Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****verband *****, vertreten durch Dr.Wilhelm Grünauer und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei A*****-Verband *****, vertreten durch Dr.Hartmut Ramsauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 100.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 18. Juni 1991, GZ 3 R 162/91-8, womit der Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 7.Mai 1991, GZ 9 Cg 144/91-4, abgeändert wurde, den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig, die beklagte Partei die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der Kläger ist ein nach Art XI KaisV v 10.12.1914 RGBl 337 über die Einführung einer Konkursordnung, einer Ausgleichsordnung und einer Anfechtungsordnung (EV) idF des IRÄG BGBl 1982/370 bevorrechteter Gläubigerschutzverband. Der Beklagte ist ein - seit 17.10.1990 bestehender - Verein zur Wahrung der Gläubigerinteressen seiner Mitglieder. Um die Bevorrechtung als Gläubigerschutzverband hat er bisher ua deshalb nicht angesucht, weil er die in Art XI Abs 1 EV genannte Voraussetzung einer mindestens zweijährigen erfolgreichen Betätigung auf dem Gebiet des Gläubigerschutzes noch nicht erfüllt.
In zahlreichen aus der Kanzlei des Beklagtenvertreters stammenden Eingaben, insbesondere Forderungsanmeldungen, in verschiedenen Insolvenzverfahren wurde der Beklagte mit den Worten "vertreten durch...." als Vertreter von Gläubigern angeführt; darunter wurde mit den Worten "dieser vertreten durch...." oder "beide vertreten durch..." auf das Vertretungsverhältnis zum Beklagtenvertreter hingewiesen. Die Eingaben trugen jeweils nur die Unterschrift des Beklagtenvertreters. In allen diesen Fällen bestanden (auch) direkte Vollmachtsverhältnisse zwischen den Gläubigern und dem Beklagtenvertreter.
Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt der Kläger, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu gebieten, die gerichtliche Geltendmachung von Forderungen seiner Auftraggeber, insbesondere Forderungsanmeldungen in Insolvenzverfahren, zu unterlassen. Auf Grund der Angaben in den Forderungsanmeldungen sei der Beklagte als Vertreter von Gläubigern in Insolvenzverfahren eingeschritten. Der von ihm eingenommene Standpunkt, daß der die Forderungsanmeldungen unterfertigende Anwalt als Parteienvertreter anzusehen sei, sei unrichtig. Der Beklagte weise sich auch gegenüber Masseverwaltern als Vertreter von Gläubigern in Insolvenzverfahren aus; er biete sich unter Bekanntgabe der Kosten als Vertreter in Insolvenzverfahren an und habe zum 1.10.1990 einen Tarif für seine Vertretungskosten herausgegeben.
Der Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrages. Die von ihm übernommene Vertretung von Gläubigern im Zuge von Insolvenzverfahren verstoße nicht gegen das Gesetz; er übe nur Tätigkeiten auf dem Gebiet des Gläubigerschutzes aus, die - bei entsprechender Dauer und entsprechendem Erfolg - Voraussetzung für die Erlangung der Bevorrechtung im Sinne des Art XI EV sind. Als Vertreter von Gläubigern in gerichtlichen Insolvenzverfahren schreite der Beklagte nicht ein. In den vom Kläger beanstandeten Forderungsanmeldungen sei der Beklagte zwar - in unrichtiger Weise - als Vertreter der Glaubiger angeführt worden, tatsächlich habe jedoch der Beklagtenvertreter die Forderungsanmeldungen verfaßt; dieser sei infolge Auftrages des Beklagten oder direkten Auftrages der Gläubiger eingeschritten. In allen Fällen hätten aber die Gläubiger dem Beklagtenvertreter eine Vollmacht erteilt. Seit einige Gerichte Verbesserungsaufträge erteilt hätten, sei die Angabe, daß der Beklagte durch den angeführten Rechtsanwalt vertreten sei, durch die Angabe ersetzt worden, daß sowohl der einschreitende Gläubiger als auch der Beklagte durch diesen Anwalt vertreten seien; damit sei klargestellt worden, daß der Gläubiger direkt durch den Rechtsanwalt vertreten werde. Daraus, daß der Beklagte in einigen Schriftsätzen als Vertreter angezeigt wurde, dürfe nicht abgeleitet werden, daß der Beklagte diese Forderungsanmeldungen selbst vorgenommen habe. Auch ein schuldhafter Verstoß gegen die Vorschriften über die Vertretung von Gläubigern in Insolvenzsachen liege nicht vor. Die Angaben über das Vertretungsverhältnis in den Schriftsätzen seien im übrigen nicht in Wettbewerbsabsicht gemacht worden.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Der Beklagte habe in gerichtlichen Insolvenzverfahren keine Vertretungshandlungen vorgenommen; als Vertreter von Gläubigern vor Gericht sei immer ein Rechtsanwalt eingeschritten. Der Kläger habe somit den behaupteten Anspruch nicht bescheinigt.
Das Rekursgericht verbot dem Beklagten die gerichtliche Geltendmachung von Forderungen seiner Auftraggeber in Insolvenzverfahren, insbesondere durch Forderungsanmeldungen, und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Annahme des Erstgerichtes, es sei nicht bescheinigt worden, daß der Beklagte im Insolvenzverfahren Forderungen für Gläubiger geltend gemacht oder angemeldet habe, sei im Hinblick auf die vorliegenden Urkunden bloß dahin zu verstehen, daß solche Anmeldungen nicht direkt, also ohne Einschaltung eines Rechtsanwaltes, erfolgt wären; in den Forderungsanmeldungen werde jedoch der Beklagte wörtlich als "Vertreter" von Gläubigern angeführt. Daß auch ein Rechtsanwalt als Vertreter des Beklagten oder - später - sowohl des einschreitenden Gläubigers als auch des Beklagten angeführt wurde, ändere nichts daran, daß der Beklagte Gläubiger bei gerichtlichen Forderungsanmeldungen vertreten habe. Da er nicht bevorrechtet sei, verstoße dieses Verhalten gegen die Vertretungsbestimmungen des § 172 Abs 3 KO. Der Beklagte sei zu einer solchen Tätigkeit auch dann nicht berechtigt, wenn er eine Bevorrechtung im Sinne des Art XI EV anstrebe. Dazu müsse er sich zwar mindestens 2 Jahre erfolgreich auf dem Gebiet des Gläubigerschutzes betätigt haben; er dürfe dabei aber nicht als Vertreter von Gläubigern in gerichtlichen Insolvenzverfahren tätig sein. Dieses Verbot könne auch nicht dadurch umgangen werden, daß die Forderungsanmeldungen von einem Rechtsanwalt unterschrieben werden. Der planmäßige Verstoß gegen diese Vertretungsbestimmungen begründe auch einen Verstoß gegen § 1 UWG. Die Voraussetzungen für einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch seien gegeben.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Abweisung des Sicherungsantrages abzuändern.
Der Kläger beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Gemäß § 172 Abs 3 KO (idF des IRÄG), welcher gemäß §§ 76, 91 AO auch im Ausgleichsverfahren und im Vorverfahren gilt, können sich Gläubiger im Insolvenzverfahren auch durch einen bevorrechteten Gläubigerschutzverband vertreten lassen; zur Stellung eines Antrages auf Eröffnung des Konkurses (Ausgleiches) und im Verfahren erster Instanz kann sich der Gläubigerschutzverband, wenn er nicht durch ein satzungsgemäß berufenes Organ vertreten ist, nur eines seiner Bediensteten oder eines gesetzlich befugten Parteienvertreters als Bevollmächtigten bedienen; läßt sich ein Gläubiger zur Erhebung eines Rekurses durch einen Gläubigerschutzverband vertreten, so muß das Rechtsmittel mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehen sein. Mit dieser Bestimmung wurde das Vertretungsrecht bevorrechteter Gläubigerverbände in Insolvenzverfahren nur dahin erweitert, daß es auch im Rechtsmittelverfahren für zulässig erklärt wurde, wobei sich der Verband jedoch - abweichend von der sonst im Insolvenzverfahren geltenden Unabwendbarkeit der Bestimmung über den Anwaltszwang (§ 173 Abs 1 KO) - bei der Rechtsmittelerhebung durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen muß (Chalupsky-Holzapfel-Straberger, Österreichisches Insolvenzrecht 228). Schon durch § 63 a AO und § 173 a KO idF der Novelle 1959 BGBl 253, mit der die Konkurs- und Ausgleichsordnung geändert und ergänzt wurden, war aber eindeutig bestimmt worden, daß nur die bevorrechteten Gläubigerschutzverbände zur Vertretung von Gläubigern in Insolvenzverfahren berechtigt sind und die Vertretung der Gläubiger im Insolvenzverfahren durch einen solchen Gläubigerschutzverband nicht als Winkelschreiberei anzusehen ist (Reimer, Die Stellung der Gläubigerschutzverbände in den österreichischen Insolvenzverfahren, FS 100 Jahre Kreditschutzverband von 1870, 51). Mit Recht ist daher das Rekursgericht davon ausgegangen, daß nicht bevorrechtete Gläubigerschutzverbände zur Vertretung in Insolvenzverfahren nicht befugt sind.
Im vorliegenden Fall wurde der Beklagte in den von einem Rechtsanwalt verfaßten Forderungsanmeldungen als Vertreter von Gläubigern genannt; daß er die einschreitenden Gläubiger in Fragen des Gläubigerschutzes beraten und auch Dritten (zB Masseverwaltern gegenüber) vertreten hat, ist nicht strittig. Der Beklagte ist damit aber, wie das Rekursgericht richtig erkannt hat, in Insolvenzverfahren als Vertreter von Gläubigern aufgetreten, ohne dazu durch § 172 Abs 3 KO berechtigt zu sein. Daß er sich dabei von einem Rechtsanwalt vertreten ließ (so in den früheren Eingaben) oder daß der Rechtsanwalt sowohl die Gläubiger als auch den Beklagten vertrat (so in den späteren Eingaben), ändert nichts an dieser Vertretungstätigkeit des Beklagten.
Mit dem Verstoß gegen Bestimmungen über die Parteienvertretung in gerichtlichen Verfahren hat der Beklagte aber auch § 1 UWG verletzt: Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes verstößt gegen § 1 UWG, wer sich schuldhaft über ein Gesetz hinwegsetzt, um im Wettbewerb einen Vorsprung gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen (MR 1991, 120 mwH). Es kann auch nicht zweifelhaft sein, daß diese Gesetzesverletzung objektiv geeignet war, dem Beklagten einen Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen. Daß aber diese Wettbewerbshandlung des Beklagten auch in der Absicht vorgenommen wurde, damit den eigenen Wettbewerb zu fördern, wird vermutet (SZ 38/79 uva).
Der Auffassung des Beklagten, der Sittenwidrigkeitsvorwurf sei schon deshalb unbegründet, weil seine Ansicht, der in einer Forderungsanmeldung neben einem Rechtsanwalt als weiterer Vertreter des Gläubigers genannte Gläubigerschutzverband sei nicht als Parteienvertreter im gerichtlichen Verfahren anzusehen, durch das Gesetz so weit gedeckt gewesen sei, daß er sie mit gutem Grunde habe vertreten können (ÖBl 1983, 40 uva), steht schon der insoweit klare Wortlaut des § 172 Abs 3 Satz 2 und 3 KO entgegen; ein Gläubigerschutzverband, der Gläubiger in Insolvenzverfahren vertreten hat, ist auch dann Vertreter von Gläubigern in diesem Verfahren, wenn er sich dabei selbst eines befugten Parteienvertreters als Bevollmächtigten bedient hat.
Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf §§ 78, 402 EO; §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO; jene über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung auf § 393 Abs 1 EO.
Anmerkung
E27431European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0040OB00082.91.0924.000Dokumentnummer
JJT_19910924_OGH0002_0040OB00082_9100000_000