TE OGH 1991/8/8 12Os87/91

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.08.1991
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.August 1991 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Felzmann, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofbauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Stefan C***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 18.April 1991, GZ 6 Vr 3338/90-11, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, der Generalanwältin Dr. Bierlein, des Angeklagten Stefan C***** und des Verteidigers Dr. Kruletz zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlaß wird gemäß § 290 Abs. 1 StPO das im übrigen unberührt bleibende Urteil im Ausspruch über die rechtliche Beurteilung der dem Angeklagten zur Last liegenden Tathandlungen als Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB und als Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 StGB und demzufolge auch im Strafausspruch einschließlich des Ausspruches über den Widerruf der bedingten Strafnachsicht aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Stefan C***** hat durch die in den Punkten 1 und 2 des Urteilsspruches bezeichneten Tathandlungen das Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall und 15 StGB begangen und wird nach dem ersten Strafsatz des § 131 StGB unter Berücksichtigung gemäß §§ 31, 40 StGB des Urteiles des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz vom 12.Dezember 1990, GZ 2 U 927/90-4, zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt. Gemäß § 43 Abs.1 StGB wird diese Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Gemäß § 494 a Abs. 1 Z 2, Abs. 7 StPO wird vom Widerruf der mit Urteil des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz vom 1. Oktober 1990, GZ 2 U 584/90-14, gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen, jedoch wird gleichzeitig die Probezeit auf vier Jahre verlängert.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 19.Februar 1957 geborene Stefan C***** des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (1) und des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 StGB (2) schuldig erkannt. Inhaltlich des Urteilsspruches liegt ihm zur Last, am 26.November 1990 fremde bewegliche Sachen aus nachstehend angeführten Geschäften mit Bereicherungsvorsatz weggenommen bzw. wegzunehmen versucht zu haben, nämlich der Firma B***** in Graz (im Urteil einzeln angeführte) Waren im Wert von 996 S weggenommen (1) und in Neuseiersberg dem Lebensmittelmarkt M***** ein Paket Suppenfleisch im Wert von 32,50 S und eine Stange polnische Wurst im Wert von 54,90 S wegzunehmen versucht zu haben, wobei er auf frischer Tat betreten, Gewalt gegen eine Person anwandte, indem er den Filialleiter Walter S*****, der sich vor den Geschäftsausgang stellte, um sein Entkommen zu verhindern, mit einer vollen Essigflasche aus Plastik auf den Kopf schlug und ihn beiseitestieß, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten (2).

Der zum Faktum 1 voll geständige Angeklagte ficht nur den Schuldspruch 2 mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 4 und 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an und bekämpft den Strafausspruch mit Berufung.

Im einzelnen stellte das Gericht fest, daß der Angeklagte das Paket Suppenfleisch und die Stange polnische Wurst unter seinem Mantel versteckte, jedoch von einer Kundin beobachtet wurde, die dem Filialleiter Walter S***** ihre Beobachtung mitteilte. Nachdem der Angeklagte einige andere Waren bezahlt hatte, forderte ihn der Filialleiter noch im Verkaufsraum auf, eine Warenkontrolle bei sich vornehmen zu lassen. Dies verweigerte er und strebte dem Ausgang zu, welchen aber der Filialleiter mit seinem Körper versperrte. C***** versuchte daraufhin S***** zuerst mit den Händen, dann mit seinem ganzen Körper zur Seite zu stoßen, wodurch S***** am rechten Unterarm leichte Schürfwunden erlitt. In der Folge schlug der Angeklagte dem Filialleiter mit einer vollen Essigflasche aus Plastik auf den Kopf, konnte aber auch dadurch den Widerstand des Filialleiters nicht brechen, kehrte daher in das Geschäft zurück, rannte durch den Geschäftsraum und warf das Paket Suppenfleisch sowie die Stange polnische Wurst in eine Vitrine. Er konnte aber das Geschäft nicht mehr verlassen, weil der Ausgang bereits versperrt worden war.

Rechtliche Beurteilung

In seiner Verfahrensrüge (Z 4) macht der Angeklagte die Behinderung seiner Verteidigung dadurch geltend, daß seinem Antrag, das Diebsgut und den Mantel, den er damals getragen hatte, zum Beweis dafür beizuschaffen, daß er die Gegenstände nicht darin verstecken hätte können, nicht stattgegeben wurde. Das Schöffengericht stellte sich nämlich auf den Standpunkt, daß auf Grund der widerspruchsfreien Aussage der Zeugin Gabriele H*****, die den Angeklagten beaobachtet hatte, als er die Waren aus dem Mantel herausnahm und in die Vitrine zurückwarf, ebenso die Unerheblichkeit dieser Beweisaufnahme abzuleiten sei wie aus der allgemeinen Lebenserfahrung, daß eine Stange Wurst und ein Paket Suppenfleisch ohne weiters unter einem Mantel versteckt werden können (S 54, 55).

Dieser Begründung des Schöffengerichtes ist zu folgen, gehört es doch zum Erfahrungsgut nicht nur der Strafgerichte, sondern jedes Durchschnittsbürgers, daß es zu den häufigst angewendeten Methoden von Ladendieben gehört, auch größere Gegenstände als Wurststangen unter der (oftmals präparierten) Kleidung verborgen aus dem Geschäft zu verbringen. Die von den Tatrichtern als glaubwürdig und unbedenklich beurteilte Aussage der Zeugin H***** bedurfte sohin tatsächlich keiner Überprüfung in der begehrten Form.

Der Einwand in der Mängelrüge (Z 5), das Gericht hätte sich damit auseinandersetzen müssen, daß der Angeklagte zum Zeitpunkt der tätlichen Auseinandersetzung mit dem Filialleiter die von ihm gekauften und auch bezahlten Waren in Händen hatte, so daß es ihm faktisch gar nicht möglich gewesen sei, Gewalt gegen den Filialleiter anzuwenden, es vielmehr "wahrscheinlicher" sei, daß der Filialleiter dem Angeklagten den Weg verstellte und ihn an den Händen ergriff, so daß sich der Angeklagte aus der Umklammerung lösen mußte, geht an den auf die Aussage des Zeugen S***** gestützten Urteilsfeststellungen vollkommen vorbei. Demnach steht fest, daß der Angeklagte mit der in der Hand gehaltenen Essigflasche den Filialleiter attackierte. Daß es im übrigen möglich ist, auch mit Händen, in denen etwas gehalten wird, einen anderen Menschen zu stoßen, noch dazu - wie festgestellt - mit Körperunterstützung, entspricht ebenfalls der Lebenserfahrung. Es bedurfte dieser Umstand sohin keiner näheren Erörterung.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aus Anlaß dieses Rechtsmittels wurde jedoch wahrgenommen, daß das Erstgericht das Strafgesetz unrichtig angewendet hat, weil es unter Nichtbeachtung der Zusammenrechnungsvorschrift des § 29 StGB dem Angeklagten neben dem Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB (1) auch gesondert das Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 StGB (2) anlastete, wobei nach der Textierung des Urteilsspruches und der Strafzumessungsgründe Versuch angenommen, in der rechtlichen Subsumtion allerdings § 15 StGB nicht zitiert wurde. Nach dem § 29 StGB ist aber bei allen Delikten, bei denen die Höhe der Strafdrohung (auch) vom ziffernmäßig bestimmten Wert der Sache, gegen die sich die Handlung richtet, oder von der ziffernmäßig bestimmten Höhe des Schadens abhängt, den die Tat verursacht oder auf den sich der Vorsatz des Täters erstreckt hat, wenn ein Täter mehrere Taten derselben Art begeht, die Summe der Werte oder Schadensbeträge maßgebend. Der Täter verantwortet daher - beim Diebstahl unter Zusammenrechnung der Werte der weggenommenen Sachen und/oder jener, die er wegzunehmen versuchte, nur ein Delikt. Vorliegend fällt daher dem Angeklagten nur das Verbrechen des teilweise vollendeten, teilweise versuchten räuberischen Diebstahls nach den §§ 127, 131 erster Fall und 15 StGB zur Last.

Wegen der vom Erstgericht rechtsirrig vorgenommenen Einordnung des Tatgeschehens unter zwei Tatbestände haftet dem Ersturteil die Nichtigkeit iS des § 281 Abs. 1 Z 10, aber auch der Z 11 StPO an, weil das Zusammentreffen des Vergehens und des Verbrechens des Diebstahls ausdrücklich als Erschwerungsumstand gewertet wurde. Dies hat zur Folge, daß der Angeklagte benachteiligt wurde und die Nichtigkeit deshalb von Amts wegen aufzugreifen war (11 Os 114/90 und die dort zitierte Judikatur).

Die Richtigstellung der rechtlichen Subsumtion wurde auch zum Anlaß genommen, § 15 StGB einzufügen, weil insoweit von der günstigeren Version des Erstgerichtes, wonach sich die Tat noch im Versuchsstadium befunden hatte, auszugehen war (siehe hiezu SSt. 55/13, EvBl. 1991/12).

Bei der neuerlich nach dem ersten Strafsatz des § 131 StGB vorzunehmenden Strafneubemessung waren erschwerend eine Vorstrafe und der rasche Rückfall während einer Probezeit, sowie das gemäß § 40 StGB zu berücksichtigende Vergehen, während als mildernd das reumütige Geständnis hinsichtlich des Faktums 1, der Umstand, daß beim Faktum 1 sofort der Schaden gutgemacht wurde, und beim Faktum 2, bei welchem ohnehin Versuch angenommen wurde, die entwendeten Gegenstände im Geschäft zurückgelassen wurden, gewertet wurden.

Unter Berücksichtigung dieser Strafzumessungsgründe und der Tatsache, daß der Angeklagte noch nicht wegen eines Vermögensdeliktes vorbestraft ist, erscheint die aus dem Spruch ersichtliche Freiheitsstrafe auch unter Berücksichtigung (§ 40 StGB) der auf einer anderen Ebene liegenden Verurteilung wegen § 119 StGB schuld- und tätergerecht. Wenngleich eine Vorstrafe wegen eines Körperverletzungsdeliktes als teilweise einschlägig zum räuberischen Diebstahl gesehen werden muß (§ 71 StGB), erscheint es unter Bedachtnahme auf das Vorleben des Angeklagten doch noch gerechtfertigt, die gesamte über ihn verhängte Freiheitsstrafe bedingt nachzusehen.

Da über den Angeklagten mit dem Urteil des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz vom 1.Oktober 1990 eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen a 30 S verhängt wurde, er aber in sehr bedrängten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, könnte der sofortige Widerruf dieser Geldstrafe den nunmehr neuerlich gestarteten Resozialisierungsversuch gefährden, weshalb auch vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht abgesehen, jedoch gleichzeitig die Probezeit so weit verlängert wurde, daß sie in etwa gleichzeitig mit der im nunmehr durchgeführten Strafverfahren bestimmten Probezeit endet.

Mit seiner Berufung (mit der er inhaltlich auch den Widerruf der bedingten Strafnachsicht bekämpft) war der Angeklagte auf diese Strafneubemessung zu verweisen.

Die übrigen Entscheidungen gründen sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E26383

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0120OS00087.91.0808.000

Dokumentnummer

JJT_19910808_OGH0002_0120OS00087_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten