TE Vwgh Erkenntnis 2005/12/21 2001/14/0163

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Veröffentlicht am 21.12.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

UStG 1994 §11;
UStG 1994 §12;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der P Ges. m.b.H. in L, vertreten durch Dr. Robert Schneider, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ebendorferstraße 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 17. Mai 2001, Zl. RV 881/1-6/2000, betreffend Umsatzsteuer 1998, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Dezember 1995 erwarb die Beschwerdeführerin Teile einer Liegenschaft von der A GmbH, welche diese im Juni 1995 erworben hatte. In der Folge ließ die Beschwerdeführerin die Liegenschaftsteile durch die A GmbH umbauen, um sie in weiterer Folge an diese zu vermieten.

Ende Oktober 1997 legte die A GmbH eine Rechnung an die Beschwerdeführerin, in welcher Kosten des Umbaues "laut Liste" im Betrag von S 5,197.896,-- zuzüglich Umsatzsteuer (S 967.205,36) ausgewiesen waren. In der angeführten "Liste" waren Umbau- und Instandsetzungskosten von Unternehmen, derer sich die A GmbH bedient hatte und die dieser die Leistungen in Rechnung gestellt hatten, im Betrag von S 4,647.896,-- zuzüglich Umsatzsteuer (S 857.205,36) ausgewiesen.

Anlässlich einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung vertrat der Prüfer die Ansicht, dass die Differenz zwischen den Beträgen laut "Liste" (S 4,647.896,--) und den weiterverrechneten Kosten (S 5,197.896,--) somit S 550.000,-- nicht nachgewiesen seien, weshalb die geltend gemachten Vorsteuern um S 110.000,-- zu vermindern seien.

Außerdem habe eines der Unternehmen, welches der A GmbH eine in der "Liste" enthaltene Rechnung über S 1,000.000,-- (zuzüglich S 200.000,-- Umsatzsteuer) gelegt hatte, die G GmbH, laut Erhebungen des Finanzamtes für Körperschaften an die A GmbH keine Leistungen erbracht. Die diesbezügliche Rechnung sei daher nur zum Schein ausgestellt worden, weshalb "die Vorsteuern" um weitere S 200.000,-- zu kürzen seien.

Das Finanzamt erließ einen entsprechenden Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1998 (die Beschwerdeführerin ermittelt ihren Gewinn nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr von 1. April bis 31. März).

In einer dagegen erhobenen Berufung wurde die Kopie einer Rechnung über brutto S 467.590,-- betreffend Verglasungsarbeiten im betreffenden Objekt ergänzend vorgelegt. In der Folge vertrat die Beschwerdeführerin die Ansicht, die Vorsteuer in Höhe von S 110.000,-- sei "somit berechtigt von uns" geltend gemacht worden. Hinsichtlich der Leistungen der G GmbH über netto S 1,000.000,-- stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, ihr den Inhalt der Erhebungen des Finanzamtes für Körperschaften bekannt zu geben. Tatsache sei, dass sämtliche Vorarbeiten für dieses Projekt von "mir, Engelbert H. als Geschäftsführer der G GmbH"geleistet worden seien. Diese Arbeiten hätten die Konzeption des Objektes für seine künftige Verwendung und Vermarktung, die Vermessung des Objektes, die Grob- und Detailplanung ohne Polierpläne, die Organisation der Abbrucharbeiten, und die Organisation für den Wiederaufbau umfasst. Außerdem seien in den verrechneten Kosten noch Kosten der CR Franz M, enthalten, die zusammen mit "mir, Engelbert H, die Abbrucharbeiten im Wesentlichen durchgeführt" habe. Es würden zwei Gutachten des Dipl. Ing. T vom 11. März 1996 und 8. März 1996, welche nach dem "Entkernen" erstellt worden seien, in Kopie vorgelegt. Dass die Abbrucharbeiten "von mir" und der CR Franz M gemacht worden seien, könnten Herr Robert P und Herr Wolfgang K bestätigen. Einem in der Folge ausgefertigten Mängelbehebungsauftrag ist zu entnehmen, dass die in der Berufung angeführten Kopien der zwei Gutachten des Dipl. Ing. T nicht angeschlossen waren. In einer darauf eingebrachten "Ergänzung der Berufung" wurde ausgeführt, dass unter anderem die Kopie der zwei Gutachten "nochmals" vorgelegt würden (die von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten enthalten derartige Gutachten nicht.)

In der Folge wurde der Berufung mit Berufungsvorentscheidung insofern teilweise stattgegeben, als im Hinblick auf die Vorsteuerkürzung von S 110.000,-- eine Vorsteuer in Höhe von S 77.931,80 anerkannt wurde. Hinsichtlich der Vorsteuerkürzung um S 200.000,-- wies das Finanzamt darauf hin, dass die Nichtanerkennung aus dem Umstand resultiere, dass die G GmbH weder über die finanzielle noch personelle Ausstattung verfügt habe, um die weiterverrechneten Leistungen erbringen zu können. Zudem stimmten die ihren Ausführungen zufolge erbrachten Leistungen nicht mit dem gewöhnlichen Geschäftsbereich der G GmbH überein und seien im Berufungsverfahren keine Beweise vorgebracht worden, die diese Ansicht entkräften könnten. Der Prüfer habe in seiner Stellungnahme genau dargestellt, warum die entsprechenden Vorsteuerbeträge nicht anerkannt worden seien. Es "wäre am Berufungswerber gewesen, die dort getroffenen Aussagen durch eine Gegenäußerung zu entkräften (z.B. konkrete Angaben über den Personalstand zum fraglichen Zeitpunkt der G GmbH, Angabe von Projekten, bei der diese Gesellschaft schon früher ähnliche Leistungen erbracht habe, ...)". Da die Beschwerdeführerin in ihren Eingaben immer nur auf die nicht erfolgte Bekanntgabe von Ermittlungsergebnissen hinweise, sei es dem Finanzamt auch entbehrlich erschienen, "zu diesen Punkten" ein Ergänzungsersuchen auszufertigen. Diese Punkte hätten nach Ansicht des Finanzamtes "Gegenstand der Darstellung in der nicht erfolgten Gegenäußerung zur Stellungnahme der Betriebsprüfung" sein sollen. In der Folge beantragte die Beschwerdeführerin eine Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung im Umfang der Berufungsvorentscheidung teilweise Folge. In ihren Entscheidungsgründen wies die belangte Behörde darauf hin, dass anlässlich einer am 13. Februar 2001 stattgefundenen Besprechung der Sachbearbeiter den Vertretern der Beschwerdeführerin vorgehalten habe, dass die A GmbH, die G GmbH und die Beschwerdeführerin verbundene Unternehmen seien ("GmbHs und deren Geschäftsführung befinden sich im Familienbesitz"). Über das Vermögen der G GmbH sei das Konkursverfahren eröffnet worden, die A GmbH befinde sich in Liquidation und es hafteten hohe uneinbringliche Abgabenrückstände aus. Laut Rechnung vom 29. Dezember 1995 habe die A GmbH das strittige Objekt um lediglich S 2,150.000,-- an die Beschwerdeführerin weiterverkauft. (Die in besagter Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe von S 430.000,-- sei mit berichtigter Rechnung vom 10. April 1996 storniert worden.) Es widerspreche dem Wirtschaftsleben, dass ein Grundstück "innerhalb des zweiten Halbjahres 1995" derart an Wert verliere. Das Grundstück ohne Umbau und Instandsetzung habe daher einen Wert von S 3,550.000,-- gehabt. Unter Zugrundelegung dieses Wertes und bei Ansatz der um die angeblich von der G GmbH bezogenen Leistungen verminderten Umbau- und Instandsetzungskosten ergebe sich ein Gesamtbetrag von S 8,322.692,-- (das seien S 3,550.000,-- plus S 4,647.896,-- minus S 1,000.000,-- zuzüglich USt von S 657.205,-- und der im Zuge des Berufungsverfahrens weiters nachgewiesenen Kosten von S 389.659,-- zuzüglich USt von S 77.932,--). Tatsächlich habe die A GmbH für das Grundstück samt Umbau und Instandsetzung in Summe S 8,315.101,-- verrechnet, also einen Betrag, der fast genau dem oben errechneten Gesamtbetrag von S 8,322.692,-- entspreche. (Die Differenz betrage lediglich S 7.591,--.) Aus all den genannten Umständen (die Gesellschaften seien untereinander verbunden, womit eine "steueroptimale" Gestaltung möglich sei, bei der G GmbH und der A GmbH entstehende Umsatzsteuern seien uneinbringlich) liege es nahe, dass für das nicht umsatzsteuerbelastete Grundstück ein um S 1,400.000,-- zu geringer und für die umsatzsteuerpflichtigen Umbau- und Instandsetzungsarbeiten ein entsprechend zu hoher Betrag verrechnet worden sei, um der Beschwerdeführerin einen höheren Vorsteuerabzug zu ermöglichen. Der Geschäftsführer habe den Wertansatz des Grundstückes und die Schlussfolgerung des Sachbearbeiters als unzutreffend bezeichnet, ohne dies jedoch in irgendeiner Weise zu begründen.

Nach Ansicht der belangten Behörde entspreche der vom Sachbearbeiter der Berufungsbehörde vorgenommene Wertansatz des Grundstückes anlässlich der oben angeführten Besprechung vom 13. Februar 2001 den wirtschaftlichen Gegebenheiten. Der Geschäftsführer habe auch keinerlei Argumente dafür vorgebracht, warum ein derart hoher Wertverlust eingetreten sein sollte. Damit erweise sich auch nach Ansicht des Senates die oben wiedergegebene Schlussfolgerung des Sachbearbeiters als zutreffend. Folglich sei der Wert der steuerpflichtigen Leistungen offenbar in Missbrauchsabsicht zu hoch angesetzt worden. Bei einer den tatsächlichen Wertverhältnissen angemessenen Gestaltung wäre ein entsprechend geringerer Betrag für die umsatzsteuerbelastenden Umbau- und Instandsetzungsarbeiten seitens der A GmbH zu verrechnen gewesen. Die auf den Mehrbetrag entfallende Umsatzsteuer dürfe somit nicht als Vorsteuer abgezogen werden. Da die belangte Behörde ihrer Entscheidung nicht auf die vom Betriebsprüfer und die in der Berufungsvorentscheidung vorgebrachten Argumente gestützt habe, erübrige sich ein Eingehen auf diese und die dagegen vorgebrachten Berufungsausführungen. Ebensowenig hätten die Ermittlungsergebnisse des Finanzamtes für Körperschaften in Wien zugänglich gemacht werden müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Die belangte Behörde stützte die teilweise Verweigerung der Anerkennung der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Vorsteuern in Bezug auf die Rechnung der A GmbH vom 31. Oktober 1997 - anders als der Prüfer und das Finanzamt in der Berufungsvorentscheidung - allein darauf, dass die A GmbH die strittigen Objekte um S 3,550.000,-- gekauft, sie aber rund ein halbes Jahr später an die Beschwerdeführerin um S 2,150.000,-- verkauft habe und es dem Wirtschaftsleben widerspreche, dass ein Grundstück innerhalb eines so kurzen Zeitraumes derart an Wert verliere. Da es sich bei den involvierten Gesellschaften um "verbundene Unternehmen" gehandelt habe, wodurch eine "steueroptimale" Gestaltung möglich gewesen sei, sei davon auszugehen, dass der Wert der steuerpflichtigen Leistungen offenbar in Missbrauchsabsicht zu hoch angesetzt worden sei.

In der Beschwerde wird dieser nunmehrigen Argumentation entgegengehalten, dass bereits in der Schlussbesprechung vom 4. Oktober 1999 die angesprochene Wertminderung damit begründet worden sei, dass einige Tage nach Erwerb der Liegenschaftsanteile durch die A GmbH im Innenhof des Gebäudes mit der Errichtung einer ca. 3 m hohen Garagenmauer im Abstand von lediglich 1 m zur Außenmauer der erworbenen Liegenschaft begonnen worden und der zwischen diesen Mauern entstandene Innenhof als Stellfläche für Mistkübel (Biomüll) benutzt worden sei. Dieses Vorhaben sei bei Erwerb der Liegenschaft nicht bekannt gewesen. Da jedoch durch die neu errichtete Mauer der Lichteinfall in die im Erdgeschoss gelegenen Räumlichkeiten, die als Büroräume hätten genutzt werden sollen, massiv beeinträchtigt und darüber hinaus eine natürliche Belüftung auf Grund der Geruchsbelästigung durch die Mülleimer nicht möglich gewesen sei, habe sich eine massive Entwertung der Liegenschaft ergeben.

In der Gegenschrift zur Beschwerde wird diesem Vorbringen von der belangten Behörde entgegen gehalten, dass diese Beschwerdeargumentation in der Niederschrift über die Schlussbesprechung keinen Niederschlag gefunden habe und auch dem Arbeitsbogen des Prüfers keine diesbezüglichen Hinweise zu entnehmen gewesen seien. Die Beschwerdeausführungen verstießen daher gegen das Neuerungsverbot.

Nun trifft es zwar zu, dass die entsprechende Beschwerdeargumentation in der Niederschrift über die Schlussbesprechung keinen Niederschlag findet, im Arbeitsbogen findet sich allerdings ein Entwurf des Besprechungsprogrammes über die bei der Beschwerdeführerin durchgeführte Betriebsprüfung der Jahre 1992 bis 1996, in welchem im Zusammenhang mit der Sachverhaltsdarstellung, wonach die Liegenschaftsteile um S 2,150.000,-- an die Beschwerdeführerin verkauft worden seien, handschriftlich angemerkt wurde "od. 2,580.000,-- (= ca. 1 Mio. billiger als von der (A GmbH) angekauft Grund: Wertverlust durch anliegenden Garagenbau)". Dieser Vermerk lässt darauf schließen, dass im Rahmen der Schlussbesprechung tatsächlich von einer entsprechenden Garagenmauer gesprochen worden war, dieser Umstand aber in die Niederschrift über die Schlussbesprechung nicht aufgenommen worden war, zumal dem diesbezüglichen Sachverhalt vor dem Hintergrund der Sachverhaltsannahmen des Prüfers, wonach die G GmbH gegenüber der A GmbH keine Leistung erbracht habe und entsprechende Vorsteuern daher nicht anzuerkennen seien, keine entscheidende Bedeutung zugekommen war.

Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass das Beschwerdevorbringen hinsichtlich der behaupteten Gründe für die Wertminderung im Hinblick auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot unbeachtlich wäre. Die entsprechende Argumentation ist aber durchaus nicht ungeeignet, eine entsprechende Wertminderung darzutun. Damit stützte die belangte Behörde ihre Beurteilung, der Wert der Leistungen, der in der Ende Oktober 1997 gelegten Rechnung der A GmbH ausgewiesen worden war, sei offenbar in Missbrauchsabsicht zu hoch angesetzt worden, ursächlich auf eine Sachverhaltsannahme, nämlich eine unerklärbare Wertminderung der Liegenschaftsteile, die sich bei näherer Betrachtung als nicht tragfähig erweist.

Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde konkrete, auf Beweisergebnisse gestützte Sachverhaltsfeststellungen, dass die A GmbH (allenfalls mittels Subunternehmen) insoweit, als von ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer bei der Beschwerdeführerin nicht als Vorsteuer anerkannt wurde, gegenüber der Beschwerdeführerin keine entsprechenden Lieferungen oder sonstige Leistungen erbracht hätte, nicht getroffen hat.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. Dezember 2005

Schlagworte

Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein (siehe auch Angenommener Sachverhalt)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2001140163.X00

Im RIS seit

30.01.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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