TE Vwgh Erkenntnis 2005/12/22 2004/07/0133

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Veröffentlicht am 22.12.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AVG §38 impl;
AVG §68 Abs1 impl;
AWG 2002 §37 Abs4;
AWG 2002 §37;
AWG 2002 §38 Abs6;
AWG 2002 §38 Abs7;
AWG 2002 §51 Abs3;
AWG 2002 §51 Abs4 idF 2004/I/155;
AWG 2002 §51;
AWG 2002 §6 Abs6 idF 2004/I/155;
AWG 2002 §6 Abs6 Z3 idF 2004/I/155;
AWG 2002 §6;
AWG 2002;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Chlup, über die Beschwerde der M-GmbH Schwanberg, vertreten durch Eisenberger & Herzog, Rechtsanwaltssozietät in 8010 Graz, Hilmgasse 10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 23. Juni 2004, FA13A-3810 65-04/351 (mitbeteiligte Partei: Umweltanwalt für Steiermark, Stempfergasse 7, 8010 Graz), betreffend eine Feststellung nach § 6 Abs. 6 Z 3 AWG 2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 18. August 2003 beantragte die Beschwerdeführerin unter anderem für die (gemäß § 77 Abs. 2 AWG 2002 übergeleitete) Abfallbehandlungsanlage auf dem Grundstück Nr. 1362 KG S im Rahmen eines Anzeigeverfahrens nach § 37 Abs. 4 Z 1 und Z 3 AWG 2002 die Kenntnisnahme von näher dargestellten Änderungsmaßnahmen zur Anpassung an den Stand der Technik, sofern sie keine wesentliche Änderung darstellt, sowie den Ersatz von Maschinen, Geräten und Ausstattungen durch in den Auswirkungen gleichartige Maschinen, Geräte oder Ausstattungen.

Darüber fand am 26. November 2003 eine mündliche Verhandlung statt.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark (LH) vom 31. März 2004 wurden mit Spruchpunkt I näher dargestellte Maßnahmen genehmigend zur Kenntnis genommen, mit Spruchpunkt II wurde eine Bewilligung nach § 38 AWG 2002, mit Spruchpunkt III wurde eine baubehördliche Bewilligung erteilt.

Spruchpunkt IV dieses Bescheides hat folgenden Wortlaut:

"IV.

Gemäß § 51 Abs. 3 i.V.m. § 6 Abs. 6 Z 3 AWG 2003 wird festgestellt,

dass die angezeigten Maßnahmen betreffend

1. Änderungen bei den Raffinationskesseln zur Steigerung der Energieeffizienz bzw. zur Erleichterung der Betriebsführung

2. die Installierung einer Gießbandanlage und eines Gießkarussells sowie einer Lötzinnstranggießanlage zum weitestgehend automatisierten Abgießen der Bleischmelze aus den Raffinationskesseln

3. die Umstellung auf maximal mögliche geschlossene Manipulation staubbildender Einsatzstoffe

4. die Installation eines Kühlwasserkreislaufes für die Brenner und Kokillenkühlung zur Begrenzung des Wasserverbrauches und die sich daraus ergebende Anhebung der hydraulischen Fracht des Abwassers durch das anfallende Abschlämmwasser um 0,6 m3 pro Tag

5. die Nachrüstung der Überdachungen

nicht geeignet sind, im Rahmen eines Anzeigeverfahrens gemäß § 37 Abs. 4 AWG zur Kenntnis genommen zu werden.

Für diese Anlagenteile ist bis spätestens 30. Juni 2004 unter Vorlage eines entsprechenden Projektantrages um abfallrechtliche Genehmigung gemäß § 37 Abs. 1 AWG anzusuchen."

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat für Steiermark und machte geltend, für die in Spruchpunkt IV genannten Maßnahmen (Maßnahmen 1 bis 5) bestehe keine Genehmigungspflicht, sondern lediglich eine Anzeigepflicht gemäß § 37 Abs. 4 Z 1 in Verbindung mit Z 3 AWG 2002. In weiterer Folge ihrer Berufung nahm sie zu den einzelnen Maßnahmen des Spruchpunktes IV Stellung. Zu Punkt 3 des Spruchteiles IV führte die Beschwerdeführerin aus, die beantragte Installation der Staubfilteranlage würde zwar ebenfalls eine Verringerung der Emission aus der Anlage bedeuten, da jedoch auch ohne diese Anlage die MAK-Werte für Staub eingehalten werden könnten, verzichte sie bis auf weiteres auf die Errichtung einer Staubfilteranlage, zumal ohnehin staubende Einsatzstoffe in geschlossenen Behältern und Big Bags angeliefert würden und die Zusatzstoffe (Hüttenkoks und Eisenzunder) keine Staubentwicklung mit sich brächten.

Zu Punkt 4 des Spruchpunktes IV meinte die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat, sie hätte auf die Einleitung des anfallenden Abschlämmwassers in den Vorfluter anlässlich der Verhandlung am 16. Dezember 2003 ausdrücklich verzichtet und dargelegt, dass dieses Abschlämmwasser auf Grund eines Indirekteinleitervertrages in die Kläranlage abgeleitet werde. Sie ersuche daher nicht um die Errichtung eines Kühlturmes.

Eine Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates über diese Berufung steht noch aus.

Der Umweltanwalt für das Land Steiermark hatte sich mit Antrag vom 8. März 2004 an den Landeshauptmann gewandt und unter Bezugnahme auf die Verhandlungsschrift vom 26. November 2003 gemäß § 6 Abs. 6 Z 3 AWG 2002 die bescheidmäßige Feststellung beantragt, dass zumindest die Anlagenteile des Raffinationsbereiches (Schmelzkessel, Abgießanlage, Ablufterfassungs- und Abluftreinigungsanlage) der Beschwerdeführerin einer Genehmigungspflicht nach § 37 Abs. 1 AWG 2002 unterworfen seien, da in der gegenständlichen Abfallbehandlungsanlage gefährliche Abfälle verwertet würden. Bei diesen Anlagenteilen erfolgten wesentliche Änderungen im Sinne des AWG 2002 bzw. seien diese überhaupt nicht genehmigt. Das bisher durchgeführte Anzeigeverfahren nach dem AWG 2002 sei nicht ausreichend.

Mit Schreiben vom 19. April 2004 teilte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin mit, dass der Antrag des Umweltanwaltes durch Spruchpunkt IV des Bescheides der belangten Behörde vom 31. März 2002 überholt erscheine. Sollte die belangte Behörde jedoch die Auffassung vertreten, dass eine sachliche Stellungnahme erforderlich sei, schließe die Beschwerdeführerin eine Kopie der von ihr überreichten Berufung bei und erkläre den Inhalt der Berufung, soweit sie Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides betreffe, zu ihrer Stellungnahme zum Antrag des Umweltanwaltes.

In weiterer Folge wurde der Antrag vom 8. März 2004 an alle im Anzeigeverfahren befassten Sachverständigen mit dem Ersuchen um fachliche Stellungnahme übermittelt.

Seitens des abwassertechnischen Amtssachverständigen wurde mit e-mail vom 13. Mai 2004 mitgeteilt, dass für die wasserrechtlich bewilligungspflichtigen Vorhaben (Installation eines Kühlkreislaufes im Kühlturm) im WRG 1959 kein Anzeigeverfahren vorgesehen sei.

Seitens des emissionsschutztechnischen Amtssachverständigen wurde mit Schreiben vom 24. Mai 2004 festgehalten, dass die gestellte Frage bereits mit dem Bescheid vom 31. März 2004 beantwortet sei.

Der Amtssachverständige für Maschinentechnik gab mit Schreiben vom 19. Mai 2004 eine Stellungnahme dahingehend ab, dass die gesamte Änderung des Raffinationsbereiches als wesentliche Änderung im Sinne des § 2 Abs. 8 AWG 2002 zu qualifizieren sei. Es komme durch die Änderungen an den einzelnen Kesselanlagen zu beträchtlichen Kapazitätsausweitungen. Die Installierung einer Gießbandanlage, eines Gießkarussells sowie einer Lötzinnstranganlage in diesem Bereich sei einerseits mit der Kapazitätserweiterung im vorgelagerten Kesselbereich im Zusammenhang zu sehen. Durch die Kapazitätserhöhung könne es zu erheblichen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt kommen. Andererseits sei auch die zusätzliche Installation von Gießanlagen geeignet, erhebliche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt, jeweils im Vergleich zum genehmigten Zustand, zu bewirken. Zudem sei der technische Zusammenhang der einzelnen Kessel- und Gießeinrichtungen im Raffinationsbereich zu berücksichtigen, wodurch dieser Anlagenteil als Gesamtheit beurteilt werden müsse. So sei auch der Hygieneabluftfilter ein Teil der Gesamtanlage Raffinationsbereich und mit diesem gemeinsam zu beurteilen, zumal in ihm ja auch die Abluft aus der erweiterten bzw. geänderten Anlage gereinigt werden solle.

Technisch könne auch der Einbau von Automationseinrichtungen bis zu einem gewissen Grad als Änderung zur Anpassung an den Stand der Technik gewertet werden. Der Austausch bestehender Maschinen, Geräte und Ausstattungen durch solche mit erhöhter Kapazität könne nicht als gleichartig im Sinne ihrer Auswirkungen gesehen werden, da erhöhte Durchsatzleistungen im Regelfall auch Emissionssteigerungen erwarten ließen. Aus seiner Sicht handle es sich um eine IPPC-Anlage, die durchgeführten Tätigkeiten fielen unter Z 2.5. der IPPC-Richtlinie (96/61/EG), deren Vorgaben in der Anlage 3 Z 2.5 der Gewerbeordnung 1973 umgesetzt worden seien.

Die belangte Behörde holte auch einen Überprüfungsbericht der Umweltinspektion des Landes Steiermark vom 27. Mai 2004 ein. Ein metallurgisches Gutachten von Univ. Prof. Dr. A. vom 19. Mai 2004 stellte eine wesentliche Kapazitätserweiterung des Raffinationskessels von 30 t auf 50 t Fassungsvermögen fest.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 23. Juni 2004 stellte die belangte Behörde gemäß § 6 Abs. 6 Z 3 AWG 2002 fest, dass die Maßnahmen betreffend

1. die Änderungen bei den Raffinationskesseln zur Steigerung der Energieeffizienz bzw. zur Erleichterung der Betriebsführung

2. die Installierung einer Gießbandanlage und eines Gießkarussells sowie einer Lötzinnstranggießanlage zum weitestgehend automatisierten Abgießen der Bleischmelze aus den Raffinationskesseln

3. die Umstellung auf maximal mögliche geschlossene Manipulation staubbildender Einsatzstoffe

4. die Installation eines Kühlwasserkreislaufes für die Brenner und Kokillenkühlung zur Begrenzung des Wasserverbrauches und die sich daraus ergebende Anhebung der hydraulischen Fracht des Abwassers durch das anfallende Abschlämmwasser um 0,6 m3 pro Tag

5. die Nachrüstung der Überdachungen

einer Genehmigungspflicht gemäß § 37 Abs. 1 AWG 2002 unterliegen und nicht geeignet sind, im Rahmen eines Anzeigeverfahrens gemäß § 37 Abs. 4 AWG 2002 zur Kenntnis genommen zu werden.

Dies wurde nach Wiedergabe der entscheidungswesentlichen Rechtsgrundlagen und des kurz gefassten Inhaltes der Sachverständigengutachten damit begründet, dass "auf Grund der schlüssigen Beurteilungen der Sachverständigen im Anzeigeverfahren, welche im Bescheid vom 31. März 2004 dargestellt seien, sowie der in diesem Bescheid dokumentierten Ergänzungen spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die Beschwerdeführerin erstattete eine Gegenäußerung zur Gegenschrift. Die belangte Behörde replizierte.

Der Mitbeteiligte erstattete eine Stellungnahme.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt u.a. vor, die belangte Behörde habe durch die meritorische Entscheidung über den Feststellungsantrag des Umweltanwaltes den Grundsatz "ne bis in idem" verletzt, dem Umweltanwalt fehle das Rechtschutzinteresse für einen Feststellungsantrag nach § 6 Abs. 6 AWG 2002, solange die in Rede stehende Frage in einem anderen Verfahren geklärt werden könne, und es mangle der belangten Behörde an einer Zuständigkeit zu einer solchen Feststellung bei gleichzeitiger Anhängigkeit eines Verfahrens nach § 51 AWG 2002. Schließlich unterlägen die im Spruch bezeichneten Änderungen bei richtiger rechtlicher Beurteilung keiner Genehmigungspflicht, sondern seien anzeigepflichtig.

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des AWG 2002 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 155/2004 haben folgenden Wortlaut:

"Feststellungsbescheide

§ 6. (1) ...

(6) Der Landeshauptmann hat auf Antrag eines Projektwerbers oder des Umweltanwaltes oder von Amts wegen innerhalb von drei Monaten festzustellen, ob

1. eine Anlage der Genehmigungspflicht gemäß § 37 Abs. 1 oder 3 oder gemäß § 52 unterliegt oder eine Ausnahme gemäß § 37 Abs. 2 gegeben ist,

2.

eine Anlage eine IPPC-Behandlungsanlage ist,

3.

eine Änderung einer Behandlungsanlage der Genehmigungspflicht gemäß § 37 Abs. 1 oder 3 unterliegt, oder gemäß § 37 Abs. 4 anzeigepflichtig ist.

Ein ordentliches Rechtsmittel ist nicht zulässig. Parteistellung hat neben dem Projektwerber der Umweltanwalt.

Genehmigungs- und Anzeigepflicht für ortsfeste Behandlungsanlagen

§ 37. (1) Die Errichtung, der Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Behandlungsanlagen bedarf der Genehmigung der Behörde.

(2) ...

(4) Folgende Maßnahmen sind - sofern nicht eine Genehmigungspflicht gemäß Abs. 1 oder 3 vorliegt - der Behörde anzuzeigen:

1.

Eine Änderung zur Anpassung an den Stand der Technik;

2.

die Behandlung oder Lagerung zusätzlicher Abfallarten;

3.

der Ersatz von Maschinen, Geräten oder Ausstattungen durch in den Auswirkungen gleichartige Maschinen, Geräte oder Ausstattungen;

              4.              sonstige Änderungen, die nachteilige Auswirkungen auf den Menschen oder die Umwelt haben können;

5.

eine Unterbrechung des Betriebs;

6.

der Verzicht auf das Recht, bestimmte genehmigte Abfallarten zu behandeln;

              7.              die Auflassung der Behandlungsanlage oder die Stilllegung der Deponie;

              8.              sonstige Änderungen, die nach den gemäß § 38 mit anzuwendenden Vorschriften oder nach dem Baurecht des jeweiligen Bundeslandes anzeigepflichtig sind.

(5) ...

Anzeigeverfahren

§ 51. (1) Maßnahmen gemäß § 37 Abs. 4 Z 1, 2, 4 und 8 sind der Behörde drei Monate vor Durchführung unter Anschluss der Antragsunterlagen gemäß § 39, soweit diese Unterlagen erforderlich sind, anzuzeigen. Die Behörde hat diese Anzeige erforderlichenfalls unter Erteilung der zur Wahrung der Interessen gemäß § 43 geeigneten Aufträge mit Bescheid innerhalb von drei Monaten zur Kenntnis zu nehmen. Dieser Bescheid bildet einen Bestandteil des Genehmigungsbescheides. Mit den Maßnahmen darf erst nach Rechtskraft des Kenntnisnahmebescheides begonnen werden.

§ 56 ist sinngemäß anzuwenden.

(2) Maßnahmen gemäß § 37 Abs. 4 Z 3 und 5 bis 7 sind der Behörde anzuzeigen und können mit Einlangen der Anzeige vorgenommen werden. Auf Antrag hat die Behörde diese Anzeige mit Bescheid zur Kenntnis zu nehmen. Im Fall des § 37 Abs. 4 Z 6 bildet dieser Bescheid einen Bestandteil des Genehmigungsbescheides. Reichen bei Maßnahmen gemäß § 37 Abs. 4 Z 4, 5, 7 oder 8 die vom Inhaber der Behandlungsanlage zur Wahrung der Interessen gemäß § 43 getroffenen Maßnahmen nicht aus, hat die Behörde die erforderlichen Aufträge zu erteilen.

(3) Werden Anzeigen gemäß § 37 Abs. 4 erstattet, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, so hat dies die Behörde - unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens - mit Bescheid festzustellen und die Maßnahmen oder die Tätigkeit, die Gegenstand der Anzeige gemäß § 37 Abs. 4 Z 3 und 5 bis 7 sind, zu untersagen. Neben dem Inhaber der Behandlungsanlage hat das Arbeitsinspektorat gemäß dem Arbeitsinspektionsgesetz 1993 Parteistellung.

(4) Parteistellung im Anzeigeverfahren hat der Inhaber der Behandlungsanlage. Neben dem Inhaber der Behandlungsanlage hat das Arbeitsinspektorat gemäß dem Arbeitsinspektionsgesetz 1993 Parteistellung."

Die Erläuterungen zum AWG 2002 (GP XXI, RV 984, S. 89) führen zur Bestimmung des § 6 aus, dass "im Hinblick auf die Verfahrensbeschleunigung und die Rechtssicherheit ein Feststellungsbescheid betreffend die Genehmigungs- bzw. Anzeigepflicht von Behandlungsanlagen nach diesem Bundesgesetz normiert wird." Zur Feststellung nach § 51 Abs. 3 AWG 2002 findet sich in den Erläuterungen nichts Näheres.

In den Erläuterungen zur AWG-Novelle 2004, BGBl. Nr. 155 (GP XXII, RV 672) findet sich hinsichtlich des durch diese Novelle angefügten letzten Satzes des § 6 Abs. 6 der Hinweis darauf, dass damit klargestellt werde, dass der Umweltanwalt als Antragsteller in allen Feststellungsverfahren gemäß § 6 Abs. 6 AWG 2002 Parteistellung habe. Hinsichtlich des § 51 Abs. 4 leg. cit. führen die Erläuterungen aus, dass klargestellt werde, dass das Arbeitsinspektorat gemäß Arbeitsinspektoratsgesetz in allen Anlagenverfahren gemäß AWG 2002 Parteistellung habe. Diese Bestimmungen seien lediglich deklarativ.

Im vorliegenden Fall wurde eine Feststellung über die Genehmigungs- (und nicht Anzeige)pflicht bestimmter Maßnahmen zum einen in einem nicht rechtskräftigen Bescheid des LH vom 31. März 2004, zum anderen in dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid des LH vom 23. Juni 2004 inhaltsgleich getroffen. Die Anzeige nach §§ 37 Abs. 4 iVm 51 Abs. 1 AWG 2002 erfolgte ungefähr sieben Monate vor der Antragstellung nach § 6 Abs. 6 AWG 2002.

Zu entscheiden ist im vorliegenden Fall das Verhältnis zwischen einer Feststellung nach § 6 Abs. 6 Z 3 AWG 2002, wie sie im angefochtenen Bescheid getroffen wurde, und einer Feststellung gemäß § 51 Abs. 3 AWG 2002, wie sie dem Bescheid vom 31. März 2004 zu Grunde liegt.

Beide Bestimmungen sehen die Erlassung von Feststellungsbescheiden des genannten Inhaltes ausdrücklich vor. Eine nähere Betrachtung des Zweckes der beiden Bestimmungen zeigt Folgendes:

§ 6 AWG 2002 regelt allgemein das Feststellungsverfahren; diese Bestimmung dient - wie auch die Erläuterungen in den Vordergrund stellen - von ihrem Zweck her der Rechtssicherheit und eröffnet in ihrem Absatz 6 die Möglichkeit, losgelöst von einem anhängigen Verfahren, Feststellungen über die Genehmigungs- oder Anzeigepflicht einer Änderung einer Behandlungsanlage zu treffen.

Zweck des § 51 Abs. 3 AWG 2002 ist es hingegen, während eines bereits laufenden Verfahrens das Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen des Anzeigeverfahrens klarzustellen. In diesem Stadium des Verfahrens ist die Behörde, bei der die Maßnahme angezeigt wurde, bereits Herrin des Verfahrens, die die Anzeige- oder Genehmigungspflicht der angezeigten Maßnahmen nach § 37 Abs. 4 AWG 2002 im Rahmen des bei ihr durchzuführenden Verfahrens zu klären hat. Dabei stehen ihr auch zusätzlich Instrumente der Untersagung bestimmter Maßnahmen oder Tätigkeiten zur Verfügung.

Bei einer Feststellung nach § 6 Abs. 6 Z 3 AWG 2002, ob hinsichtlich einer gemäß § 37 Abs. 4 AWG 2002 angezeigten Änderung einer Behandlungsanlage Genehmigungs- oder Anzeigepflicht vorliegt, handelt es sich nun zwar inhaltlich um die gleiche rechtliche Beurteilung wie bei einer Feststellung nach § 51 Abs. 3 leg. cit., aber dennoch nicht um die gleiche Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG.

Die mangelnde Identität zeigt sich insbesondere darin, dass die Zuständigkeit zur Erlassung eines solchen Feststellungsbescheides unterschiedlich geregelt ist. Wird bei einer Feststellung nach § 6 immer der Landeshauptmann tätig, ist zu einer Feststellung nach § 51 Abs. 3 AWG 2002 hingegen die Anlagenbehörde, somit entweder die Bezirksverwaltungsbehörde oder der Landeshauptmann, berufen; in den beiden Verfahren ist zudem auch der Parteienkreis unterschiedlich geregelt.

Handelt es sich aber um verschiedene Verfahren, kann auch vom Vorliegen entschiedener Sache - dies wurde im Verfahren von der Beschwerdeführerin vorgebracht - und von einem Verstoß gegen den Grundsatz "ne bis in idem" nicht die Rede sein. Es liegt aber auch eine Vorfragensituation im Sinne des § 38 AVG nicht vor, weil die beiden Bestimmungen Feststellungen des genannten Inhaltes zur Hauptfrage der jeweils einschreitenden Behörde machen, eine Vorfrage im Verständnis des § 38 AVG somit von keiner der einschreitenden Behörden zu lösen ist.

Vor diesem Hintergrund stellt sich nun die von der Beschwerdeführerin in ihrer Gegenäußerung aufgeworfene Frage, ob eine Feststellung nach § 6 Abs. 6 Z 3 AWG 2002 auch dann noch zulässig ist, wenn bereits ein Verfahren nach § 51 AWG 2002 anhängig und der Behörde somit die Möglichkeit einer Feststellung nach § 51 Abs. 3 leg. cit. eröffnet ist.

Zweck sowohl eines Anzeigeverfahrens als auch eines Feststellungsverfahrens ist im Ergebnis die Prüfung, ob eine Maßnahme anzeigepflichtig oder genehmigungspflichtig ist. Damit verfolgt aber das Feststellungsverfahren den selben Zweck wie das Anzeigeverfahren und ist daher neben einem schon eingeleiteten Anzeigeverfahren überflüssig bzw., wie noch darzulegen sein wird, der Rechtssicherheit sogar abträglich.

Dass es nun aber notwendig wäre, während eines Verfahrens über eine Anzeige neben der dort vorgesehenen Feststellung nach § 51 Abs. 3 AWG 2002 noch zusätzlich eine Feststellung nach § 6 Abs. 6 Z 3 AWG 2002 zu ermöglichen, ist nicht erkennbar. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, er habe eine überflüssige bzw. sogar der Rechtssicherheit abträgliche Parallelführung zweier Verfahren, die beide dem selben Zweck dienen, anordnen wollen. Daraus folgt, dass die Durchführung eines Feststellungsverfahrens und die Erlassung eines Feststellungsbescheides nach § 6 Abs. 6 Z 3 AWG 2002 jedenfalls dann nicht zulässig sind, wenn - so wie im Beschwerdefall - im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Anzeigeverfahren anhängig ist.

Ein weiteres Argument dafür, dass ein Feststellungsverfahren nach § 6 Abs. 6 Z 3 AWG 2002 während eines Anzeigeverfahrens nicht zulässig ist, ergibt sich auch aus folgenden Überlegungen:

Für das Anzeigeverfahren ist in erster Instanz teils die Bezirksverwaltungsbehörde (§ 38 Abs. 7 AWG 2002), teils der Landeshauptmann zuständig (§ 38 Abs. 6 AWG 2002). Für das Feststellungsverfahren nach § 6 AWG 2002 ist ausschließlich der Landeshauptmann zuständig.

Gegen Bescheide des Landeshauptmannes im Feststellungsverfahren gibt es kein ordentliches Rechtsmittel, sondern nur die Beschwerde an die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts. Im Anzeigeverfahren hingegen steht die Berufung an die Berufungsbehörde offen.

Diese Unterschiedlichkeit in den Behördenzuständigkeiten und in den Rechtsmittelzügen birgt die Gefahr divergenter Entscheidungen im Anzeigeverfahren auf der einen und im Feststellungsverfahren nach § 6 AWG 2002 auf der anderen Seite in sich. Abgesehen davon ist auch nicht ausgeschlossen, dass auch dann, wenn in erster Instanz der Landeshauptmann für beide Verfahren zuständig ist, die Entscheidungen divergent ausfallen; dies insbesondere dann, wenn das Anzeigeverfahren zur Wahrung der Frist des § 73 AVG bereits abgeschlossen werden muss, im Feststellungsverfahren dann aber neue Argumente vorgebracht werden.

Die Gefahr divergenter Entscheidungen und die damit verbundene Rechtsunsicherheit sprechen dafür, eine Parallelführung von Anzeige- und Feststellungsverfahren nicht zuzulassen.

Die Gefahr, dass die Behörde bei dieser Lösung eine dem Gesetz nicht entsprechende Lösung trifft, ohne dass der Umweltanwalt eingreifen kann - in diese Richtung gingen die Bedenken der mitbeteiligten Partei und der belangten Behörde -, besteht nicht.

Die Situation des Umweltanwaltes ist ähnlich der eines Nachbarn im Anzeigeverfahren nach den Bauordnungen oder eines Nachbarn im vereinfachten Verfahren nach § 50 AWG 2002. In beiden Fällen hat die Rechtsprechung eine Lösung entwickelt, die es den Nachbarn trotz ihrer mangelnden Parteistellung ermöglicht, sich gegen eine behördliche Entscheidung, die zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen des Anzeigeverfahrens bzw. des vereinfachten Verfahrens annimmt, zur Wehr zu setzen (vgl. für das vereinfachte Verfahren das Erkenntnis vom 23. September 2004, 2004/07/0055 sowie das Erkenntnis vom 19. November 1996, 95/05/0180 zum Baurecht).

§ 6 Abs. 6 Z 3 AWG 2002 ermöglicht es dem Umweltanwalt, die Feststellung der Genehmigungspflicht einer Maßnahme zu beantragen, wenn die Behörde - nach Meinung des Umweltanwaltes zu Unrecht - ein Anzeigeverfahren durch Kenntnisnahme der Anzeige abgeschlossen hat. Ein in diesem auf das Anzeigeverfahren folgender Bescheid, mit dem die Genehmigungspflicht festgestellt wird, derogiert dem vorgehenden Bescheid im Anzeigeverfahren.

Eine Verschlechterung der Rechtsposition des Umweltanwaltes liegt daher im Ergebnis nicht vor.

Aus dem Vorgesagten folgt, dass die mit dem angefochtenen Bescheid getroffene, auf § 6 Abs. 6 Z 3 AWG 2002 gestützte Feststellung über die Genehmigungspflicht angezeigter Maßnahmen nicht zulässig war, weil im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren über eine Anzeige nach §§ 37 und 51 AWG 2002 anhängig war, das im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht rechtskräftig entschieden war.

Es erübrigte sich daher ein Eingehen darauf, ob angesichts des Inhaltes der - zum Gegenstand ihres Vorbringens im gegenständlichen Verfahren erklärten - Berufung der Beschwerdeführerin, mit der eine Einschränkung der geplanten Maßnahmen (in Punkt 3 und 4) vorgenommen wurde, eine uneingeschränkte Feststellung der Genehmigungspflicht dieser Maßnahmen überhaupt noch zulässig war.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 22. Dezember 2005

Schlagworte

Besondere RechtsgebieteAuslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004070133.X00

Im RIS seit

30.01.2006

Zuletzt aktualisiert am

07.11.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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