TE OGH 1991/8/28 9ObA115/91

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Veröffentlicht am 28.08.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Dorner und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei P***** D*****, Radarkontrollor, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei REPUBLIK ÖSTERREICH, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 7.916,10 S brutto sA und Feststellung (Streitwert 50.000,- S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. Februar 1991, GZ 31 Ra 135/90-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 28. Mai 1990, GZ 24 Cga 819/90-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.077,- S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 679,50 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit dem Jahre 1974 Angestellter des Bundesamtes für Zivilluftfahrt. Auf das Dienstverhältnis kommt der Kollektivvertrag für die beim Bundesamt für Zivilluftfahrt beschäftigten Bediensteten zur Anwendung, dessen zweiter Teil einen "Altersversorgungszuschuß" behandelt.

Art. XVI KV hat seit 23. Juni 1989 folgenden Wortlaut:

"(1) Der Bedienstete hat vom Tage des Dienstantrittes, frühestens jedoch vom Tag der Vollendung des 18. Lebensjahres an, neben seinem Beitrag zur gesetzlichen Pensionsversicherung einen zusätzlichen Beitrag sowie einen Beitrag von jeder Sonderzahlung und von jenem Teil des monatlichen Bruttogehaltes zu entrichten, der über der jeweils geltenden Höchstbeitragsgrundlage in der Pensionsversicherung nach dem ASVG liegt.

(2) Der zusätzliche Beitrag hat ab dem 1. 1. 1986 eine Höhe von 3,26 %, ab dem 1. 1. 1987 eine Höhe von 3,45 % der Beitragsgrundlage gemäß Abs 1.

(3) Erhöht sich das Ausmaß des Pensionsbeitrages der Bundesbeamten nach dem 1. 1. 1987, so ändert sich die Höhe des zusätzlichen Beitrages im selben Verhältnis mit derselben Wirksamkeit.

(4) Die Beiträge sind im Abzugsweg einzubehalten. Der Abzug erstreckt sich nicht auf Zeiten, die vor dem 1. 1. 1986 liegen.

(5) Für Zeiten, in denen der Bedienstete wegen 1. Karenzurlaubes nach dem Mutterschutzgesetz (§ 15) oder 2. Präsenz- und Zivildienst keinen Anspruch auf Gehalt hat, ist kein Beitrag zu entrichten.

(6) Eine Minderung der Höhe des Gehaltes aufgrund von krankheitsbedingter Dienstverhinderung wirkt sich auf die Höhe der Beitragsleistung nicht aus.

(7) Rechtmäßig entrichtete Beiträge sind nicht zurückzuzahlen."

Art. XVII lautet:

"Der Teil 2 des Kollektivvertrages wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und kann von jedem der Vertragspartner unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zum letzten eines Kalendermonats mit eingeschriebenem Brief gekündigt werden."

Art XIX Abs 2 lautet:

"Anspruch auf Altersversorgungszuschuß besteht nur, wenn der Bedienstete unmittelbar nach Beendigung des Dienstverhältnisses zum Bundesamt für Zivilluftfahrt die ASVG-Pension gemäß Abs 1 in Anspruch nimmt."

Die Einhebung der Zusatzbeträge erfolgt, beginnend mit 1. Dezember 1989, monatlich; die seit 1. Jänner 1986 aushaftenden Beträge werden in 36 Monatsraten einbehalten. Insgesamt wurde vom Gehalt des Klägers bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz ein Betrag von 7.916,10 S an Pensionsbeiträgen einbehalten.

Der Kläger begehrt die Zahlung von 7.916,10 S sA sowie die Feststellung, die beklagte Partei sei nicht berechtigt, aus dem Titel eines Altersversorgungszuschusses gemäß Art XVI KV Abzüge vorzunehmen. Die Kollektivvertragsparteien könnten zwar auch Rechtsnormen über Ruhestandverhältnisse schaffen, sie dürften aber nicht über den Kopf des Klägers hinweg und ohne seine Zustimmung eine Vereinbarung treffen, die seinen Nettolohn mindere. Darüber hinaus dürften die Kollektivvertragsparteien nichts Sittenwidriges vereinbaren. Es verstoße aber gegen die guten Sitten, daß der Arbeitgeber die Möglichkeit habe, den Kollektivvertrag aufzulösen und die gezahlten Beträge für sich zu behalten. Weiters sei es bedenklich, daß der Pensionszuschuß davon abhängig gemacht werde, daß der Pensionswerber unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der beklagten Partei eine Pension nach dem ASVG in Anspruch nehme.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Wie im Falle einer Pension nach dem ASVG sei auch der Anspruch auf Altersversorgungszuschuß vom Eintritt des Versicherungsfalles abhängig und seien die Beiträge nicht zurückzuerstatten, wenn der Versicherungsfall nicht eintrete. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rückerstattung der Versorgungsbeiträge, zumal sein Dienstverhältnis noch aufrecht sei und nicht feststehe, ob der Versicherungsfall noch eintreten werde.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Kollektivvertragsparteien mit der gegenständlichen Regelung ein dem ASVG angenähertes zusätzliches Sozialversicherungssystem geschaffen hätten, um die Bediensteten des Bundesamtes für Zivilluftfahrt in den Versicherungsfällen des Alters und der Berufungsfähigkeit den Beamten gleichzustellen; damit hätten sie aber ihre in § 2 Abs 2 ArbVG normierte Regelungskompetenz überschritten.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und vertrat die Rechtsauffassung, aus § 2 BPG ergebe sich, daß die Kollektivvertragsparteien auch die Altersversorgung regeln dürfen. Die vorliegende Leistungszusage schränke aber die Gegenleistungen sittenwidrig ein, da die vom Arbeitnehmer entrichteten Beiträge nicht zurückzuzahlen seien und die Anwartschaft bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Inanspruchnahme der ASVG-Pension verfalle. Da der Leistungsverpflichtung des Klägers nur eine eingeschränkte Gegenleistung gegenüberstehe, sei er berechtigt, die Nichtigkeit des Vertragsteiles, der ihn zur Leistung verpflichte, geltend zu machen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der zulässige Inhalt eines Kollektivvertrages ist in § 2 Abs 2 ArbVG geregelt. Für den vorliegenden Fall bedeutsam sind die in Z 2 und 3 dieser Bestimmung genannten Befugnisse. Gemäß § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG können durch Kollektivvertrag die gegenseitigen, aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer geregelt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ 54/147 = ZAS 1983, 101, (zustimmend Geppert) = DRdA 1983, 178 (kritisch Wachter); RdW 1986, 52; WBl 1987, 195; zuletzt 9 Ob A 215, 216/89) und herrschender Lehre (Strasser in Floretta-Strasser Kommentar ArbVG, 27; derselbe in Floretta-Spielbüchler-Strasser Arbeitsrecht II3, 100; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4, 85; Tomandl, Arbeitsrecht 12, 102 f; Kuderna, Schlichtungsstellen für Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis, DRdA 1978, 3 ff (7 f); Jabornegg, Absolut zwingendes Arbeitsverfassungsrecht, Strasser FS, 367 ff (373); derselbe, Grenzen kollektivvertraglicher Rechtsetzung und richterliche Kontrolle, JBl 1990, 205 ff (206 und 208); siehe auch Firlei, Mitbestimmung durch Inhaltsnormen? Floretta FS 469 ff (475 ff); vgl auch Pernthaler, Die arbeitsrechtlichen Rechtsetzungsbefugnisse im Licht des Verfassungsrechtes, Strasser FS, 3 ff (15)) sind im Hinblick darauf, daß sich die Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien nicht auf die Privatautonomie, sondern auf die durch den § 2 Abs 2 ArbVG beschränkte gesetzliche Ermächtigung gründet, diese Befugnisse einschränkend dahin auszulegen, daß nur der typische, wesentliche oder regelmäßig wiederkehrende Inhalt eines Arbeitsverhältnisses einer kollektivvertraglichen Regelung unterworfen werden kann.

Mit der Ausdehnung der Regelungsbefugnis auf die Änderung der kollektivvertraglichen Rechtsansprüche (gemäß Z 2) der aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmer im § 2 Abs 2 Z 3 ArbVG wurde nun klargestellt, daß auch Ruhegeldregelungen zulässiger Inhalt eines Kollektivvertrages sein können (siehe Grillberger, Drittbegünstigte bei Pensionsvereinbarungen, DRdA 1977, 12 f (12); Eichinger, Rechtsgrundlagen und Ausgestaltungsmöglichkeiten der betrieblichen Altersversorgung, in Runggaldier-Steindl, Handbuch zur betrieblichen Altersversorgung, 85 ff (104 f); Runggaldier, Möglichkeiten und Grenzen der Verschlechterung betrieblicher Ruhegeldordnungen, in Handbuch 157 ff (163); Cerny,

Arbeitsverfassungsgesetz, § 2 Anm 9; siehe auch SZ 53/122 =

Arb 9900 = ZAS 1981, 138 (Fischer)). Ruhegeldregelungen sind

zufolge ihres unbestrittenen Entgeltcharakters (siehe Eichinger aaO) als aus dem Arbeitsverhältnis entspringende Ansprüche im Sinne des § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG zu beurteilen. Eine Arbeitgeberleistung mit Entgeltcharakter (siehe dazu auch Petrovic, ZAS 1987, 19 mwH) ist das betriebliche Ruhegeld aber nur insoweit, als es nicht durch Beiträge des Arbeitnehmers finanziert wird. Nur im Umfang der Finanzierung durch den Arbeitgeber können die Ruhegeldregelungen daher dem aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Entgeltanspruch zugerechnet werden. Hingegen kann die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Leistung von Beiträgen für seine Altersversorgung nicht aus dem Arbeitsverhältnis abgeleitet werden und bildet auch nicht den typischen Inhalt eines Arbeitsvertrages. Firlei aaO, 476 ist darin beizupflichten, daß zum typischen Inhalt des Arbeitsverhältnisses jedenfalls nicht Regelungen über die Verwendung des dem Arbeitnehmer zu zahlenden Entgelts gehören. Dem hat auch der Gesetzgeber mit der Regelung des § 3 Abs 4 BPG Rechnung getragen, wonach der Arbeitnehmer nicht im Wege der Rechtsgestaltung durch Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung, sondern nur durch individuelle Vereinbarung zur Leistung von Beiträgen verpflichtet werden kann (siehe AB 1318 BlgNR 17.GP, 3; Brauner, Das Betriebspensionsgesetz, IndS 1990/3, 1 ff (4); Tomandl, Ungereimtheiten und Unzulänglichkeiten im neuen Betriebspensionsrecht, ZAS 1991, 80 ff (87)).

Da die Kollektivvertragsparteien mit der Verpflichtung der Arbeitnehmer zur Leistung von Beiträgen zur Altersversorgung die ihnen mit § 2 Abs 2 ArbVG übertragene Rechtssetzungskompetenz überschritten haben, kommt dieser Regelung nicht die Normwirkung nach § 11 Abs 1 ArbVG zu, so daß sie für den Kläger nicht verbindlich ist.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E26650

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:009OBA00115.91.0828.000

Dokumentnummer

JJT_19910828_OGH0002_009OBA00115_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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