TE OGH 1991/9/18 1Ob595/91

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Veröffentlicht am 18.09.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Hans Josef M*****, geboren am 20. Dezember 1972, und Anna Maria M*****, geboren am 9. Juni 1974, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Johann Josef M*****, namens der beiden Minderjährigen gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 10. Juni 1991, GZ 18 R 257/91-312, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Perg vom 20. Februar 1991, GZ P 2/82-304, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz, der im

übrigen - soweit angefochten - bestätigt wird, wird lediglich in seinem Punkt 1 c dahin abgeändert, daß die Mutter schuldig ist, zum Unterhalt ihrer Tochter Anna Maria monatliche Beträge von S 1.200,-- vom 1.11.1987 bis 31.12.1988, S 1.500,-- vom 1.1.1989 bis 31.8.1990, S 2.000,-- vom 1.9.1990 bis 28.2.1991 und S 2.500,-- seit 1.3.1991 zu Handen des Vaters zu bezahlen.

Text

Begründung:

Die beiden Minderjährigen entstammen der 1981 geschiedenen Ehe ihres Vaters mit Elisabeth, wiederverehelichte B*****; obsorgeberechtigt ist der Vater. Die Mutter ist den beiden Minderjährigen gegenüber seit 6.3.1979 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von je S 800,-- verpflichtet. Der zweiten Ehe der Mutter entstammen zwei am 27.10.1979 und am 2.10.1981 geborene Kinder, die von der Mutter im gemeinsamen Haushalt ihrer Eltern betreut werden.

Am 9.10.1987 beantragte der Vater, die monatliche Unterhaltsverpflichtung der Mutter vom 1.11.1987 an auf je S 5.000,-- zu erhöhen. Er brachte vor, die Mutter könnte als Diplomkrankenschwester zumindest einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen, die ihr ein Einkommen ermögliche, mit dem sie die begehrten Unterhaltszahlungen leisten könne. Überdies habe sie von ihm in Entsprechung der im Aufteilungsverfahren ergangenen Entscheidung eine Ausgleichszahlung von etwa S 500.000,-- erhalten.

Die Mutter sprach sich gegen diesen Antrag aus und beantragte ihrerseits, sie ihrer Unterhaltsverpflichtung ihrem Sohn gegenüber zu befreien, weil dieser bereits selbsterhaltungsfähig sei.

Diesem Antrag traten die Minderjährigen mit dem Vorbringen entgegen, der Sohn werde in Kürze die Kellnerlehre abschließen und danach die AHS-Reifeprüfung nachholen; von dessen Selbsterhaltungsfähigkeit könne demnach keine Rede sein.

Das Erstgericht erhöhte die monatliche Unterhaltsverpflichtung der Mutter deren Sohn gegenüber für die Zeit vom 1.11.1987 bis 31.8.1990 auf S 2.000,-- und ab 1.9.1990 auf S 2.300,-- sowie deren Tochter gegenüber vom 1.11.1987 bis 30.6.1989 auf S 1.800,--, vom 1.7.1989 bis 31.8.1990 auf S 2.000,-- und ab 1.9.1990 auf S 2.300,--. Das Mehrbegehren wies es ab.

Es stellte fest, die beiden Minderjährigen betreue der Vater in seinem Haushalt. Er beziehe als Volksschullehrer im Ruhestand seit 1987 unter Einrechnung der Sonderzahlungen eine Pension von monatlich durchschnittlich S 20.600,-- zuzüglich der gesetzlichen Erhöhungen. Der Sohn habe am 2.11.1987 eine Kellnerlehre begonnen und sei mit einigen Unterbrechungen bei verschiedenen Lehrherrn ausgebildet worden. Die monatliche Lehrlingsentschädigung habe zunächst einschließlich der Sonderzahlungen S 2.800 und zuletzt im Februar 1991 S 4.500 betragen. Seit März 1991 besuche er das Bundesgymnasium für Berufstätige in Linz, ohne daneben einer Beschäftigung nachzugehen. Die Tochter besuche seit dem Schuljahr 1988/89 das Bundesoberstufenrealgymnasium in Perg. Das monatliche Einkommen des Ehegatten der Mutter habe in der Zeit von 1987 bis 1990 durchschnittlich S 21.000 bis S 24.700 betragen. Vom 1.11.1987 bis 30.6.1988 habe er seinen Dienst bei den ÖBB in Graz versehen, seither arbeite er am Bahnhof Knittelfeld. Der Dienst nötige ihn, dort wöchentlich mehrmals zu nächtigen. Die Mutter sei vom 12.8.1971 bis 31.3.1984, zuletzt als diplomierte Krankenschwester, im Landeskrankenhaus Graz tätig gewesen. Da sie sich nach der Geburt ihres vierten Kindes zur Gänze ihren beiden Kindern aus der zweiten Ehe habe widmen wollen, habe sie ihr Dienstverhältnis zum Land Steiermark zum 31.3.1984 aufgelöst. Sie hätte ihr Beschäftigungsverhältnis als diplomierte Krankenschwester allerdings nach Vollendung des dritten Lebensjahres ihres jüngsten Kindes fortsetzen können. Bei Fortsetzung des Dienstverhältnisses hätte sie im Landeskrankenhaus Graz oder im Landessonderkrankenhaus Graz auch eine Teilzeitbeschäftigung erhalten können. Da der Dienst der Krankenschwestern sehr flexibel eingeteilt werden könne, hätte sie die beiden Kinder aus der zwiten Ehe im anstaltseigenen Kindergarten unterbringen können. Vom Beginn des Schulbesuches an hätten die beiden Kinder in einem der ganzjährig geöffneten Horte betreut werden können. Die Kosten der Unterbringung in einem städtischen Kindergarten hätte 1987/1988 S 1.270, der Aufwand für die Unterbringung in einem städtischen Kinderhort von 1987 bis 1989 S 1.060 und seit 1989 S 1.220 - jeweils

monatlich - betragen. Bei Halbtagsunterbringung hätten sich diese Beträge auf die Hälfte verringert. Die Mutter hätte bei Fortsetzung ihres Beschäftigungsverhältnisses zum Land Steiermark unter Berücksichtigung ihrer Vordienstzeiten als teilzeitbeschäftigte Krankenschwester in der Zeit vom Jänner 1988 bis Jänner 1991 ohne Überstundenentgelt bzw. Nacht- und Wochenenddienstzuschläge monatlich zunächst rund S 8.300 und zuletzt S 11.100 verdienen können.

Rechtlich meinte das Erstgericht, die Mutter hätte angesichts ihrer Sorgepflicht für die Kinder aus erster Ehe ihre Beschäftigung nicht aufgeben dürfen, sondern zumindest als Teilzeitbeschäftigung fortsetzen müssen. In Anwendung der Anspannungstheorie sei sie zu den festgesetzten Unterhaltsbeträgen zu verhalten gewesen. Ungeachtet der Lehrlingsentschädigung habe der Sohn noch nicht die Selbsterhaltungsfähigkeit erlangt. Da die Mutter keine Erträgnisse aus der Ausgleichszahlung des Vaters habe erzielen können, sei diese bei der Unterhaltsbemessung nicht zu berücksichtigen gewesen.

Das Gericht zweiter Instanz verhielt die Mutter zu monatlichen Unterhaltszahlungen von S 800 vom 1.11.1987 bis 31.12.1988, von S 1.000 vom 1.1.1989 bis 31.8.1990 und von S 1.300 vom 1.9.1990 bis 28.2.1991 für den Sohn sowie von S 1.200 vom 1.11.1987 bis 31.12.1988, von S 1.500 vom 1.1.1989 bis 31.8.1990 und von S 2.000 ab 1.9.1990 für die Tochter; ab 1.3.1991 enthob es die Mutter ihrer Unterhaltspflicht ihrem Sohn gegenüber; das Mehrbegehren der Minderjährigen wies es ab. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es führte aus, die Kinder verträten die Auffassung, ihre Mutter sei zum begehrten Unterhalt von monatlich je S 5.000 ab 1.11.1987 schon angesichts der empfangenen Ausgleichszahlung von S 500.000 imstande. Dem sei entgegenzuhalten, daß diese die Ausgleichszahlung zur Abdeckung von Krediten für die Anschaffung und Einrichtung ihrer neuen Wohnung sowie für die Abstattung der Verfahrenskosten verwendet habe. Außerdem habe ihr der Vater bisher lediglich S 327.000 bezahlt. Da sie die Ausgleichszahlung nicht zinsbringend habe anlegen können, um daraus ihre Unterhaltsverpflichtung zu bestreiten, sei dieser Betrag in die Bemessungsgrundlage nicht einzubeziehen. Die Mutter sei für ihre Kinder aus erster Ehe allerdings geldalimentationspflichtig, weil der Vater diese Kinder in seinem Haushalt betreue und dadurch seinen Beitrag leiste. Die Unterhaltspflichten gegenüber Kindern aus mehreren Ehen des Unterhaltspflichtigen seien grundsätzlich gleichrangig. Problematisch sei der Fall, in dem der den Kindern aus der ersten Ehe zum Unterhalt in Geld verpflichtete Elternteil seiner Unterhaltspflicht den Kindern aus der zweiten Ehe gegenüber durch deren Betreuung in seinem Haushalt nachkomme. Es liefe dann dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwider, würde man den Kindern aus zweiter Ehe die volle Unterhaltsleistung durch die Betreuung zukommen lassen, den Kindern aus erster Ehe dagegen im Hinblick auf das fehlende Einkommen Unterhaltsleistungen verwehren. Bis zum Alter von drei Jahren bedürften Kinder der mütterlichen Zuwendung in besonderem Ausmaß, weshalb der Mutter solange eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden könne. Danach könnten auch Dritte - insbesondere der Kindergarten - die Betreuung des Kindes zumindest teilweise übernehmen. Die beiden vom Erstgericht beigezogenen Sachverständigen hätten die Frage, ob die Mutter ab 1.11.1987 ihre Beschäftigung als Diplomkrankenschwester, wenn auch nur teilzeitbeschäftigt, hätte wiederaufnehmen können, grundsätzlich bejaht. Die Mutter sei angesichts ihrer Sorgepflichten für die Kinder aus erster Ehe bei der Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse nicht so frei, wie wenn sie bloß Sorgepflichten gegenüber Kindern aus einer Ehe hätte. Sie sei eben verpflichtet, alles ihr Mögliche zu unternehmen, um ihrer Unterhaltsverpflichtung den beiden Kindern aus der ersten Ehe gegenüber nachzukommen. Sie dürfe sich nicht einfach damit begnügen, ihrer Pflicht zur Betreuung der beiden Kinder aus der zweiten Ehe zu entsprechen. Da sie ihr Dienstverhältnis hätte fortsetzen können, hätte sie in Form einer Teilzeitbeschäftigung als Krankenschwester im Landeskrankenhaus oder im Landessonderkrankenhaus Graz ab November 1987 bis Anfang 1991 ein Einkommen von anfangs S 8.300 bis zuletzt S 11.100 im Monat erzielen können, sodaß sie auf dieses fiktive Einkommen anzuspannen sei. Soweit die Mutter ins Treffen führe, sie müsse bei einer Teilzeitbeschäftigung die Kosten für die Unterbringung ihrer Kinder aus der zweiten Ehe aufbringen und könne diese nicht auf ihren Ehegatten überwälzen, müsse ihr entgegengehalten werden, daß diese Kosten einen Sonderbedarf bilden, sofern die Fremdbetreuung aus Gründen erfolge, die auf Seiten der Kinder liegen. Im vorliegenden Fall hätten die Kinder aus der zweiten Ehe allein deshalb in einem Kindergarten oder Hort untergebracht werden müssen, damit die Kinder während der infolge der Unterhaltsverpflichtung erzwungenen beruflichen Tätigkeit der Mutter nicht ohne Betreuung leben müßten. Da der Ehegatte der Mutter deren Unterhaltsverpflichtung bei der Eheschließung gekannt habe, belasteten diese Umstände insoweit auch ihn, sodaß die Unterbringungskosten anteilig von den Ehegatten zu tragen seien. Angesichts der Einkommensverhältnisse hätte die Mutter diese Kosten lediglich zu einem Drittel - also in Höhe von monatlich S 400 - übernehmen müssen. Dieser Betrag sei von der Bemessungsgrundlage abzuziehen. Das fiktive Einkommen der Mutter dürfe aber nur zu einem gewissen Teil zur Deckung ihrer Unterhaltsverpflichtungen herangezogen werden; der Großteil ihres Einkommens müsse ihr selbst verbleiben. Die jeweiligen Unterhaltsansprüche der beiden Minderjährigen seien seit dem 1.11.1987 in der Weise zu ermitteln, daß mit dem Ansteigen des (fiktiven) Einkommens eine Steigerung ihrer Ansprüche verbunden sein müsse. Bis 31.12.1988 hätte das monatliche Einkommen der Mutter rund S 8.300, bis 31.8.1990 ca. S 9.300 und ab 1.9.1990 durchschnittlich etwa S 11.000 betragen. Dementsprechend gestaffelt seien die Unterhaltsbeträge für die Tochter festzusetzen; höhere Beträge würden die Mutter über Gebühr belasten. Der Unterhaltsanspruch des Sohnes werde durch den Bezug einer Lehrlingsentschädigung entsprechend verringert. Allerdings dürfe die Lehrlingsentschädigung nicht einfach vom festgesetzten Unterhalt abgezogen werden. Die Alimentierung sei bis zum Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit fortzusetzen, doch müsse dem Lehrling vor Abschluß seiner Ausbildung nicht so viel zur Verfügung gestellt werden, daß er damit das Leben eines "Selbständigen" bestreiten könne. Berücksichtige man die Lehrlingsentschädigung, aber auch die Tatsache, daß der Sohn um zwei Jahre älter als die Tochter sei und daher vermehrte Bedürfnisse habe, seien die gestaffelten Beträge angemessen. Mit dem Abschluß der Kellnerlehre am 28.2.1991 sei der Sohn jedoch selbsterhaltungsfähig geworden. Auch wenn der Unterhaltsberechtigte über keine (ausreichenden) Einkünfte verfüge, sei er als selbsterhaltungsfähig anzusehen, wenn er eine abgeschlossene Berufsausbildung aufweise. Der Sohn behaupte, seine Lehrausbildung als Kellner mit Februar 1991 abgeschlossen zu haben, und beabsichtige, von diesem Zeitpunkt an das Bundesgymnasium für Berufstätige zu besuchen, um dort die Reifeprüfung abzulegen und daran anschließend ein Universitätsstudium zu beginnen. Angesichts seiner mit März 1991 eingetretenen Selbsterhaltungsfähigkeit könne die Unterhaltspflicht seiner Mutter nur dann wiederaufleben, wenn er zur Ausübung des erlernten Berufes außerstande sei oder wenn eine ihm zuzubilligende Berufsausbildung oder Berufsfortbildung angenommen werde. Mit Rücksicht auf die Selbsterhaltungsfähigkeit des Minderjährigen sei jedoch ein strengerer Maßstab anzulegen als im Regelfall. Jedenfalls müsse die besondere Eignung des Kindes für die angestrebte Ausbildung und die sichere Erwartung eines besseren Fortkommens im neuen Beruf gewährleistet sein; es müßten insbesondere entsprechende Leistungsgarantien vorliegen. Da der Minderjährige nicht einmal ein konkretes Berufsziel genannt habe, für das die Reifeprüfung oder gar das Universitätsstudium notwendig sei, könne der derzeit nicht nachvollziehbare Gesinnungswandel des Minderjährigen nicht dazu führen, daß die Unterhaltspflicht der Mutter wiederauflebe. Somit sei die Unterhaltsverpflichtung der Mutter ihrem Sohn gegenüber mit 28.2.1991 als erloschen zu beurteilen.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der beiden Minderjährigen ist bloß, soweit er von der Tochter ergriffen wurde, teilweise berechtigt. Die beiden beantragten in dem von ihrem Vater selbst eingebrachten Rechtsmittel die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses und ferner, "der beantragten Einbeziehung der Ausgleichszahlung in der Höhe von rund S 500.000 Folge zu geben"; aus dem Zusammenhang ist jedoch mit der gebotenen Deutlichkeit erkennbar, daß die Minderjährigen damit die Abänderung des rekursgerichtlichen Beschlusses im Sinne der Stattgebung ihres Antrages auf Erhöhung der monatlichen Unterhaltsverpflichtung der Mutter vom 1.11.1987 an auf je S 5.000 anstreben.

Das Rechtsmittel wendet sich einerseits gegen die Ausscheidung der Ausgleichszahlung aus der Bemessungsgrundlage und andererseits gegen die Enthebung der Mutter von ihrer Unterhaltsverpflichtung vom Abschluß der Kellnerlehre an; schließlich sind die beiden auch der Auffassung, das Rekursgericht hätte auch bei der von ihm angenommenen Bemessungsgrundlage die vom Erstgericht festgesetzten Unterhaltsbeträge nicht herabsetzen dürfen. Berechtigt sind die Rechtsmittelausführungen nur soweit, als das Rekursgericht bei der Bemessung der Unterhaltsverpflichtung der Mutter ihrer Tochter gegenüber nicht auf deren Befreiung von der Leistungspflicht gegenüber ihrem Sohn Bedacht genommen hat:

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Minderjährigen auf ihrem Standpunkt beharren, die Ausgleichszahlung des Vaters sei in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, übersehen sie den Zweck solcher Leistungen. Gemäß § 94 Abs.1 EheG hat das Gericht einem Ehegatten eine billige Ausgleichszahlung an den anderen aufzuerlegen, soweit im Verfahren eine Aufteilung nach den vorangehenden Bestimmungen nicht erzielt werden kann. Ausgleichszahlungen kommen demgemäß überhaupt nur dann in Betracht, wenn die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse sonst zu einem für einen Ehegatten unbilligen Ergebnis führte. Kommt es im Aufteilungsverfahren schon an sich darauf an, den früheren Ehegatten die bisherigen Lebensgrundlagen möglichst zu bewahren, ihnen den Beginn eines neuen Lebensabschnitts tunlichst zu erleichtern (JBl. 1982, 231 uva) und die Folgen der Scheidung damit in wirtschaftlicher Hinsicht in einer vom Standpunkt beider Ehegatten aus möglichst ausgeglichenen Weise zu regeln (EvBl. 1981/49 uva), so soll die Ausgleichszahlung im besonderen beiden Teilen die wirtschaftliche Grundlage bei nunmehr getrennter Lebensführung sichern (EFSlg. 38.907 uva); in Fällen, in welchen - wie im vorliegenden Fall - die Ehewohnung einem der Ehegatten überlassen wird, ist es - wenn anderweitig kein angemessener Ausgleich geschaffen werden kann - Gebot der Billigkeit, daß der Ehegatte, der die Wohnung erhält, bzw. behält, durch die ihm auferlegte Geldzahlung den anderen bei der Beschaffung und der Einrichtung einer neuen Wohnung unterstützt (RZ 1983/16 ua). Aus diesem vom Gesetzgeber der Ausgleichszahlung im Regelfall zugedachten Zweck schloß die zweitinstanzliche Judikatur (EFSlg. 35.465, 30.851 ua) zutreffend, daß diese Zahlung in die Bemessungsgrundlage nicht einzubeziehen sei, weil sie in den allermeisten Fällen zur Beschaffung einer Ersatzwohnung, deren Einrichtung und ganz allgemein auch zur Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen verwendet werden muß. Die Vorinstanzen haben auch festgestellt, daß die Mutter die ihr vom Vater überlassenen Mittel auch tatsächlich zur Abdeckung von Wohnungskrediten und im übrigen zur Bestreitung der ihr aufgelaufenen Verfahrenskosten verwendet hat, sodaß sie gar nicht - wie dies die Minderjährigen fordern - imstande gewesen wäre, die Mittel der Ausgleichszahlung abweichend von deren Zweckbestimmung zinsbringend anzulegen. Soweit sich die Rechtsmittelwerber gegen die Richtigkeit dieser Feststellungen wenden, bekämpfen sie die in dritter Instanz nicht mehr anfechtbare Sachverhaltsgrundlage (§ 15 AußStrG). Zu Recht haben die Vorinstanzen demnach die Ausgleichszahlung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht miteinbezogen.

Zutreffend hat das Rekursgericht auch die Mutter der Unterhaltspflicht ihrem Sohn gegenüber enthoben. Der Vater brachte am 11.2.1991 - also wenige Tage vor der erstinstanzlichen Beschlußfassung - vor, der Minderjährige beende in diesen Tagen die Lehrlingsausbildung mit der Lehrabschlußprüfung Anfang März, trete aber schon am 27.2.1991 in das Bundesgymnasium für Berufstätige in Linz ein und werde daher ab 1.3.1991 "aus Ausbildungsgründen" kein Einkommen mehr haben. Sein Sohn werde "aus erzieherischen Gründen" neben der Schule keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen. Erst im Revisionsrekurs behauptete der Minderjährige, "in der Familie" stehe die "Übernahme bzw. Eröffnung eines 80-Betten-Hotels in absehbarer Zeit" bevor. Aufnahmeerfordernis des Bundesgymnasiums für Berufstätige sei entweder die Ausübung einer Berufstätigkeit oder die abgeschlossene Berufausbildung des Schülers. Abgesehen davon, daß dieses Vorbringen als Neuerung auch im Verfahren außer Streitsachen unbeachtlich ist (SZ 46/88 uva), brachte der Minderjährige auch im Revisionsrekurs nicht vor, weshalb er den erlernten und gewiß einträglichen Beruf als Kellner nicht neben dem Schulbesuch ausübe, obwohl für Berufstätige ein entsprechender Ausbildungsgang vorgesehen sei.

Nun trifft es zwar zu, daß der Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit davon abhängt, wann das Kind imstande ist, die Mittel zur Bestreitung des seinen Lebensverhältnissen und jener seiner Eltern entsprechenden Unterhalt durch Arbeit selbst zu verdienen; ist der Sohn aber bereits selbsterhaltungsfähig, weil er - seinem eigenen Vorbringen zufolge - über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt (Schlemmer/Schwimann in Schwimann, ABGB § 140 Rz 105 und 110), kann ihm gegen den Willen der geldalimentationspflichtigen Mutter eine zusätzliche Ausbildung, die diese zu weiteren Unterhaltsleistungen nötigte, nur bei besonderer Eignung für diesen Beruf und die sichere Erwartung eines besseren Fortkommens zugebilligt werden (EFSlg. 43.179/2; SZ 51/90 uva; Pichler in Rummel, ABGB2 § 140 Rz 12 a; Schlemmer/Schwimann aaO Rz 111). Das kann aber - wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat - gar nicht erst geprüft werden, wenn der Minderjährige in seinem in dritter Instanz zu beachtenden Vorbringen nicht einmal das mit dem Besuch des Bundesgymnasiums angestrebte neue Berufsziel genannt und selbst noch im Revisionsrekurs keine Gründe dafür angegeben hat, weshalb er nicht die Schule neben der erlernten Berufstätigkeit besuchen will, obgleich dieser Schultyp gerade für Berufstätige eingerichtet wurde. Der Minderjährige ist deshalb vom 1.3.1991 an - wie das Rekursgericht richtig erkannte - als selbsterhaltungsfähig anzusehen, sodaß das Gericht zweiter Instanz die Mutter ihrer Unterhaltspflicht ihm gegenüber von diesem Zeitpunkt an zu Recht enthoben hat. Soweit der Minderjährige im Rechtsmittel den Zeitpunkt kritisiert, weil er erst im Verlauf des März 1991 die Lehrabschlußprüfung abgelegt habe, ist er darauf zu verweisen, daß er selbst im erstinstanzlichen Verfahren vorbrachte, er werde vom 27.2.1991 an das Bundesgymnasium für Berufstätige in Linz besuchen und damit die Lehrlingsausbildung beenden.

Da die Minderjährigen höhere Unterhaltsbeträge auch schon nach der von den Vorinstanzen ermittelten Bemessungsgrundlage begehren, ist auch noch zu prüfen, ob die Vorinstanzen die Leistungsfähigkeit der Mutter in ausreichendem Ausmaß angespannt bzw. ihr zu Unrecht nur eine Teilzeitbeschäftigung als Krankenschwester zugemutet haben. Wie Schlemmer/Schwimann (aaO Rz 58) unter Berufung auf zweitinstanzliche Rechtsprechung zu Recht anführen, sind die Unterhaltsansprüche von Kindern aus zwei oder mehreren Ehen einander grundsätzlich gleichrangig. Je umfangreicher die Sorgepflichten sind, desto strengere Anforderungen sind an die Anspannung des Unterhaltspflichtigen zu stellen. Erfüllt der den Kindern aus erster Ehe zum Geldunterhalt verpflichtete Elternteil seine Unterhaltsverpflichtung den Kindern aus der zweiten Ehe durch deren vollständige Betreuung im Haushalt, muß er seine Lebensverhältnisse derart gestalten, daß er sowohl seiner Geldalimentations- wie auch seiner Betreuungspflicht angemessen nachkommen kann. Es liefe in der Tat dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwider, ließe er den Kindern aus der zweiten Ehe die volle Unterhaltsleistung in Form der häuslichen Betreuung zuteil werden, während er den Kindern aus der Vorehe den Geldunterhalt unter Berufung auf seine Einkommenslosigkeit verwehrte. Kann dem Elternteil angesichts der Größe des von ihm versorgten Haushalts sowie der Anzahl und des Alters der von ihm in diesem Haushalt betreuten Kinder eine Erwerbstätigkeit zugemutet werden, so ist bei deren Nichtausübung von jenem fiktiven Einkommen auszugehen, das dieser Elternteil vermöge seiner Berufsausbildung und der Arbeitsmarktverhältnisse zu erzielen imstande wäre. Die Vorinstanzen haben der Mutter eine Teilzeitbeschäftigung in dem Beruf, in dem sie ausgebildet ist, von der Vollendung des dritten Lebensjahres ihres jüngsten Kindes an zugemutet; diese Auffassung bekämpft die Mutter in dritter Instanz nicht mehr. Die Minderjährigen stellen sich dagegen auf den Standpunkt, der Mutter sei angesichts des Alters ihrer Kinder aus der zweiten Ehe eine Vollzeitbeschäftigung zuzumuten. Berücksichtigt man indessen, daß die Mutter für den Haushalt zu sorgen und zwei Kinder von elf und neun Jahren zu betreuen hat, gerade der Krankenpflegedienst überaus große Belastungen mit sich bringt und der Ehegatte außerdem an weit entferntem Ort tätig und berufsbedingt genötigt ist, dort häufig zu nächtigen, hieße es die Mutter überfordern, würde man ihr die Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung als Krankenschwester abverlangen. Zu Recht haben die Vorinstanzen deshalb ihre Leistungsfähigkeit nur so weit angespannt, als sie ihr eine Teilzeitbeschäftigung zumuteten.

Die Mutter muß die Kinder aus erster Ehe an ihrem (fiktiven) Einkommen nur angemessen teilhaben lassen. Es ist zwar richtig, daß die Kinder in ihren Unterhaltsansprüchen wegen der weiteren Sorgepflichten für die Kinder aus der zweiten Ehe keine Kürzung hinnehmen müssen, weil die Mutter durch deren Betreuung ihren Anteil leistet, doch bedeutet dies noch nicht, daß deshalb die sonst anzuwendenden Bemessungskriterien außer Betracht bleiben müßten. Das Rekursgericht nahm bei seiner Bemessung sowohl auf das gewachsene (fiktive) Einkommen der Mutter wie auch auf das Alter und den damit steigenden Bedarf der beiden Minderjährigen und schließlich auch auf die gleichfalls immer wieder gestiegene Lehrlingsentschädigung des Sohnes, die, soweit sie die Ausbildungskosten übersteigt, als eigene Einkünfte des Sohnes im Sinne des § 140 Abs.3 ABGB zu beurteilen ist, angemessen Bedacht; in welchen Belangen das Gericht zweiter Instanz tragende Bemessungsgrundsätze verletzt haben sollte, kann den Revisionsrekursausführungen nicht entnommen werden. Die Behauptung, das Rekursgericht habe das Einkommen der Mutter vor Ermittlung der Bemessungsgrundlage um ein Drittel gekürzt, ist aktenwidrig; diese Kürzung betrifft lediglich die (fiktiven) Kindergarten- und Hortkosten, von welchen das Gericht zweiter Instanz ein Drittel der Mutter aufbürdete, sodaß dieser Betrag von der Bemessungsgrundlage abzuziehen sei.

Das Rekursgericht hat jedoch bei der Staffelung der von ihm festgesetzten Unterhaltsbeträge übersehen, daß die Mutter vom 1.3.1991 an der Unterhaltsverpflichtung ihrem Sohn gegenüber enthoben und seither nur mehr von der Geldalimentationspflicht für ihre Tochter betroffen ist. Mit Rücksicht auf die dadurch gesteigerte Leistungsfähigkeit der Mutter erscheint es angemessen, den Unterhaltsbetrag für Anna Maria vom 1.3.1991 auf monatlich S 2.500 zu erhöhen.

Lediglich in diesem Umfang kommt dem Revisionsrekurs im Ergebnis Berechtigung zu.

Anmerkung

E26552

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00595.91.0918.000

Dokumentnummer

JJT_19910918_OGH0002_0010OB00595_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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