TE OGH 1991/9/12 6Ob8/91

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Veröffentlicht am 12.09.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Redl, Dr. Kellner, Dr. Schiemer und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Firmenbuchsache der zu HRB 1033 eingetragenen Firma O***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in L*****, vertreten durch Dr. Manfred Klicnik, Rechtsanwalt in Linz, wegen Eintragung des Gesellschafterwechsels und des Geschäftsführerwechsels, infolge Revisionsrekurses der Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 28. Juni 1991, GZ 6 R 118/91-35, womit der Beschluß des Landesgerichtes als Handelsgerichtes Linz vom 12. April 1991, GZ HRB 1033-32, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs der Finanzprokuratur wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Abtretungsvertrag vom 21. 3. 1991 haben die bisherigen Gesellschafter der O***** Gesellschaft mbH Josefa E***** und Margit M***** ihre Geschäftsanteile an der GesmbH an Rudolf K***** und Elisabeth K***** abgetreten. In der anschließend am selben Tag abgehaltenen ao. Generalversammlung der Gesellschaft haben Rudolf und Elisabeth K***** den Abtretungsvertrag genehmigt, die bisherige Geschäftsführerin Margit M***** abberufen und Rudolf K***** zum neuen Geschäftsführer bestellt. Dieser beantragte unter Vorlage des notariellen Generalversammlungsprotokolles, der Musterunterschriftserklärung sowie einer auch von der früheren Geschäftsführerin unterfertigten Gesellschafterliste, die Abberufung und Neubestellung des Geschäftsführers sowie den Gesellschafterwechsel in das Firmenbuch einzutragen.

Das Erstgericht wies den Antrag mit der Begründung ab, gemäß § 78 Abs 1 GmbHG idF BGBl 1991/10 gelte nur derjenige als Gesellschafter, der im Firmenbuch als solcher aufscheine. Die bei der Generalversammlung vom 21. 3. 1991 anwesenden "Gesellschafter" seien noch nicht im Firmenbuch eingetragen gewesen. Es sei ihnen daher kein Stimmrecht zugestanden; der Generalversammlungsbeschluß sei daher nicht wirksam zustandegekommen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Gesellschaft Folge und trug dem Erstgericht die Eintragung der Abberufung der bisherigen Geschäftsführerin und der Bestellung des neuen Geschäftsführers sowie des Gesellschafterwechsels nach Rechtskraft des Beschlusses mit der wesentlichen Begründung auf, die Eintragung der Gesellschafter in das Firmenbuch sei für den Übergang der Gesellschafterrechte im Außenverhältnis nicht konstitutiv. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Im Sinne einer Anregung des Rekursgerichtes verfügte das Erstgericht die Zustellung einer Ausfertigung der Rekursentscheidung an die Finanzprokuratur. Diese Zustellung wurde am 16. 7. 1991 bewirkt.

Der von der Finanzprokuratur am 30. 7. 1991 zur Post gegebene Revisionsrekurs ist mangels Rechtsmittelbefugnis der Einschreiterin zurückzuweisen.

Der erkennende Senat hat schon in seiner vor Inkrafttreten des FBG ergangenen Entscheidung 6 Ob 24/90 (teilweise veröffentlicht in RdW 1991, 178) ausgesprochen, daß aus § 1 Abs 3 ProkG - auf diese Bestimmung stützt sich die Einschreiterin - eine Rechtsmittelbefugnis der Finanzprokuratur bei Handelsregistereintragungen nicht abgeleitet werden kann. Daran hat sich seit der Geltung des FBG nichts geändert:

Gemäß § 1 Abs 3 ProkG ist die Prokuratur "berufen, zum Schutze öffentlicher Interessen vor allen Gerichten und Verwaltungsbehörden einzuschreiten, wenn sie von der zuständigen Behörde hiefür in Anspruch genommen wird oder die Dringlichkeit des Falles ihr sofortiges Einschreiten erfordert".

Diese Umschreibung der der Finanzprokuratur gesetzlich zugewiesenen Aufgaben darf nicht als Anordnung einer durch die Finanzprokuratur auszuübenden Einschreitungsbefugnis des Staates in jedem gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Verfahren zur allgemeinen Wahrung öffentlicher Interessen ausgelegt werden. Das Einschreiten der Finanzprokuratur setzt vielmehr im Einzelfall voraus, daß einer "zuständigen Behörde" in Ansehung des Verfahrensgegenstandes materiell-rechtlich oder nach den anzuwendenden besonderen Verfahrensvorschriften verfahrensrechtlich die Wahrung konkreter öffentlicher Interessen zukäme. Regelfall ist dann für ein Einschreiten der Prokuratur, daß sie von einer solchen "zuständigen Behörde hiefür in Anspruch genommen wird", Ausnahme der Dringlichkeitsfall, in dem von einer solchen Initiative der zuständigen Behörde abgesehen werden kann.

Die gesetzliche Regelung des § 1 Abs 3 ProkG aus dem Jahre 1945 ist in der hier hervorzuhebenden Einschränkung nicht anders zu verstehen als die entsprechende Regelung des § 2 III der Verordnung des Gesamtministeriums vom 9. 3. 1898, RGBl Nr 41, betreffend die Dienstinstruktion für die KK-Finanzprokuratur. Nach jener Regelung war die Finanzprokuratur "zur Vertretung öffentlicher Interessen vor Gericht dann berufen, wenn zum Schutze derselben das Einschreiten einer staatlichen Behörde zulässig erscheint und die Finanzprokuratur hiefür von der zuständigen Behörde in Ermangelung eines anderen zum Einschreiten besonders bestimmten Organes in Anspruch genommen" wurde. Die weitherzige Auslegung dieser Regelung in der Entscheidung SZ 19/26 kann schon nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Bestimmung nicht geteilt werden. Die in der Entscheidung SZ 48/43 ohne jede weitere Ausführung aufgestellte These, der Finanzprokuratur stünde aus Gründen des öffentlichen Interesses gegen Registereintragungen das Rekursrecht (zu ergänzen: ohne jede Einschränkung und nähere Voraussetzung) zu, ist in dieser Allgemeinheit nicht aufrechtzuerhalten, setzte sich die zitierte Entscheidung doch auch in der Frage der formellen Rechtskraft nicht weiter mit der gegenteiligen Ansicht, wie sie bereits in der Entscheidung SZ 25/48 vertreten worden war, auseinander.

Nach der Lehrmeinung von Fasching (Komm II, 8 in Anm 1 zu Art IV EGZPO) steht der Finanzprokuratur im Handelsregisterverfahren außer in besonders geregelten Fällen (etwa nach der Art des § 113 GmbHG) keine Rechtsmittelbefugnis zu.

Die Rechtsprechung fordert für die Zulässigkeit eines Einschreitens der Finanzprokuratur im allgemeinen, daß sich das öffentliche Interesse unmittelbar auf den Gegenstand der Entscheidung beziehe (SZ 31/111 ua) und schränkt auch in solchen Fällen die Wahrnehmung der Anfechtungsbefugnis (mangels eigener Beteiligtenstellung der Finanzprokuratur, einer von ihr ersuchten "zuständigen Behörde" oder eines von einer solchen vertretenen Rechtsträgers) jedenfalls auf die den Parteien und Beteiligten offenstehenden Rechtsmittelfristen ein (SZ 25/48, SZ 49/58).

Die Wahrung der Interessen der beteiligten Verkehrskreise bei Eintragungen in das Firmenbuch ist den in den §§ 13 und 14 FBG genannten Personen überantwortet. Die Sonderregelung nach § 14 FBG sowie die Bestimmungen über die Zustellungen (§ 21) und Benachrichtigungen (§ 22) schließen eine parallele Einschreiterbefugnis zum Schutze öffentlicher Interessen auf Grund der allgemeinen Bestimmung des § 1 Abs 3 ProkG aus.

Die weitreichende Befugnis des Firmenbuchgerichtes zur amtswegigen Löschung unzulässiger Eintragungen im Sinne des § 10 FBG läßt im übrigen auch rechtspolitisch keinen Bedarf nach einer allgemeinen Rechtsmittelbefugnis der Finanzprokuratur erkennen. Diese bleibt daher auf Anregungen zur Einleitung eines Verfahrens zur amtswegigen Löschung unzulässiger Eintragungen beschränkt. Zu einer solchen Vorgangsweise besteht aber kein Anlaß, zumal aus § 10 Abs 2 FBG abzuleiten ist, daß eine Löschung nicht zu erfolgen hat, wenn eine im Zeitpunkt ihrer Vornahme unzulässige Eintragung zwischenweilig geheilt ist (Karl-Heinz Danzl, Das neue Firmenbuch 67).

Der Revisionsrekurs der Finanzprokuratur war daher mangels Rechtsmittelbefugnis zurückzuweisen.

Anmerkung

E27499

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0060OB00008.91.0912.000

Dokumentnummer

JJT_19910912_OGH0002_0060OB00008_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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