Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4.September 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kandera als Schriftführerin in der Strafsache gegen Manfred G***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 24. September 1990, GZ 36 Vr 1770/89-40, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten Manfred G***** und Roman M***** und ihres Verteidigers zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil - in seinem schuldigsprechenden Teil auch gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO - aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Gendarmeriebeamten Manfred G***** und Roman M***** - abweichend von der (auch diesbezüglich) auf das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB gerichteten Anklage - des Vergehens des Betruges nach dem § 146 StGB schuldig erkannt. Darnach haben sie im bewußten und gewollten Zusammenwirken in der Zeit vom 22. bis 24.August bzw. am 28.August 1988 in S***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz die B*****-Versicherung durch die in einer Schadensmeldung aufgestellte (wahrheitswidrige) Behauptung, das (Dienst-)Motorrad des Manfred G***** sei auf dem Waschplatz gestanden, dort umgestürzt und habe den PKW des Günther M***** beschädigt, somit durch Täuschung über Tatsachen, zur Auszahlung eines Schadensbetrages von 10.164 S verleitet.
Von der weiteren Anklage, er habe am 7.April 1989 in S***** als Kommandant der Verkehrsabteilung Außenstelle S***** mit dem Vorsatz, den Staat an seinem Vermögen zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem er in einer öffentlichen Urkunde, deren Ausstellung in den Bereich seines Amtes fiel, nämlich in der Monatszusammenstellung über die im Monat März 1989 von den ihm unterstellten Gendarmeriebeamten geleisteten Überstunden (Formularzahlungs- und Verrechnungsauftrag) die Richtigkeit der von den Beamten A*****, G***** und O***** für den 10.März 1989 geltend gemachten Überstunden fälschlich beurkundet, damit die Genannten ein ihnen nicht in der beantragten Höhe zustehendes Überstundengeld erhalten, wurde Roman M***** gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Dem Urteil liegt folgender, hier kurz zusammengefaßt wiedergegebener Sachverhalt zugrunde:
I. Für die Dienstfahrzeuge der Außenstelle S***** der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für T***** steht eine (angemietete) Garage zu Verfügung. Die Beamten benützen für ihre Privatfahrzeuge eine weitere, von der B***** AG unentgeltlich zur Verfügung gestellte Garage, in welche sie - internen Dienstvorschriften zuwider - auch Dienstfahrzeuge einstellen. Dies tat auch der Angeklagte Manfred G***** am 6. August 1988 mit dem Dienstmotorrad eines Kollegen, der ihn nach Beendigung einer Dienstfahrt darum ersucht hatte. Beim Aufstellen auf den Ständer kippte das Motorrad um und beschädigte den daneben stehenden (privaten) PKW des Günther M***** (des Sohnes des Zweitangeklagten). Dadurch entstand am PKW ein Sachschaden in Höhe von 10.164 S; am Dienstmotorrad ein solcher von 1.207 S. Von seinem ursprünglichen Vorhaben, den Schaden selbst zu tragen, durch Gespräche im Kollegenkreis abgebracht, verfaßte Manfred G***** gemeinsam mit seinem über den wahren Unfallshergang informierten Vorgesetzten Roman M***** in der Folge eine Unfallmeldung an das Landesgendarmeriekommando, deren Richtigkeit M***** bestätigte. Dieser Unfallmeldung wurde unter Verwendung des Formulars Gendarmerie-Lager Nr. 16 A (S 53) ein von beiden Angeklagten unterfertigter Unfallbericht beigelegt, dem auch eine Skizze angeschlossen war. Darüber hinaus erstellte G***** noch eine Schadenanzeige an die B*****-Versicherung, bei der die Dienstfahrzeuge des Landesgendarmeriekommandos haftpflichtversichert sind. In sämtlichen Schriftstücken wurde das Unfallgeschehen wissentlich falsch so dargestellt, als ob es sich auf dem Waschplatz vor der Garage abgespielt hätte, weil dort das Dienstmotorrad abgestellt werden durfte, womit Konsequenzen aus der dienstrechtlich nicht genehmigten Benützung der Garage vermieden werden sollten.
Durch die Falschmeldung sowohl an das Landesgendarmeriekommando als auch an die B*****-Versicherung wurden jedenfalls letztere (gemeint: deren Organe) über Tatsachen getäuscht, wobei eine nach Auffassung des Schöffengerichtes im Vermögen der Versicherungsgesellschaft eintretende Schädigung vom (bedingten) Vorsatz beider Angeklagten umfaßt war.
II. Am 10.März 1989 hielten sich der Kommandant der Außenstelle S***** Roman M***** und ein Großteil der dort dienstversehenden Gendarmen von ca. 13 Uhr bis ca. 15.30 Uhr in einer Tankstelle auf, wo der Geburtstag des Pächters gefeiert wurde. In der Folge bestätigte Roman M***** die Richtigkeit der auch diesen Zeitraum umfassenden Überstundenmeldungen der Gendarmeriebeamten G*****, A***** und O*****, obwohl er wußte, daß diese ungefähr zweieinhalb Stunden in der Tankstelle zugebracht wurden.
Das Erstgericht beurteilte den zu I. dargestellten Sachverhalt nicht als Amtsdelikt, sondern als Betrug, weil es sich nur um die versicherungsrechtliche Liquidierung eines Sachschadens gehandelt habe und die Erstellung der schriftlichen Meldung an das Landesgendarmeriekommando kein in Vollziehung der Gesetze vorgenommenes Amtsgeschäft darstelle. Aus dem gleichen Grund sei auch keine nach dem § 311 StGB zu beurteilende falsche Beurkundung im Amt vorgelegen.
Zu II. ging das Schöffengericht davon aus, daß der Angeklagte M***** infolge einer bestehenden Unklarheit über die Berechtigung der Gendarmen, Ruhepausen einzulegen, wobei diese gewissermaßen "angespart" werden könnten, annahm, daß die Beamten auch in der Tankstelle ordnungsgemäß ihren Dienst versehen hätten, weil sie auch dort in Rufbereitschaft gestanden seien. Er habe daher eine Schädigung der Republik durch die Überstundenabrechnung nicht bedacht. Die Überstundenliste diene nur einer internen Abrechnung und sei keine öffentliche Urkunde.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf die Z 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, welcher Berechtigung zukommt.
Zu I.: Wird ein Dienstfahrzeug nach Ende der im Rahmen der Hoheitsverwaltung ausgeübten Streifentätigkeit garagiert, so stellt auch diese abschließende Unterbringung noch eine Tätigkeit in Vollziehung der Gesetze iS des § 1 Abs. 1 AHG dar. Die Beschädigung des privaten PKW's des Günther M***** durch den Angeklagten G***** erfolgte daher durch ein Organ des Bundes in Vollziehung der Gesetze. Der Ersatzanspruch des Günther M***** richtete sich somit gemäß dem § 1 Abs. 1 AHG nicht gegen G*****, sondern gegen den Bund. Die Dienstfahrzeuge des Landesgendarmeriekommandos für T***** sind gegen bei ihrem Betrieb entstehende Schadenersatzansprüche Dritter - obschon insoweit eine gesetzliche Versicherungspflicht nicht besteht (§ 59 Abs. 2 KFG), demnach freiwillig - bei der B*****-Versicherung haftpflichtversichert. Ein Regreßanspruch des Bundes gegen das schuldtragende Organ besteht nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Rechtsverletzung (§ 3 Abs. 1 AHG). Dem Erstgericht ist zwar zuzustimmen, daß die dem Angeklagten G***** unterlaufene Ungeschicklichkeit beim Abstellen des Motorrades für sich allein keine grobe Fahrlässigkeit darstellt. Darauf kommt es aber im vorliegenden Fall nicht entscheidend an: Der im Urteil erwähnte Regreßanspruch der Versicherung konnte sich nämlich unmittelbar nur gegen ihren Vertragspartner, also den Bund richten; erst der aufrechte Bestand einer Regreßforderung der Versicherung (wegen einer allenfalls im Innenverhältnis vereinbarten Leistungsfreiheit wegen einer Obliegenheitsverletzung) wäre Voraussetzung eines vom Bund seinerseits gegen das schädigende Organ zu nehmenden Regresses gewesen, weil dem Staat ja sonst - hinsichtlich des privaten PKW's - kein Schaden erwachsen wäre. Da es aber sowohl unter dem vom Erstgericht gewählten Gesichtspunkt des Betruges wie auch unter dem des Mißbrauchs der Amtsgewalt nicht darauf ankommt, welche der in Betracht kommenden, vom Täter verschiedenen Personen der Schaden trifft oder treffen soll, kann diese Frage dahingestellt bleiben.
Was die Beschädigung des Dienstfahrzeuges anlangt, so geht die insofern wegen Fehlens einer Feststellung hierüber nach der Z 5 (richtig: wegen eines die rechtliche Beurteilung hindernden Feststellungsmangels nach der Z 10) erhobene Rüge der Staatsanwaltschaft schon deshalb in Leere, weil die Zufügung eines Schadens durch Vereitelung des Regreßrechtes des Bundes hinsichtlich des Sachschadens am Dienstfahrzeug von der Anklage ihrem Wortlaut nach in Spruch und Gründen - auch unter Berücksichtigung der in der Hauptverhandlung vom 24. September 1990 vorgenommenen Anklageausdehnung (S 313) - nicht erfaßt war.
Ob die Liquidierung eines Schadenersatzanspruches nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes ihrerseits in Vollziehung der Gesetze erfolgt - wie die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme meint (dafür allerdings EvBl. 1967 Nr. 232) - oder ob wegen der grundsätzlichen Gleichrangigkeit von Geschädigtem einerseits und dem für den in Vollziehung der Gesetze zugefügten Schaden haftenden Rechtsträger andererseits im (gerichtlichen wie außergerichtlichen) Amtshaftungsverfahren zur Privatwirtschaftsverwaltung zählt, ist ebenfalls nicht entscheidungswesentlich.
Für die strafrechtliche Beurteilung ist vielmehr maßgebend, daß die Erstellung eines Unfallberichtes über einen Sachschaden im Verfahren nach dem § 4 Abs. 5 a StVO unter Verwendung eines amtlichen Formulars jedenfalls eine in Vollziehung der Gesetze vorgenommene Amtshandlung darstellt, und zwar ganz unabhängig davon, ob einer Gendarmeriedienststelle im allgemeinen oder der Außenstelle S***** im besonderen Behördencharakter zukommt oder nicht. Wie die Beschwerdeführerin richtig hervorhebt, können auch Dienststellen, die Hilfsorgane einer Behörde sind, öffentliche Urkunden ausstellen (Leukauf-Steininger StGB2 RN 4 a zu § 224). Ein Gendarm ist ein Beamter in der Bedeutung des § 74 Z 4 StGB; die Straßenpolizei, in der die Angeklagten tätig sind, zählt zur Hoheitsverwaltung. Die Erstellung eines Unfallberichtes über einen Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden über Ersuchen eines Beteiligten gemäß dem § 4 Abs. 5 a StVO gehört zu den Amtsgeschäften eines Gendarmeriebeamten. Wenn er in einem solchen Unfallsbericht eine Tatsache fälschlich beurkundet, stellt er eine zum Gebrauch im Rechtsverkehr, und zwar zum Beweis einer Tatsache bestimmte öffentliche Urkunde her. Ob er einer Dienststelle oder einer Behörde zugeteilt ist, spielt dabei keine Rolle. Das Recht des Staates auf Abfassung wahrheitsgemäßer Urkunden durch seine Beamten unter Beachtung der hiefür erlassenen Dienstvorschriften stellt zufolge der Normierung spezifischer Urkundendelikte (§§ 228, 311 StGB) allerdings nur ein allgemeines (abstraktes) und kein konkretes Recht dar, so daß dessen Verletzung allein noch nicht als Mißbrauch der Amtsgewalt beurteilt werden könnte (SSt. 56/67). Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte G***** aber überdies eine Schadensmeldung an die Versicherungsanstalt verfaßt und unterfertigt, in welcher auf diesen Unfallsbericht verwiesen wurde (vgl. S 58); beide Angeklagten haben wissentlich falsche Angaben über den Unfallshergang gemacht und hinsichtlich der B*****-Versicherung ernstlich bedacht und sich damit abgefunden, daß diese durch die falsche Schadensmeldung an ihrem Vermögen geschädigt wird (US 6). Damit war dieser falsche Unfallbericht über einen Sachschaden iS des § 4 Abs. 5 a StVO ein Teil der Täuschungshandlung gegenüber der Versicherung; er war Grundlage für die Schadensmeldung. Der wissentliche Amtsmißbrauch durch Erstattung eines falschen Unfallsberichtes diente daher dazu, die Versicherung im Zusammenhang mit der Schadensmeldung zu einer (nicht zustehenden) Leistung zu veranlassen. Damit läge aber nicht Betrug, sondern das dieses allgemeine strafbare Delikt als echtes Sonderdelikt verdrängende (vgl. Leukauf-Steininger StGB2, RN 71 zu § 28, RN 40 ff zu § 302) Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB vor. Die Beurteilung des Sachverhaltes als Vergehen des Betruges nach dem § 146 StGB ist demnach jedenfalls rechtsirrig in der Bedeutung des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO.
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde war jedoch wahrzunehmen, daß das angefochtene Urteil in seinem schuldigsprechenden Teil (und deshalb dem Angeklagten zum Nachteil gereichend) mit einem - ebenfalls Nichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z 10 StPO begründenden - Feststellungsmangel behaftet ist, der von der Staatsanwaltschaft nicht geltend gemacht wurde:
Den zwar formal den Schädigungsvorsatz beider Angeklagten konstatierenden Urteilsfeststellungen ist nämlich nicht zu entnehmen, daß ein Schaden der Versicherungsgesellschaft oder des Staates eingetreten ist oder auch nur hätte eintreten können. Ohne tatsächlich mögliche Schädigung kann aber - selbst bei auf darauf gerichtetem Tätervorsatz - weder Betrug noch Mißbrauch der Amtsgewalt vorliegen (11 Os 43/78 nv). Zwar gehört zum Tatbestand des § 302 Abs. 1 StGB kein Erfolg, dessen kausale Verknüpfung mit der Tat geprüft werden müßte; dennoch genügt nur bei überhaupt möglicher Schädigung der bloße Vorsatz, zu schädigen (JBl. 1990, 597).
Im gegenständlichen Fall haftete - wie bereits dargelegt - der Bund für den durch das Umstürzen des Dienstmotorrades am PKW des Günther M***** eingetretenen Sachschaden bereits auf Grund des Amtshaftungsgesetzes, daneben aber auch nach den Vorschriften des EKHG als Fahrzeughalter. Im Rahmen dieser gesetzlichen Haftpflicht hatte der Bund, obwohl er gemäß dem § 59 Abs. 2 KFG von der Versicherungspflicht ausgenommen ist, freiwillig eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung abgeschlossen, weshalb dem Geschädigten auch ein Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer zustand (SZ 56/133 mwN). Eben diesen, schon durch das (Unfall-)Schadenereignis selbst entstandenen Anspruch des geschädigten Dritten hat die Versicherungsanstalt ***** im Rahmen des Haftpflichtversicherungsvertrages erfüllt. Durch die Erbringung der vertraglichen Versicherungsleistung konnte demnach nur dann ein (vom Vorsatz der Angeklagten umfaßter) Schaden eingetreten sein, falls die Versicherung in Kenntnis des wahren, sowohl im Unfallbericht als auch in der Versicherungsmeldung (bloß) in Ansehung des Unfallortes wissentlich falsch dargelegten Unfallsherganges wegen einer vom Bund als Versicherungsnehmer zu vertretenden Obliegenheitsverletzung im Innenverhältnis leistungsfrei geworden wäre. Eine derartige Leistungsfreiheit des Haftpflichtversicherers wegen einer Obliegenheitsverletzung würde demnach voraussetzen, daß in dem über das unfallbeteiligte Dienstmotorrad abgeschlossenen Versicherungsvertrag auch die Einhaltung der (nur) dienstintern geltenden Garagierungsvorschriften als vom Versicherungsnehmer bei sonstiger Leistungsfreiheit zu beachtende Obliegenheit (rechtswirksam) vereinbart wurde. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß gemäß dem § 3 Abs. 1 des Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetzes (KHVG) 1987, BGBl. Nr. 296, Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsverträge nur unter der Zugrundelegung der vom Bundesminister für Finanzen mit Verordnung (zuletzt vom 27.Jänner 1988, BGBl. Nr. 107 als AKHB 1988) festgesetzten allgemeinen Versicherungsbedingungen abgeschlossen werden dürfen; und daß sich der Versicherer auf Vereinbarungen, die von den Allgemeinen Versicherungsbedingungen zum Nachteil der Versicherten oder der geschädigten Dritten abweichen, nicht berufen kann (§ 3 Abs. 2 KHVG 1987). Nach dem Inhalt dieser Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AKHB 1988) besteht jedoch keine im Fall ihrer Verletzung zur Leistungsfreiheit des Versicherers führende Obliegenheit des Versicherungsnehmers, versicherte Fahrzeuge nur in bestimmten Kriterien genügenden Garagen unterzubringen. Allerdings ist nicht auszuschließen, daß im Rahmen besonderer Versicherungsbedingungen, die gemäß dem § 12 KHVG 1987 für freiwillige Versicherungen zulässig sind, eine derartige Obliegenheit des Bundes einzelvertraglich vereinbart wurde. Nur wenn dies im vorliegenden Fall auch tatsächlich geschehen wäre, könnte demnach überhaupt von einem im Vermögen entweder der B*****-Versicherung oder des Bundes (infolge Leistungsfreiheit der Versicherung) eintretenden Schaden gesprochen werden, auf den ein entsprechender Schädigungsvorsatz der Angeklagten bezogen werden könnte.
Da nach dem eingangs Gesagten von der Frage, ob im konkreten Fall eine Schädigung überhaupt eintreten konnte, die Beurteilung der den Angeklagten zur Last gelegten Tat entweder als Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB oder aber als das Vergehen der falschen Beurkundung im Amt nach dem § 311 StGB abhängt, der Oberste Gerichtshof aber im angefochtenen Urteil gerade jene Tatsachen nicht festgestellt findet, die bei richtiger Anwendung des Gesetzes dem Erkenntnis zugrunde zu legen wären, war mit Aufhebung des Schuldspruchs und Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz vorzugehen.
Zu II.: "Amtsgeschäfte" iS des § 302 Abs. 1 StGB sind alle Verrichtungen, die zum eigentlichen Gegenstand des jeweiligen Amtsbetriebes gehören, soweit dieser - wie für die Bundesgendarmerie bereits dargetan, Hoheitsverwaltung und für das Erreichen des amtsspezifischen Vollzugszieles relevant ist. In diesem Sinn ist der bestimmungsgemäße Einsatz amtseigener Budgetmittel, so auch der Überstunden- und Nebengebührenaufwand für die Beamten, direkt auf die Erreichung der spezifischen Vollziehungsziele des betreffenden Amtes ausgerichtet, so daß er bereits zum eigentlichen Gegenstand des Amtsbetriebes gehört und nicht bloß zur Schaffung der hiefür nötigen äußeren Voraussetzungen (Mayerhofer-Rieder StGB3 ENr. 22 = SSt. 49/38; siehe auch EvBl. 1986/46 und 12 Os 160/86). Wer als zur Kontrolle und Dienstaufsicht berufener Beamter die Richtigkeit eines Gebührenanspruches bestätigt, der von einem ihm unterstellten Beamten geltend gemacht wird, obgleich er weiß, daß die von seinem Untergebenen als Partei gemachten Angaben nicht der Wahrheit entsprechen, verantwortet Mißbrauch der Amtsgewalt (LSK 1976/316, vgl. auch EvBl. 1979/60, JBl. 1990, 195 und abermals SSt. 49/38 und 12 Os 160/86). In rechtlicher Beziehung ist daher nicht zu bezweifeln, daß die falsche Bestätigung der Überstunden von ihm unterstehenden Beamten durch den Zweitangeklagten als Kommandanten der Außenstelle S***** in objektiver Beziehung den Tatbestand des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB verwirklicht. Der Umstand, daß die der internen Abrechnung dienende Überstundenliste keine öffentliche Urkunden ist (SSt. 55/34, Mayerhofer-Rieder StGB3 Anm. 1, ENr. 3 b, 3 c zu § 311), wie das Erstgericht insofern zutreffend ausführt, ändert nichts an dem vorliegenden Mißbrauch der Befugnisse zur Vornahme von Amtsgeschäften in der Bedeutung des § 302 Abs. 1 StGB.
Die der Annahme der subjektiven Tatseite dieses Verbrechens entgegenstehenden Urteilsfeststellungen bekämpft die Staatsanwaltschaft zutreffend aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO. Tatsächlich kann unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens nicht ernstlich angenommen werden, daß der Angeklagte Roman M***** von der (geradezu absurden) Vorstellung ausging, die Beamten A*****, G***** und O***** hätten in den letzten 40 bis 50 Stunden ihres Dienstes keine Ruhepausen eingelegt. Nur so wäre nämlich die seiner Behauptung nach rechtlich zulässige Ansammlung von zwei bis zweieinhalb Stunden "Pause" überhaupt möglich gewesen, da nach seiner Darstellung für fünf Stunden Einsatz jeweils eine viertelstündige Pause zustehe. Das Erstgericht vermag in seiner Beweiswürdigung (US 11) jene angeblich teilweise noch in Geltung befindlichen Vorschriften nicht zu nennen, die eine Zusammenziehung von Rastzeiten zuließe. Derartige Vorschriften sind im Beweisverfahren auch nicht hervorgekommen.
Die sich über die Auskünfte des Bundesministeriums für Inneres (ON 32 und 36) und die Zeugenaussagen der leitenden Beamten des Landesgendarmeriekommandos (insbesonders S 310) aber auch des Postenkommandanten W***** (S 311), wonach eine Zusammenrechnung "angesparter" Rastzeiten nicht gestattet ist, ohne zureichende Begründung hinwegsetzenden Urteilsfeststellungen sind daher mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO behaftet. Dies macht eine Erneuerung des Beweisverfahrens auch in Ansehung des Faktums II erforderlich, weshalb das angefochtene Urteil zur Gänze aufzuheben und dem Erstgericht im Umfang beider Anklagepunkte die neuerliche Entscheidung aufzutragen war.
Anmerkung
E27872European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0130OS00130.9.0904.000Dokumentnummer
JJT_19910904_OGH0002_0130OS00130_9000000_000