TE OGH 1991/9/11 9ObS16/91

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Veröffentlicht am 11.09.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Meches und Renate Csörgits als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei H***** S*****, Diplomnautiker, ***** vertreten durch Dr. *****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei ARBEITSAMT VERSICHERUNGSDIENSTE, Wien 4., Schwindgasse 5, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1.,

Singerstraße 17-19, wegen Insolvenz-Ausfallgeld (S 201.879,67 netto; Streitwert im Revisionsverfahren S 147.969,82 netto sA), infolge Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Mai 1991, 31 Rs 70/91-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 31. Juli 1990, 3 Cgs 1002/89-7, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war

a) vom 15.8.1969 bis 30.4.1970 bei der Kommanditgesellschaft Verlag F***** H*****, K***** (21 HRA 541 des Amtsgerichtes K*****), und

b) vom 1.5.1970 bis 31.12.1976 in der Zweigniederlassung dieses Verlages in Wien als Angestellter beschäftigt.

c) Vom 9.12.1970 bis 9.11.1984 war der Kläger Geschäftsführer der "Verlag F***** H***** Gesellschaft mbH" (HRB 9.241 des Handelsgerichtes Wien), die 1965 als Tochtergesellschaft der Firma Verlag F***** H***** KG in K***** gegründet worden war (90 %, später 100 % Beteiligung). Die Verlag F***** H***** Gesellschaft mbH gründete mit Wirkung vom 1.1.1976 mit Kommanditisten die Verlag F***** H***** Gesellschaft mbH & Co KG, die durch die Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft, darunter auch den Kläger, vertreten wurde (HRA 7.140 a des Handelsgerichtes Wien). Diese Gesellschaft führte das bisher von der Komplementärin am selben Standort betriebene Unternehmen weiter.

Am 9.11.1984 wurde der Kläger als Geschäftsführer (der KG und der Komplementärgesellschaft) abberufen und war seither leitender Angestellter der F***** H***** Verlagsgesellschaft mbH & Co KG. Mit dem am selben Tag mit dem Kläger abgeschlossenen Dienstvertrag wurden ihm seine Vordienstzeiten bei der Fa Verlag F***** H***** und bei der Verlagsgesellschaft F***** H***** Gesellschaft mbH für alle von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängigen Ansprüche voll angerechnet und er so gestellt, als ob er bereits seit 1.4.1969 Angestellter dieser Dienstgeberin gewesen wäre. Der Abfertigungsanspruch des Klägers wurde mit dem Siebenfachen des letzten Monatsbezuges festgesetzt; er sollte sich mit Vollendung des 20.Dienstjahres auf das Zehnfache und mit der Vollendung des 25.Dienstjahres auf das Zwölffache des letzten Monatsbezuges erhöhen. Ferner wurde mit diesem Dienstvertrag das Kündigungsrecht der Dienstgeberin stark eingeschränkt. Diese kündigte den Kläger zum 30.9.1986. Er erhob dagegen beim Arbeits- und Sozialgericht Wien (wegen des weitgehenden Kündigungsverzichtes) Feststellungsklage. Die Dienstgeberin leistete auf die Abfertigungsansprüche des Klägers Teilzahlungen von S 242.828,15 und verpflichtete sich mit dem am 17.6.1988 zu 9 Cga 2083/86 des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien abgeschlossenen Vergleich unter anderem, dem Kläger an "restlicher gesetzlicher Abfertigung" S 192.643,-- sowie Kosten von S 30.000,-- zu zahlen. Die dortigen Streitteile vereinbarten die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses des Klägers zum 30.6.1987.

Da die Dienstgeberin den Vergleich nicht erfüllte, stellte der Kläger den Antrag, über ihr Vermögen den Konkurs zu eröffnen. Das Handelsgericht Wien wies diesen Antrag mit Beschluß vom 10.11.1988, 5 Nc 669/88 mangels eines zur Deckung der Konkurskosten ausreichenden Vermögens ab. Die Komplementärgesellschaft wurde gemäß Art III § 8 GmbHG-Nov 1980 (mangels Anpassung des Stammkapitals an den neuen Mindestbetrag) von Amts wegen aufgelöst. Die Auflösung trat mit 24.11.1987 in Kraft (siehe HRB 9.249 des Handelsgerichtes Wien).

Mit Bescheid vom 13.10.1989, 920/705/1/88, erkannte das beklagte Arbeitsamt dem Kläger (an Gehalt, restlicher Weihnachtsremuneration und aliquoten Sonderzahlungen, Kosten und Verzugszinsen) ein Insolvenz-Ausfallgeld von S 131.664,-- zu und wies mit gesondertem Bescheid vom selben Tag 920/750/1A/88 die übrigen Ansprüche des Klägers, insbesondere die restlichen Abfertigungsansprüche mit der Begründung ab, daß dem Kläger für die Zeit, in der er Geschäftsführer des Verlages F***** H***** GmbH gewesen sei (9.12.1970 bis 9.11.1984) gemäß § 1 Abs 6 Z 2 IESG kein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld zustehe. Die für den restlichen Zeitraum gebührende Abfertigung sei durch die Teilzahlungen der Dienstgeberin gedeckt. Kosten stünden dem Kläger nur aliquot zu.

Der Kläger begehrte von der Beklagten zuletzt außer dem bereits

zuerkannten Betrag ein weiteres Insolvenz-Ausfallgeld für den

unberichtigten Abfertigungsanspruch in Höhe von      S 190.716,57

sowie Zinsen von                                     S   4.990,--

und Kosten von                                       S   6.173,10

zusammen                                             S 201.879,67

netto.

Der Kläger sei zwar am 9.12.1970 Geschäftsführer der F***** H***** Verlagsgesellschaft mbH gewesen, diese aber erst 1976 Komplementärin der F***** H***** GmbH & Co KG geworden. Der Kläger sei bis 31.12.1976 bei der Firma Verlag F***** H*****, nicht aber bei der Verlag F***** H***** GmbH bzw. der Verlag F***** H***** GmbH & Co KG beschäftigt gewesen. Für die Zeit bis 31.12.1976 fehle jeder gesellschaftsrechtliche Zusammenhang zwischen der Dienstgebergesellschaft und der handelsrechtlichen Vorstandsfunktion des Dienstnehmers. Für die Zeit vom 1.4.1969 bis 31.12.1976 und vom 9.11.1984 bis 30.6.1987 habe der Kläger einen gesetzlichen Abfertigungsanspruch in der Höhe von vier Monatsbezügen; mindestens dieser Abfertigungsanspruch sei nach dem IESG gesichert. Dazu komme die im Dienstvertrag zusätzlich vereinbarte Abfertigung in der Höhe eines Monatsbezuges. Es sei willkürlich und unvertretbar, die Teilzahlungen der Dienstgeberin zur Gänze auf den gesicherten Teil des Abfertigungsanspruches anzurechnen.

Das beklagte Arbeitsamt beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß bei der Bemessung des Abfertigungsanspruches jene Anwartschaftszeiten auszuscheiden seien, in denen der Kläger die Funktion eines Geschäftsführers ausgeübt habe. Der danach verbleibende Abfertigungsanspruch sei durch die Teilzahlungen der Dienstgeberin gedeckt. Außerdem unterliege der Anspruch des Klägers den Betragsbeschränkungen nach § 1 Abs 3 Z 4 und Abs 4 IESG.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es traf folgende weitere wesentliche Feststellungen:

Während seiner Tätigkeit im Verlag F***** H*****, K*****, und während seiner Tätigkeit in der Zweigniederlassung dieses Verlages in Wien hatte der Kläger keinen Einfluß auf die Geschäftsgebarung dieses Betriebes. Während der Tätigkeit des Klägers bei der Verlag F***** H***** Gesellschaft mbH erstreckte sich der Einfluß des Klägers nur auf die Aufsicht über das Personal; die Gebarung des Unternehmens wurde durch Gesellschafterbeschlüsse und aus K***** bestimmt.

Der Kläger war Kommanditist bei der Verlag F***** H***** Gesellschaft mbH & Co KG und Gesellschafter der Verlag F***** H***** Gesellschaft mbH. Als Gesellschafter ist er aus beiden Gesellschaften im Zuge der Verhandlungen über seine Aufnahme als Angestellter der Verlag F***** H***** Gesellschaft mbH & Co KG ausgeschieden. Die Verlag F***** H***** Gesellschaft mbH entfaltete in den Jahren 1970 bis 1976 keine eigene Geschäftstätigkeit (diese Feststellung widerspricht dem vorliegenden Registerstand).

Ab 1.1.1976 bestand die Verlag F***** H***** Gesellschaft mbH & Co KG. Allein vertretungsberechtigt für diese Gesellschaft war die Komplementärgesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin. Der Kläger war ab 1.1.1967 (richtig wohl 1976) zeichnungsberechtigter Geschäftsführer dieser Gesellschaft. Im Mai 1969 wurde ihm zugesagt, daß ihm für seine künftige Angestelltentätigkeit die Zeit seiner Tätigkeit in K***** voll angerechnet werden würde.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß der vereinbarte Abfertigungsanspruch in der Höhe von sieben Monatsentgelten zwar den gesetzlichen Abfertigungsanspruch um ein Monat übersteige, der Mehranspruch jedoch nicht unter den Voraussetzungen des § 1 Abs 3 Z 2 lit a bis c IESG, sondern bereits mit Abschluß des Dienstvertrages vom 9.11.1984 erworben worden sei. Eine analoge Anwendung des § 1 Abs 5 (jetzt: Abs 6) Z 2 IESG widerspreche den Auslegungsregeln des § 6 ABGB. Mit der fiktiven Anrechnung der Dienstzeit ab 1.4.1969 sei die "Tatsachengrundlage" für die Abfertigung durch eine andere ersetzt worden. Der Kläger habe auch als Gesellschafter (Kommanditist) der Dienstgebergesellschaft keinen beherrschenden Einfluß auf die Gesellschaft gehabt, so daß auch der Ausschließungsgrund des § 1 Abs 5 (jetzt: Abs 6) Z 3 IESG nicht gegeben sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge; es änderte das Ersturteil dahin ab, daß es die beklagte Partei schuldig erkannte, dem Kläger S 53.909,85 sA zu zahlen und das Mehrbegehren von S 147.969,82 sA abwies. Der stattgebende Teil der Entscheidung des Berufungsgerichtes blieb unbekämpft.

Die zweite Instanz war der Ansicht, daß sich die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 6 Z 2 IESG erkennbar nur auf zur gesetzlichen Vertretung berufene Organmitglieder juristischer Personen beziehe, die zu dieser juristischen Person in einem Arbeitsverhältnis stehen. Dies ergebe sich insbesondere aus § 12 Abs 1 Z 5 letzter Satz IESG. Dem Kläger schade es daher nicht, daß er während seines Dienstverhältnisses zum Verlag F***** H***** (15.8.1969 bis 31.12.1976) ab 9.12.1970 zum Geschäftsführer der Verlag F***** H***** GmbH bestellt worden sei, weil diese Gesellschaft zunächst nicht sein Dienstgeber gewesen sei. Während des Zeitraumes vom 9.12.1970 bis 31.12.1976 habe der Kläger nicht dem in § 1 Abs 6 Z 2 IESG umschriebenen Personenkreis angehört. Vom 1.1.1977 bis zum 9.11.1984 sei der Kläger Dienstnehmer bei der Verlag F***** H***** Gesellschaft gewesen und daher von der Ausnahmevorschrift des § 1 Abs 6 Z 2 IESG betroffen worden. Für die Bemessung seines nach dem IESG gesicherten Abfertigungsanspruches seien daher die Zeiträume vom 15.8.1969 bis 31.12.1976 und vom 10.11.1984 bis 30.6.1987, also 10 Jahre und 17 Tage zu berücksichtigen.

Die Anrechnung der (übrigen) Zeiten, in welchen der Kläger zum Personenkreis des § 1 Abs 6 Z 2 IESG gehörte, sei zwar aus privatrechtlicher Sicht wirksam, nicht aber für die Ermittlung des Insolvenz-Ausfallgeldes. Der Ausschluß nach § 1 Abs 6 Z 2 IESG erfasse auch die Berücksichtigung von Zeiten der Organmitgliedschaft für die Ermittlung von Ansprüchen, die von der Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängig seien. Der Kläger habe daher einen nach dem IESG gesicherten gesetzlichen Abfertigungsanspruch in der Höhe des Vierfachen des für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgelts. Dazu trete ein vertraglich zugestandener weiterer Monatsbezug auf Grund einer Einzelvereinbarung nach § 1 Abs 3 Z 2 IESG, da Ausschlußgründe nach lit a und b nicht gegeben seien. Der Anspruch des Klägers unterliege aber zusätzlich noch der betraglichen Beschränkung nach § 1 Abs 3 Z 4 und Abs 4 IESG; als Grenzbetrag gemäß § 1 Abs 4 IESG gelte der zweifache Betrag der Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 45 Abs 1 lit b ASVG. Dieser habe sich im Jahr 1987 auf S 52.800,-- belaufen. Durch die Zahlungen der Dienstgeberin in Höhe von S 242.828,15 seien drei Monatsbezüge inklusive Sonderzahlungen in der Höhe von je S 62.210,-- zur Gänze und ein weiterer Monatsbezug jedenfalls bis zur Höhe des Grenzbetrages von S 52.800,-- befriedigt worden. Dem Kläger stehe lediglich der auf der Einzelvereinbarung beruhende zusätzliche Monatsbezug (an Abfertigung) bis zur Höhe von S 52.800,-- zu.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Gemäß § 1 Abs 6 Z 2 IESG haben die Mitglieder des Organs einer juristischen Person, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist, keinen Anspruch auf Insolvenzausfallgeld. Zu diesem Personenkreis gehören Vorstandsmitglieder einer AG, Geschäftsführer einer GmbH, Vorstandsmitglieder einer Genossenschaft usw, aber auch die Organmitglieder der Komplementärgesellschaft einer GmbH & Co KG hinsichtlich ihrer behaupteten Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mit der KG (VwGH 13.11.1985 ZfVB 1986/1316; 4.12.1985, ZfVB 1986/1718; 23.1.1987 ZfVB 1987/2152), sind sie doch als organschaftliche Vertreter der GmbH (Komplementärin) gleichzeitig zur Vertretung der Kommanditgesellschaft berufen (§§ 125 Abs 1, 161 Abs 2, 170 HGB). Auch stellt die Konkursordnung Handelsgesellschaften, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, bezüglich der materiellen Konkursvoraussetzungen den juristischen Personen gleich (§ 67 KO).

Der Grund für den Ausschluß dieser Personengruppe vom Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld war die Überlegung, daß diese Personen gemäß § 36 Abs 2 Z 1 ArbVG nicht als Arbeitnehmer gelten (vgl EB RV 446 BlgNr 15.GP 5; Schwarz-Holler-Holzer, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz2, 64). § 1 Abs 6 Z 2 IESG stellt nur auf die Organmitgliedschaft und - anders als § 1 Abs 6 Z 3 - nicht auf die rechtliche und faktische Einflußmöglichkeit der als Organe bestellten Personen ab (vgl VwSlg 11.000 A;

11.602 A; 9 Ob S 23/89, 9 Ob S 6/91). Mit der pauschalen Herausnahme dieser Personengruppe ohne Rücksicht auf die faktische und rechtliche Einflußmöglichkeit hat der Gesetzgeber klargestellt, daß die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Arbeitsvertragsrechtes für den Bereich des IESG nicht immer allein maßgebend ist, sondern daß entsprechend der Interessenlage und der sozialen Stellung Einschränkungen geboten sind. Auch wenn die Mitglieder vertretungsbefugter Organe juristischer Personen arbeitsvertraglich demnach als Arbeitnehmer zu qualifizieren wären, besteht für sie kein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld (Schwarz-Holler-Holzer aaO 64 f; VwGH ÖJZ 1984, 81). Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 9.935 ausgesprochen hat, ist der pauschale Ausschluß dieser Personengruppe aus dem Anwendungsbereich des IESG sachlich gerechtfertigt. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens könnten diese Personen nämlich auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens typischerweise verstärkt und unmittelbar Einfluß nehmen, und sich auch rechtzeitig persönlich einen umfassenden Einblick in die maßgeblichen Verhältnisse verschaffen. Gerade in bezug auf die Insolvenz des Unternehmens sei daher die Lage der Mitglieder vertretungsbefugter Organe einer juristischen Person in wesentlichen Punkten eine andere als die der übrigen Arbeitnehmer (ZAS 1989, 205 (G. Schima); GesRZ 1989, 221 = WBl 1989, 377; 9 Ob S 23/89; 9 Ob S 6/91).

Zeiten der Organmitgliedschaft im Sinne dieser Gesetzesstelle sind bei der Prüfung der Frage, in welchem Umfang Insolvenzausfallgeld zu leisten ist, außer Betracht zu lassen (RdW 1990, 54; 9 Ob S 12/90; 9 Ob S 1/91). Dies gilt auch für Anwartschaftszeiten, deren Dauer für die Höhe bestimmter Ansprüche (insbesondere Abfertigungsansprüche) maßgebend ist. Ob in diesem Umfang ein nach § 1 IESG gesicherter Abfertigungsanspruch besteht, ist daher nur auf der Grundlage jener Zeiten zu prüfen, in denen keine Organmitgliedschaft bestand (ähnlich RdW 1990, 54).

Der Ansicht des Berufungsgerichtes, daß der Kläger in der Zeit vom 9.12.1970 bis zum 31.12.1976 nicht zu dem in § 1 Abs 6 Z 2 IESG umschriebenen Personenkreis gehörte, weil er nicht bei der Verlag F***** H***** GmbH, sondern bei der Firma Verlag F***** H***** (der deutschen Muttergesellschaft) beschäftigt war, ist nicht zu folgen.

Aus den Feststellungen der Vorinstanzen und den angeschlossenen

Fotokopien aus dem Handelsregisterakt ergibt sich, daß die Firma

Verlag F***** H*****, K***** schon im Jahre 1965 die Verlag

F***** H***** Gesellschaft mbH in Wien als Tochtergesellschaft

gegründet hat und nach dem Ausscheiden eines 10 %-Gesellschafters

(siehe Gesellschafterliste vom 26.10.1965) alleinige

Gesellschafterin dieser Tochtergesellschaft war. Der Kläger wurde

schon am 9.12.1970 zum Mitgeschäftsführer dieser

Einmanngesellschaft bestellt, die das österreichische Unternehmen

schließlich mit 1.1.1976 in die "Verlag F***** H*****

Gesellschaft mbH & Co KG" einbrachte.

Die Bestellung des Klägers zum (Mit-)Geschäftsführer der Verlag F***** H***** Gesellschaft mbH setzte gemäß § 15 Abs 1 GmbHG einen Beschluß des (einzigen) Gesellschafters der Tochtergesellschaft voraus. Ob der Kläger mit dieser Gesellschaft auch einen (organschaftlichen) Anstellungsvertrag schloß oder weiterhin bis 31.12.1976 (formell) bei der Muttergesellschaft auf Grund eines Angestelltendienstvertrages "beschäftigt" war, ist für die Frage des Anspruchsausschlusses nach § 1 Abs 6 Z 2 IESG unerheblich. Entscheidend ist, daß der Kläger seine Ansprüche gegen den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds gerade aus der Insolvenz (hier: Fall des § 1 Abs 1 Z 3 IESG) jener Kommanditgesellschaft ableitet, bei deren Komplementärgesellschaft er schon seit 9.12.1970 (Mit-)Geschäftsführer und auch tatsächlich tätig war, steht doch außer Streit, daß er in der Zweigniederlassung dieses Verlages in Wien "beschäftigt" war. Damit trifft aber die Ratio des § 1 Abs 6 Z 2 IESG, daß er zu dem Personenkreis gehörte, der zumindest typischerweise auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens verstärkt und unmittelbar Einfluß nehmen und sich auch rechtzeitig persönlich einen umfassenden Einblick in die maßgebenden Verhältnisse verschaffen konnte, auf die Verlag F***** H***** Gesellschaft und die spätere Kommanditgesellschaft zu. Überdies bestand zwischen der Mutter- und Tochtergesellschaft Eigentümeridentität. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, daß die Verlag F***** H***** Gesellschaft mbH in der Zeit vom 15.8.1969 bis 31.12.1976 "nicht sein Dienstgeber" war. Wird ein Angestellter zum Vorstandsmitglied (Geschäftsführer einer GmbH) bestellt, so erlischt sein Angestelltendienstverhältnis (zu dieser Gesellschaft) ohnehin (RdW 1989, 377). Die Frage, ob es aufrecht bleibt, wenn es nicht mit der vertretenen Gesellschaft, sondern mit der Muttergesellschaft abgeschlossen wurde, kann auf sich beruhen, da ja der Kläger keine Insolvenz-Ausfallgeldansprüche aus der Insolvenz der Muttergesellschaft, sondern der aus der Tochtergesellschaft hervorgegangenen Kommanditgesellschaft erhebt, die dadurch entstanden sind, daß ihm diese Gesellschaft auch jene Zeiten, die er bei der F***** H***** Verlagsgesellschaft mbH als deren Geschäftsführer zubrachte, so angerechnet hat, als ob er bereits seit 1.4.1969 ihr Angestellter gewesen wäre. Würde man in einem solchen Fall den Ausschlußtatbestand des § 1 Abs 6 Z 2 IESG auf Ansprüche aus der Insolvenz der betroffenen Tochtergesellschaft nicht anwenden, könnte diese Bestimmung vor allem in Konzernverhältnissen mühelos dadurch umgangen werden, daß eine Person abwechselnd Angestellter der einen und Vorstandsmitglied der anderen Gesellschaft ist und ihr dann jeweils die Vordienstzeiten in der anderen Gesellschaft angerechnet werden.

Dem Kläger ist daher auch die Zeit vom 9.12.1970 bis 31.12.1976 für die Berechnung seiner nach § 1 IESG gesicherten Abfertigungsansprüche nicht anzurechnen. Dem gesicherten Abfertigungsanspruch des Klägers ist somit nur eine Dienstzeit von vier Jahren, 11 Monaten und 15 Tagen (15.8.1969 bis 9.12.1970; 9.11.1984 bis 30.6.1987) zugrundezulegen. Der gesicherte gesetzliche Abfertigungsanspruch beträgt daher nur das Zweifache des letzten Monatsentgelts unter Bedachtnahme auf die Betragsbeschränkung des § 1 Abs 3 Z 4 iVm Abs 4 IESG.

Dieser gesicherte Abfertigungsanspruch ist durch die Teilzahlungen des Dienstgebers in Höhe von S 242.828,15 bei weitem gedeckt. Da es Zweck des IESG ist, die Arbeitnehmer vor dem Verlust ihrer Ansprüche zu bewahren, auf die sie zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes angewiesen sind (9 Ob S 10/89; 9 Ob S 1, 2/90), sind im Fall von Anspruchsbegrenzungen - als solche wirkt sich auch die Nichtanrechnung von Teilzeiten aus, die ein Angestellter als Mitglied des Organs einer juristischen Person iS des § 1 Abs 6 Z 2 IESG zurückgelegt hat - Teilzahlungen des Arbeitgebers zuerst auf den gesicherten Teil der Ansprüche des Arbeitnehmers anzurechnen; davon abweichende Widmungsvereinbarungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien sind nicht zu beachten; es käme sonst zu einer nicht gerechtfertigten Besserstellung jener Arbeitnehmer, die ohnehin einen Teil ihrer Ansprüche vom Arbeitgeber hereinbringen konnten, dennoch aber alle restlichen Ansprüche bis zu dem nach dem IESG gesicherten Höchstausmaß vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds ersetzt erhielten.

Der auf Einzelvereinbarung beruhende zusätzliche Abfertigungsanspruch wurde dem Kläger rechtskräftig zuerkannt.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Zu einem Kostenersatz an den Kläger nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG besteht keine Veranlassung.

Anmerkung

E26645

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:009OBS00016.91.0911.000

Dokumentnummer

JJT_19910911_OGH0002_009OBS00016_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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