Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24.September 1991 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Felzmann, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loub als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rosa W***** wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 15.Februar 1991, GZ 26 Vr 2826/90-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, des Ersten Generalanwaltes Dr. Stöger und des Verteidigers Dr. Molling, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 12.April 1944 geborene Rosa W***** von der wider sie erhobenen Anklage, das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB dadurch begangen zu haben, daß sie am 31.Oktober 1988 in E***** als Postbeamtin mit dem Vorsatz, Maria S***** in ihrem Recht auf ordnungsgemäße Zustellung von Postsendungen zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbrauchte, indem sie ein an Maria S***** adressiertes Paket entgegen den Zustellvorschriften vor der Haustüre (des Wohnhauses der Adressatin) ablegte und zwecks Nachweises der ordnungsgemäßen Übernahme dieses Paketes auf der Zustellkarte die Unterschrift der Mutter der Adressatin, Hermine L*****, nachmachte, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Das Erstgericht verneinte einen - zur Verwirklichung des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt
erforderlichen - Schädigungsvorsatz der Angeklagten (vgl Ersturteil, S 154 und 158 dA) und hielt die durch Nachmachen der Unterschrift der Hermine L***** auf der Zustellkarte vorgenommene Urkundenfälschung, die (richtigerweise bloß) dem Vergehenstatbestand des § 223 Abs. 2 StGB entsprach (vgl hiezu Kienapfel, WK, RN 18 zu § 224 StGB und die dort zitierte Judikatur), aus dem Grund des § 42 StGB für nicht strafwürdig (vgl Ersturteil, S 159 bis 161 dA).
Die gegen diesen Freispruch gerichtete und auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft richtet sich ausdrücklich gegen die ihrer Meinung nach verfehlte Anwendung des § 42 StGB auf das (verbleibende) Delikt der Urkundenfälschung, dessen Verwirklichung durch die Angeklagte sowohl in objektiver als auch in subjektiver Beziehung das Erstgericht an sich angenommen hatte.
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist nicht begründet:
Die Beschwerdeführerin setzt sich über den Urteilsinhalt hinweg, wenn sie in Bekämpfung der vom Erstgericht bejahten geringen Schuld, die der Angeklagten bei der Urkundenfälschung anzulasten sei, davon ausgeht, die Täterin habe hiebei ohne plausiblen Grund gehandelt, wenn ihr als Tatmotiv eine Aversion gegen die Adressatin des von ihr zuzustellenden Paketes unterstellt wird. Denn das Erstgericht nahm ausdrücklich als erwiesen an, daß die Angeklagte angesichts des äußerst gespannten Verhältnisses, das zwischen ihr und der beim selben Postamt tätigen Postamtsleiterin Maria S***** bestand, eine unerquickliche Konfrontation mit der "ihr übelgesinnten" (vgl S 160 dA) Adressatin vermeiden wollte (Ersturteil, S 160, 161 dA). Nach Überzeugung des Erstgerichtes lag somit bei der Fälschung der Unterschrift der Mutter der Adressatin, Hermine L***** (als gleichfalls Empfangsberechtigte), auf der Zustellkarte eine von der Angeklagten als psychische Zwangslage empfundene Situation vor (S 160 dA). Diese für die Annahme einer (deliktsspezifisch atypischen) geringen Schuld im Sinn des § 42 Z 1 StGB tragfähige Begründung im Ersturteil läßt die Staatsanwaltschaft in ihrer Rechtsrüge außer Betracht.
Da das Paket der Adressatin zukam, traten keine Tatfolgen ein. Die Bestrafung der bisher gerichtlich unbescholtenen Angeklagten Rosa W***** (vgl S 29 dA) ist - entgegen der Meinung der beschwerdeführenden Anklagebehörde - auch aus spezial- oder generalpräventiven Gründen nicht geboten, zumal die Tat erst rund zwei Jahre später durch Maria S***** aus ersichtlich ausschließlich persönlichen Gründen bekannt wurde
(vgl Ersturteil, S 160 und 161 dA).
Der Auffassung des Erstgerichtes ist demnach beizutreten, daß die besondere Fallkonstellation die Anwendung des § 42 StGB rechtfertigt.
Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war darum ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E26685European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0110OS00038.91.0924.000Dokumentnummer
JJT_19910924_OGH0002_0110OS00038_9100000_000