Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12.September 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loub als Schriftführerin in der Strafsache gegen Zoran V***** und Branka V***** wegen des Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit a FinStrG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 23. November 1990, GZ 34 b Vr 1385/88-18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden die beiden seit 1973 in Österreich beschäftigten und wohnhaften jugoslawischen Staatsbürger Zoran V*****, und Branka V*****, der Finanzvergehen des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit a FinStrG (1.1) und des vorsätzlichen Eingriffes in die Rechte des Tabakmonopols nach § 44 Abs. 1 lit c FinStrG (1.2) schuldig erkannt. Darnach haben die Eheleute V***** von Oktober 1987 bis August 1988 gewerbsmäßig anläßlich mehrerer Fahrten mit dem Personenkraftwagen von Jugoslawien nach Österreich eingangsabgabepflichtige Waren, nämlich mindestens 500 Stangen (a 200 Stück) Filterzigaretten verschiedener Marken, mit darauf entfallenden Eingangsabgaben von 140.590 S unter Verletzung der im § 48 ZollG normierten Stellungspflicht dem Zollverfahren entzogen (1.1) und hiedurch gleichzeitig zu ihrem Vorteil vorsätzlich Gegenstände des Tabakmonopols mit einem geschätzten Inlandsverschleißpreis bzw gemeinen Wert von mindestens 135.000 S dem im § 2 TabakmonopolG normierten Einfuhrverbot zuwider eingeführt (1.2). Vom identen Anklagevorwurf bezüglich weiterer 333 Stangen Filterzigaretten wurden sie gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Über die beiden Angeklagten wurden nach §§ 21 Abs. 1 und 2, 38 Abs. 1 FinStrG Geldstrafen und gemäß § 19 Abs. 1 lit a FinStrG Wertersatzstrafen verhängt.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpfen beide Angeklagten mit (in einem ausgeführten) auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5, 5 a, 9 lit a und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden und mit Berufungen.
Als Verfahrensmangel (Z 4) wird gerügt, daß der Vernehmung der Hauptbelastungszeugin Maria M***** in der Hauptverhandlung teilweise deren (im gesondert geführten Strafverfahren bestellter) Verteidiger beigezogen und an der Befragung beteiligt worden war. Diese vorschriftswidrige Vernehmung belaste die Angeklagten, weshalb die unter Mitwirkung ihres Verteidigers abgelegten Aussagen nicht hätten verwertet werden dürfen.
Abgesehen davon, daß die Einschaltung des Rechtsvertreters einer Zeugin laut § 50 Abs. 1 StPO sogar ausdrücklich als zulässig vorgesehen ist, wenn sich diese dem Verfahren als Privatbeteiligte anschließt, steht die Verletzung der für die Vernehmung geltenden Vorschriften durch eine unzulässige oder unangemessene Befragung nicht unter Nichtigkeitssanktion (§§ 248, 249 Abs. 2 StPO). Inhaltlich des Hauptverhandlungsprotokolls widersetzte sich die Verteidigerin der beiden Angeklagten zunächst auch gar nicht, als der Vorsitzende dem zufällig anwesenden Verteidiger Dr. M***** gestattete, mit der Zeugin zu sprechen und in der Folge die über Befragung des Verteidigers gegebenen Antworten auch protokollieren ließ (S 119 bis 124). Demgemäß wurde auch keine Beschlußfassung des Schöffensenates über die (nunmehr behauptete) Unzulässigkeit dieses Vorgehens herbeigeführt (§ 238 StPO). Erst als weitere (unter anderem die Glaubwürdigkeit der Zeugin Maria M***** betreffende) Beweisanträge abgelehnt worden waren, ließ die Verteidigerin protokollieren, "daß sie ausdrücklich rüge, daß Rechtsanwalt Dr. M***** dem Verfahren als Rechtsanwalt beigezogen wurde. Dr. M***** war zeitweise bei der Befragung der Zeugin Maria M***** anwesend" (S 125, 126).
Eine derartige nachträgliche Rüge kann aber nicht das Unterbleiben einer zeitgerechten Antragstellung sanieren, sodaß es bereits an der formellen Voraussetzung für die Geltendmachung des angezogenen Nichtigkeitsgrundes fehlt. Hiezu kommt noch, daß sich die Verteidigerin auch nicht der unmittelbar anschließenden Verlesung der Zollakten (S 126) widersetzte, was das Gericht berechtigte, auch die darin beurkundeten Aussagen zu würdigen (§ 258 Abs. 1 StPO). Es ist daher kein Nachteil für die Angeklagten zu ersehen, wenn diese Zeugin - deren faktische Unfähigkeit, vorsätzlich falsch auszusagen, schon aus ihrem Verhalten vor Einschreiten ihres Verteidigers Dr. M***** abgeleitet wurde - ihre früheren Aussagen auch in der Hauptverhandlung bestätigte.
Die Mängelrüge (Z 5) übergeht aber diese Aussagen der Zeugin Maria M***** während des der Hauptverhandlung vorangegangenen zollamtlichen Erhebungsverfahrens, die das Schöffengericht (durchaus kritisch) mitwürdigte und auch zu einem Teilfreispruch gelangte. Die - bekämpfte - zugunsten der Angeklagten vorgenommene Schätzung der ihnen als eingeschmuggelt zur Last gelegten Zigarettenmengen findet aber in den bei der Zeugin M***** aufgefundenen Aufzeichnungen und in den übrigen Erhebungsergebnissen durchaus Deckung. Wenn darüber hinaus auch behauptet wird, daß dem Urteil keine ausreichenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu entnehmen seien, ist auf die im Urteilsspruch aufscheinenden Feststellungen der gewerbsmäßigen Begehung des Schmuggels und des vorsätzlichen Eingriffes in das Tabakmonopol zu verweisen, welche in den Urteilsgründen insoweit ausgeführt werden, als das Gericht von einem "schwunghaften Handel mit aus Jugoslawien nach Österreich eingeführten Filterzigaretten" (S 131) ausgeht, an dem sich auch die beiden Angeklagten beteiligten. Sie "führten im Zeitraum zwischen Oktober 1987 und August 1988 anläßlich mehrerer Heimreisen mit dem PKW insgesamt mindestens 500 Stangen Filterzigaretten verschiedener Marken unter Umgehung der zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht illegal nach Österreich ein" (S 132). Schon die festgestellte Art der Tatausführung läßt sohin für eine fahrlässige Begehung keinen Raum, sodaß es keiner weiteren Begründung der subjektiven Tatseite bedurfte. Zur Wiederholung der Schmuggelfahrten bezogen sich die Tatrichter - was die Beschwerde ebenfalls stillschweigend übergeht - auf die eigenen Einlassungen der beiden Angeklagten, wonach sie bis zu siebenmal jährlich ihre Heimat besuchten (S 135 iVm S 96, 98, 99, 100, 103). Die Beschwerde vermag daher formelle Begründungsmängel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO nicht aufzuzeigen.
Auch die wieder nur auf die Behauptung der Unzuverlässigkeit der Zeugenaussage der Maria M***** gestützte Tatsachenrüge (Z 5 a) vermag bei Beachtung des gesamten Akteninhaltes keine Bedenken gegen die Richtigkeit der erstrichterlichen Konstatierungen zu erwecken.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) entbehrt einer gesetzmäßigen Ausführung, weil sie unter Mißachtung der - bereits erörterten - Tatsachenfeststellungen in Spruch und Begründung wieder von der These ausgeht, das Urteil entbehre jeglicher Feststellungen zur subjektiven Tatseite.
Unbegründet ist schließlich auch der gegen die Verhängung von Wertersatzstrafen unter § 281 Abs. 1 Z 11 StPO erhobene Einwand, es seien 10.000 Zigaretten beschlagnahmt worden, die ohnehin dem Verfall unterlägen und die - von der Urteilsprämisse ausgehend, daß die Angeklagten die Hauptlieferanten der Zeugin Maria M***** gewesen seien - wohl aus deren Lieferungen stammen müßten.
Auch bei diesem Beschwerdevorbringen handelt es sich um eine Hypothese, weil nach den Erhebungen des Zollamtes nicht festgestellt werden konnte, wer die beschlagnahmten Zigaretten eingeschmuggelt hat. Maria M***** gab jedenfalls an, die bei ihr beschlagnahmten Zigaretten am 8.August 1988 von Rasema C***** übernommen zu haben (S 8 der Vollanzeige des Hauptzollamtes Linz).
Die sohin insgesamt unbegründete, teilweise auch nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285 d Abs. 1 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen. Über die Berufungen wird das örtlich zuständige Oberlandesgericht Linz zu befinden haben (§ 285 i StPO).
Anmerkung
E26714European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0120OS00099.91.0912.000Dokumentnummer
JJT_19910912_OGH0002_0120OS00099_9100000_000