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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §863;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30, gegen den (Teil-)Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 9. September 2004, Zl. MA 15-II-2-4690/2004, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: D GmbH, vormals:
C Speditionsgesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Helmut Engelbrecht und Mag. Werner Piplits, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Annagasse 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I. 1. Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse verpflichtete die mitbeteiligte Partei mit Bescheid vom 15. November 2001 als Dienstgeberin gemäß § 35 Abs. 1 ASVG, für die in der Anlage zu diesem Bescheid namentlich angeführten Dienstnehmer und Zeiträume Beiträge und Umlagen in Gesamthöhe von S 40.728,48 (EUR 2.959,85) zu entrichten.
Dieser Bescheid wurde - soweit für das Beschwerdeverfahren wesentlich - u.a. damit begründet, dass
"einige der in der Anlage angeführten Dienstnehmer ... eine Überstundenpauschale (erhalten), worüber es allerdings erst ab 1.1. 2001 schriftliche Vereinbarungen gibt. Die Überstundenpauschale orientiert sich am Verdienst für die Normalarbeitszeit, der Dienstgeber hat bei der Berechnung dieser Pauschale die mit jeweils 1.4. jeden Jahres - betroffen sind die Jahre 1998 bis 2000 - in Kraft getretene Kollektivvertragserhöhung nicht beachtet.
...
Aus dem Umstand, dass sich der Grundstundenlohn und daraus ableitend natürlich auch der Zuschlag nach dem Monatslohn orientiert, ergibt sich ohne jeden Zweifel, dass der jeweils in Betracht kommende, nach dem Kollektivvertrag gebührende oder wenn dieser (wohl zu ergänzen: höher) ist, der tatsächlich ausbezahlte Monatslohn gemeint ist."
2. Die mitbeteiligte Partei erhob Einspruch, in dessen Begründung sie zur Frage der Höhe der Überstundenpauschalen zunächst behauptete, diese seien nur mündlich vereinbart worden, wobei die Vereinbarung der Abgeltung von Überstunden in unterschiedlicher Weise getroffen worden sei. Mit zwei namentlich genannten Arbeitnehmern sei weder mündlich noch schriftlich eine Überstundenpauschale vereinbart worden, mit den Arbeitnehmern RK und NH eine Überstundenpauschale "mit einem festen Schillingbetrag", wobei jene für RK mit S 9.141,-- angegeben und dazu ergänzend bemerkt wird, dass dieser Dienstnehmer nie die ihm abgegoltene Anzahl von Überstunden geleistet habe. Mit Josef K, Johannes G und Karin S (in der Folge: JK, JG und KS) seien ebenfalls schriftlich Überstundenpauschalen vereinbart worden, womit Überstunden in einer "durchschnittlichen Höhe" abgegolten worden seien. Eine Garantie über eine bestimmte Anzahl von Überstunden sei dabei nicht gegeben worden, weshalb eine Valorisierung ebenfalls nicht durchzuführen sei. Mit CK, GB und AH seien Überstundenpauschalen mündlich vereinbart worden. Auch hier habe die mitbeteiligte Partei nicht garantiert, dass mit der Gewährung der Pauschale eine bestimmte Anzahl von Überstunden abgegolten werde. Auch hier sei daher keine Valorisierung durchzuführen. Für alle diese Arbeitnehmer gelte, dass ihnen mehr Überstunden abgegolten worden seien, als sie geleistet hätten.
3. Die dem Einspruch beigeschlossenen Urkunden enthalten dazu folgende Angaben:
3.1. Eine Jahreslohnabrechnung der Arbeitnehmerin CK, deren schriftlicher Dienstvertrag keine Vereinbarung über eine Überstundenpauschale enthält, weist für 1998 eine "UE-Pauschale 50% PFL" in der Höhe von S 39.446,34, für 1999 von S 41.345,16 und für 2000 (Jänner bis August) von S 29.848,03 aus. Aus einer "Überstundenaufstellung" ergibt sich unter "ausbez. ÜST" eine Anzahl von 20 monatlich im Zeitraum vom 1. Jänner 1998 bis 31. August 2000. 3.2. Der Dienstvertrag von KS vom 14. Dezember 1997 enthält u. a. folgende Bestimmung:
"4. Ihr Bruttogehalt beträgt monatlich Schilling ATS 24.696.- ... zuzüglich einer Überstundenpauschale von ATS 4.492.- zur Abgeltung von durchschnittlich 20 geleisteten Überstunden pro Monat. Das Pauschale kommt zwölf mal jährlich zur Auszahlung ..."
Die beigeschlossene Aufstellung der Überstunden von KS zeigt unter der Rubrik "ausbez. ÜST" für den Zeitraum von Jänner bis März 1998 die Anzahl von je 19,40 Überstunden monatlich, für April 1998 bis März 1999 je 19,11, für April 1999 bis August 1999 je 18,78 und ab September 1999 nur mehr 17,75 Überstunden monatlich.
3.3. Der Dienstvertrag von RK vom 29. März 1994 enthält in Punkt 3 folgende, auf keine ausdrücklich genannte Anzahl von Überstunden Bezug nehmende Formulierung:
"Ihr Bruttogehalt beträgt monatlich Schilling 19.500.- ... zuzüglich einer Überstundenpauschale von Schilling 9.141.- inkl. Zuschlag zur Abgeltung der geleisteten Überstunden. Das Pauschale kommt zwölf mal jährlich zur Auszahlung ...."
Beigeschlossene "Überstundenaufstellungen" für diesen Arbeitnehmer weisen im Jahr 1998 von Jänner bis März unter "ausbez. Üst" die Anzahl 45,92, von April 1998 bis März 1999 40,18, von April 1999 bis März 2000 39,55 und von April 2000 bis Dezember 2000 nur mehr 38,90 aus.
4. In schriftlichen Äußerungen beharrten die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse und die mitbeteiligte Partei jeweils auf ihren Rechtsstandpunkten: Die mitbeteiligte Partei betrachtete die Überstundenpauschalierungen weiterhin als "feste Entgeltbeträge", die nicht zu valorisieren seien.
5. In der von der Einspruchsbehörde abgehaltenen mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2002 legte die mitbeteiligte Partei Dienstverträge für JK und NH vor.
5.1. Jener von JK vom 24. September 1998 entsprach dem der CK, allerdings mit einer Überstundenpauschale von S 9.876,--, welche in diesem Vertrag ausdrücklich auf 40 Überstunden monatlich bezogen wurde (nach der vorgelegten "Überstundenaufstellung" entsprach dieser Betrag ab April 1999 nur mehr einer Anzahl von 39,46, ab April 2000 nur mehr einer solchen von 38,91 Überstunden).
Dies gilt auch für den Vertrag mit JG vom 29. Jänner 1998, in dessen Punkt 4 ein Bruttogehalt von monatlich S 22.000,-- und eine Überstundenpauschale von S 9,281,26 zur Abgeltung von durchschnittlich 40 Überstunden monatlich vereinbart wurden.
5.2. Der Vertrag mit NH vom 8. Mai 1998 enthielt eine Formulierung wie jener von RK, wonach eine Überstundenpauschale von S 3.000,-- (dies entsprach der Überstundenaufstellung zufolge im Jahre 1998 einem Ausmaß von monatlich 17,78 Überstunden) vereinbart wurde.
5.3. Mit Schriftsatz vom 11. Juni 2002 legte die mitbeteiligte Partei eine schriftliche Erklärung des GB vor, wonach dieser in den Jahren 1998, 1999 und 2000 eine Überstundenpauschale von S 12.839,26 erhalten habe, die ihm mündlich zugesichert worden sei.
6. In einer weiteren Stellungnahme vom 27. März 2003 räumte die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse ein, dass die Abrechnung der Überstundenpauschale für CK auch im Sinne ihrer Rechtsauffassung korrekt erfolgt sei, woraus sich eine entsprechende Reduzierung der Beitragsvorschreibung ergebe. Dazu führte die mitbeteiligte Partei in einer weiteren Stellungnahme (vom 2. Juli 2003) aus, dass bei dieser Arbeitnehmerin eine "im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern abweichende Vereinbarung betreffend Überstunden" bestanden habe. Dieser Arbeitnehmerin sei tatsächlich eine mündliche Zusage über eine Überstundenpauschale "in Höhe von 20 Überstunden" gegeben worden. Bei anderen Arbeitnehmern sei hingegen ein bestimmter Betrag vereinbart worden, sodass bei diesen eine Valorisierung nicht durchzuführen sei.
Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse legt der Einspruchsbehörde ferner zwei Niederschriften mit aus den Diensten der mitbeteiligten Partei ausgeschiedenen Arbeitnehmern (für welche sie in ihrem Bescheid Beitragsnachverrechnungen durchgeführt hatte) vor.
6.1. Die ehemalige Dienstnehmerin NH (nunmehr NG) gab an, es sei mit ihr eine monatliche Überstundenpauschale für 21 Überstunden vereinbart worden, die aber zur Abdeckung ihrer tatsächlich geleisteten Überstunden bei Weitem nicht ausgereicht habe. Sie sei im Durchschnitt "90 Stunden über der Pauschale" gelegen.
6.2. Der ehemalige Arbeitnehmer der mitbeteiligten Partei AH (auch für ihn war im erstinstanzlichen Bescheid eine Nachverrechnung durchgeführt worden) gab an, dass seine Überstunden bis zu Beginn des Jahres 1998 nach Maßgabe einer Einzelabrechnung auf Grund einer Zeiterfassung mittels Stechuhr bezahlt worden seien, dass auf Wunsch der mitbeteiligten Partei aber ab 1998 mündlich eine Überstundenpauschale für 30 Überstunden monatlich vereinbart worden sei (die Höhe wurde für Zeiträume bis März 1999 mit "ÖS 5.343,75 und ÖS 750,-- und ÖS 375,--", für die Zeit danach mit "ÖS 5.324,33 und ÖS 762,95 und ÖS 381,48" angegeben). Er habe im Durchschnitt aber immer mehr als 30, insgesamt bis zu seinem Ausscheiden 150 Überstunden mehr als die pauschaliert abgegoltenen 30 Überstunden geleistet. Die mitbeteiligte Partei sei jedoch bereit, "mir auf dem Kulanzweg 40 Überstunden als Prämie ... auszubezahlen".
6.3. Mit Schriftsatz vom 27. Mai 2004 legte die mitbeteiligte Partei der belangten Behörde schließlich Aufstellungen und Lohnkonten betreffend die Arbeitnehmer GB und AH, betreffend AH auch eine "Eidesstattliche Erklärung" vor, worin dieser Arbeitnehmer im Jahre 1998 und 1999 eine Überstundenpauschale von "öS 6.468,75" erhalten habe, die ihm mündlich zugesichert worden sei.
7. Mit einem Teilbescheid vom 30. Dezember 2003 hat die belangte Behörde dem Einspruch der mitbeteiligten Partei teilweise Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid zum Teil behoben.
Mit einem weiteren Teilbescheid vom 9. September 2004 gab die belangte Behörde dem Einspruch der mitbeteiligten Partei auch im Übrigen Folge und stellte fest, dass diese nicht verpflichtet sei, für die in der Anlage genannten Dienstnehmer Beiträge und Umlagen in der Höhe von EUR 2,782,81 zu entrichten (soweit von der Abänderung die Nachverrechnungen für die Überstundepauschalen betroffen waren, wurden darin die Dienstnehmer CK, GB, RK, AH, KS, NH bzw. NG, JG und JK genannt). Nach einer ausführlichen Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens heißt es in der Begründung dieses Bescheides, dass "auf die (gemeint: nach Abhandlung aller übrigen) noch verbleibenden Dienstverhältnisse" der Kollektivvertrag für die Speditionsangestellten Österreichs zur Anwendung komme, der in § 7 Z. 3 vorsehe, dass durch Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Überstundenpauschale festgelegt werden könne, welche im Durchschnitt der Geltungsdauer den Dienstnehmer nicht ungünstiger stellen dürfe als die Überstundenentlohnung. Eine solche Pauschale sei mit allen in der Anlage genannten Arbeitnehmern vereinbart worden, wobei eine Garantie, dass mit der vereinbarten Überstundenpauschale eine bestimmte Anzahl von Überstunden abgegolten werden solle, nicht gegeben worden sei. Nach Wiedergabe von Rechtsprechung des OGH zum Wesen einer Überstundenpauschale, insbesondere zum Anspruch unabhängig von der tatsächlichen Leistung von Überstunden und zum Anspruch auf gesonderte Entlohnung des "Überstundenüberhanges" (Hinweis auf 9 ObA 98/95), vertritt die belangte Behörde die Auffassung, dass eine kollektivvertragliche Lohnerhöhung ebenso wie die Erhöhung der
"ersten fünf Überstunden samt Zuschlägen und der Abzug von der verbleibenden und nicht erhöhten Überstundenpauschale aus steuerlichen Gründen, solange unbeachtlich (ist), als der Dienstnehmer durch die mit ihm zulässig vereinbarte Überstundenpauschale insgesamt nicht geringer entlohnt wird, als dies bei Einzelverrechnung seiner tatsächlich geleisteten Überstunden der Fall wäre".
Nach den vorliegenden Aufzeichnungen hätten die Arbeitnehmer GB, RK, AH, CS, NH und JK im Jahresdurchschnitt weniger Überstunden geleistet, als durch die vereinbarte und tatsächlich ausbezahlte Überstundenpauschale abgegolten wurde. Eine gegenüber der Einzelverrechnung eintretende Benachteiligung sei von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse nicht behauptet worden und ergebe sich auch nicht aus den Unterlagen. Die Aussagen der Dienstnehmer NH und AH vermöchten die Glaubwürdigkeit der Angaben der mitbeteiligten Partei nicht zu erschüttern und auch keine Zweifel an der Richtigkeit der vorgelegten Unterlagen zu erwecken. Die Nachverrechnung sei daher nicht zu Recht erfolgt.
8. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei, welche dem Verwaltungsgerichtshof gleichzeitig eine Änderung des Firmenwortlautes anzeigte - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.
2. In diesem Verfahren ist zwischen der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse und der belangten Behörde (bzw. der die Rechtsauffassung der belangten Behörde teilenden mitbeteiligten Partei) ausschließlich strittig, ob eine Überstundenpauschale nach Maßgabe von Zeitpunkt und Ausmaß kollektivvertraglicher Erhöhungen im selben Prozentsatz wie der kollektivvertragliche Stundenlohn zu erhöhen ist, auch wenn dies zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht ausdrücklich vereinbart wurde.
Während die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse diese Frage bejaht und für die Differenz zwischen den jeweils tatsächlich bezahlten und den ihrer Meinung nach gebührenden Überstundenpauschalen Sozialversicherungsbeiträge nachverrechnet hat, verneinte die belangte Behörde diese Rechtsfrage. Die belangte Behörde begnügt sich dazu mit der (von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse in ihrer Beschwerde nicht gerügten) Feststellung, dass die in Rede stehenden Arbeitnehmer keine Überstunden geleistet hätten, die über die durch die Überstundenpauschale gedeckte Anzahl der Überstunden hinausgegangen wären, und daher eine Schlechterstellung dieser Arbeitnehmer gegenüber der Einzelverrechnung nicht erfolgt sei.
Eine solche Schlechterstellung käme auch gar nicht in Betracht, denn nach der Rechtsprechung gebührt eine vereinbarte Überstundenpauschale auch dann, wenn die pauschalierte Anzahl von Überstunden im "Deckungsprüfungszeitraum" (in der Regel ein Kalenderjahr) nicht geleistet wurde, d.h. die Anzahl der Überstunden, zu deren Erbringung der Arbeitnehmer bereit gewesen ist (und zu deren Erbringung er sich im Rahmen des gesetzlich Zulässigen durch die Vereinbarung der Pauschale auch verpflichtet hat), vom Arbeitgeber nicht abgerufen wurde (vgl. OGH 1. Juli 1987, 9 ObA 36/87). Der Anspruch auf die Überstundenpauschale besteht grundsätzlich unabhängig von der Entwicklung des Überstundenanfalls auch für die Zukunft, soweit sich der Arbeitgeber einen Widerruf der Pauschale nicht vorbehalten hat (vgl. OGH 6. Juni 1995, 9 ObA 98/95). Überschreitet hingegen die Anzahl der geleisteten Überstunden im "Deckungsprüfungszeitraum" die Zahl der pauschalierten, dann ist die Differenz im Rahmen normaler Überstundenentlohnung zusätzlich zu entgelten. Insoweit kann ein Arbeitnehmer durch eine Überstundenpauschalierung immer nur besser gestellt sein, nie aber schlechter, als er bei Einzelverrechnung von Überstunden gestellt wäre.
Die belangte Behörde hat aber verkannt, dass die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse ihren Bescheid nicht darauf gestützt hatte, dass eine gegenüber gesetzlichen und/oder kollektivvertraglichen Ansprüchen verschlechternde (und daher insoweit teilnichtige) Einzelvereinbarung vorgelegen sei; die Gebietskrankenkasse ist vielmehr der Auffassung, dass eine Überstundenpauschale dessen ungeachtet jedenfalls nach Maßgabe der Erhöhung des jeweiligen Grundstundenlohns im Kollektivvertrag gleichsam "wertsichernd" ebenfalls zu erhöhen sei. Zu dieser Frage hat die belangte Behörde aber besondere Erwägungen nicht angestellt.
Die Gebietskrankenkasse leitet ihre Auffassung der Sache nach vom "Wesen einer Überstundenpauschale" ab, welches darin bestehen soll, dass eine solche Pauschale immer für eine bestimmte Anzahl von Überstunden zugesagt wird, weshalb sie auch in weiterer Folge dieselbe Anzahl von Überstunden abzudecken hätte, was aber notwendigerweise eine entsprechende Valorisierung erforderte, wobei sich die Gebietskrankenkasse im Wesentlichen gegen die Vorgangsweise wendet, die ersten fünf (hinsichtlich der Zuschläge lohnsteuerbegünstigten) Überstunden anzupassen und damit gleichsam den "Rest" der Pauschale zu kürzen.
Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides hängt somit davon ab, ob diese Auffassung vom regelmäßig zu unterstellenden Inhalt einer Vereinbarung über eine Überstundenpauschale ganz oder zumindest teilweise zutrifft, wobei vorab darauf hingewiesen sei, dass diese Frage bei Fehlen einer gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Regelung notwendigerweise nur aus der Auslegung der jeweiligen Einzelvereinbarung beantwortet werden kann.
Spezielle Rechtsprechung des OGH zu der hier zu beantwortenden Frage fehlt. Nach der vorliegenden Rechtsprechung des OGH bedarf eine Überstundenpauschale insofern einer ausdrücklichen oder schlüssigen Vereinbarung, als dem Arbeitnehmer bei Vertragsabschluss erkennbar sein muss, dass mit dem gewährten Entgelt auch die Überstundenvergütung (Normallohn und Zuschlag) abgegolten sein soll. Die Vereinbarung einer überkollektivertraglichen Entlohnung berechtigt den Arbeitgeber zwar nicht dazu, den überkollektivvertraglichen Teil des Arbeitsentgelts gegen den Anspruch auf Überstundenentlohnung aufzurechnen (OGH 29. August 1990, 9 ObA 218/90 mwH; 29. Jänner 1992, 9 ObA 251/91; vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. April 2004, Zl. 2001/08/0048), woraus sich aber auch nicht ein Verbot einer solchen Vereinbarung ableiten lässt: Es muss nur ausdrücklich oder konkludent (§ 863 ABGB) vereinbart werden, dass mit der überkollektivvertraglichen Zahlung auch eine entsprechende Überstundenpauschalierung verbunden ist (vgl. das Erkenntnis vom 4. August 2004, Zl. 2001/08/0145, Pkt. 1.2.1. mwH).
Nach der Rechtsprechung des OGH wird es als Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Überstundenpauschalierung angesehen, dass sowohl die Anzahl der durchschnittlich zu leistenden Normal- als auch der Überstunden "von vornherein bestimmt wird und die Gesamtentlohnung die Überstundenentlohnung berücksichtigt" (OGH 1. Juli 1987, 9 ObA 36/87), es steht aber der Vereinbarung eines Entgeltteils als Überstundenpauschale nicht entgegen, wenn damit auch qualitative Mehrleistungen abgegolten werden sollen, wobei dann kollektivvertragliche Entgelterhöhungen während des Beobachtungszeitraums für die so genannte "Deckungsprüfung" (dies ist die Prüfung, ob die durchschnittliche Zahl der Überstunden höher war, als die mit der Pauschale abgegoltenen)
"nur dazu führen, dass der Berechnung des Überstundenüberhanges der im Beobachtungszeitraum erzielte Durchschnittsverdienst zu Grunde zu legen ist",
auf welche Entscheidung sich die belangte Behörde stützt (OGH 6. Juni 1995, 9 ObA 98/95).
Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für eine konkrete Anzahl von Überstunden eine Überstundenpauschale anbietet und in der Folge vereinbart, dann durfte der Arbeitnehmer jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber insoweit keinen ausdrücklichen Vorbehalt gemacht hat, dieses Angebot so verstehen, dass er einerseits - freilich in den Grenzen des zwingenden Gesetzesrechts, insbesondere des Arbeitszeitgesetzes - verpflichtet werden soll, erforderlichenfalls eine bestimmte Anzahl von Überstunden zu leisten, während ihm andererseits der Arbeitgeber gleichzeitig als Gegenleistung im Gegenwert des Überstundenentgelts für diese Anzahl von Überstunden eine Überstundenpauschale zusagt.
Eine Überstundenpauschale kann aber - wie vorhin erwähnt - nicht nur durch Pauschalierung der Stunden (wie im zuerst genannten Fall), sondern auch auf andere Weise vereinbart werden, nämlich z.B. dadurch, dass eine überkollektivvertragliche Entlohnung oder eine sonstige, etwa für Mehrleistungen vereinbarte, Zulage ausdrücklich auch als Überstundenpauschale gewidmet wird. Gesetzliche Bestimmungen stehen einer solchen Vereinbarung nicht im Wege, die, soweit sie eine von der tatsächlichen Leistung von Überstunden unabhängige Entgeltzusage enthält, definitionsgemäß ein überkollektivvertragliches Entlohnungselement darstellt. In einem solchen Fall erhält die Überstundenpauschale den Charakter einer Zulage, die als eine Art "Mehrleistungsvergütung" auf Überstundenentgelte angerechnet werden soll. Eine im Voraus eingegangene Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Leistung einer bestimmten Anzahl von Überstunden wird darin im Zweifel nicht zu erblicken sein.
Die beiden genannten Spielarten der Überstundenpauschale unterscheiden sich also im Kern darin, dass im ersten Fall der "echten" Überstundenpauschale der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer (mit oder ohne Vorbehalt des Widerrufs) verspricht, dass dieser durch die Verrichtung einer garantierten Anzahl von Überstunden, zu deren Erbringung sich der Arbeitnehmer bereit erklärt, entsprechend mehr Entgelt erhalten wird, während im zweiten Fall der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die zusätzliche Zahlung einer vom Monatsentgelt unterscheidbaren, ausdrücklich genannten Geldsumme verspricht, jedoch mit der Vereinbarung, dass diese Zusatzzahlung auf das Überstundenentgelt angerechnet wird.
Wurde die Überstundenpauschale wie im erstgenannten Fall ausdrücklich für eine ganz bestimmte Anzahl von zu leistenden Überstunden vereinbart, d.h. von deren Leistung abgeleitet, dann folgt daraus, dass dem Arbeitnehmer ein Recht darauf eingeräumt wurde, dass auch nach einer späteren Erhöhung der für die Bemessung der Überstundenentlohnung maßgebenden Stundenentgelte mit der Überstundenpauschale jeweils die vereinbarte Anzahl von Überstunden abgedeckt ist, was zur Folge hat, dass die Pauschalzahlung nach Maßgabe der Erhöhung der zur Berechnung der Überstunden heranzuziehenden Stundenlöhne entsprechend anzupassen ist, da nur so gewährleistet werden kann, dass die vereinbarte Anzahl von Überstunden auch weiterhin von der Pauschale abgedeckt wird.
Im zweitgenannten Fall kann der Arbeitnehmer schon mangels einer im Vorhinein eingegangenen Verpflichtung zur Leistung einer bestimmten Anzahl von Überstunden und einer darauf gerichteten Garantiezusage des Arbeitgebers einen Anspruch auf Anpassung dieser Pauschale nach Maßgabe der Änderung der Bemessungsgrundlage für Überstunden auch dann nicht geltend machen, wenn der Arbeitgeber keinen ausdrücklichen Vorbehalt gemacht hat. Die Pauschale wird in einem solchen Fall zwar von den tatsächlich gebührenden Überstundenentgelten gleichsam "aufgesaugt", wobei mit steigendem kollektivertraglichen Stundenlohn mangels Valorisierung immer weniger Überstunden durch die Pauschale abgedeckt werden; dies hat mit der vorhin genannten Pauschale nur gemeinsam, dass der Anspruch auf Grund der Entgeltzusage des Arbeitgebers unabhängig davon besteht, ob überhaupt Überstunden geleistet werden. Die letztgenannte Vereinbarung ist im Übrigen aber eine "unechte Überstundenpauschalierung"; sie stellt der Sache nach eine schlichte überkollektivertragliche Entlohnung dar, auf die jedenfalls kollektivvertragliche Ist-Lohnerhöhungen (bzw. Anordnungen in Kollektivverträgen, welche bloß die Aufrechterhaltung einer "Überzahlung" anordnen) anzuwenden sind (zur grundsätzlich zwingenden Wirkung von Ist-Lohnklauseln vgl. die Erkenntnisse vom 28. April 1992, Zl. 87/08/0121, und vom 29. Juni 2005, Zl. 2001/08/0129). Damit unterscheidet sich eine solche Abrede nicht von anderen überkollektivvertraglichen Zahlungen, deren Valorisierung immer nur dann vorzunehmen ist, wenn dies der Kollektivvertrag ausdrücklich anordnet ("Ist-Lohnklausel") oder wenn dies zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages vereinbart wurde. Auf eine Ist-Lohnklausel des Kollektivvertrages hat sich die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse im bisherigen Verfahren allerdings nicht gestützt; es ist nach der Aktenlage auch kein Hinweis darauf hervorgekommen, dass eine solche Klausel für den hier maßgebenden Zeitraum von Bedeutung wäre.
Wann eine Vereinbarung im ersten und wann eine Vereinbarung im letzteren Sinne vorliegt, ist dann nicht leicht zu entscheiden, wenn eine Pauschalierungsvereinbarung ohne ausdrückliche Bezugnahme auf eine bestimmte Anzahl von Überstunden abgeschlossen wurde. Eine bestimmte Anzahl von Überstunden wurde einer Überstundenpauschale - in Ermangelung eines gegenteiligen Vorbehalts - im Zweifel auch dann (konkludent) zu Grunde gelegt, wenn aus der Höhe der Pauschale hervorgeht, dass sie anhand einer konkreten Anzahl von (in der Regel ganzen) Überstunden berechnet wurde, und wenn mit dem Arbeitnehmer bei Abschluss der Vereinbarung die Leistung einer bestimmten Anzahl von Überstunden verabredet wurde oder wenn die Vereinbarung als Folge davon getroffen wurde, dass eine bestimmte Anzahl von Überstunden regelmäßig geleistet worden ist, die zur Vereinfachung der Lohnbuchhaltung nunmehr pauschaliert abgegolten werden soll. Auch in diesen Fällen mussten die Vertragsparteien davon ausgehen (bzw. durfte der Arbeitnehmer die Willenserklärung des Arbeitgebers dahin verstehen), dass die konkrete, der Berechnung der Pauschale zu Grunde gelegte Zahl der Überstunden als Arbeitsverpflichtung gilt und diese Arbeitsverpflichtung - unabhängig davon, ob sie auch künftig in Anspruch genommen wird oder nicht - pauschaliert abgegolten werden sollte.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich die Beschwerde im Ergebnis als begründet:
Die belangte Behörde hat nämlich ohne Ermittlung des den jeweiligen Vereinbarungen über die Überstundenpauschale zu Grunde liegenden (zum Teil aus der Vereinbarung selbst sich ergebenden) Parteiwillens den Anspruch der Arbeitnehmer auf Erhöhung der Überstundenpauschale nach Maßgabe der Erhöhung des der Überstundenberechnung zugrundezulegenden Stundenlohns verneint. Dies ist - wie aus der Darstellung des Verwaltungsgeschehens hervorgeht - jedenfalls für die Überstundenpauschale jener Dienstnehmer unrichtig, bei denen in den aktenkundigen Arbeitsverträgen ausdrücklich auf eine abzugeltende Anzahl von Überstunden Bezug genommen wurde (wie z.B. bei JK, JG und KS).
Nicht ohne ergänzende Sachverhaltsfeststellungen zu teilen ist die Auffassung der belangten Behörde aber auch in jenen Fällen, in denen die konkrete ziffernmäßige Höhe der vereinbarten Pauschale auf eine Berechnung hinweist, die von einer bestimmten Anzahl von zu leistenden Überstunden ihren Ausgang genommen haben muss. Ob und bei wem dies der Fall ist, wird die belangte Behörde anhand der oben dargelegten Kriterien ergänzend festzustellen haben.
Die belangte Behörde hat somit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, jedoch begrenzt durch das ausdrücklich geltend gemachte, der Höhe nach unter den Pauschalsätzen dieser im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung bereits in Geltung gestandenen Verordnung bleibende Kostenersatzbegehren der beschwerdeführenden Partei.
Wien, am 21. Dezember 2005
Schlagworte
Entgelt Begriff Überstunden KollektivvertragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004080228.X00Im RIS seit
19.02.2006Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008