Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29.August 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofbauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Harald P***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2.April 1991, GZ 6 d Vr 5613/90-48, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gleichzeitig mit dem Urteil gemäß § 494 a StPO gefaßten Beschluß, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Harald P***** des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG schuldig erkannt.
Darnach hat er in Wien in der Zeit zwischen Dezember 1989 und März 1990 den bestehenden Vorschriften zuwider 2,2 Kilogramm Haschisch, sohin Suchtgift in einer großen Menge, durch Verkauf an Gerhard L***** und Stefan W***** in Verkehr gesetzt.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die auf § 281 Abs. 1 Z 3 und 5 StPO gestützt wird, der aber keine Berechtigung zukommt.
Nach dem Inhalt des ungerügt gebliebenen Protokolls über die am 2. April 1991 gemäß § 276 a StPO neu durchgeführte Hauptverhandlung wurden dem Zeugen Gerhard L***** anläßlich seiner Einvernahme in dieser Hauptverhandlung die Bestimmungen der §§ 152 und 153 StPO nicht vorgehalten. Demnach geht der Einwand, der Vorsitzende habe einen solchen Vorhalt zwar in das Protokoll aufnehmen lassen, dem Zeugen den Inhalt dieser Bestimmungen aber nicht bekanntgemacht, ins Leere.
Für eine Belehrung des Zeugen nach § 152 StPO bestand nach der Aktenlage kein Anlaß, denn der Zeuge L***** zählte im gegenständlichen Verfahren nicht zu dem im § 152 Abs. 1 Z 1 bis 3 StPO angeführten Personenkreis.
Ein Verstoß gegen § 153 StPO hinwieder ist nicht mit Nichtigkeit bedroht (vgl die taxative Aufzählung in § 281 Abs. 1 Z 3 StPO), so daß sich ein Eingehen auf das bezughabende Beschwerdevorbringen erübrigt.
Entgegen der in der Nichtigkeitsbeschwerde weiters vertretenen Ansicht wurde die Hauptverhandlung am 2.April 1991 sehr wohl gemäß § 276 a StPO neu durchgeführt (S 457), und zwar sowohl wegen geänderter Zusammensetzung des Senates als auch wegen Zeitablaufs, es wurden in dieser Hauptverhandlung die beiden nunmehr dem Senat angehörenden Schöffen (nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls) beeidet, und es wurde diesen Schöffen auch der Inhalt der Aussagen der Zeugen W***** und D***** bekanntgemacht, ist doch - gleichfalls nach dem Inhalt des Protokolls über die Hauptverhandlung - neben Anzeige, Polizeierhebungen und Strafregisterauskunft auch "der sonstige Akteninhalt" gemäß § 252 "vorletzter Absatz" StPO verlesen worden (S 461), ohne daß der Beschwerdeführer dem widersprochen hätte.
Eine Urteilsunvollständigkeit (Z 5) erblickt der Beschwerdeführer darin, daß nicht begründet werde, warum die Tatrichter die ersten Aussagen des Zeugen L***** vor der Polizei für richtig erachteten. Auch damit ist die Beschwerde - die solcherart der Sache nach eine offenbar unzureichende Begründung (und nicht eine Unvollständigkeit) reklamiert - nicht im Recht. Bei verständiger Interpretation der Entscheidungsgründe hat das Schöffengericht das Abweichen des genannten Zeugen von seiner ursprünglichen (den Nichtigkeitswerber belastenden) Aussage darauf zurückgeführt, daß von dem Rechtsmittelwerber nahestehenden Personen versucht worden war, ihn unter Druck zu setzen, was zunächst gelungen zu sein schien; erst nach Einleitung eines Strafverfahrens gegen L***** wegen falscher Beweisaussage vor Gericht sei dieser zu seiner ersten - nach Überzeugung der Tatrichter richtigen - Aussage zurückgekehrt (S 473 f).
Mit diesem Hinweis aber hat das Erstgericht die Glaubwürdigkeit der den Angeklagten belastenden ursprünglichen Aussage des L***** ersichtlich darauf gegründet, daß dieser nur infolge Beeinflussung dritter Personen von der Wahrheit abgewichen sei. In dieser denkmöglichen Argumentation ist ein Begründungsmangel in der Bedeutung des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO nicht zu erblicken.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als offenbar unbegründet bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO).
Zur Entscheidung über die Berufungen und über die Beschwerde gegen den Widerruf der bedingten Entlassung aus einer Freiheitsstrafe ist der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig (§§ 285 i und 494 a Abs. 5 StPO).
Anmerkung
E26786European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0150OS00078.91.0829.000Dokumentnummer
JJT_19910829_OGH0002_0150OS00078_9100000_000