TE OGH 1991/9/18 2Ob41/91

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Veröffentlicht am 18.09.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Claudius G*****, vertreten durch Dr. Rudolf Wieser, Dr. Friedrich Hohenauer und Dr. Martin Zanon, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagten Parteien

1. Thomas B*****, und 2. ***** Versicherung, ***** Aktiengesellschaft, ***** beide vertreten durch Dr. Hubert Tramposch und Dr. Paul Bauer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen

S 905.000,-- s.A. und Feststellung infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 2. Mai 1991, GZ 2 R 86/91-19, womit das Zwischenurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 11. Februar 1991, GZ 10 Cg 176/90-14, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind gleich weiteren Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Der Kläger macht Schadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, bei dem er schwere Verletzungen erlitt, geltend. Der Erstbeklagte wurde vom Strafgericht rechtskräftig verurteilt, die Körperverletzung des Klägers fahrlässig herbeigeführt zu haben (§ 88 Abs 1 und 4 StGB).

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil vom 11. Februar 1991 aus, daß das Klagebegehren zu Recht bestehe. Es erachtete sich trotz der Aufhebung des § 268 ZPO durch den Verfassungsgerichtshof an die strafgerichtliche Verurteilung gebunden, weil diese Bestimmung gemäß Art 140 Abs 7 BVG mit Ausnahme des Anlaßfalles auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände weiterhin anzuwenden sei. Die Bindungswirkung des verurteilenden Erkenntnisses hinsichtlich des Erstbeklagten sei vor der am 16. November 1990 erfolgten Kundmachung der Aufhebung des § 268 ZPO eingetreten.

Das Berufungsgericht hob das Zwischenurteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, die Aufhebung des § 268 ZPO sei gemäß Art 140 Abs 5 BVG am 16. November 1990 (Tag der Kundmachung) in Kraft getreten. § 268 ZPO sei daher gemäß Art 140 Abs 7 BVG auf Verfahren, die nach dem 15. November 1990 in erster Instanz geschlossen worden seien oder geschlossen würden, nicht mehr anwendbar. Für anhängige Prozesse bedeute das, daß in Verfahren, in denen am 16. November 1990 die mündliche Verhandlung erster Instanz noch nicht geschlossen gewesen sei, die Zivilgerichte die mit Wegfall des § 268 ZPO nötig gewordenen Beweisaufnahmen trotz Vorliegens einer rechtskräftigen Verurteilung durch das Strafgericht von neuem durchzuführen und die strafrechtliche Vorfrage selbst zu beurteilen hätten. Durch die Aufhebung des § 268 ZPO ergebe sich, daß durch die Unbeachtlichkeit eines bislang bindenden Strafurteiles bei Urteilsfällung der Tatsachenkomplex nunmehr beweisbedürftig sei. Da das Erstgericht zum relevanten Tatsachenkomplex die angebotenen Beweise nicht aufgenommen habe, leide das Verfahren erster Instanz an wesentlichen Mängeln.

Der Kläger bekämpft den Beschluß des Berufungsgerichtes mit Rekurs und beantragt die Wiederherstellung des Ersturteiles.

Die Beklagten beantragen, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die für die Entscheidung des Gerichtes erheblichen Tatsachen bedürfen eines Beweises, sofern das Gesetz keine Ausnahmen von der Beweisbedürftigkeit angeordnet hat (Fasching, Zivilprozeßrecht2, Rz 837). Eine derartige Ausnahme enthielt § 268 ZPO, wonach dann, wenn die Entscheidung von dem Beweise und der Zurechnung einer strafbaren Handlung abhing, der Richter an den Inhalt eines hierüber ergangenen rechtskräftigen verurteilenden Erkenntnisses des Strafgerichtes gebunden war. Diese Vorschrift wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 12. Oktober 1990 aufgehoben, das mit dem am 16. November 1990 ausgegebenen BGBl 1990/706 kundgemacht wurde. Gemäß Art 140 Abs 7 BVG ist ein aufgehobenes Gesetz auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles weiterhin anzuwenden. Die Normenkontrollentscheidungen des Verfassungsgerichtshofes haben somit im allgemeinen keine rückwirkende Kraft, sie wirken nur für die Zukunft

(vgl Adamovich-Funk, Österreichisches Verfassungsrecht3 339; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts6, Rz 1170; VfSlg 8249 uva). Dies führt aber - entgegen der vom Erstgericht und vom Rekurswerber vertretenen Ansicht - nicht dazu, daß ein vor Aufhebung des § 268 ZPO in Rechtskraft erwachsenes Strafurteil weiterhin Bindungswirkung hat. Die Wirkung des § 268 ZPO bestand darin, daß das Zivilgericht die im Strafurteil festgestellten Tatsachen ungeprüft seinem Urteil zugrundezulegen hat (SZ 61/234). Für ein nach der Aufhebung des § 268 ZPO - also in Zukunft - ergehendes Zivilurteil besteht diese Wirkung nicht mehr, die relevanten Tatsachen sind daher beweisbedürftig (vgl Konecny in ecolex 1990, 738; 5 Ob 1503/91 = nRsp 1991/134). Der Schluß der mündlichen Verhandlung (der im vorliegenden Fall überdies ebenfalls erst nach dem Wirksamwerden der Aufhebung der Vorschrift des § 268 ZPO erfolgte) ist (entgegen der vom Berufungsgericht und von Simotta in NZ 1991, 75 vertretenen Ansicht) nicht entscheidend, sondern allein der Tag der Urteilsfällung (Konecny aaO).

Aus diesen Gründen war dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E27356

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0020OB00041.91.0918.000

Dokumentnummer

JJT_19910918_OGH0002_0020OB00041_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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