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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des J in K, vertreten durch Mag. Dr. Hans Herwig Toriser, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, St. Veiter-Straße 1/2, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Kärnten vom 17. Jänner 2003, Zl. LGS/Abt. 4/1218/2003, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer bezieht seit 27. April 2002 mit Unterbrechungen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Für den Zeitraum vom 31. Mai 2002 bis 11. Juli 2002 hat die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice bereits rechtskräftig den Verlust seines Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG ausgesprochen, weil er das Zustandekommen einer ihm zugewiesenen Beschäftigung vereitelt hatte.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer seinen Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 AlVG für die Zeit vom 24. Oktober 2002 bis 18. Dezember 2002 verloren habe.
Am 16. Oktober 2002 sei dem Beschwerdeführer von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Beschäftigung als Abwäscher beim Dienstgeber C. Cafe mit möglichem Arbeitsantritt am 24. Oktober 2002 zugewiesen worden. Diese Beschäftigung habe den Zumutbarkeitskriterien des § 9 AlVG entsprochen und sei auf Dauer gedacht gewesen. Der Beschwerdeführer habe sich am 23. Oktober 2002 persönlich beim potenziellen Dienstgeber vorgestellt und bekannt gegeben, er könne erst ab 28. November 2002 zu arbeiten beginnen und stehe lediglich für vier Wochen zur Verfügung, weil er danach "auf Saison" (als Schiliftwart beim Hotel A.) gehe.
Auf Grund dieses Verhaltens sei das Dienstverhältnis nicht zustande gekommen. Am 24. Oktober 2002 habe der Beschwerdeführer keine gegen die Aufnahme der Beschäftigung sprechenden Gründe nennen können und zu den ihm vorgehaltenen Angaben des Dienstgebers erklärt, er könne dazu nichts sagen. Er habe in der Woche vom 28. Oktober bis 1. November 2002 eine Zu- bzw. Absage des Hotels A. erwartet. Er würde "dann bis zur Einstellungszusage des Hotel A. (Beginn lt. schriftlicher Bestätigung mit Mitte Dezember) das Dienstverhältnis aufnehmen". Dabei habe er eine schriftliche Einstellungszusage des Hotel A. (nach Ausweis des Verwaltungsaktes vom 11. Oktober 2002) vorgelegt, aus der ersichtlich sei, dass er "Mitte Dezember" 2002 (das genaue Datum sei ihm vom Betrieb telefonisch mitgeteilt worden) als Liftwart arbeiten könne. (Eine Nachfrage am 23. Jänner 2003 habe ergeben, dass dieses Beschäftigungsverhältnis vom Beschwerdeführer nicht angetreten worden sei.)
Der Beschwerdeführer sei nicht eingestellt worden, weil er beim Vorstellungsgespräch sofort habe erkennen lassen, dass er die angebotene Stelle nicht zum angegeben Termin und außerdem lediglich für vier Wochen annehmen könne. Damit habe er ein Verhalten gesetzt, das als Vereitelung iSd § 10 AlVG zu qualifizieren sei. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht iSd § 10 Abs. 2 AlVG lägen nicht vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer unter anderem bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Eine solche Beschäftigung ist gemäß § 9 Abs. 2 AlVG zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen angemessen ist, seine Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist und dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, oder der die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Liegt im Zeitraum eines Jahres vor dem Beginn eines Anspruchsverlustes bereits ein früherer Anspruchsverlust, so beträgt dieser Zeitraum acht Wochen.
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. April 2003, Zl. 2002/08/0275) sind die genannten Bestimmungen Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, das heißt bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein.
Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) Handelns des Arbeitslosen, andererseits (und deshalb) aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2004, Zl. 2000/08/0128, und die dort angeführte Judikatur).
Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1994, Zl. 93/08/0136, mwN). Eine "Vereitelung" im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG ist ein (bedingt) vorsätzliches (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. November 2000, Zl. 96/08/0042), für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächliches (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2002, Zl. 99/03/0358) Verhalten des Vermittelten. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung dieses Tatbestandes nicht hin (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/08/0042).
§§ 9 und 10 AlVG sind gemäß § 38 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
Die Beschwerde bekämpft nicht die Feststellungen des Beschwerdeführers, denen zufolge der Beschwerdeführer dem potenziellen Arbeitgeber bei seinem Vorstellungsgespräch für die Stelle als Abwäscher im Cafe C. mitgeteilt hat, dass er eine "Dauerstelle in G." habe und dass er dem dortigen Arbeitgeber (dem Hotel A.) bereits zugesagt habe, für "die kommende Wintersaison ab Mitte Dezember" zu arbeiten. Der Beschwerdeführer meint, das von ihm gesetzte Verhalten, nämlich die Angabe gegenüber dem nachfragenden Dienstgeber, dass er bereits eine Beschäftigung in G. angenommen habe, sei keinesfalls geeignet gewesen, das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses (als Abwäscher im Cafe C.) zu verhindern. Auch habe ihm eine diesbezügliche "Intention" gefehlt.
In Anbetracht der Angabe des Beschwerdeführers beim Vorstellungsgespräch, er könne dem nachfragenden Dienstgeber lediglich für vier Wochen zur Verfügung stehen, weil er danach eine andere Beschäftigung antrete, stellt sich die Frage, ob ihm unter solchen Voraussetzungen die angebotene Dauerstellung im Cafe C. zumutbar war.
§ 9 Abs. 5 bis 7 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. Nr. 103/2001 lauten:
"(5) Zumutbar ist eine von der regionalen Geschäftsstelle vermittelte Beschäftigung auch dann, wenn dem Arbeitslosen eine Wiedereinstellungszusage von einem früheren Arbeitgeber erteilt wurde oder sich der Arbeitslose schon zur Aufnahme einer Beschäftigung in Zukunft verpflichtet hat (Einstellungsvereinbarung).
(6) Der Arbeitslose ist zum Ersatz eines allfälligen Schadens, der aus der Nichterfüllung der Einstellungsvereinbarung wegen Antritt einer anderen Beschäftigung entstanden ist, nicht verpflichtet. Er soll dem früheren Arbeitgeber sein Abstandnehmen vom Wiederantritt der Beschäftigung vor dem Wiederantrittstermin bekannt geben. Ansprüche aus einem früheren Arbeitsverhältnis, auf die der Arbeitslose anlässlich der Beendigung nur wegen der erteilten Wiedereinstellungszusage oder nur wegen der geschlossenen Wiedereinstellungsvereinbarung verzichtet hat, leben wieder auf, wenn der Arbeitslose dem früheren Arbeitgeber sein Abstandnehmen vom Wiederantritt der Beschäftigung vor dem Wiederantrittstermin bekannt gibt.
(7) Wenn infolge eines Wiedereinstellungsvertrages oder einer Wiedereinstellungszusage Ansprüche aus dem beendeten Arbeitsverhältnis nicht oder nicht zur Gänze erfüllt worden sind, so werden diese spätestens zu jenem Zeitpunkt fällig, zu dem der Arbeitnehmer seine Beschäftigung gemäß dem Wiedereinstellungsvertrag (Wiedereinstellungszusage) hätte aufnehmen müssen, sofern durch Gesetz nicht anderes bestimmt ist. Verjährungs- und Verfallsfristen verlängern sich um den Zeitraum zwischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem vereinbarten Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Beschäftigung."
Der Beschwerdeführer behauptet nicht, eine (auch für ihn rechtsverbindliche) Wiedereinstellungsvereinbarung (iSd § 9 Abs. 6 und 7 AlVG) getroffen zu haben. Nach § 9 Abs. 5 AlVG (Absatzbezeichnung idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 77/2004) ist eine vom AMS vermittelte Beschäftigung auch dann zumutbar, wenn dem Arbeitslosen eine Wiedereinstellungszusage von einem früheren Arbeitgeber erteilt wurde oder sich der Arbeitslose schon zur Aufnahme einer Beschäftigung in Zukunft verpflichtet hat (Einstellungsvereinbarung). Der Zumutbarkeit der dem Beschwerdeführer von der erstinstanzlichen Behörde zugewiesenen Beschäftigung stand daher die von ihm vorgelegte (nur von seinem künftigen Arbeitgeber unterfertigte) "Vereinbarung" über eine "ca. Mitte Dezember" anzutretende Arbeit auch dann nicht entgegen, wenn es sich hiebei um eine Einstellungsvereinbarung im Sinne des § 9 Abs. 5 AlVG (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 5. September 1995, Zl. 94/08/0050, und vom 8. April 1997, Zl. 94/08/0072) oder um eine (schlichte) Zusage, den Arbeitslosen künftig wieder einzustellen zu wollen, ohne dass dem eine arbeitsrechtliche Verpflichtung des Arbeitslosen zum (neuerlichen) Arbeitsantritt gegenübersteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. April 2002, Zl. 2002/08/0066), gehandelt haben sollte.
Der Tatbestand der Vereitelung iSd § 10 Abs 1 AlVG ist verwirklicht, wenn ein Arbeitssuchender beim Vorstellungsgespräch, wenn auch wahrheitsgemäß, seine Intention zum Ausdruck bringt, die als Dauerstellung angebotene zumutbare Beschäftigung nur als Übergangslösung zu betrachten, weil er damit - bezogen auf den konkret angebotenen Arbeitsplatz - seine Arbeitswilligkeit in Zweifel stellt (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. April 1993, Zl. 92/08/0147, und vom 4. April 2002, Zl. 2002/08/0019). Stellt der Arbeitslose im Bewerbungsgespräch bei seiner Mitteilung, ab einem bestimmten Zeitpunkt anderswo mit der Arbeit anfangen zu können, nicht sofort klar, dennoch bereit zu sein, (sogleich) ein Arbeitsverhältnis auf Dauer zu begründen, nimmt er das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses in Kauf (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 92/08/0147, und das vom 20. Dezember 1994, Zl. 94/08/0156). Da der Beschwerdeführer durch sein Verhalten das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses (zumindest) mit bedingtem Vorsatz herbeigeführt hat, ist der Tatbestand des § 10 Abs. 1 AlVG erfüllt. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob er - wie im angefochtenen Bescheid festgestellt - im Vorstellungsgespräch darüber hinaus angegeben hat, das Arbeitsverhältnis im Cafe C. nicht sogleich, sondern erst nach dem Anruf des Hotel A. antreten zu wollen, oder ob dies nicht der Fall war und die Einstellung - wie er in der Beschwerde vorbringt - "wenn überhaupt ab dem 28.10.2002 erfolgen sollte".
Schließlich wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde vor, sie habe "nicht erwogen, ob auf meiner Seite berücksichtigungswürdige Umstände vorlagen". Er sei dazu nicht befragt worden.
Berücksichtigungswürdig im Sinne des § 10 Abs. 2 AlVG sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Gründe, die dazu führen, dass der Ausschluss vom Bezug der Leistung den Arbeitslosen aus bestimmten Gründen unverhältnismäßig härter trifft, als dies sonst ganz allgemein der Fall ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2000, Zl. 99/08/0116). Für das Vorliegen solcher Gründe ergaben sich keinerlei Anhaltspunkte. Auch in der Beschwerde werden keine dargelegt, weshalb die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels der Unterlassung der Befragung des Beschwerdeführers nicht dargetan wurde (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 21. Dezember 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003080117.X00Im RIS seit
14.02.2006