TE OGH 1991/8/22 15Os77/91

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Veröffentlicht am 22.08.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.August 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Markel und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofbauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dipl.Ing. Christine B***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4.April 1991, GZ 6 a Vr 10645/90-16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde Dipl.Ing. Christine B***** des Vergehens (richtig: Finanzvergehens) der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG schuldig erkannt.

Ihr liegt zur Last, in Wien als Geschäftsführerin der I***** GesmbH in der Zeit zwischen März 1983 und Februar 1988 vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen, nämlich durch Abgabe unrichtiger, lediglich Vorsteuerbeträge, aber nicht Erlöse (richtig: Entgelte) ausweisender Voranmeldungen, Verkürzungen von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer in der Gesamthöhe von 1,317.615 S bewirkt und dies (zu ergänzen: nicht nur für möglich, sondern) für gewiß gehalten zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Schuldspruch gerichteten, auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5 und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten kommt bereits aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund Berechtigung zu:

In der Hauptverhandlung hat die Beschwerdeführerin beantragt, ein Sachverständigengutachten darüber einzuholen, daß "im gegenständlichen Zeitraum" tatsächlich keine Umsätze vorhanden waren und "falsche Voranmeldungen" (nach dem Inhalt der Verantwortung der Angeklagten ersichtlich gemeint: Differenzen zwischen den Voranmeldungen zu den Umsatzsteuervorauszahlungen und den Jahresumsatzsteuererklärungen) "nur daraus resultieren", daß Vorsteuerbeträge (in den Voranmeldungen) geltend gemacht wurden, die der Steuerberater späterhin nicht mehr in die Jahreserklärung(en) aufnahm (S 56). Dieser Antrag wurde vom Schöffensenat in einem zugleich mit dem Urteil verkündeten Beschluß mit dem Beisatz abgewiesen, "da für die Entscheidung unerheblich" (S 57).

Diese inhaltsleere Floskel läßt nicht erkennen, aus welchen sachbezogenen Erwägungen das Erstgericht die beantragte Beweisaufnahme in der vorliegenden Finanzstrafsache - in der, wie angemerkt sei, wegen der Abgabenart § 55 FinStrG nicht zum Tragen kommt - für entbehrlich hielt; damit fehlt es aber an einer entsprechenden Grundlage, um das Zwischenerkenntnis dahin überprüfen zu können, ob Verfahrensgrundsätze richtig oder unrichtig angewendet wurden (Mayerhofer/Rieder StPO3 E 6, 7, 9 zu § 238).

Da vorliegend auch im Urteil selbst eine Begründung für die Abweisung des Beweisantrages nicht nachgeholt wurde, kann überdies nicht gesagt werden, daß die Formverletzung unzweifelhaft erkennbar keinen der Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 281 Abs. 3 StPO). Dem Urteil ist insoweit vielmehr geradezu das Gegenteil zu entnehmen, denn es stützte seine Feststellungen "im wesentlichen" auf die von der Finanzbehörde "aufgrund der jeweiligen Jahreserklärungen für die Jahre 1983 bis 1987" erlassenen (Jahresumsatzsteuer-)Bescheide (US 6). Gerade die Unrichtigkeit dieser Jahressteuererklärungen sollte aber auch durch den beantragten Beweis dargetan werden.

Nur am Rande sei in diesem Zusammenhang auf einen - von der Beschwerdeführerin in ihrer Mängelrüge (Z 5) nicht aufgegriffenen, dem Urteil indes anhaftenden - Begründungsmangel verwiesen, der darin liegt, daß das Urteil an anderer Stelle (US 7) wieder zum Ausdruck bringt, daß die Jahressteuererklärungen mangels vollständiger Information des sie verfassenden Steuerberaters (zwangsläufig) unrichtig seien, womit das Schöffengericht selbst die - zuvor als solche

deklarierte - Basis seiner Urteilsfeststellungen erschüttert.

Bereits der aufgezeigte Verfahrensmangel nötigt den Obersten Gerichtshof, schon bei einer nichtöffentlichen Beratung den Schuldspruch zu kassieren und die Verfahrenserneuerung anzuordnen (§ 285 e StPO).

Darauf war die Angeklagte mit ihrer Berufung zu verweisen.

Anmerkung

E26410

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0150OS00077.91.0822.000

Dokumentnummer

JJT_19910822_OGH0002_0150OS00077_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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