annemarie P***** gehörende Bankomatkarte, daher eine Urkunde, über die er nicht allein verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt zu haben, zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweise eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde, (und hiedurch das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB begangen zu haben) gemäß dem § 259 Z 2 StPO freigesprochen;

2.) im übrigen die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 16.August 1955 geborene Heinz M***** des Vergehens der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB (Punkt I. des Urteilssatzes), des Verbrechens der schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 und Z 2 StGB (II.), des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2 StGB (III.), des Verbrechens der schweren Erpressung nach den §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 (ergänze: Z 1) StGB (IV.), des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 StGB (V.) und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB (VI.) schuldig erkannt.

Der Angeklagte bekämpft lediglich den Schuldspruch wegen schwerer Erpressung (IV.) und wegen Urkundenunterdrückung (VI.) mit Nichtigkeitsbeschwerde. Im übrigen blieb der Schuldspruch unangefochten.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu.

Als schwere Erpressung (IV.) wird dem Angeklagten angelastet, am 21. Mai 1990 in Graz mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, Birgit M***** durch die Äußerung, "wenn sie nicht ein Geld auftreibe, werde er sich und das Kind umbringen", mithin durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Handlung, die sie oder Dr. Margit S***** am Vermögen schädigte, nämlich zur Übergabe eines Geldbetrages in der Höhe von 120.000 S, genötigt zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, die zwar überwiegend in prozeßordnungswidriger Weise mit urteilsfremden Annahmen argumentiert) erhebt der Sache nach den zutreffenden Einwand, daß bei allfälliger Darlehenseigenschaft der abgenötigten Zahlung nicht alle zur verläßlichen rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts als Erpressung notwendigen Feststellungen über die subjektive Tatseite getroffen wurden. Dieses Feststellungserfordernis ergibt sich aus Hinweisen, wonach der übergebene Geldbetrag von 120.000 S ein Darlehen an den Angeklagten gewesen sein könnte. Ein rückzahlungsfähiger und rückzahlungswilliger Täter, der einen anderen zur Hingabe eines Darlehens nötigt, führt nicht notwendigerweise einen Vermögensschaden herbei oder handelt subjektiv mit diesbezüglichem Schädigungsvorsatz, weshalb er gegebenenfalls nur Nötigung verantwortet (Mayerhofer-Rieder StGB3 ENr 41 zu § 105; Zipf im WK Rz 26 zu § 144). Angesichts des (entgegen der Beschwerdemeinung keineswegs eindeutig geklärten, aber nach den Verfahrensergebnissen) möglichen Darlehenscharakters der Geldübergabe (Zeugin Birgit M*****: "leihweise" AS 63, Zeugin Dr. Margit S*****: "Ich habe ihnen schon vorher einige Male Geld geliehen" AS 232; "Er sagte, er werde versuchen, es zurückzuzahlen" S 234) war es geboten, auch in diese Richtung Feststellungen zum objektiven und subjektiven Sachverhalt zu treffen, um den Eintritt eines Vermögensschadens und eines diese Tatfolge umfassenden Tätervorsatzes beurteilen zu können.

Bereits dieser Feststellungsmangel (sachlich Z 10) erfordert die Aufhebung des gerügten Schuldspruches und in diesem Umfang die Anordnung der Verfahrenserneuerung.

Der Schuldspruch ist aber auch von unbekämpft gebliebenen Feststellungsmängeln betroffen, die sich auf Grundelemente des äußeren Tatbestandes und des weiteren auf die damit verbundene innere Tatseite beziehen. Laut Urteilstenor war Adressat der erfolgreichen erpresserischen Drohung und Übergeberin des hiedurch abgenötigten Geldbetrages Birgit M*****. Die Urteilsgründe gehen hingegen davon aus, daß sich Dr. ***** S***** nach einem Gespräch mit dem Angeklagten zur Geldhingabe bereit fand, weil sie eine dramatische Situation befürchtete. Im Zuge der Beweiswürdigung bezeichnete das Erstgericht Dr. ***** S***** als eine am Erpressungsgeschehen unbeteiligte Zeugin. Den Entscheidungsgründen kann daher nicht mit Klarheit entnommen werden, welche Tathandlungen gegen welche Person das Erstgericht für die Annahme einer vollendeten Erpressung als maßgeblich ansah. Auch in dieser Beziehung müssen im zweiten Rechtsgang mängelfreie Konstatierungen über das objektive und subjektive Geschehen getroffen werden.

Mit der Anfechtung des Schuldspruches wegen Urkundenunterdrückung (VI.) aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit c (richtig: lit b) StPO ist der Beschwerdeführer ebenfalls im Recht.

Die auf diese Anklagefakten bezogene Erklärung des öffentlichen Anklägers in der Hauptverhandlung, "die Anklageschrift gemäß § 227 StPO nicht aufrecht zu erhalten" (AS 237), bedeutete ihrer inneren Tragweite nach (unbeschadet der Zitierung einer das Stadium vor der Hauptverhandlung betreffenden Norm) einen Rücktritt von diesem Anklagepunkt. Daher wäre das Schöffengericht nach dem § 259 Z 2 StPO verpflichtet gewesen, in diesem Umfang einen Freispruch zu fällen. Der statt dessen ergangene Schuldspruch war somit aufzuheben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu erkennen.

Mit seiner durch die Aufhebung des erstgerichtlichen Strafausspruches gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E27276

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0130OS00047.91.0724.000

Dokumentnummer

JJT_19910724_OGH0002_0130OS00047_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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