TE OGH 1991/9/4 7Ob572/91

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Veröffentlicht am 04.09.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Martin F*****, infolge Revisionsrekurses des Kindes, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie für den 11. Bezirk, Wien 11., Enkplatz 2, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 13. März 1991, GZ 44 R 184/91-33, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 30.Jänner 1991, GZ 1 P 6/85-27, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Unterhaltsverpflichtung des Vaters Johann F***** wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 11.6.1987 wegen Hinzukommens einer Sorgepflicht für die nunmehrige Ehegattin und den am 15.2.1987 geborenen mj. Manuel F***** bei praktisch gleichgebliebenem Nettoeinkommen von monatlich durchschnittlich S 10.000 ab 1.6.1987 auf monatlich S 1.300 herabgesetzt (ON 12). Seit 1.1.1989 ist der Vater auch noch für die nicht ehelich geborene mj. Sarah B***** sorgepflichtig. Er erzielte vom 1.4.1989 bis 31.3.1990 als Hilfsarbeiter bei der Firma U***** ein monatliches Nettoeinkommen von rund S 15.500 einschließlich der aliquoten Anteile am Urlaubs- und Weihnachtsgeld, der Montage-, Erschwernis- und Gefahrenzulage, sowie der Hälfte der Entfernungszulage, jedoch unter Ausscheidung der Schmutzzulage. Vom 1.4.1990 bis 9.12.1990 leistete Johann F***** seinen Grundwehrdienst ab. Mit Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den 2. Bezirk vom 6.4.1990 wurde dem mj. Martin F***** für die Dauer des Grundwehrdienstes seines Vaters ein Familienunterhalt nach § 29 Abs 1 Z 3 iVm § 35 Abs 1 Z 2 HGG von monatlich S 1.300 zuerkannt.

Über Antrag des Jugendamtes erhöhte das Erstgericht die Unterhaltsverpflichtung des Vaters für den mj. Martin F***** für die Zeit vom 1.4.1989 bis 31.3.1990 unter Berücksichtigung der bisherigen Sorgepflichten sowie der für die mj. Sarah B***** hinzugekommenen Sorgepflicht auf monatlich S 2.200, wies aber das Begehren des Kindes, den Vater ab 1.4.1990 zu einer auf S 1.700 monatlich erhöhten Unterhaltsleistung zu verpflichten, ebenso wie den Antrag des Vaters, ihn von der Unterhaltsverpflichtung ab 27.6.1990 gänzlich zu befreien, ab. Zur Abweisung des Erhöhungsbegehrens ab 1.4.1990 berief sich das Erstgericht darauf, daß der Vater ab 1.4.1990 seinen Grundwehrdienst leiste und die bisher bestandene titelmäßige Verpflichtung vom Bundesheer übernommen worden sei. Der Unterhaltsanspruch des Kindes sei mit der Höhe des Familienunterhalts in der Höhe von 7,48 % der Bemessungsgrundlage laut Bescheid des Magistrats der Stadt Wien nach dem Heeresgebührengesetz begrenzt.

Das Rekursgericht bestätigte über Rekurs des Jugendamtes diesen Beschluß hinsichtlich der Unterhaltsbemessung für die Zeit bis 9.12.1990, hob jedoch die angefochtene Entscheidung hinsichtlich des Zeitraumes ab 10.12.1990 auf. Es ließ den Revisionsrekurs gegen den bestätigenden Teil zu. Das Jugendamt strebe meritorisch die Ergänzung des Anspruches des Kindes nach dem Heeresgebührengesetz von S 1.300 auf monatlich S 1.700 mit der Begründung an, der Vater habe ihm die Erhöhung seines Einkommens in der Zeit vor Antritt des Grundwehrdienstes verschwiegen. Tatsächlich sei die Festsetzung des Familienunterhaltes gemäß § 29 Abs 1 Z 3 HGG nicht in der den Einkommensverhältnissen entsprechenden Höhe vorgenommen worden, sondern in der niedrigeren Titelhöhe, obwohl das Heeresgebührengesetz die Berücksichtigung gerichtlicher Titel nicht anordne, sondern nur den grundsätzlichen Bestand einer Unterhaltsverpflichtung voraussetze, für die Bemessung aber eigene Kriterien aufstelle, die aber nicht jenen des bürgerlichen Rechtes entsprächen. Antragsberechtigt für die Festsetzung des Familienunterhaltes sei aber gemäß § 32 Abs 1 vorletzter Satz HGG auch die unterhaltsberechtigte Person, so daß das Amt für Jugend und Familie als Vertreter des Kindes zur Erhebung einer Berufung gegen den Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den

2. Bezirk legitimiert gewesen wäre. Die Verschweigung der Einkommenserhöhung durch den Vater könne nicht zu einer Unterhaltsbemessung in der Höhe der Differenz zwischen dem zuerkannten und dem höchstmöglichst zuerkennbaren Familienunterhalt, sondern höchstens zur Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches, für dessen Durchsetzung jedoch das streitige Verfahren vorgesehen sei, führen.

Der Revisionsrekurs des durch das Jugendamt vertretenen Kindes ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Auszugehen ist davon, daß der Vater während des Grundwehrdienstes über keine weiteren Einkünfte als sein Taggeld verfügte, sohin praktisch einkommenslos war und damit seiner Unterhaltsverpflichtung nicht mehr nachkommen konnte. Für diesen Fall trifft das Heeresgebührengesetz 1985, BGBl 1985/87 in der derzeitigen Fassung des BGBl 1985/266 eine Vorsorge für die Bedürfnisse des einkommenslos gewordenen Präsenzdieners und all derjenigen Personen, denen gegenüber er eine Unterhaltsverpflichtung zu erfüllen hat. Während der jeweiligen Präsenzdienstleistung soll nämlich dem Unterhaltsberechtigten der ausreichende Unterhalt durch den Bund gesichert werden (vgl MGA2, Wehrrecht, II, HGG, Einführung, 105). Während der Ableistung des Grundwehrdienstes des einkommens- und vermögenslos gewordenen Unterhaltspflichtigen ruht daher seine Unterhaltsverpflichtung. Der Unterhaltsanspruch bleibt aber in Form der Berechtigung auf Zuspruch von Familienunterhalt gegenüber dem Bund aufrecht (so ähnlich bereits LGZ Wien in EFSlg 44.925).

Zutreffend hat das Rekursgericht erkannt, daß sich die Höhe des Familienunterhaltes nach den Kriterien des § 25 HGG und nicht nach den Unterhaltsbemessungsregeln der Gerichte richtet, weil die zuvor zitierte Bestimmung eine andere Bemessungsgrundlagenregelung und andere Prozentsätze vorsieht (vgl MGA2, Wehrrecht, II, HGG, § 18 Anm 1). Richtig ist auch, daß die den Familienunterhalt zuerkennende Bezirksverwaltungsbehörde nicht an einen bereits bestehenden zivilrechtlichen Unterhaltstitel bei Ausmittlung des Familienunterhaltes gebunden ist, sondern aus eigenen Erhebungen über das zuletzt erzielte Einkommen des Präsenzdieners vorzunehmen hat.

Wie das Rekursgericht zutreffend ausführt, sieht § 32 Abs 1 HGG eine eigene Antragsberechtigung des Unterhaltsberechtigten auf Familienunterhalt vor. Eine wie immer geartete Bindung des Antragsrechtes des Unterhaltsberechtigten an ein Vorgehen des Unterhaltsverpflichteten ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Aus der Tatsache eines eigenen Antragsrechtes des Unterhaltsberechtigten leitet sich aber sein direkter Anspruch gegenüber dem Staat auf Bezahlung eines Familienunterhaltes und das daraus entspringende eigene Rechtsmittelrecht ab. Damit verschafft das Heeresgebührengesetz dem Kind ein eigenes Einkommen aus einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung, gleich einem eigenen Pensionseinkommen. Daß ein solches Einkommen den Unterhaltsanspruch nicht mindert, sondern nur den konkreten Bedarf (vgl Pichler in Rummel ABGB2 § 140 Rz 11 mwN), kommt hier nicht zum Tragen, weil aufgrund der während der Ableistung des Grundwehrdienstes bestehenden Einkommens- und Vermögenslosigkeit des Vaters keine Unterhaltsverpflichtung bestand. Überläßt daher das Kind die Antragstellung für seinen Familienunterhalt dem Vater und macht nicht von seinem ihm eingeräumten Rechtsmittelrecht gegen eine zu niedrige Bemessung Gebrauch, so tritt gegenüber dem unterhaltsberechtigten Kind die Rechtskraft dieses Bescheides auch dann ein, wenn der Vater gegenüber dem Vertreter des Kindes seine wahren Einkommensverhältnisse verschwiegen hatte. Wie bereits dargelegt, bietet weder das Heeresgebührengesetz noch eine andere Norm eine Handhabe, beim vorliegenden Sachverhalt rückwirkend eine Erhöhung des Familienunterhaltes bzw eine Ergänzungspflicht des Unterhaltspflichtigen auszusprechen.

Soweit der Rekurswerber seinen Anspruch daraus ableitet, daß der Vater durch Verschweigen seines wahren Einkommens das Magistratische Bezirksamt zu einer falschen Entscheidung veranlaßt habe, macht er in Wahrheit keinen Unterhaltsanspruch, sondern einen Schadenersatzanspruch geltend, weil ihm nach diesem Vorbringen durch schuldhaftes Verhalten des Vaters ein Schaden durch zu geringe Zuerkennung nach dem HGG erwachsen sei. Ein Unterhaltsanspruch gegen den Vater für die Zeit vom 1.4.1990 bis 10.12.1990 (nur diesen Zeitraum betrifft der Rekurs) kommt wegen fehlender Leistungsfähigkeit des Vaters nicht in Frage. Schadenersatzansprüche sind jedoch auch dann im streitigen Verfahren zu entscheiden, wenn sie von Minderjährigen erhoben werden.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E26623

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0070OB00572.91.0904.000

Dokumentnummer

JJT_19910904_OGH0002_0070OB00572_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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