Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes
Hon.Prof. Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Melanie Beate L*****, geboren *****1985, in Obsorge ihrer Mutter Brigitte W*****, Hausfrau, ***** infolge Revisionsrekurses der Bezirkshauptmannschaft Hartberg als Sachwalterin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 5.Juli 1991, 1 R 279/91-10, womit auf Grund des Rekurses der Mutter der Beschluß des Bezirksgerichtes Hartberg vom 12.Juni 1991, 1 P 115/85-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Brigitte L***** hat gemäß § 166 ABGB die Obsorge für ihr am 23.7.1985 geborenes uneheliches Kind Melanie Beate L*****. Die Mutter hat am 29.9.1990 Heinz W***** geheiratet und führt daher jetzt den Familiennamen "W*****". Ihr Ehemann will der Minderjährigen seinen Familiennamen geben (§ 165 a Abs 1 ABGB).
Die Mutter beantragt daher, die Bezirkshauptmannschaft Hartberg zur Kollisionskuratorin der Minderjährigen für das Namensgebungsverfahren zu bestellen.
Das Erstgericht wies den Antrag ab, weil kein Interessenwiderstreit bestehe.
Das Rekursgericht gab dem Antrag der Mutter Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Gemäß § 165 a Abs 2 ABGB bedürfe die Namensgebung durch den Ehegatten der Mutter der Zustimmung der Mutter und des gesetzlichen Vertreters des Kindes (sowie allenfalls auch des Kindes selbst). Darin komme die Überlegung des Gesetzgebers zum Ausdruck, daß die Interessen des Kindes neben denen der Mutter und des Vaters gewahrt werden müßten. Sei entweder die Mutter oder der Vater zugleich gesetzlicher Vertreter des Kindes, dann führe dies bei objektiver Betrachtungsweise zwangsläufig zu einem Kollisionsfall, weil das Zustimmungsrecht der Mutter oder des Vaters und des gesetzlichen Vertreters des Kindes von ein und derselben Person ausgeübt werden müßten. Dazu komme, daß das Gericht nur in Ausnahmefällen in das Namensgebungsverfahren einbezogen werde. Das Rekursgericht schließe sich daher der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes (in EFSlg 56.863 = RpflSlg A 7840) an.
Die Bezirkshauptmannschaft Hartberg bekämpft als bestellter Kollisionskurator des Kindes den Beschluß der zweiten Instanz mit außerordentlichem Revisionsrekurs wegen "offenbarer Gesetzwidrigkeit" (richtig: unrichtiger rechtlicher Beurteilung iS des § 15 Z 4 AußStrG) und beantragt, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig. Der Oberste Gerichtshof hat zwar bereits in der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung vom 27.1.1988 ausgesprochen, daß die Mutter, die gleichzeitig auch Vormund des Kindes ist, im Fall einer Namensgebung durch ihren Ehemann nicht als unbefangen anzusehen sei und daher eine Kollision bestehe, welche die Bestellung eines Kollisionskurators notwendig mache; die Revisionsrekurswerberin wirft aber die auch im Schrifttum erörterte erhebliche Rechtsfrage auf, ob diese Rechtslage durch das Inkrafttreten des KindRÄG BGBl 1989/182 eine Änderung erfahren hat, weil durch dieses Gesetz die Rechtsstellung der unehelichen Mutter durch die Normierung ihres gesetzlichen Obsorgerechtes (§ 166 ABGB) erheblich verstärkt worden ist.
Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 27.1.1988, 3 Ob 502/88 (EFSlg 56.863 = RpflSlg A 7840), zu dieser Frage folgendes ausgeführt:
"Nach § 165 a Abs 2 ABGB bedarf die Namensgebung außer der Zustimmung der Mutter unter anderem auch jener des gesetzlichen Vertreters des Kindes. Da die Mutter auch Vormund des Kindes ist, ist zu prüfen, ob die begehrte Namensgebung jenen Geschäften zuzurechnen ist, die gemäß § 271 ABGB die Ernennung eines besonderen Kurators erforderlich machen. Der Ausdruck "Geschäfte" iS des § 271 ABGB ist weit auszulegen; Voraussetzung ist jedoch, daß im konkreten Fall ein Widerstreit zwischen den Interessen des Pflegebefohlenen und denjenigen seines gesetzlichen Vertreters besteht. Ein derartiger Widerstreit ist unter anderem dann anzunehmen, wenn der gesetzliche Vertreter in so nahen Beziehungen zu einer an dem Geschäft beteiligten Person steht, daß seine Unbefangenheit zweifelhaft sein kann (SZ 53/136; Ehrenzweig2 II/2, 341). Im Fall einer Namensgebung durch den Ehemann der Mutter gemäß § 165 a ABGB kann die Mutter, die gleichzeitig auch Vormünderin des Kindes ist, nicht als unbefangen angesehen werden. Es besteht daher eine Kollision und damit die Notwendigkeit einer Kuratorbestellung nach § 271 ABGB (Pichler in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 165 a bis 165 c; vgl auch Radel, ÖStA 1971, 50 und Hainzl, ÖStA 1971, 85)."
Während die Mutter nach der früheren - zur Zeit der zitierten Entscheidung geltenden - Rechtslage (§ 198 Abs 2 ABGB aF) auf ihren Antrag zum Vormund bestellt werden konnte, wenn sie geeignet war und ihr die Sorge für die Pflege und Erziehung des Kindes zustand, kommt der Mutter seit dem Inkrafttreten des KindRÄG am 1.7.1989 gemäß § 166 ABGB die Obsorge für das uneheliche Kind allein zu, sofern nicht ein Fall des § 145 Abs 1 oder des § 167 ABGB vorliegt. Im Regelfall des § 166 ABGB hat daher die Mutter schon kraft Gesetzes das Recht, ihr minderjähriges uneheliches Kind zu pflegen und zu erziehen, sein Vermögen zu verwalten und es - worauf es bei der hier vorliegenden Mitwirkung an der Namensgebung ankommt - zu vertreten (§ 144 ABGB). Die Revisionsrekurswerberin leitet aus dieser Stärkung der Rechtsstellung der unehelichen Mutter ab, daß im Fall einer Namensgebung die gesetzliche Vertretung des Kindes nicht durch die Bestellung eines Kollisionskurators beeinträchtigt werden dürfe; dem ist aber nicht zu folgen:
Der erkennende Senat hält mit der zitierten Vorentscheidung daran fest, daß im Fall der Zustimmung der Mutter zur Namensgebung durch ihren Ehemann potentiell ein Interessenwiderstreit zwischen ihren eigenen Interessen als Zustimmungsberechtigte und als gesetzliche Vertreterin des Kindes (welches erst nach Vollendung des 14.Lebensjahres ein eigenes Zustimmungsrecht hat) besteht, so daß für das Kind gemäß § 271 ABGB ein Kurator zu bestellen ist. Beruht aber der Interessenwiderstreit auf der doppelten Stellung der Mutter als Zustimmungsberechtigte und als gesetzliche Vertreterin des Kindes, dann hat das KindRÄG in der hier zu entscheidenden Frage, ob eine Interessenkollision besteht, keine relevanten Änderungen gebracht; für diese Frage ist es gleichgültig, ob die Vertretung des Kindes durch die Mutter (so wie nach der früheren Rechtslage) auf einem gerichtlichen Bestellungsakt zum Vormund gemäß § 198 Abs 2 ABGB aF beruht oder ob die Mutter (wie nach der nunmehrigen Rechtslage) gemäß § 166 ABGB unmittelbar kraft Gesetzes Obsorgeberechtigte und damit gesetzliche Vertreterin des Kindes iS des § 165 a Abs 2 ABGB ist.
Diese Ansicht vertritt auch die Lehre: auch nach der neuen Rechtslage trete die Kollision ein, wenn die Mutter (nach § 166 ABGB) oder der Vater (nach § 145 Abs 1 Satz 2 ABGB) oder beide gemeinsam (nach § 167 ABGB) gesetzliche Vertreter des Kindes in diesem Bereich sind (Pichler in ÖA 1991, 50; derselbe in Rummel2 Rz 4 zu §§ 165 a bis 165 c ABGB; Hintermüller, ÖStA 1991, 5; Zeyringer, Personenstandsrecht, 2.ErgBd 82 FN 5 a). Die Auflistung der möglichen Kollisionsfälle durch Pichler zeigt im übrigen, daß diese Rechtsfolge keine Diskriminierung der durch das KindRÄG im wesentlichen gleichgestellten unehelichen Mutter, sondern nur eine Folge des Zusammenfallens der Wahrnehmung eigener Zustimmungsrechte mit Vertretungsrechten des Kindes ist, welche im Fall einer Vertretung des unehelichen Kindes durch den Vater in gleicher Weise eintritt. Das Rekursgericht hat daher gemäß § 271 ABGB zutreffend die Revisionsrekurswerberin zum Sachwalter bestellt (§ 213 ABGB).
Auf die im Revisionsrekurs aufgeworfene Frage, ob der Erlaß des BMfJ vom 24.5.1991, GZ 4.810/515-I 1/91, mit dieser Rechtslage im Einklang steht, ist nicht einzugehen, zumal sich die Revisionsrekurswerberin zur Vertretung nicht bereit erklärt hat (§ 212 Abs 3 ABGB) und daher die im Erlaß vorgeschlagene Vorgangsweise nicht in Betracht kommt.
Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E27438European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0040OB00558.91.0910.000Dokumentnummer
JJT_19910910_OGH0002_0040OB00558_9100000_000